Mangel an ABC-Schutzmasken bei der Bundeswehr – Aber Soldaten dürfen sie (vorerst) behalten (Neufassung)
Trotz eines Engpasses an ABC-Schutzmasken ist die Bundeswehr vorerst von dem Plan abgerückt, von Soldaten mit kurzer Dienstzeit bis zum Ausscheiden aus der Truppe die Abgabe dieser Schutzausrüstung zu verlangen. Allerdings soll nun festgestellt werden, wie viele dieser Soldatinnen und Soldaten überhaupt eine solche Maske haben und sie absehbar nicht benötigen. Den derzeitigen Vorrat an ABC-Schutzmasken stuft die Bundeswehr ab Juli als kritisch ein.
Die ABC-Masken zum Schutz vor nuklearen Partikeln, biologischen und chemischen Kampfstoffen gehören zur Grundausstattung jedes Soldaten. Allerdings gibt es bereits seit einiger Zeit Lieferschwierigkeiten für weitere Masken des Typs M2000. Nach Informationen von Augen geradeaus! hatte das zuständige Referat U3.6 Nutzungsmanagement im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) deshalb am 19. Mai das Einsammeln dieser Schutzausrüstung angewiesen: Betroffen davon wären alle die Soldatinnen und Soldaten, deren Dienstzeit bis zum 31. März 2022 endet und die bis dahin nicht in einen Auslandseinsatz oder eine so genannte einsatzgleiche Verpflichtung gehen.
In einer Stellungnahme räumte das Verteidigungsministerium am (heutigen) Donnerstagabend ein, dass es Engpässe bei den Schutzmasken gebe. Von einer Ablieferungspflicht ist aber – zunächst – nicht mehr die Rede. Die Mitteilung im Wortlaut:
Mit dem derzeitigen Depotbestand von ABC-Schutzmasken „M2000“ ist die Ausstattung neu eingestellter Soldatinnen und Soldaten bei gleichzeitigem Vorhalt von Austauschvorräten für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen voraussichtlich ab Juli 2021 als kritisch zu bewerten.
Die erforderliche Ergänzungsbeschaffung von ABC-Schutzmasken „M2000“ ist bereits initiiert.
Derzeit läuft eine Prüfung der Truppenbestände. Darüber hinaus sind Doppelbuchungen festgestellt worden, die nun geklärt werden müssen.
Durch die eingeleitete Überprüfung können nach hiesiger Bewertung weitere ABC-Schutzmasken „M2000“ verfügbar gemacht werden, um den Ausbildungsbetrieb bis zur ersten Lieferung neuer „M2000“ zu gewährleisten.
Parallel zu diesen eingeleiteten Maßnahmen, klären die militärischen Organisationsbereiche den aktuellen Bestand der ABC-Schutzmasken – insbesondere von Soldatinnen und Soldaten ohne Einsatz- und einsatzgleiche Verpflichtungen mit Entlassungsdatum bis 31. März 2022.
Sollte nach dieser Klärung festgestellt werden, dass ABC-Schutzmasken abgegeben werden können, ist auch deren Nutzung möglich.
Oberstes Ziel ist es, die Ausstattung sowie die Ausbildung neu eingestellter Soldatinnen und Soldaten u.a. mit ABC-Schutzmasken sicherzustellen.
Das bedeutet offensichtlich, dass von bis März 2022 ausscheidende Soldatinnen und Soldaten ohne absehbaren Einsatz möglicherweise doch noch die Masken eingesammelt werden – je nachdem, was die Bestandsaufnahme ergibt. (Die zuvor ergangene Weisung war bislang offensichtlich in den Truppenteilen weitgehend noch nicht angekommen.)
Im Februar hatte die Bundeswehr die Lieferung von 95.000 weiteren Schutzmasken dieses Typs ausgeschrieben. Sie sollten ab Juni dieses Jahres geliefert werden; diese Lieferung verzögert sich offensichtlich. Es gibt wohl noch ältere Masken des Typs M65 in den Depots; die Vorteile der M2000 erläuterte aber die Bundeswehr schon 2017 in einem Video:
(Archivbild September 2018: Fallschirmjäger bei der Übung Schneller Adler – Carl Schulze/Bundeswehr)
Heute haben wir die Aufforderung zur Abgabe bekommen.
Diese Armee ist am Ende nur keiner will es wahr haben 😔
[Dazu wüsste ich gerne mehr, ggf. vertraulich per Mail (s. Impressum) – lt. BMVg gibt’s doch eben keine Abgabe, sondern erstmal nur eine Erfassung, wer bis März ausscheidet, nicht in den Einsatz geht und ne Maske hat? T.W.]
„Weiß hier jemand, wie die „Wechselintervalle“ der ABC-Masken bei anderen Nationen aussehen?“
Die Briten tauschten ihr Modell S6/S10/GSR so etwa alle 25 Jahre gegen etwas Neueres.
„Muss? Dichtigkeit/Partikeldurchlässigkeit betreffend.“ Die meisten Wechselfilter haben eine begrenzte Haltbarkeit (S10 min. 3 Jahre), die nicht kontaminierte Maske an sich hält trocken, kalt und dunkel gelagert sehr lange (In meiner PSA-Lehrsammlung sind mehrere grundsätzlich noch brauchbare Masken aus Warschauer-Pakt-Beständen) Versprödungen merkt man bei einer Sichtprüfung, davon ab ist die Partikeldurchlässigkeit von Maskenkörper und Sichtscheiben praktisch erst einmal vernachlässigbar. DAS ÄNDERT SICH BEIM UMGANG MIT LÖSEMITTELN! Unter Umständen kann man die PSA schon nach einer Schicht entsorgen. Die US machten zum Beispiel sehr schlechte Erfahrungen mit Insektenabwehrmitteln.
Meine wiederaufgearbeite 96′ Inducoy-Helmschale macht mir da mehr Sorgen, ein ziviler Bauhelm wird nach spätestens 8 Jahren ausgetauscht, FW-Helme wie der sehr ähnliche Dräger/Schuberth haben 10-15 Jahre Nutzungsdauer.
Das unsägliche „dynamische Verfügbarkeitsmanagment“ feiert offenbar immer noch unfröhliche Urstände.
Man möchte wirklich nicht glauben, daß es im Jahr 2021 und davor nicht möglich gewesen sein soll, ABC-Schutzmasken für jeden (!) Soldaten nebst einem entsprechenden ausreichenden (!) Austauschvorrat zu beschaffen.
Wer immer das zu verantworten hat, ihn möge der Blitz beim … treffen, jetzt und auf der Stelle!
@Michael
Habe meine Maske letzte Woche nach entspr. Aufforderung abgegeben….
Sosehr ich die Selbstverständlichkeit einer ABC/SA Ausstattung aller Soldaten samt Austauschvorrat befürworte, sosehr darf festgestellt werden, seit April 1915, erster Giftgaseinsatz an der Westfront durch deutsche Truppen, besteht hierzulande eine ABC-(Gas) Phobie.
Wurde nach 1918 jemals wieder Giftgas gegen/durch deutsche Truppen eingesetzt?
Ich hatte insgesamt 7 Jahre Auslandsverwendungen, den „ABC-Koffer“ trugen bei jeder Übung nur Deutsche.
Leiden wir also tatsächlich unter unbegründeter, nicht realistischer „Gas-Phobie“?
@ KPK:
In meinem 1. Auslandeinsatz, Operation ACE GUARD, Januar bis März 1991,, hatte mein Verband (FlaRakG 36) nach Diyarbakir in Südostanatolien, ca. 180 km von der irakischen Grenze entfernt, verlegt. In der Endphase des Bodenkriegs im Rahmen der Operation Desert Storm gab es Hinweise und Befürchtungen, dass der Irak seine SCUD, die auch Chemiewaffen tragen konnten, nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen andere Ziele, wie eine mit NATO-Kräften aus BEL, NLD und DEU belegten türkische Luftwaffenbasis einsetzen würde. An einem Tag Ende Februar war am Rande der Basis eine Explosion zu hören, und der dem kontingent unterstellte Spürpanzer aus den ABC-Abwehrbataillon alarmierte den Gefechtsstand, dass chemische Kampfstoffe festgestellt worden seien. Ich kann Ihnen versichern, dass alle Kontingente einschließlich des zu diesem Zeitpunkt beim Kontingent befindliche Team von STERN TV recht froh waren, dass wir mit ABC-Schutzmasken ausgerüstet waren und über zusätzliche Vorräte verfügten.
Nach etwa 1,5 Stunden wurde der Alarm aufgehoben und die Masken abgesetzt. Ursache für den Alarm war „nur“ Hydrazin aus einem kurz vor der Basis abgestürzten amerikanischen Kampfflugzeug auf dem Rückweg von Bagdad.
Korrektur: Hydrazin muss nicht unbedingt stimmen, schließlich ist das alles 30 Jahre her.
@KPK
Ich finde, mit ihrem letzten Kommentar haben sie sich für immer disqualifiziert in Sachen Erfahrungsschatz und Armee-Expertise.
@ Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) 03.06.2021 um 18:40 Uhr
In der Sache stellen Sie eine durchaus berechtigte Frage.
Der eigentliche Skandal, um den es hier – leider wieder einmal! – geht ist aber doch, daß das Beschaffungswesen der Bundeswehr – welche Strukturen und Personen das im einzelnen auch sein mögen – nicht in der Lage – oder bereit? – ist, zeitgerecht und in ausreichender Menge benötigte Ausrüstung zu beschaffen und der Truppe dann auch ebenso zeitgerecht zur Verfügung zu stellen.
Und das nicht bei kompexen Rüstungsprojekten wie neuen Schiffen, Flugzeugen, Hubschraubern, Schützenpanzern oder Sturmgewehren (was ist bei denen eigentlich so komplex?), nein auch bei „Allerweltsartikeln“ der persönlichen Bekleidung und Ausrüstung wie Winterunterwäsche und jetzt eben ABC-Schutzmasken.
Hätten wir ähnliches wie jetzt bei den Schutzmasken nicht schon in der Vergangenheit bei Rucksäcken, Handschuhen und ich weiß nicht was erlebt, könnte man es ja vielleicht noch für eine einmalige Panne halten. Aber nein, dergleichen passiert alle paar Jahre – oder Monate? – in unschöner Regelmäßigkeit wieder und die für die Beschaffung zuständigen Stellen erweisen sich als völlig resistent gegen alle Versuche, daran etwas zu ändern. Es ist zum verzweifeln!
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 03.06.2021 um 18:40 Uhr
„Ich hatte insgesamt 7 Jahre Auslandsverwendungen, den „ABC-Koffer“ trugen bei jeder Übung nur Deutsche.
Leiden wir also tatsächlich unter unbegründeter, nicht realistischer „Gas-Phobie“?“
Nein, tun wir nicht. Letztendlich verfügen alle Armeen innerhalb der NATO über persönliche ABC-Schutzausstattung. Aber wer außer Deutschland und Tschechien verfügt denn noch über entsprechende Kapazitäten in ABC-Abwehr? Das ist teuer und ausbildungsintensiv und vielleicht eine Fähigkeit, die von vielen als entbehrlich angesehen wird. Und das es das „Zeug“ noch gibt, haben die Aktionen des FSB oder die Einsätze von Kampfstoffen im Mittleren und Nahen Osten doch gezeigt. Und die Herstellung ist im Vergleich zu Atomwaffen ein Kinderspiel. Internationale Ächtung hin oder her.
@
Mitleser sagt:
28.05.2021 um 13:46 Uhr
Der Snapdrill würde schon daran scheitern, dass Sie die Truppen dafür gar nicht erreichen des Nachts, da nicht regelmäßig kaserniert. Wer nicht da ist, kann aber auch nicht verlustig gehen ;-)