Dokumentation: FCAS und der (deutsche) Betriebsrat

Dass es im französisch-deutsch-spanischen Zukunftsprojekt Future Combat Air System (FCAS) vor allem zwischen Deutschland und Frankreich derzeit nicht ganz bruchfrei läuft, ist ein offenes Geheimnis – vor allem über die Anteile der Rüstungsindustrie in beiden Ländern an diesem milliardenschweren Vorhaben wird gestritten. In dieser Situation haben sich die Arbeitnehmervertreter in Deutschland zu Wort gemeldet.

Für Deutschland ist der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus der Systemführer für FCAS, sein Gegenüber der französische Dassault-Konzern. Gleichzeitig ist Airbus aber ein deutsch-französisches Unternehmen, das in Frankreich ganz anders als in Deutschland vom Staat dominiert wird – Kritik an der Politik in Paris ist damit kaum möglich. Aber es gibt ja in Deutschland gerade in der Metallindustrie eine weitgehende Mitbestimmung, und damit wird der deutsche Gesamtbetriebsrat von Airbus Defense&Space, der Rüstungstochter des Konzerns, zu einem beachtenswerten Akteur.

Dieser Gesamtbetriebsrat hat sich am (heutigen) Freitag zur deutsch-französischen Arbeitsteilung bei der Entwicklung des künftigen Luftkampfsystems zu Wort gemeldet. Zur Dokumentation:

Forderung nach fairen Industrieanteilen am europäischen Kampfflugzeug der sechsten Generation

• Deutsche Arbeitnehmervertreter kritisieren die aktuelle Aufteilung der Entwicklungs- und Arbeitsanteile beim FCAS („Future Combat Air System“). Derzeit ist nur ein Prototyp (Demonstrator) geplant, der bei Dassault in Frankreich auf Rafale-Basis entwickelt und gebaut werden soll.
• „Ein eigener in Deutschland zugelassener Demonstrator auf Eurofighter-Basis ist für die deutsche Verteidigungsindustrie von zentraler Bedeutung. Nicht nur für unsere Kolleginnen und Kollegen bei Airbus, sondern auch für die Belegschaften vieler mittelständischer, deutscher Zulieferbetriebe“, erklärt Thomas Pretzl, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Airbus Defence and Space.
• „Der Demonstrator ist vor allem auch entscheidend, um das Wissen der Ingenieure, die den Tornado und den Eurofighter entwickelt haben, auf die junge Ingenieursgeneration zu übertragen. Falls Deutschland keinen eigenen Demonstrator baut, geht dieses Know-How verloren “, sagt Bernhard Stiedl, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt.

Deutschland, Frankreich und Spanien wollen zusammen das zukünftige Luftkampfsystem FCAS entwickeln – ein Hochtechnologieprojekt, das bis zu seiner geplanten Inbetriebnahme 2040 eine enge Zusammenarbeit erfordert. Mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro ist es das größte Verteidigungsprojekt der kommenden Jahre – und damit zugleich auf absehbare Zeit eines der größten industriepolitischen Projekte in Europa. Wenn Deutschland jetzt zum Beginn des Projekts auf einen Demonstrator verzichtet, dann wird FCAS zu einem industriepolitischen Projekt vor allem für Frankreich – in erheblichen Umfang finanziert von Deutschland.
Dreh- und Angelpunkt des FCAS ist ein neues europäisches Kampfflugzeug („New Generation Fighter“), das als Nachfolger des Eurofighter und der französischen Rafale vorgesehen ist. Derzeit ist nur ein Demonstrator geplant, der bei Dassault in Frankreich auf Rafale-Basis entwickelt und gebaut werden soll. Damit würde die Luftfahrtindustrie inklusive der Zulieferbetriebe in Deutschland kurzfristig ins Abseits gestellt, langfristig wäre dies wohl das Aus der Branche in unserem Land.
Mit dem Demonstrator will man die Technologien für die nächste Generation von Kampfflugzeugen entwickeln und erhofft sich davon, wie schon in der Vergangenheit beim Tornado und Eurofighter, auch einen massiven Schub für die zivile Luftfahrt unter anderem beim unbemannten Fliegen. Wichtige Kompetenzen wie Flugsteuerung, Schubvektorsteuerung oder das Thema Stealth sind bereits in deutschen Unternehmen der militärischen Luftfahrt vorhanden. Diese könnten im Zuge des FCAS Auftrags ausgebaut werden und die Erkenntnisse aus der Demonstrator Entwicklung würden von Anfang an in die Weiterentwicklung des Eurofighter zum Eurofighter Long Term Evolution integriert werden.
Die gerechte Verteilung der Entwicklungsaufträge ist unabdingbar für eine erfolgreiche internationale Kooperation in den nächsten Jahrzehnten. „Deutschland muss genauso wie Frankreich einen eigenen Demonstrator entwickeln. Das bietet den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aber auch der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr eine größere Sicherheit“, erläutert Thomas Pretzl, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Airbus Defence and Space. Im Falle einer frühzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit am FCAS wäre somit gewährleistet, dass in Deutschland daran weitergearbeitet werden kann.

Die Kritik der Arbeitnehmervertreter kommt wenige Tage nach dem deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat: Da hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die bestehenden Differenzen bei allen Rüstungskooperationen beider Länder, nicht nur bei FCAS, (sanft) angesprochen und an ihre Verteidigungsministerien und die Industrie zur weiteren Arbeit zurückverwiesen.

Zu diesem Thema Auszüge aus der Pressekonferenz von Merkel und Macron am 5. Februar:

Merkel: Es sind drei große Themen gewesen, die wir heute besprochen haben und die der französische Präsident und ich neben einer etwas breiteren Agenda auch schon vorbesprochen hatten, und darüber will ich kurz berichten. Wir haben auf der einen Seite über unsere industriepolitische Kooperation gesprochen, die wir bereits 2017 aufgesetzt haben. Hierbei geht es zum einen um das Projekt der Eurodrohne. Deutschland hat ja noch einmal bekräftigt – auch bei der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses -, dass wir dieses Projekt vorantreiben wollen und auch die entsprechenden Unterzeichnungen vornehmen wollen.
Zum Zweiten ging es um das Thema FCAS, das neue zukunftsfähige Flugzeug. Die Projekte für die industrielle Arbeitsteilung sind natürlich Gegenstand der Beratungen der Verteidigungsminister gewesen. Ich darf sagen, dass man vorangekommen ist, wieder einmal in Aufgabenteilung, auch in der Frage, wie es weitergeht. Wir haben die Verteidigungsminister beauftragt, in den nächsten Wochen sehr schnell die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass vom Deutschen Bundestag durch Vorlagen im Haushaltsausschuss auch die entsprechenden Weichen gestellt werden können. Die werden nur dann erfolgreich dort beraten werden, wenn wir die Arbeitsteilung deutlich gemacht haben.
Wir wissen, dass dies ein Projekt unter französischer Führung ist. Aber es soll ein Projekt sein, das beide Länder auf Augenhöhe betrachtet. Hierbei gibt es natürlich eine Vielzahl von Fragen zu klären: Welche Rolle spielt welches Unternehmen? Wie steht es mit den Fragen des geistigen Eigentums? Wie wird die Arbeit aufgeteilt? – Aber ich freue mich, sagen zu können, dass hier intensiv gearbeitet wurde und eine gute Chance besteht, das in den nächsten Wochen auch so weit zu finalisieren, wie es notwendig ist.
Das andere Projekt – diesmal unter deutscher Führung – ist das MGCS [Main Ground Combat System]. Hierbei geht es sozusagen um den Panzer der Zukunft. Auch hier stellen sich ähnliche Fragestellungen. Bis Ende Februar soll sich über die zentralen Fragen der nächsten Projektphase geeinigt werden. Auch hier sehe ich eine gute Chance, dass die Verteidigungsministerin und die entsprechend Verantwortlichen darauf eine Antwort finden werden.
Wir haben dann auch über den Hubschrauber Tiger MkIII gesprochen. Hierüber sind noch eine Reihe von Gesprächen zu führen, insbesondere auch von deutscher Seite mit Airbus. Aber hier ist auch noch einmal insbesondere von französischer Seite deutlich gemacht worden, von welch strategischer Bedeutung die Zusammenarbeit in diesem Bereich ist.
(…)
Macron: Ich möchte nicht noch einmal auf die drei großen Bereiche eingehen, über die wir heute gesprochen haben. Ich habe dem, was die Frau Bundeskanzlerin diesbezüglich gesagt hat, nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen.
Was die industrielle Zusammenarbeit angeht, wollen wir wirklich Ergebnisse erreichen. Die Gesamtheit der Projekte, über die wir heute gesprochen haben, bezieht sich auf die Umsetzung des strategischen Konzepts, über das wir bereits gesprochen haben – die Frau Bundeskanzlerin hat das bereits erklärt -, aber auch auf den rechtlichen Rahmen, den wir ausgehandelt und verabschiedet haben. Im Oktober 2019 gab es eine Einigung bezüglich der Rüstungsausfuhren der Koalition.
Es gibt große Projekte wie FCAS unter französischer Führung und MGCS unter deutscher Führung, die gleichzeitig voranschreiten. Ich denke, in den nächsten zwei Wochen werden wir eine neue Phase erreichen. Diese beiden Projekte müssen zweierlei Ziele verfolgen: Erstens müssen sie unserem geostrategischen Willen nach einer europäischen Souveränität gerecht werden. Zweitens sollen es glaubwürdige industrielle Projekte sein, die so schnell und so effizient wie möglich umgesetzt werden.Die Eurodrohne macht weiter Fortschritte. Was den Kampfhubschrauber Tiger angeht, haben wir im Oktober 2019 klar gesagt, dass wir weiter daran arbeiten wollen. In den nächsten Wochen wird es Gespräche unter unseren Streitkräften und den Industrieunternehmen geben, um die Verfügbarkeitsbedingungen zu verbessern.

(Archivbild: Unterzeichnung der Vereinbarungen für FCAS bei der Pariser Luftfahrtshow in Le Bourget im Juni 2019; v.l. Eric Trappier (Dassault Aviation), Dirk Hoke (Airbus Defence&Space), die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die französische Verteidigungsministerin Florence Parly, Emmanuel Macron, die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles – Foto Martin Agüera)