Vor der Weihnachtspause: Ein paar sicherheitspolitische Merkposten

Alle wollen in die Weihnachtspause oder sind schon längst drin, ich will auch, aber vorher noch eine – vermutlich unvollständige – Liste von sicherheitspolitischen Merkposten zum Jahresende (und wohl auch zum Jahresbeginn 2021):

• Persischer Golf

Drei Kriegsschiffe der U.S. Navy sind am (gestrigen) Montag durch die Straße von Hormuz in den Persischen Golf eingelaufen: Das nukleargetriebene U-Boot USS Georgia, das bis zu 154 Tomahawk-Lenkflugkörper mit sich führen kann, und die beiden Lenkwaffenkreuzer USS Port Royal und USS Philippine Sea der Ticonderoga-Klasse.

Aus der Mitteilung der U.S. Navy:

The nuclear-power Ohio-class guided-missile submarine USS Georgia (SSGN 729) along with the guided-missile cruisers USS Port Royal (CG 73) and USS Philippine Sea (CG 58) transited the Strait of Hormuz entering the Arabian Gulf, Dec. 21.
Georgia’s presence in the U.S. 5th Fleet area of operations (AOO) demonstrates the U.S. Navy’s ability to sail and operate wherever international law allows.
As an inherently flexible maneuver force, capable of supporting routine and contingency operations, Georgia’s presence demonstrates the United States’ commitment to regional partners and maritime security with a full spectrum of capabilities to remain ready to defend against any threat at any time.
SSGNs are one of the most versatile platforms in the fleet, equipped with superior communications capabilities and the ability to carry up to 154 Tomahawk land-attack cruise missiles. The platform can also be configured to host up to 66 Special Operations Forces.

Dabei geht es, das scheint recht offensichtlich, um den Iran und eine mögliche militärische Aktion gegen das Land. Was das konkret bedeuten könnte – das lasse ich lieber einen Experten bewerten: Der frühere US-Admiral und ehemalige NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis warnte via Twitter:

Georgia is on my mind. Not the state and its election but the transit of the tomahawk strike submarine USS Georgia into the Persian Gulf. With two cruisers, there are now a lot of Tomahawk missiles headed into the Gulf Let’s hope we are not going to have a Dec-Jan surprise strike

und ausführlicher hier:

Was in diesem Zusammenhang auch aufhorchen lässt: Ein israelisches U-Boot scheint ebenfalls auf dem Weg in die Region, die entsprechende Meldung in der Jerusalem Post:

An IDF Navy submarine crossed the Suez Canal last week as a direct message to Iran, Kan News reported Monday evening.
Arab intelligence officials reportedly confirmed to Kan News that the Israeli submarine crossed the canal toward Iran visibly above water, in an act meant as a message to Iran’s supreme leader Ali Khamenei.
The move was made during a more than usually tense time between Jerusalem and Tehran. It was made possible after receiving an approval from Egyptian authorities.
According to Arab intelligence that confirmed the reports, the submarine passed the Red Sea and was making its way toward the Persian Gulf, in what they believe was meant as a direct threat to Iran.

• Mali

Gleich mehrere düstere Nachrichten aus dem westafrikanischen Land: 2020 war dort the deadliest year on record, berichtet das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), das die Daten kriegerischer Konflikte weltweit sammelt und aufbereitet. Und als wäre die Zusammenstellung unter dem Titel Mali: Any End to the Storm? nicht bedrückend genug, kommt am (heutigen) Dienstag eine AFP-Meldung: Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen wirft (auch) der malischen Armee Kriegsverbrechen vor.

The allegations are made in a massive 338-page report compiled by the International Commission of Inquiry, a three-member panel probing events in Mali for six years after it spiralled into conflict in 2012.
The inquiry, whose conclusions have not yet been made public, recommends setting up a court that specialises in prosecuting international crimes.
„The Commission has reasonable grounds to believe that the Malian defence and security forces committed war crimes, including violence to the life and person of civilians and persons hors de combat suspected of being affiliated or cooperating with extremist armed groups,“ says the report, seen by AFP.

Das betrifft, zumindest mittelbar, auch die EU und die Bundeswehr, die mit einer Ausbildungsmission (EUTM Mali) in dem Land aktiv ist. Die wegen der Coronavirus-Pandemie in den vergangenen Monaten eingestellten Trainingsaktivitäten wurden seit Anfang Dezember langsam wieder hochgefahren.

• Afghanistan

Der vom Noch-US-Präsidenten Donald Trump angeordnete beschleunigte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan läuft – und erstmals seit Beginn des internationalen Einsatzes am Hindukusch stellen die Amerikaner dort weniger Soldaten als ihre Verbündeten:

As the U.S. military scrambles to meet a mid-January deadline to draw down to 2,500 troops in Afghanistan, a milestone in the conflict has passed almost unremarked: The combined NATO force on the ground now outnumbers the U.S. contingent.
About 13,000 U.S. troops were deployed to Afghanistan as of the end of February, when the U.S. government inked an agreement with the Taliban to withdraw all forces over the course of 14 months if conditions were kept.
There are now about 4,000 U.S. troops deployed to Afghanistan, a senior U.S. defense official said Sunday, and the number is dropping quickly. As of late November, some 11,000 NATO troops remained from several dozen nations — a figure that includes the U.S. contingent. The largest contingents from other nations include Germany, the United Kingdom and Italy. Each had roughly between 900 and 1,000 troops supporting the effort as of June.

Die Zahl von 2.500 US-Soldaten soll bis Mitte Januar erreicht sein – und während die Verbündeten, auch die Bundeswehr, schon kräftig mit der Reduzierung von Material und Personal beschäftigt sind, bleibt noch immer die Frage, wie sich das auf den Einsatz ab Mitte Januar auswirken wird. Ganz abgesehen davon, dass die Sicherheitslage im Land – mit nahezu täglichen gezielten Angriffen auf afghanische Sicherheitskräfte, Politiker und Journalisten und vielen unbeteiligten Opfern – keineswegs besser wird.

• Horn von Afrika

Bereits seit 2016 ist die Deutsche Marine nicht mehr mit einem Schiff in der Antipiraterie-Mission Atalanta der EU vertreten; zeitweise wurde seitdem ein Seefernaufklärer in diesen Einsatz nach Djibouti geschickt. Damit soll demnächst auch Schluss sein, wie die Welt (Link aus bekannten Gründen nicht) am Dienstag unter Berufung auf eine Unterrichtung der Verteidigungspolitiker im Bundestag berichtet.

Grund für den weitgehenden Rückzug, so der Kern der Unterrichtung (der von Abgeordneten bestätigt wird), ist die von der EU geplante Ausweitung des Mandats: Atalanta soll künftig nicht nur gegen Piraterie aus Somalia vorgehen, sondern auch gegen Drogen- und Waffenschmuggel in der Region. Das ist allerdings mit dem derzeitigen Bundestagsmandat nicht machbar. Bei dessen jüngster Verlängerung im Mai dieses Jahres war die Ausweitung bereits absehbar:

Die Strategische Überprüfung von ATALANTA wird derzeit durch die EU vorgenommen. Eine Fortsetzung der Operation über 2020 hinaus halten die EU-Mitgliedstaaten wie die regionalen Anrainerstaaten für sinnvoll und erforderlich. Der Primärauftrag Sicherung der Transporte des WFP und von AMISOM und Piraterie-Bekämpfung soll weiter sichergestellt werden. Zusätzlich wird derzeit eine mögliche Anpassung der Sekundäraufgaben mit dem Ziel der Erstellung eines Lagebilds über andere große Herausforderungen für die Stabilität der Region (Waffen-, Drogen- und Holzkohle-schmuggel, Menschenhandel bzw. -schmuggel) geprüft. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Verteidigung stehen einer solch moderaten Anpassung im juristisch möglichen Rahmen aufgeschlossen gegenüber.

heißt es in der Begründung. Die Anpassung scheint allerdings zumindest bis zu einer neuen Mandatsbefassung nicht möglich zu sein. Aber dafür bleibt die Deutsche Marine mit Stabsoffizieren im Operations Headquarters der EU-Mission in Rota in Spanien präsent.

(Fehlt noch was Wichtiges?)

(Foto: The Ohio-class, guided-missile submarine USS Georgia (SSGN 729) transits with the Ticonderoga-class guided-missile cruiser USS Port Royal (CG 73) and the Ticonderoga-class guided-missile cruiser USS Philippine Sea (CG 58), not shown, on the Strait of Hormuz, Dec. 21, 2020 – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Indra Beaufort)