Nazgul meldet sich ab: Die CH53-Hubschrauber verlassen Afghanistan (Nachtrag: Video)

In Afghanistan ist für die Bundeswehr eine Ära zu Ende gegangen: Nach fast 19 Jahren ist der letzte der CH53-Transporthubschrauber, die seit Beginn des Einsatzes das Rückgrat des Lufttransports im deutschen Einsatz am Hindukusch waren, nach Deutschland ausgeflogen worden. Die Maschinen waren in Kabul, Kunduz, Mazar-e Sharif, Faizabad und natürlich an anderen Orten Afghanistans wie nach Termez in Usbekistan unterwegs. Damit ist jetzt keine CH53 mehr in einer Auslandsmission der Bundeswehr im Einsatz.

Die letzte CH53 wurde am (heutigen) Donnerstag zerlegt in einem Antonov-Transportflugzeug aus Mazar-e Sharif nach Deutschland ausgeflogen, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mitteilte. Damit hat sich auch das Rufzeichen Nazgul aus Afghanistan abgemeldet: Nach den Ringreitern im Herrn der Ringe hatten die Helikopter-Crews ihre Maschinen benannt – und diese Bezeichnung tauchte als Rufzeichen der CH53 selbst auf den (handbeschrifteten) Anzeigetafeln auf.

Abflugtafel der Flugabfertigung in Mazar-e Sharif, August 2008

Die Hubschrauber hatten seit April 2002, wenige Monate nach Beginn des deutschen Engagements in der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan, ihren Dienst am Hindukusch begonnen. Sie überwachten vor allem die Gegend rund um die afghanische Hauptstadt Kabul.

Dabei kam es auch zu einem der schwersten Unglücke in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr: Am 21. Dezember 2002 stürzte eine CH53 über Kabul ab, wie sich später herausstellte, aufgrund eines Materialfehlers. Sieben Soldaten kamen dabei ums Leben: Hauptmann Friedrich Deininger, Stabsunteroffizier Frank Ehrlich, Hauptfeldwebel Heinz-Ullrich Hewußt, Hauptfeldwebel Bernhard Kaiser, Hauptfeldwebel Thomas Schiebel, Hauptgefreiter Enrico Schmidt und Oberleutnant Uwe Vierling.

Abflug einer CH-53 zur Überwachung der Gegend rund um Kabul, März 2003 – Timo Beylemans/Bundeswehr

 

Landeanflug einer CH-53 über Trucks im Camp Warehouse, März 2003 – Timo Beylemans/Bundeswehr

 

CH-53 in Kabul, Juni 2004 – Foto privat

 

Überflug von CH-53 in Kabul, Juni 2004 – Foto privat

Nach den ersten Jahren des Einsatzes in Kabul wurde die ISAF-Mission schrittweise auf ganz Afghanistan ausgeweitet. Die Bundeswehr übernahm 2004 das Provincial Reconstruction Team (PRT) in Kunduz, und die CH53 war natürlich dabei.

Ein Hubschrauber Typ CH 53 landet im April 2005 auf dem Flugplatz von Kunduz – Dirk Willkomm/Bundeswehr

Als später das PRT in Faizabad hinzukam, wäre die Versorgung des Feldlagers ohne die Hubschrauber  in der nur schlecht erschlossenen Region praktisch unmöglich gewesen. Die Transall-Maschinen der Luftwaffe durften Faizabad nicht anfliegen: Für die nur zweimotorigen Flugzeuge war der Flugplatz wegen der umgebenden Berge nicht zugelassen; damit war die Bundeswehr bei eigenem Lufttransport auf die CH53 angewiesen.

Der Hubschrauber CH-53 landet auf dem Helipad im Feldlager Feyzabad – Dana Kazda/Bundeswehr

Die Helikopter spielten auch eine wichtige Rolle für die Verbindung nach Termez in Usbekistan. Dort betrieb die Luftwaffe hart an der Grenze zu Afghanistan einen Lufttransportstützpunkt – und wer mit der Bundeswehr nach Afghanistan reiste, musste über Termez einfliegen. Von dort ging es dann mit einer Transall weiter nach Kunduz, später dann auch nach Faizabad und Mazar-e Sharif.

CH-53 über Termez in Usbekistan auf dem Flug aus Kunduz, Februar 2007

 

Im Juni 2009 in Mazar- e Sharif, im Hintergrund Transall-Transportmaschinen – Michael Schreiner/Bundeswehr

Der Flug mit dem großen Hubschrauber über Afghanistan war immer ein wenig gewöhnungsbedürftig. Um einer Bedrohung vom Boden zu entgehen, jagten die Helikopter so tief wie möglich im Konturenflug über die afghanische Landschaft. Die Selbstschutzanlagen gegen einen Beschuss mit Fliegerabwehrraketen waren aktiviert, und es konnte schon mal vorkommen, dass das System das Aufblitzen der Sonne auf einem Blechdach als Raketenabschuss interpretierte, die Chaffs and Flares, die Täuschkörper ausstieß und der Pilot den Hubschrauber in eine steile Kampfkurve zog. Allerdings, so weit bekannt: Beschossen wurden die CH53 allein zwischen 2010 und 2017 nach Bundeswehrangaben 17 mal, aber mit Gewehren oder auch Maschinengewehren – nicht mit einer Abwehrrakete.

Konturenflug mit dem Hubschrauber Typ CH-53 auf dem Weg vom Camp Marmal nahe Mazar-e Sharif zum PRT Faizabad im September 2010 – Sebastian Wilke/Bundeswehr

 

CH53-Hubschrauber beim Start im OP North im Dezember 2010 – Michael Schreiner/Bundeswehr

Die Statistik zu den 19 Jahren Einsatz dieser Hubschrauber in Afghanistan ist leider nicht mehr so richtig vorhanden. Die ersten Jahre im Einsatz gehörten die Maschinen zu den Heeresfliegern, dann übernahm vor gut einem Jahrzehnt die Luftwaffe mit dem so genannten Fähigkeitstransfer die CH53 und gab dafür die NH90-Helikopter ans Heer ab.

Deshalb ist nicht so ganz klar, ob die von der Luftwaffe auf ihrer Webseite genannten Zahlen die ganze Zeit des Einsatzes abdecken: 22.500 Flugstunden sind da verzeichnet, fünf Millionen Flugkilometer, 1.750 Starts. Vermutlich aber schon, denn im Februar 2017 feierten die Crews 19.000 Flugstunden:

19.000 Flugstunden in Afghanistan mit der CH53 im Februar 2017 – Jürgen Sickmann/Bundeswehr

 

Soldaten vom Fallschirmspezialzug 26 üben Personnel Recovery in der Nähe von Mazar-e Sharif im Oktober 2017 – PAO TAAC North/Resolute Support

Die Hubschrauber haben damit – in verschiedenen Konfigurationen – mehr geleistet, als zu Beginn des Einsatzes erwartet werden konnte. Kurz nach dem Absturz der Maschine über Kabul im Dezember 2002 wetterten Opposition und Bundeswehrverband über die veralteten Maschinen als Problem – und forderten die Planung eines Nachfolgemodells. Das gibt es bis heute nicht – zurzeit ist noch nicht einmal entschieden, welcher Hubschrauber als künftiger Schwerer Transporthubschrauber (STH) der Bundeswehr die CH53 ablösen soll.

Die Aufgaben am Hindukusch haben mit dem Ende des CH53-Einsatzes die NH90-Hubschrauber des Heeres übernommen. Ob die alten Maschinen wirklich aus diesem Einsatz für immer raus sind, wird sich erst noch zeigen müssen: Noch immer ist ja nicht klar, wie lange der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wirklich dauern wird.

CH-53 bei Sonnenuntergang auf dem Helipad im Lager Kunduz im September 2009 – Rene Seidemann/Bundeswehr

Nachtrag – ganz vergessen: Dazu gehört natürlich auch dieses Video:

(Aufmacherfoto: Verladung der letzten CH53 in eine Antonov in Mazar-e Sharif – Einsatzführungskommando der Bundeswehr)