Afghanistan: Jetzt Abzug bis zum 4. Juli?
Die Pläne der internationalen Truppen für einen Abzug aus Afghanistan könnten noch schneller umgesetzt werden als bislang bekannt. Inzwischen wird offensichtlich ein Abzug bis zum 4. Juli angestrebt – auch das ein symbolisches Datum: Der Unabhängigkeitstag der USA.
Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums teilte dazu am (heutigen) Mittwoch mit:
Zurzeit gehen die Überlegungen im Hauptquartier Resolute Support in Kabul in die Richtung, den Abzugszeitraum zu verkürzen. Es wird der 4. Juli als Abzugsdatum erwogen. Die beteiligten Nationen prüfen zurzeit die daraus resultierenden Herausforderungen und Folgen. Die finale Entscheidung über das reale Enddatum liegt unverändert beim NATO-Rat.
Vor uns steht nun eine fordernde logistische Aufgabe. Aber auf diesen Fall waren wir vorbereitet. Das auch zukünftig noch benötigte Material wird nach Entbehrlichkeit auf der Zeitachse auf dem Luftweg verflogen. Der zur Verfügung stehende Lufttransportraum ist die entscheidende Stellgröße.
Bislang hatte sich die NATO, die die Resolute Support Mission führt, lediglich auf einen Beginn des Abzugs am 1. Mai festgelegt. Zuvor hatten die USA angekündigt, alle ihre Soldaten sollten bis spätestens zum 11. September das Land verlassen, dem 20. Jahrestag der Terrorangriffe auf New York und Washington.
Die Bundeswehr ist derzeit mit rund 1.100 Soldaten in dieser Mission der zweitgrößte Truppensteller; die meisten von ihnen sind in Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans stationiert. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn hatten bislang einen Abzug der deutschen Soldaten bis Mitte August in Aussicht gestellt.
Unklar ist weiterhin, wie die Taliban darauf reagieren, dass eine im vergangenen Jahr mit der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump nicht eingehalten wird: Danach hätten alle internationalen Truppen bis zum 1. Mai vom Hindukusch abgezogen werden sollen. Die Taliban hatten daraufhin ihre Angriffe auf die Truppen der USA und der an Resolute Support beteiligten Nationen weitgehend eingestellt. Allerdings hielten die Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte, die auch viele unbeteiligte Zivilisten trafen, unvermindert an oder nahmen sogar noch zu.
Ergänzung: Eine für die nächsten Tage in Istanbul geplante Konferenz zum Friedensprozess in Afghanistan wurde inzwischen auch offiziell abgesagt:
Turkey, Qatar and the United Nations had planned to co-convene a high-level conference in Istanbul, from 24 April to 4 May 2021, with the participation of the representatives of the Islamic Republic of Afghanistan and the Taliban to add momentum to the negotiations that started in Doha last September to achieve a just and lasting peace in Afghanistan.
In view of recent developments, and after extensive consultations with the parties, it has been agreed to postpone the conference to a later date when conditions for making meaningful progress would be more favorable.
(Weiter nach Entwicklung)
Je früher wir abziehen, desto besser.
Es gibt dort eh nichts mehr zu gewinnen, und zu Hause wird jede:r Soldat:in gebraucht,ganz zu schweigen von dem gesparten Geld.
Wer sich unter Zurücklassung von Wehrmaterial aus dem Operationsgebiet zurückziehen muss, hat ganz offensichtlich verloren.
Den Kameraden wünsche ich auf die letzten Tage Hals- und Beinbruch!
@Nurso
„zu Hause wird jeder Soldat gebraucht“ – für welche Verwendung?
Wahrscheinlich kommt nach dem 11.09.2021 und dem 04.07.2021 noch der 18.05.2021.
Das ist der Geburtstag des Hundes vom US-Präsidenten.
So allmählich wird es lächerlich…..
Für die deutschen Soldatinnen und Soldaten freut es mich natürlich.
@ini: Sollen die afghanischen Sicherheitsbehörden mit Stöcken und Steinen kämpfen?
Neben dem nicht zu verachtenden Aufwand an Organisation und Planung gilt es nun, klare Zeitlinien vorgegeben zu bekommen und ein „sticking-to-the-plan“ vorzuleben. Eine abgestimmte Vorgehensweise zwischen BMVg, AA und NATO sind unerässlich und überfällig. Entscheidend wird auch sein, inwiefern der Auftrag im Einsatzgebiet nun tatsächlich schnellstmöglich in den „Redeployment-Modus“ abgewandelt wird, sodass die Konzantration auf das Wesentliche auch möglich gemacht wird.
Es bleibt abzuwarten, wie sich unsere AFG Partner nun verhalten und eine ggf. daraus resultierende Innentäterproblematik erwachsen könnte. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es wird schwierig…
Allen „je früher desto besser“-Rufern und „über zurückgelassenen Wehrmaterial“ Trauernden rufe ich zu: „Die Soldaten und Soldatinnen haben einen Auftrag und dieser wird ihnen vorgegeben. Von ihnen hat sich keiner ausgesucht, wie lang oder unter welchem Auftrag sie dort dienen.“
Ich wünsche allen Soldaten und Soldatinnen besonders in AFG viel Erfolg, Nerven wie Drahtseile und eine geordnete und rebungslose Rückverlegung zu ihren Familien.
@ini
Da gehören noch andere Überlegungen dazu, wie z.B. Kosten der Rückführung gg. Aufarbeitung / Ersatz, Ustg. für die ANSF, Transportkapazität im Zeitraum (Priorisierung).
Aha „der zur Verfügung stehende Lufttransportraum ist die entscheidende Stellgröße“. Daraus folgt u. a. EATC muss jetzt liefern. Zudem kann die Luftwaffe mit dem LTG 62 in Wunstorf jetzt „Werbung“ für den A400M machen, nach dem Motto „nicht kleckern sondern klotzen“. Also Schwerpunkt für die nächsten Monate: Luftbrücke DEU-AFG-DEU!
Sollte bei nunmehr 36 im Bestand bestehenden Maschinen doch wohl kein Problem sein!? (Muss ja nicht alles mit AN124 ausgeflogen werden)
@ini sagt: 21.04.2021 um 11:05 Uhr
„Wer sich unter Zurücklassung von Wehrmaterial aus dem Operationsgebiet zurückziehen muss, hat ganz offensichtlich verloren.“
Wo lesen Sie in dem Artikel etwas über „Zurücklassung von Wehrmaterial“? Und wer hat da was verloren? Es würde der Diskussion gut tun, einfach bei den bekannten Tatsachen zu bleiben und nicht anzufangen, irgendetwas zu interpretieren.
Oh Mann. Nur noch Symbolpolitik. Zum Glück waren der 30.4. oder der 08.05. zu kurzfristig. Sonst hätte man noch einen von den beiden Tagen ausgewählt.
Man hätte ja auch strategisch/taktische Erwägungen einfließen lassen. Aber es bleibt bei Symbolpolitik.
@KPK
„für welche Verwendung?“
Nun da kein Soldat eine Verwendung im engeren Sinne in AFG hatte sondern einen Einsatz erübrigt sich die Frage. Aktuell wird jede Hand in DEU gebraucht. Stichworte können CORONA, NRF/VJTF oder LV/BV sein.
Und weil in Afghanistan so gute Erfolge erzielt wurden, erhöht man gerade die Obergrenze für den Mail-Einsatz von 450 auf 600 Soldaten. Die nächste Erfolgsstory.
@KPK: Aus- und Weiterbildung, Übung…und leider später für Mali.
Wass ist denn da noch an Gerät dass nicht zerlegt in die 400 m passt? Mit über 30 Flugzeugen im Bestand sollte doch rollierend ein Abzug möglich sein, oder nicht? Und die Piloten und Logistiker freuen sich über die zusätzliche Praxis. Und der demilitarisierte Rest, wird der ANA übergeben.
@MikeFox @Nurso
Die 1100 retten den Grundbetrieb, dass ich die Idee nicht selbst hatte, übel.
Und Mali, wie im neuen Faden angerissen wird, unbedingt, gut so.
Hoffentlich denkt strategische Führung an den Sahel als umfassenden Einsatzraum, dann darf nämlich nach jüngsten Ereignissen der Tschad planerisch nicht außen vor bleiben.
@KPK Wenn man so denkt könnte es ja eine Querverlegung geben. Von AFG direkt in den Tschad. Sarc off.
@KPK
Die 1100 x3 plus Unterstützung in D, da kommt eine schöne Anzahl zusammen für die nächsten Monate.
@AOR – wenn die NATO abgezogen ist, landet alles zurückgelassene Material früher oder später in den falschen Händen. Steine und Stöcke wäre da sogar schadensminimierend.
@Pio-Fritz Erstens ziehen wir nicht aus freien Stücken ab, sondern weil man jetzt schnell raus muss, letzter ohne US-Firepower möchte keine Nation in AFG sein. Und wenn man mal zwischen den Zeilen liest: „Der zur Verfügung stehende Lufttransportraum ist die entscheidende Stellgröße.“ Klartext – reicht der Transportraum nicht, wird zurückgelassen.
Meine Interpretation der Dingen – können wir gerne in 12 Monaten beurteilen.
Vielleicht eine Diskussionsgrundlage:
Nach meiner 2-3-jahre-alten Info sollen in Afghanistan von der BW ca. 1000 Container stationiert sein. Dazu „rollendes Material“, welches nur via Antonov (Bemassung) transportiert wurde.
Ob unsere Taliban einer solchen Abrüstung (Beute…) tatenlos zusehen werden?
Ich würde mir DIE Chance nicht entgehen lassen….
Ich verstehe nicht so ganz, warum fehlende Lufttransportfähigkeiten ein Problem darstellen sollen.
Gibt doch eine Bahnstrecke von Mazar nach Termez. Dann schafft man das Material bis Juli per Zug aus dem Land und kann sich anschließend Zeit lassen für den Weg von Usbekistan nach Deutschland.
Hier könnten jetzt (Schutz des Abzugs, KPK) bewaffnete Drohnen einen wesentlichen Beitrag leisten.
Antwort von Siemtje Möller, MdB zu dieser Feststellung eines Twitterers:
@SiemtjeMdB
„Die bewaffnungsfähigen Drohnen der BW sind noch nicht einsatzbereit. Aber theoretisch- grundsätzlich: ja“.
Nachdem Frau Müller zuvor eingefordert (!) hatte:
„Wenn Abzug aus #Afghanistan schon deutlich früher, zum Sommer vollzogen, muss trotzdem Sicherheit inkl. MedEvac und Luftunterstützung unserer SoldatInnen zu jeder Zeit gewährleistet sein. BMVg muss enge Koordinierung durch USA einfordern. Deutschland war immer verlässlicher Partner“.
Das mit der Luftunterstützung kommt ihr durchaus spät in den Sinn, ließe sich in Mali besser machen, in x Jahren. KampfHubSchr und JaBo mit JTAC Backup sollen auch gewisse Wirkung im Ziel erreichen, wie zu hören ist.
Ich empfinde die Formulierung „einfordern“ unter Berücksichtigung unserer Nicht-Leistung im Fähigkeitsprofil Luftunterstützung als unerhörte Zumutung dem Hauptalliierten gegenüber.
@ini sagt: 21.04.2021 um 16:00 Uhr
„@Pio-Fritz Erstens ziehen wir nicht aus freien Stücken ab, sondern weil man jetzt schnell raus muss, letzter ohne US-Firepower möchte keine Nation in AFG sein.“
Sie sehen das viel zu emotional. Die USA haben diesen Einsatz mit einem Bündnisfall begonnen und haben jetzt, in Abstimmung mit zumindest den NATO-Partnern einen Abzug beschlossen. getreu dem schon seit Jahren von der Bundesregierung proklamierten Motto „gemeinsam rein, gemeinsam raus“ ist das, was jetzt passiert nur logisch. Das die Taliban dabei große Töne spucken, ist doch normal und gehört dort schon zur Kultur.
Und was „zurücklassen“ angeht. Es ist klar, die ortsfesten Einrichtungen und Container bleiben. Rückbau kostet nur unnötig Geld und der Containertransport wäre teurer als der Gegenwert des doch ziemlich abgerockten Materials. Und der Rest? Wenn es Schrott ist, da lassen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Taliban unbedingt auf westliche Technik scharf sind. Spätestens bei der Wartung scheitert das doch.
@Pio-Fritz; Die USA haben diesen Einsatz mit einem Bündnisfall begonnen……. Das ist so nicht ganz richtig, die USA haben zwar den Bündnissfall ausgerufen, aber ISAF auf die Beine zu stellen wollte unter anderem Deutschland und nicht die USA.
@alphall31 sagt: 25.04.2021 um 22:29 Uhr
das wir jetzt noch über geschichtlich belegte Vorgänge diskutieren müssen ist schon etwas skuril. Rein formal haben sich die damaligen afghanischen Repräsentanten im Zuge der ersten Petersberger Konferenz an den UN-Sicherheitsrat gewandt mit der Bitte, eine internationale Schutztruppe aufzustellen.