Coronavirus-Pandemie und Bundeswehr: Soldaten sollen Abstriche machen, Verwirrung um Kühlkette beim Impfstofftransport
In Alten- und Pflegeheimen sollen dort zur Unterstützung eingesetzte Soldaten künftig auch dann Schnelltests auf das Coronavirus durchführen, wenn sie keine medizinische Ausbildung haben. Und: Lieferungen mit dem Coronavirus-Impfstoff des Herstellers Moderna, die von der Bundeswehr organisiert wurden, sind trotz Problemen mit der Kühlkette beim Transport einsetzbar – offensichtlich gab es Messfehler bei der Temperaturkontrolle. Der Überblick zu Pandemie und Bundeswehr:
Die neue Aufgabe für Soldatinnen und Soldaten in Alten- und Pflegeheimen, künftig auch Schnelltests vorzunehmen, kündigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am (heutigen) Mittwoch via Twitter an:
Derzeit sind fast 1.200 Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung in rund 270 Alten- und Pflegeheimen in 13 Bundesländern im Einsatz. Sie sollen künftig eine Einweisung zur Entnahme von Abstrichen für die Antikörper-Tests erhalten und diese Tests dann selbständig vornehmen können.
Diese Tests sind zwar bereits vom Bundesgesundheitsministerium zur Nutzung durch Laien freigegeben, angesichts falscher negativer Testergebnisse wurde davon jedoch nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Inzwischen scheint allerdings der Mangel an medizinisch ausgebildetem Personal in den Heimen so groß, dass dafür auch die nicht medizinisch vorgebildeten Soldaten außerhalb des Sanitätsdienstes tätig werden sollen.
Bei der Versorgung mit Impfstoffen klärte sich am Mittwoch eine vorübergehende Verwirrung um die Lieferung von Impfdosen des Herstellers Moderna, für die die Bundeswehr die Logistik organisiert: Am (gestrigen) Dienstag waren aus dem Zentrallager in einer Bundeswehrkaserne in Quakenbrück Vakzine nach Berlin und Brandenburg geliefert worden. Bei Ankunft im Berliner Lager stellte sich heraus, dass es Zweifel an der dauerhaften Kühlkette für den Impfstoff gab. Berlin stellte den Einsatz dieser Impfdosen deshalb zunächst zurück, wie zuerst der Tagesspiegel (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtet hatte.
Am Tag danach gab jedoch das Bundesgesundheitsministerium diese Impfstoffe zur Verwendung frei: Die Qualität sei durch den Transport nicht beeinträchtigt worden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde zudem festgestellt, dass die erforderliche Temperaturgrenzen für das Vakzin eingehalten worden seien. Die Verwirrung sei durch technische Probleme beim Messverfahren und daraus folgende Ungenauigkeiten entstanden.
Die Bundeswehr hatte Anfang der Woche in ihrem Zentrallager rund 64.000 Impfdosen von Moderna erhalten. Der Weitertransport selbst liege aber in der Verantwortung einer zivilen Spedition, wie ein Sprecher des Ministeriums erläuterte:
Die Bundeswehr hat eine Rahmenvereinbarung mit einem externen Dienstleiter zum Transport des Impfstoffes abgeschlossen. Im Kontext dessen wird von dem Anbieter das Kühlfahrzeug gestellt. Das Transportgut wird in der Regel bereits vom Produzenten in Form von Kisten bzw. Paletten bereitgestellt.
Nach dem Beladen liegt die Gewährleistungspflicht des sogenannten Temperaturkontrollverfahrens auf Seiten des Auftragnehmers.
Beim Transport der kühlpflichtigen pharmazeutischen Produkte muss der Temperaturbereich von -15 °C bis -25 °C im Transportbehältnis laut Vertrag gewährleistet sein.
In den Impfzentren und den mobilen Impfteams, die von den Bundesländern organisiert werden, sind inzwischen rund 780 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt, der Einsatz weiterer knapp 2.000 ist geplant. Gut 200 Soldaten, die in der Impfkampagne unterstützen, wurden bereits selbst geimpft – auf freiwilliger Basis. Ob diese Impfung für Soldaten verpflichtend wird, hat das Ministerium noch nicht entschieden.
Insgesamt unterstützt die Bundeswehr derzeit mit rund 7.600 Soldatinnen und Soldaten, darunter etwa 750 aus dem Sanitätsdienst. Weitere rund 4.000 sind als so genanntes Schichtwechselpersonal oder in Führungsstäben in die Amtshilfe in der Pandemie eingebunden.
Die Zahl der bestätigt infizierten Soldatinnen und Soldaten blieb in den vergangenen Tagen weitgehend unverändert – die Zahlen des Sanitätsdienstes:
13. Januar
Soldatinnen und Soldaten: 483 tagesaktuell bestätigte Fälle
kumuliert: 3559, davon kumuliert genesene Fälle: 3077
12. Januar
Soldatinnen und Soldaten: 453 tagesaktuell bestätigte Fälle
kumuliert: 3505, davon kumuliert genesene Fälle: 3052
(Foto: Ein Arzt der Flugbereitschaft im Impfzentrum Schönefeld bei Berlin – Luftwaffe)
„Die Bundeswehr hat eine Rahmenvereinbarung mit einem externen Dienstleiter zum Transport des Impfstoffes abgeschlossen.“
Das ist mir vom Grundsatz her neu: bisher galt, daß sich Amtshilfe darauf beschränkt Leistungen durchzuführen, die die zivile Seite selbst nicht auch direkt erhalten kann. Zudem ist der „Auftraggeber“ – hier die Bw – auch in der Haftung / Verantwortung, selbst wenn er diese „abdrücken“ kann.
Bsp.: reine Fuhrparkleistungen (BwFPS) bei Amtshilfe (also nur Anmietungen) werden regelmäßig nicht durch die Bw in Anspruch genommen und dann an die zivile Seite als Amtshilfe durchgereicht, da Ämter o.ä, auch direkt beim BwFPS mieten können.
Wass kann denn die bw leisten wass die zivile Logistic mit trockeneis und kühllastern nicht hergibt?
@Dante: Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, lauten die Stichworte hier: „Arzneimittel-Recht“ und „Großhandelslizenz“.
Für den Hersteller ist es logistisch einfacher, wenn man für jeden Empfänger-Staat nur ein einziges Empfängerdepot beliefert und die Staaten dann die interne Verteilung selbst regeln. In diese Richtung ging m.E. auch das Amtshilfeersuchen.
Schön, dass anstatt ziviler Ärzte nun Soldaten nach crash-Kurs die Testungen durchführen.
Die Haftungsfrage ist hoffentlich geklärt.
Und die Kosten werden selbstverständlich von der Bw getragen.
Warum werden eigentlich im zivilen Leben nur Ärzte damit betraut?
@ Thomas Melber
Wo steht, dass die BwFPS der zivile Dienstleister war?
Amtshilfe kann in diesem Kontext auch bedeuten, dass die Bw nur die Logistik managed. Das schließt die Ausschreibung und Vergabe von Transportdienstleistungen mit ein.
Wenn man sich die Mühe machen will: bund.de, evergabe.de oder ted.eu ;-)
@McConnell
Das habe ich nicht geschrieben, aber vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Die zivile Seite ist angehalten selbst und direkt zu beschaffen, was sie eben auch selbst zivil beschaffen kann und nicht die Bw zwischenzuschalten. Wer bekommt eigentlich die Rechnung des externen Dienstleisters und zahlt diese?
Bisher war es üblich, daß die Bw z.B. Lagerfläche zur Verfügung gestellt hat (Eigenleistung Bw) und die zivile Seite den Transport organisiert hat (Fremdleistung extern).
Anbei ein Artikel, der glasklar sagt, wie die rechtliche Situation ist.
Abstriche sind nur von Ärzten zu nehmen.
Alles andere ist ILLEGAL. Auch für die Bundeswehr und Frau AKK.
https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/corona-schnelltest-warum-nicht-zuhause100.html
[Vorsicht – der Bericht ist vom September. Seitdem ist m.W. die Lage anders. T.W.]
@Thomas Melber sagt: 13.01.2021 um 23:10 Uhr
Die Weisungslage des Kdo TA ist da sehr eindeutig, die Kosten der anzumietenden Fahrzeuge werden durchgereicht.
@ex-Grenni:
Die Besucher der Pflegeheime werden auch von Nicht-Medizinern/Nicht-Pflegekräften getestet.
Durch eine fachkundige Einweisung (z.B. durch Pharmazeuten, medizinisches/pflegendes Personal) können die Probenahme und der Test mit annehmbarer Ergebnissicherheit durchgeführt werden.
Bei Hinz und Kunz ohne jegliche Einweisung sieht es anders aus.
Was kommt als nächstes, Kassenlage und Orga-Chaos bedingt?
Ein Crashkurs „Soldat“, inkl Kurzeinweisung G 36?
@ Ex-Grenni
Abstriche dürfen durch einen größeren Personenkreis durchgeführt werden. Weit gefasst, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Altenpfleger*innen, Krankenpfleger*innen, Heilerziehungspfleger*innen, med. Mitarbeiter in Arztpraxen, etc. dürfen diese Abstriche machen. Dafür finden / fanden z.B. bei den Gesundheitsämtern theoretische und praktische Schulungen statt.
Und wenn Lehrer und Erzieher nach einem Videotutorial Abstriche machen können, sollte das ein Soldat nach entsprechender Schulung (theoretisch / praktisch) auch können.
@Ex-Grenni
„Schön, dass anstatt ziviler Ärzte nun Soldaten nach crash-Kurs die Testungen durchführen.
Die Haftungsfrage ist hoffentlich geklärt.“
Ich stimme Ihrer Kritik zu und ich füge noch einen weiteren Aspekt hinzu:
Selbst als ehemaliger Soldat hätte ich keine Lust dazu von einem mir unbekannten Soldaten medizinisch „betreut“ zu werden. In der heutigen aufgeregten Debattenkultur wird das „Grundsätzliche“ dem kurzfristigen Aktionismus zunehmend geopfert.
Es ist noch nicht lange her, da konnte ein Patient sich darauf verlassen, dass medizinische Interventionen – dazu gehört auch ein Abstrich – nur von medizinischem Fachpersonal vorgenommen wird und dass dieses medizinische Personal auch der ärztlichen Schweigepflicht unterlag. Es gab in der Regel auch ein tiefgehendes Arzt-Patient-Vertrauensverhältnis. Nun machen also angelernte SoldatInnen nach kurzer Einweisung medizinische Tests bei den Schwächsten unserer Gesellschaft, die sich nicht einmal mehr dagegen aussprechen können.
Sollte ich Pflegefall sein, der Anblick eines uniformierten Soldaten an meinem Bett würde mich nicht beruhigen! Stück für Stück werden alle Prinzipen und Werte dem wild gewordenen Aktionismus der „Twitter-Politikergeneration“ geopfert.
Um mit den Worten der Minsiterin zu sprechen: Ich hoffe die Bundeswehr „steht nur bereit“ und wird NICHT „gerufen“. Wenn mehr medizinischeas Personal erforderlich ist, dann müssen im zivilen Bereich eben mehr Stellen geschaffen und auch Organisationen wie die Maltheser und Johanniter mehr gefördert wären. Das wäre erheblich angemessener als Soldaten in die Heime zu schicken. Wenn demnächst Busfahrer oder LKW-Fahrer fehlen könnte man auch dafür Soldaten einsetzen, vielleicht nach „Kurzlehrgang“ sogar im Finanzamt oder dem Jobcenter. Warum eigentlich nicht? Soldaten scheinen nach Kurzlehrgang Alles zu können. Wieso eigentlich? Ich kann nicht erkennen, dass der durchschnittliche Soldat für allgemeine Aufgaben qualifizierter als der durchschnittliche Zivilist.
Mal so ein Gedankensturm (= brainstorming): Bei über 400 Landkreisen und etlichen Altenheimen pro Landkreis/Stadt dürfte das Kontingent von 10.000 Soldaten schnell verteilt sein. Gibt es eine Priorisierung oder kriegen nur die Hilfe, die beim Hilfeleistungsantrag schnell genug waren?
Hilft die Bw, obwohl das Heim bereits durchgeimpft wurde, ergo man besser geschützt ist und die Arbeit (evtl. wieder) durch das vorhandene Personal zu leisten wäre?
Gibt es dafür keine anderen Freiwilligen (Arbeitnehmer aus Gastronomie oder Friseurhandwerk) oder Profis von den Johannitern, Maltesern und DRK die man dafür entlohnen könnte? Win-Win für die Heime und die Freiwilligen.
Wäre schon echt blöd wenn sich die Verbindungskommandos mit den Lagezentren wieder ins Zeug legen und morgen es dann heißt: Antrag storniert weil keine Kräfte mehr da sind.
Es heißt zwar „ärztliche Schweigepflicht“, allerdings fallen auch „berufsmäßig tätige Gehilfen“ unter die Schweigepflicht und damit auch der Arzthelfer, der Abstrichhelfer und der Medizinstudent im Praktikum.
@Der Neue Major
„Es heißt zwar „ärztliche Schweigepflicht“, allerdings fallen auch „berufsmäßig tätige Gehilfen“ unter die Schweigepflicht und damit auch der Arzthelfer, der Abstrichhelfer und der Medizinstudent im Praktikum.“
Weiß das auch der StUffz mit Kurzlehrgang?
@MrDiversity:
Hier vor Ort gab es um den Jahreswechsel herum offizielle Ansagen, dass auf Grund von Erkrankungen die bisherige Qualität der Pflege auf der Kippe steht. Es wurde öffentlich nach Personal (auch fachfremd) gesucht.
Die Schnelltests vor dem Zutritt ins Pflegeheim dienen dazu Besuch zu ermöglichen. Die Alternative ist kein Besuch bei (Ur-)Oma. Da unterwiesene Nicht-Fachkräfte einsetzen scheint mir angemessen.
Es geht nicht um Abstriche für PCR-Tests, die werden weiterhin von dezidiert medizinischen Personal (ggf. BwSan) abgenommen. Unter der Schutzkleidung dürften dabei nur sehr geübte Beobachter den Soldaten erkennen.
Die Maßnahmen nach InfSchG (z.B. Erfassen der Besuche) erfordern auf Seite des Pflegeheims eh Vorkehrungen zum Datenschutz.
„Weiß das auch der StUffz mit Kurzlehrgang?“
So wie ich das kenne aus dem zivilen Bereich, wird jeder vor einer Tätigkeit belehrt und unterschreibt zusätzlich diese Belehrung. (zum Beispiel Anfang Praktikum oder Ausbildung oder Anfang 450 Euro Job)
Danach ist es wie bei allen Dingen – wer sich die Texte, die er unterschreibt nicht durchliest, kann sie auch nicht befolgen. Unabhängig von Beruf, Ausbildung, Dienstgrad, Alter und akademischen Titel.
Bitte nicht die Ärzte als Übermenschen interpretieren. Auch dort gibt es nicht wenige, die mit der Schweigepflicht eher locker sind.
Es wird hier also keine Datenschutzlücke aufgemacht – wenn es sie durch diese Aushilfskräfte gibt, gab es sie schon vorher.
@FAZ_Politik
„Die Bundeswehr prüft eine Impfpflicht gegen das Coronavirus. Vom Versprechen, das Bundesgesundheitsminister @jensspahn allen Deutschen gegeben hat, wären Soldaten damit ausgenommen“.
Eine lange schon überfällige Prüfung, die hoffentlich positiv beschieden werden wird.
Einsatzgründe, mehr noch LV/BV und einsatzgleiche Verpflichtungen erfordern die jederzeit uneingeschränkt verfügbare Truppe.
Zudem, wer im KPz, im SPz, im Uboot sitzt, in Pflegeheimen unmittelbar mit den Bewohnern zu tun hat, kann Mindestabstände nicht einhalten.
Wenn aber schon intensiv geprüft wird, dann doch bitte auch gleich die unsichere Funktion einer FFP-2, die dicht Anliegen muss, bei Vollbartträgern.
Siehe: https://amp.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-ffp2-maske-schutz-asbach-100.html?__twitter_impression=true „FFP2-Masken: Warum der Vollbart ab muss“
[Die Prüfung läuft seit Wochen, und den Spin „Versprechen gebrochen“ überlassen wir den einschlägigen Blättern und versuchen so was nicht mit Druck hier reinzubringen. Danke. T.W.]