Lesestoff: Die Geschichte des Franco A.
Immer wieder taucht hier in Kommentaren die Frage auf, was eigentlich aus dem Fall Franco A. geworden ist – dem Bundeswehr-Offizier, der sich als syrischer Flüchtling ausgab und, so die bislang bekannten Vorwürfe, Teil eines rechtsextremen Netzwerks war. Die New York Times-Kollegin Katrin Bennhold hat die (meines Wissens) bisher ausführlichste Geschichte dazu geschrieben – und dafür mehrfach auch mit Franco A. selbst gesprochen.
Sehr langer und sehr lohnender Lesestoff:
A Far-Right Terrorism Suspect With a Refugee Disguise: The Tale of Franco A.
Ein interessanter Lesestoff.
Mir gefällt zwar der Teils aufbauschende Unterton (oder manchmal sogar Primärton) nicht (Beispiel: „When he does, Germany will go on trial with him — not only for the administrative failure that allowed a German officer who did not speak Arabic to pass himself off as a refugee for so long, but also for its longstanding complacency in fighting far-right extremism.“), aber insgesamt eine spannende Perspektive auf das Innenleben von Franco A.
Hallo Herr Wiegold,
vielen Dank für diesen Einblick. Ich bin ja mal gespannt wie die Diskussion hier laufen wird.
Ich wünsche Ihnen und den anderen Kommentatoren schon mal ein gutes neues Jahr,
Werferfehler
Die NZZ hatte eine dreiteilige Artikelserie, in der A. allerdings recht „sympathisch“ ‚rüber gebracht wurde („der nette junge von nebenan“; leider jetzt hinter der Zahlschranke).
Anmerken möchte ich, daß A. sich als christlicher Flüchtling hat registrieren lassen, so daß im Falle eines – glücklicherweise nicht erfolgten – Attentates / Zwischenfalls eher keine Zuschreibung zum muslimischen Kulturkreis erfolgt wäre. Zudem wäre dies quasi mit einer Selbstenttarnung verbunden gewesen, war er doch bei der Antragstellung erkennungsdienstlich behandelt worden.
Was mich nach wie vor ungemein verblüfft ist, wie ein Deutsch-Muttersprachler sich mit Erfolg als syrischer Flüchtling etablieren kann, ohne arabisch geführte Kommunikation.
In 2016 hatte ich im „Ankunftszentrum für Asylbegehrende der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen“ in der Antragsannahme gearbeitet, eine Lage wie Franco A. kann ich mir logisch nicht herleiten.
Die seinerzeitigen Erklärungen dazu kenne ich. Dennoch, unglaublich.
@ KPK
Dieser Aspekt des Skandals ist doch ruck zuck zur Randnotiz herabgesunken, spätestens mit den Einlassungen der Ministerin.
Ich musste ein wenig schmunzeln, dass im Artikel formaljuristisch durchgängig von „Franco A.“ die Rede ist, dem aufmerksamen Leser des Artikels der Nachname jedoch am Rande begegnet ;-).
@Koffer
Der Tenor überrascht mich nicht. Ich hätte mir eine zitierfähigere Quelle gewünscht. Nicht erst seit dem Brandbrief der Feuilletonistin Bari Weiss ist bekannt, dass die „New York Times“ die Leserschaft nicht informieren, sondern unverblümt politisch beeinflussen will und es mit der Wahrheit dabei nicht immer genau nimmt.
Und ja, mir ist durchaus bewusst, dass dadurch der vorliegende Artikel nicht notwendigerweise an Glaubwürdigkeit verliert. Aber das tut nichts zur Sache. Bennhold bietet keine neuen Erkenntnisse, sondern nur eine politisierte Anreicherung der bereits bekannten Vorwürfe und Vermutungen.
Ich für mein Teil warte auf den Prozess. Dann werden wir mehr wissen.
[Ihre Meinung ist Ihre Meinung, die Unterstellung, die NYT würde vorsätzlich fälschen, ist allerdings schon ein bisschen arg dreist. Sie müssen das Blatt ja nicht mögen, aber eine politisierte Anreichung der üblichen Verharmlosungen ist auch nicht hilfreich. T.W.]
@muck sagt: 29.12.2020 um 16:51 Uhr
„Ich für mein Teil warte auf den Prozess. Dann werden wir mehr wissen.“
Ehrlich gesagt halte ich das Gerichtsverfahren für reichlich unwichtig.
Entweder wird er (knapp) verurteilt oder (knapp) freigesprochen. Das es Beweise gibt dürfte angesichts seiner langen Untersuchungshaft klar sein. Wenn es solche nicht gäbe, dann hätte kein Haftrichter den Haftbefehl so lange aufrecht erhalten. Das diese aber nicht wirklich umfassend/überwältigend sind dürfte auch klar sein, sonst hätte das Gericht ursprünglich nicht die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt bzw. anfangs die wirklich schwerwiegenden Vorwürfe zurück gewiesen.
Das es keine weitreichende, staatsgefährdende Verschwörung gibt ist darüber hinaus in der Zwischenzeit auch klar geworden. Soviel erkennt man ja alleine an den verbunden Verfahren gegen (wenige) andere mit überschaubarer Reichweite.
Was mich interessiert ist vielmehr was einen intellektuell und fachlich offensichtlich überdurchschnittlich geeigneten Offizieranwärter und später jungen Offizier so auf die schiefen Bahn führt, dass er schließlich hochverräterische Gedanken hat. Denn ob er wirklich den Umsturz bzw. Attentate ausführen wollte, muss das Gericht entscheiden, dass er seine Treuepflicht zu DEU verraten hat, ist aber ja bereits jetzt offenkundig.
Und insoweit finde ich den Artikel durchaus interessant. Wie gesagt, etwas tendenziös, aber zusammen mit der Artikelserie in der NZZ durchaus erhellend.
Frage an den erfahrenen Journalisten: Kann man annehmen, dass der im Bericht Behandelte, der für diese Beinahe-Homestory gegenüber den Journalisten des großen US-Blatts auf die Wahrung diverser Rechte (Wohnung, eigenes Bild usw.) verzichtete, für seine ausgiebige Zusammenarbeit mit einem Honorar entlohnt wurde?
[Bei der New York Times kann man das nicht annehmen. T.W.]
Die interessanten – und merkwürdigen – Versuche, im Trump-Stil die New York Times in die Ecke der fakenews-Schleudern zu schieben, finden hier nicht statt.
@Koffer
> Was mich interessiert ist vielmehr was einen intellektuell und fachlich offensichtlich überdurchschnittlich geeigneten Offizieranwärter und später jungen Offizier so auf die schiefen Bahn führt, dass er schließlich hochverräterische Gedanken hat.
*hust*
“One would be to become a soldier and gain an influential position in the military so I can become the head of the German armed forces,” he wrote in January 2007. “Then a military coup would follow.”
Ich denke der Fehler begann mit der Einstellung in die Bw (2008). Der Irrsinn war schon vorher da…
@Jas sagt: 29.12.2020 um 18:57 Uhr
„Ich denke der Fehler begann mit der Einstellung in die Bw (2008). Der Irrsinn war schon vorher da…“
Naja, das wiederum sehe ich anders. Was ein 17jähriger als Ideen in sein Tagebuch vermerkt, sollte man nicht zu ernst nehmen. Alleine weil es ja offensichtlich auch für ihn ein Gedankenexperiment war („become the head of the German armed forces“).
Wir sollten einerseits nicht den Fehler machen im Nachhinein jeglichen Lapsus in der Jugend bereits als Prädisposition für spätere hochverräterische Ansichten eines Erwachsenen zu sehen. Allerdings muss man zugestehen, dass seine frühe Wegnahme aus der normalen Truppe und seine Transferierung in ein komplett anderes sozio-militärisches „Setting“ in Saint-Cyr sicherlich nicht dazu beitrug ihn in stabilere Bahnen zu lenken.
Interessant finde ich ja, dass einer, den man den Kreisen zuordnen würde, welche die NYT ablehnen, so intensiv, und offenbar ohne Honorar, mit ihr zusammenarbeitet. Vielleicht möchte er genau damit aber auch nur seine Unschuld darstellen.
@Koffer
> Naja, das wiederum sehe ich anders. Was ein 17jähriger als Ideen in sein Tagebuch vermerkt, sollte man nicht zu ernst nehmen. Alleine weil es ja offensichtlich auch für ihn ein Gedankenexperiment war („become the head of the German armed forces“).
Jetzt mal ehrlich: Bei einem 17jährigen, der solche(!) Gedanken aufschreibt scheiden vielleicht aus den 20000 verschiedenen Berufe ein paar aus – insbesondere jene, im besonderen Dienste des Staates den er phantasiert umzustürzen…
Und mal überhaupt – ich hab auch dumme – weiß Gott dumme Gedanken mit 17 gehabt. Mädchen, Trinkspiele, dumme Stunts, Lottomillionär,, Restaurentmanager, Musikkarriere, den VFL Bochum als Trainer von der Straße weg reformieren – aber von einem Staatsstreich ausgehend des eigenen Militärdienstes träumen (und das auch so beginnen) war irgendwie nicht dabei.
Lief wohl was falsch bei mir…
Erst Christiane F. und nun Franco A. Unsere Leidensfähigkeit wird doch arg strapaziert.
Nein. im Ernst: Ich bin sehr dankbar für diesen Artikel. Da gab es leider einige Lücken bei mir.
Tendenziös ist er mit Sicherheit, aber zum Glück für mich in einer antifaschistichen. Da drücke ich mal ein Auge zu.
Damit bin ich dann auch schon bei meinem Thema. All die zugedrückten rechten Augen nach seiner Masterarbeit in 2013.
Da ist es auch gleich wieder, dieses bescheidene Gefühl der Ohnmacht.
Wenn es doch nur ein Organ gebe, dass solche Vorgänge in der Bundeswehr näher untersuchen würde.
Wenn es richtig gut läuft, eventuell sogar Schlussfolgerungen zieht und Konsequenzen folgen lässt.
Aber so bleibt mir nur die Hoffnung, dass man auch die letzten zwei Rechtsextremisten in der Bundeswehr identifiziert und aus selbiger entfernt.
@Scharlatan
„All die zugedrückten rechten Augen nach seiner Masterarbeit …“
Ohne dies weiter zu vertiefen: dem Bataillon, jedenfalls soweit mir bekannt, kann kein Vorwurf in der causa „Franco A.“ gemacht werden.
@Jas sagt: 29.12.2020 um 19:30 Uhr
Dann haben Sie andere Auffassungen und Erfahrungen darüber was teenager sagen, denken und am Ende dann tatsächlich tun. Außerdem wissen Sie ja gar nicht in welchem Zusammenhang er diese schrieb.
Es gibt Aufschlüsse, aber man sollte doch davon abraten die privaten, ja intimen Gedanken eines Teenagers zu etwas anderem zu stilisieren als das was sie sind. Geschreibsel.
@Scharlatan sagt: 29.12.2020 um 20:03 Uhr
„Tendenziös ist er mit Sicherheit, aber zum Glück für mich in einer antifaschistichen.“
Mal abgesehen davon, dass dieser Begriff belegt ist, und sicherlich nicht in einer guten Art und Weise, sollte ein Artikel im „Paper of Record“ außerhalb der opinion section niemals tendenziös sei.
Ich bin ein großer NYT Fan (habe sie aboniert), aber hier wären einige Änderungen und sprachliche Abstufung doch qualitätssicherend gewesen.
Aber naja, wie ich ja schon schrieb, insgesamt gibt der Artikel gemeinsam mit denen aus der NZZ einen guten Einblick in die Geisteswelt von Franco A. Von daher empfinde ich ihn, trotz seiner fachlichen Mängel, als interessant zu lesen.
„Damit bin ich dann auch schon bei meinem Thema. All die zugedrückten rechten Augen nach seiner Masterarbeit in 2013.“
Hm, im Nachhinein, ist das alles einfach.
Wer aber mit echten Menschen und echtem Disziplinarrecht, Laufbahnrecht und der akademischen Freiheit jemals zu tun hatte, wird hier vorsichtiger urteilen.
„…his story mirrors the story of Germany itself….“
Ich bin schon überrascht, aber eigentlich nicht wirklich, wie der Einzelfall eines Leutnants hochgepushed wird auf “ Germany itself“.
Ok. Man kann das machen, man kann jeden Einzefall generalisieren, wenn man das will. Mit unabhängigem und neutralem Journalismus hat das allerdings nichts zu tun.
Aber ist eben so in unserer politisch korrekten Zeit….
@T.M.
Wenn Sie Ihr Wort darauf geben, muß ich das akzeptieren. Schade, dass Sie es nicht vertiefen wollen.
Bei jedem anderen hätte ich gesagt: Und ich benutze auch schon mal Werkzeug um in meine Hose zu kommen.
@koffer (29.12.2020 – 19:09)
Wer sich mit dem wahrscheinlich ziemlich prägenden Ausbildungsabschnitt der DEUFRA-Offizierausbildung auskennt, darf vermuten, dass seine grundlegenden Ideen dort in einigen Teilen der Offizieranwärterschaft und auch des Ausbildungspersonals gut angekommen sind und weiter befördert wurden. Insbesondere die ersten 2-3 Jahre classe préparatoire in St.Cyr-L’École werden mutmaßlich dafür gesorgt haben, dass sich Franco A. weiter in eine bisweilen ziemlich verschwörungstheoretische Parallelwelt reingedacht und -gelebt hat. Ein problematischer, das heißt auch immer wieder in öffentliche und weniger öffentliche Skandale verwickelter, kleiner, aber dafür harter Kern an Offizierschülern (insbesondere im filière éco) hängt dort royalistischen, monarchistischen, nationalchauvinistischen und offen rechtsextremen Ideen an, welche mit Tradition und Brauchtum ausgeschmückt oder kaschiert werden. Das ist innerhalb der Streitkräfte und der interessierten französischen Zivilgesellschaft ein offenes Geheimnis. Die Skandale, welche es bis in die Medien schaffen (offener Frauenhass, ungeklärte Selbstmorde von Offizieranwärtern mit Migrationshintergrund, Todesfälle bei Aufnahmeritualen etc.), werden breit diskutiert. Problematisch wird es besonders dort, wo die zuständigen französischen Vorgesetzten dies dulden oder sogar im Rahmen ihrer spezifischen Rolle daran teilhaben – etwa bei offiziell verbotenen Zeremonien und Aufnahmeritualen. Nicht selten sind die Rädelsführer der reaktionären Offizieranwärter die Söhne hoher adliger Stabsoffiziere/Generale/Beamter etc. Das französische Verteidigungsministerium ist sich der Problematik durchaus bewusst und versucht z.B. mittels Feldforschung von höherer Ebene, die Missstände zu durchdringen und zu beheben (Aussetzen von Jahrgängen, Verbot der Traditionen etc.). In der deutschen Offizierausbildung sind derartige Zustände in diesem Rahmen derzeit nicht einmal annähernd vorstellbar.
An der Grande Ècole später wurde seine Abschlussarbeit zur Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“ seitens des französischen Heeres ja massiv gerügt, aber der zuständige Leiter der Deutschen Delegation Frankreich, dem schlussendlich die disziplinare Ahndung oblag, wird wahrscheinlich ob der Tatsache, dass sein Schützling Leistungsträger in einer der forderndsten ausländischen Offizierausbildungen war, von härteren Konsequenzen abgesehen haben. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass Franco A. hinreichend intelligent und charismatisch war, um während des klärenden Gesprächs in Fontainebleau den glaubhaften Anschein von Reue oder Versehen zu erwecken.
Dem Jägerbataillon in Deutschland oder auch der Bundeswehr und ihrer Offizierausbildung kann man in diesem Fall keinen Vorwurf machen. Die grundlegenden Überzeugungen für seine späteren Pläne müssen sich im fünfjährigen Ausbildungsabschnitt in Frankreich gebildet haben, welcher ihn stärker geprägt haben dürfte als die vorangegangenen rund 18 Monate bei der Bundeswehr und der anschließende OL2 und OL3.
@ Koffer
Zitat: „„Damit bin ich dann auch schon bei meinem Thema. All die zugedrückten rechten Augen nach seiner Masterarbeit in 2013.“
Hm, im Nachhinein, ist das alles einfach.
Wer aber mit echten Menschen und echtem Disziplinarrecht, Laufbahnrecht und der akademischen Freiheit jemals zu tun hatte, wird hier vorsichtiger urteilen.“
Da bin ich jetzt aber überrascht von dieser Aussage !
Wenn ich mich zurück erinnere wie wir nach der 1998er Kampagne in der Bw, basierend auf den Vorfällen in Altenstadt, Rostock, Hoyerwerda usw, eine regelrechte Kampagne gegen Rechte in der Bw gestartet haben, und dabei jeden Wehrpflichtigen überprüft haben, ob er rechte Songs auf der Bude hört, oder Kameraden gefragt haben, ob der Betreffende vielleicht entsprechende Tätoos am Körper trägt oder bei entsprechenden ABC-Übungen mit Behelfsdekontamination im Freien (Freiluftduschen) darauf geachtet haben wer mit welchen Symbolen tätowiert ist, kann ich ihre Aussage überhaupt nicht verstehen.
Wenn der französische Schulkommandeur, die Masterarbeit des deutschen Austauschstudenten, Offiziers Franko A. wegen Rechtsextremismus ablehnt, dann macht der dienstältesteste deutsche Offizier an dieser Schule was ?
Er winkt die Masterarbeit durch und die vorgesetzte Stelle im Heeresamt ( ? ), dessen Kommandeur und dessen Rechtsberater entscheiden, keinen Vermerk in der Personalakte von Franko A. aufzunehmen, weil dies seine Ernennung zum Berufssoldaten gefährden würde ! Und all die Vorgesetzten haben sich keiner Dienstpflichtverletzung, eines Dienstvergehens schuldig gemacht ?
Wie bewerten Sie dieses Verhalten der Vorgesetzten, vor allem im Vergleich wenn Franko A. während seiner Studienzeit in Frankreich z.B. Kameradendiebstahl, Trunkenheitsfahrten oder Unfallflucht begangen hätte ?
Wären dann die Vorgesetzen auch so großzügig geblieben, um die Laufbahn des Karriereoffiziers nicht zu gefährden ?
@vache folle sagt: 30.12.2020 um 1:10 Uhr
Zustimmung.
Ihre Beschreibung des „Besonderheiten“ der FRA OffzAusb teile ich. In DEU kann sich gerade die royalistischen und xenophoben Tendenzen in bestimmten Tle des FRA OffzKorps überhaupt niemand vorstellen, der nicht ein stark im Thema steht.
Ich bin ein großer Anhänger der DEU/FRA Austausche bei kürzeren Formaten. Ich denke beide Seiten können davon massiv profitieren. Ich für meinen Teil hatte die Freude und Ehre mehrere Wochen in FRA sein zu dürfen und mehrere Monate einen FRA in DEU betreuen zu dürfen. Ich habe davon stark profitiert und hoffe mein FRA Mentee in seiner Zeit bei uns auch.
Aber die DEU/FRA-Offz-Ausb mit Komplettaustausch über Jahre, würde ich ersatzlos streichen. Gerade in den prägenden ersten Jahren dürfen wir unsere OA nicht in fremde Hände geben.
Dem 291 mache ich übrigens gar keinen Vorwurf. Solche Dinge im normalen Tagesdienst erkennen zu können oder durch „normale“ PolBil gegen zu steuern ist kaum zu machen. Wenn wir noch echtes Kasernen- und Casinoleben hätten, wäre das etwas anderes, aber diese Zeiten sind ja leider vorbei.
Und auch dem DDO in FRA mache ich keinen Vorwurf, wer schon mal selbst Diszplinarvorgesetzter war und mit solch schwierigen Abwägungen zu tun hatte, sollte wissen, dass er mit weitergehenden Maßnahmen wohl sowieso keinen Erfolg gehabt hätte. Selbst wenn er angesichts der nur flüchtigen Kenntnis der Person das gewinnende Auftreten von Franco A. überhaupt hätte durchschauen können. Franco A. hat ja nun nicht nur ihn, sondern auch einen in solchen Dingen durchaus versierteren WDA täuschen können. Disziplinarrecht (und erst Recht Laufbahn-/Personalrecht) beginnt zu einem stumpfen Schwert zu werden, wenn es um Dinge geht, die im Kopf eines Beschuldigten vorgehen. Überzeugungen sind bei Vernehmungen nur schwer justiziabel aufzuklären.
Bei diesem Thema werde ich ja sogar zwischen den Jahren verlaessslich getriggert.
Also: Groessenwahnsinnige Muttersoehnchen gab es immer, wird es immer geben. Aber das so jemand wie Oberleutnant A. zur ersten Garde des Offiziernachwuchses der deutschen Infanterie avanciert, kann nur mit systemischen Versagen im Sinne einer Kombination von weitverbreiteter Faulheit (Hammerstein-Equord: 90 % der Offiziere sind betroffen..er meinte wohl: Gott sei dank!), Mangel an individueller „Innerer Fuehrung“ und stellenweise stillschweigendem Einverstaendnis erklaert werden.
Die Atmosphaere bezueglich der Fluchtlingskrise im Jahre 2015, zumindest in dem ein oder anderen politischen Dunstkreis, welche durchaus Ableger im deutschen Offizierkorps haben, war tatsaechlich geeignet, einen schwachen, geltungsbeduerftige Menschen wie OLt A. an die Schwelle zu tragen, ueber die er als putziger Westentaschen-Stauffenberg schon immer schreiten wollte: Mit einer vermeintlich heroischen Tat in die Geschichte eingehen. Auf eine gewisse Art hat er es ja geschafft: Lebendig mit Mamis Makeup in die Fluechtlingsunterkuft, dann ueber Wien und den deutschen Gerichtsaal zurueck ins eigene Kinderzimmer, aber nun mit Berichterstattung zur eigenen Person durch die NYT. Das kann ihm keiner mehr nehmen, Warhols 15min de luxe.
Aber dennoch kann hier auch keiner mehr kleinreden: Ein Absolvent der heutigen deutschen Offzierausbildung konnten im aktiven Dienst eine prae-existente Staatsferne nicht nur pflegen, sondern auch ausbauen. In den Einheiten und Ausbildungsstaetten, in die ich bisher Einblick hatte, wurde sowieso nicht genug ueber das besondere, ja existenzielle Verhaeltnis von Republik und ihren Verteidigern gesprochen, so dass sich meiner Meinung nach durch falsch verstandende Toleranz (Auch meiner einer.) viel zu viele geistige Vaterlandsverraeter in unsere Reihen einnisten konnten. Dabei gilt weiterhin die eherne Regel: Ist das Vertrauensverhaeltnis nicht intakt zwischen Regierung, Volk und Armee, ist auch der Verteidigungswille nicht mehr glaubwuerdig. Dies ist keine innere Angelegenheit, sondern so etwas wird von den strategischen Gegnern und Wettbewerbern beobachtet und ggf. ausgenutzt, d.h.: Kann sich die deutsche Regierung augenscheinlich auf Teile des militaerischen Fuehrerkorps NICHT verlassen, schwaecht das die aussen- und sicherheitspolitische Position unseres Landes. Alle Kameradinnen und Kameraden sind daher aufgerufen, solche Vorkommnisse nicht herunter zu spielen und zu verharmlosen, sondern dafuer zu sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert. Wer hier also wie @Koffer meint, „echte“ Menschen mit ungeklaerten Verhaeltnis zur deutschen Demokratie muesse man gewaehren lassen, um buerokratisches Gezerre mit dem Personalamt der Streitkraefte zu vermeiden, hat wohl nix verstanden, kann sich aber bequem mit mir zusammen zu Hammerstein-Equords 90% gesellen.
@J10 sagt: 30.12.2020 um 12:52 Uhr
„Bei diesem Thema werde ich ja sogar zwischen den Jahren verlaessslich getriggert.“
Offensichtlich. Deswegen verzeihen Sie hoffentlich wenn ich auf Ihre Anwürfe nicht weiter eingehe.
Wenn Sie eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung über die Realität wünschen, stehe ich gerne wieder zur Verfügung.
vache folle sagt:
30.12.2020 um 1:10 Uhr
Was ist das „filière éco“?
Danke und viele Grüße
T.L.
@Georg sagt: 30.12.2020 um 10:38 Uhr
„Wie bewerten Sie dieses Verhalten der Vorgesetzten, vor allem im Vergleich wenn Franko A. während seiner Studienzeit in Frankreich z.B. Kameradendiebstahl, Trunkenheitsfahrten oder Unfallflucht begangen hätte ?
Wären dann die Vorgesetzen auch so großzügig geblieben, um die Laufbahn des Karriereoffiziers nicht zu gefährden ?“
Der Unterschied zwischen „Gesinnungsdienstvergehen“ und „materiellen Dienstvergehen“ ist dramatisch. Sowohl in der Sachverhaltsaufklärung, als auch in den zulässigen und gerichtsfesten Maßnahmen.
Entschuldigen Sie die deutlichen Worte, aber Sie machen den Fehler aus einer nachträglichen Perspektive des bereits alles Wissenden eine Bewertung zu treffen und den Stab über Menschen zu brechen, die vom Disziplinarrecht und Laufbahnrecht wesentlich mehr Ahnung haben als der durchschnittliche Kommentator hier im Blog.
@Georg sagt: 30.12.2020 um 10:38 Uhr
NACHTRAG
„Und all die Vorgesetzten haben sich keiner Dienstpflichtverletzung, eines Dienstvergehens schuldig gemacht ?“
Ja, Sie haben sich definitiv keines Dienstvergehens schuldig gemacht. Unser Disziplinarrecht kennt glücklicherweise keine Maßnahmen für Fehler.
Wenn alle drei pflichtgemäß ermittelt haben und pflichtgemäß abgewogen haben (und allein angesichts der öffentlich bekannt gewordenen und von Ihnen ja selbst erwähnten Befragungen und Aktenvermerke, haben sich offensichtlich rechtmäßig gehandelt.), dann haben sie zwar in einer nachträglichen Perspektive einen Fehler gemacht, aber liegen noch nicht einmal ansatzweise irgendwo im Bereich eines Dienstvergehens.
@T.L.
Filière science économique et sociale – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
@Georg
Seine erste Arbeit wurde nicht angenommen, Franco A. mußte eine andere Arbeit vorlegen.
@Koffer
„Das es Beweise gibt dürfte angesichts seiner langen Untersuchungshaft klar sein. Wenn es solche nicht gäbe, dann hätte kein Haftrichter den Haftbefehl so lange aufrecht erhalten.“
Naja, in DE ist der Untersuchungshaftbefehl fast genauso einfach zu bekommen wie ein Durchsuchungsbeschluss, dazu ist 112 (2) StPO bereits sehr weit gefasst und die Hürde des „dringenden Verdachts“ nach BGH Rechtsprechung ist auch nicht sehr hoch.
Wenn jedoch, wie im vorliegenden Fall 112 (3) StPO zutrifft, führt erst einmal gar kein Weg an der U-Haft vorbei. Insbesondere wenn der Haftrichter (am Amtsgericht) sieht dass der Generalbundesanwalt den Haftbefehl beantragt.
@Titus von Unhold sagt: 30.12.2020 um 14:00 Uhr
Natürlich ist die Schwelle für U-Haft deutlich niedriger als für eine Verurteilung. Sonst wäre es ja keine Untersuchtungshaft.
Aber nichts desto trotz müssen Beweise oder gute Indizien vorliegen, sonst wäre der Haftbefehl nicht über Monate aufrecht erhalten worden.
Gleiches gilt für den Beschluss des BGH entgegen der ursprünglichen Entscheidung des OLG Frankfurt die Anklage wegen der „Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat“ doch zuzulassen.
Das sehen Sie ja geradezu handfest meinen Punkt: es gibt Beweise (sonst hätte der BGH das OLG nicht übersteuert), aber sie scheinen nicht „überwältigend“ zu sein (sonst hätte das OLG ja die Anklage nicht zurückgewiesen).
@ Koffer
Zitat: „Entschuldigen Sie die deutlichen Worte, aber Sie machen den Fehler aus einer nachträglichen Perspektive des bereits alles Wissenden eine Bewertung zu treffen und den Stab über Menschen zu brechen, die vom Disziplinarrecht und Laufbahnrecht wesentlich mehr Ahnung haben als der durchschnittliche Kommentator hier im Blog.“
Wo mache ich denn einen Fehler, wenn ich vermute der zuständige deutsche Disziplinarvorgesetzte an der französischen Schule wurde über die vorgelegte Abschlussarbeit (1. Fassung) von der französischen Schulleitung informiert ? Zumal der französische Schulkommandeur diese Arbeit wegen der offensichtlichen rechtsextremen, nationalistischen Gesinnung des Studenten Franko A. abgelehnt hat ?
Wird da in einem solchen Fall der deutsche, dienstältesteste Verbindungsoffizier, ggf. Disziplinarvorgesetzter nicht informiert ?
Zitat:
„„Und all die Vorgesetzten haben sich keiner Dienstpflichtverletzung, eines Dienstvergehens schuldig gemacht ?“
Ja, Sie haben sich definitiv keines Dienstvergehens schuldig gemacht. Unser Disziplinarrecht kennt glücklicherweise keine Maßnahmen für Fehler.“
Aha und all die Vorgesetzten haben eine schriftliche Abschlussarbeit von dem Lt Franko A. gesehen, dessen Geist ein Bruch des Diensteides, des Treueeides des Soldaten darstellt (§ 7 und 8 SG) und sie haben sich keines Dienstvergehens schuldig gemacht, dass sie den Bruch des Diensteides des Soldaten Franko A. nicht weiter verfolgt haben oder gar vertuscht haben, damit der Karrieresoldat keine Laufbahnnachteile erleiden würde ?
@Titus von Unhold
Da Ihnen die Juristerei wohl im Blut liegt hier der Beschluß des BGH, in dem auch alle Vorwürfe gegen den A. aufgeführt sind:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2019&nr=101399&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf
Recht ausführlich die Darstellung hier:
https://www.belltower.news/franco-a-der-mutmassliche-rechtsterrorist-taucht-im-bundestag-und-im-gericht-auf-91267/
Trau mich ja gar nicht zu fragen, aber seine Bezüge bekommt er sicher immer noch, oder?
@Georg sagt: 30.12.2020 um 15:12 Uhr
„Wo mache ich denn einen Fehler, wenn ich vermute der zuständige deutsche Disziplinarvorgesetzte an der französischen Schule wurde über die vorgelegte Abschlussarbeit“
Es gab keinen DEU Disziplinarvorgesetzten an der FRA Schule. Sein DV dürfte irgendwo in Paris gesessen haben. Und er dürfte den Kameraden vielleicht einmal im Quartal (?!) wenns hochkommt gesehen haben.
Deswegen ja mein Vorwurf an Sie (und andere) Sie brechen hier ohne Kenntnisse über die Details der Fakten den Stab über wesentlich erfahrenere Offiziere und Juristen. Und das alles aus einer „im-Nachhinein-weiss-man-alles-immer-besser“ Perspektive.
Das schickt sich nicht. Und ist zudem inhaltlich zumeist auch nicht sachgerecht.
„Aha und all die Vorgesetzten haben eine schriftliche Abschlussarbeit von dem Lt Franko A. gesehen, dessen Geist ein Bruch des Diensteides, des Treueeides des Soldaten darstellt (§ 7 und 8 SG) und sie haben sich keines Dienstvergehens schuldig gemacht, dass sie den Bruch des Diensteides des Soldaten Franko A. nicht weiter verfolgt haben oder gar vertuscht haben, damit der Karrieresoldat keine Laufbahnnachteile erleiden würde ?“
1. Nein, haben sie nicht. Nach allem was öffentlich bekannt geworden ist, haben sie pflichtgemäß ermittelt und eine begründete Abwägungsentscheidung getroffen. Dazu sind sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Und es ist KEINERLEI Dienstvergehen wenn man nach pflichtgemessen Ermessen zu einem fehlerhaften Ergebnis kommt.
2. Vertuschung? Zügeln Sie sich bitte!
@LLTr sagt: 30.12.2020 um 16:36 Uhr
„Trau mich ja gar nicht zu fragen, aber seine Bezüge bekommt er sicher immer noch, oder?“
Selbstverständlich. Solange er nicht entlassen ist, hat er einen Rechtsanspruch auf seine Bezüge. Alles andere wäre in einem Rechtsstaat ja auch reichlich seltsam.
Unabhängig davon, dürften diese gekürzt worden sein. Bei einem so schwerwiegenden Vorwurf, bei dem das Verbot Uniform zu tragen und Dienst auszuüben ausgesprochen wurden, werden diese üblicherweise gekürzt ausbezahlt.
@Koffer
Tja, dann kann man wohl nichts machen. Immer nur danebenstehen und zuschauen. Wenn man Glück hat, macht der Betreffende mal einen Fehler.
Und wieso habe ich ständig dieses Gefühl Sie würden feixen, wenn Sie über Rechtsanspruch und Rechtsstaat schreiben?
Leute, ich habe die Debatte hier weitgehend laufen lassen, jetzt aber ein deutlicher Hinweis: Wenn es zu persönlichen Anwürfen kommt, regele ich das ziemlich robust und greife ein.
Beachtung verdient auch das Foto des – sehr sorgsam inszenierten – Bücherregals. Arc de Triomphe und Grundgesetz mit Cover zum Betrachter. Das ganze Arrangement sauber abgetarnt mit einem Philodendron.
Interessanter ist aber die Reihe darüber: alle Klassiker der Weltreligionen von Kabbala über Krishna bis Koran. Das Neue Testament zweimal, die Bibel gleich dreimal. Webers „Runenkunde“ und Schultze-Rhonhofs „Wozu noch tapfer sein?“ bleiben da nur schwache Echos einer literarischen Vergangenheit.
@Scharlatan sagt: 30.12.2020 um 18:30 Uhr
„Und wieso habe ich ständig dieses Gefühl Sie würden feixen, wenn Sie über Rechtsanspruch und Rechtsstaat schreiben?“
Ehrlich gesagt, finde ich es eher ermüdend gerade in einem Forum von Soldaten, Ehemaligen und Interessierten immer wieder an die Grundzüge unserer FDGO erinnern zu müssen.
@T.W.
Danke.
@ Koffer sagt:
29.12.2020 um 13:17 Uhr
Auch nach mehrmaligem Lesen kann ich an der von Ihnen zitierten Textstelle absolut nichts aufbauschendes finden. Aus meinen Augen eine nahezu journalistisch vorbildliche Reportage – die, darf man vielleicht nicht vergessen, primär für einen US-Leserkreis geschrieben ist.
@ vache folle sagt:
30.12.2020 um 1:10 Uhr
Sehr interessanter Kommentar, danke.
Für mich gilt wieder einmal: Die Bundeswehr ist Opfer und Täter zugleich.
Franco A. ist während seiner Ausbildung nicht entlassen worden, weil es nicht gewollt war. Man hätte sich ja damit eingestanden, dass man sich einen Fehlgriff geleistet hat.
Nur am Rande: Ich war für 6 Monate in einem der größten Ankunftszentren in Niedersachsen als Einzelentscheider tätig.
Einen Franco A. hätten wir in der Anhörung nach 2 Minuten überführt.
(Andernorts waren die Zustände beim BAMF aber tatsächlich desolat.)
Der gesamte Fall Franco A. zeigt eine ganze Menge von Ungereimtheiten in und außerhalb der Bundeswehr. Das ist leider sehr alarmierend.
@Koffer
„Wenn alle drei pflichtgemäß ermittelt haben und pflichtgemäß abgewogen haben …dann haben sie zwar in einer nachträglichen Perspektive einen Fehler gemacht, aber liegen noch nicht einmal ansatzweise irgendwo im Bereich eines Dienstvergehens…“
– Ich stimme Ihnen zu 100 Prozent zu. Jeder Disziplinarvorgesetzte handelt subjektiv. Wie sollte es anders sein? Wenn der Disziplinarvorgesetzte „pflichtgemäß ermittelt und pflichtgemäß abgewogen hat“ dann ist er seiner Verantwortung gerecht geworden. Wer einmal Disziplinarvorgestzter war, der weiß, dass dies nie einfach ist und vor Allem nie „eindeutig“ ist.
– Jeder Richter ist in der selben Situation. Deswegen urteilen unterschiedliche Richter über gleiche Sachverhalte unterschiedlich. Das war immer so, das wird immer so sein.
– Es ist einmal mehr zu beobachten, dass ein Einzelfall instrumentalisiert wird, um zu generalisieren. Warum? Ich weiß es nicht. Ich hatte es schon einmal geschrieben: das scheint der Zeitgeist zu sein. Insgesamt schadet diese Vorgehensweise unserer Gemeinschaft und insbesondere der soldatischen Gemeinschaft. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Disziplinarvorgestzten des Franco A. „schlampig“ oder parteiisch gehandelt hätten.
– @Koffer hat in seiner Argumentation immer auf den „Rechtsstaat“ abgehoben. Damit hat er in meinen Augen nicht nur Recht, sondern dies ist der einzig zulässige Maßstab. – Nur der Rechtsstaat schützt uns davor, dass die jeweilige vorherschende „Gesinnung“ das geschriebene Recht ersetzt. Die einzige zulässige Frage ist daher: haben die Disziplinarvorgesetzten im Disziplinarverfahren gegen Franco A. gegen das geltende Recht verstoßen?
Nach meiner Bewertung der Faktenlage nicht.
@Thomas Wiegold
Qualitätsunterschiede finden Sie in jeder Branche, auch in den Medien. Mir ist nicht klar, warum die New York Times vor einer Kritik bewahrt werden sollte, die gegen andere Zeitungen, und seien dem Boulevard zuzurechnen, bedenkenlos erhoben wird.
Zumal, wenn eine leitende Angestellte der NYT ausdrücklich ebender kritisierten Missstände wegen gekündigt und einen lukrativen Posten aufgegeben hat. Überdies ist Ihr Einwand gegen meinen Kommentar unzutreffend.
Ich habe keineswegs gegen die Regel: „don’t shoot the messenger“ verstoßen, sondern lediglich @Koffer’s Kritik kommentiert, ausdrücklich betonend, dass die Botschaft natürlich nicht schon durch den Boten diskreditiert wird.
@Koffer
Ob der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft freikommt, hängt nur mittelbar von der Beweislage ab; auch wer auf frischer Tat angetroffen wird, kann bis auf Weiteres freikommen, wenn keine Haftgründe nach § 112 StPO vorliegen oder nachträglich entfallen.
Mein Kommentar bezüglich des Gerichtsprozesses bezog sich darauf, dass bei jedem Verfahren mit entsprechendem öffentlichen Interesse eine Lawine der Mutmaßungen ins Rollen gerät, die für Verfahrensferne rasch unüberschaubar wird.
Erst die Informationen, die nur den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stehen, können dann noch helfen, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden. Und Impulse dazu liefern, was nötig ist, um Rechtsextremismus in der Bundeswehr künftig effektiver zu begegnen.
[Deutlicher Hinweis: Ich habe keineswegs behauptet, dass die New York Times „vor Kritik bewahrt werden“ sollte. Ich habe mich gegen Ihren Versuch gewandt, mit der Aussage „nimmt es mit den Fakten nicht so genau“ den hier verlinkten Artikel zu diskreditieren. Solche Desinformationstaktiken unterbleiben hier. T.W.]
@Landmatrose3000 sagt: 30.12.2020 um 21:03 Uhr
„Deutschland steht mit vor Gericht“?!
Ich bitte Sie, wenn das nicht aufbauschend und unnötig dramatisierend ist, weiß ich es auch nicht und solche Beispiele finden sich ein halbes Dutzend mal im Artikel.
Natürlich darf eine Reportage „farbiger“ sein, als eine normale Berichterstattung, aber die Autorin hat mEn manchmal ihre eigene Meinung zu deutlich einfließen lassen.
@F. Hoffmann sagt: 30.12.2020 um 22:16 Uhr
„Franco A. ist während seiner Ausbildung nicht entlassen worden, weil es nicht gewollt war. Man hätte sich ja damit eingestanden, dass man sich einen Fehlgriff geleistet hat.“
Korrektur. Franco A. ist nicht entlassen worden, weil damals (!) nichts nachweisbar war, weswegen ein Gericht eine Entlassung ausgesprochen hätte.
@ F. Hoffmann
„Nur am Rande: Ich war für 6 Monate in einem der größten Ankunftszentren in Niedersachsen als Einzelentscheider tätig.
Einen Franco A. hätten wir in der Anhörung nach 2 Minuten überführt.
(Andernorts waren die Zustände beim BAMF aber tatsächlich desolat.)“
Ich war zu dieser Zeit auch bei BAMF (in Sachsen) und habe die Niederschrift seiner Anhörung gelesen (am nächsten Tag war die Akte aus dem MARIS raus). Keine Nachfragen, keine Überprüfung, überhaupt keine Fragen außer den vorgegebenen. Eine Katastrophe. Wie Sie sagen, ein halbwegs engagierter Entscheider hätte wenige Minuten gebraucht um rauszufinden dass die Geschichte von Franco A. nicht stimmt.
Die Geschehnisse um diesen Menschen, Bürger und Soldaten sind schwerlich mit gesunden Maßstäben zu messen. Und sollte es dennoch so sein, dann wird es immer zu starken Diskussionen führen, was wie zu beurteilen sei und was wie schwer zu gewichten wäre. Dieser Dissens ist gewollt und begrüßenswert, auch die rechtsprechende Gewalt ist Änderungen unterworfen und kann sich irren, sonst gebe es keine Instanzen, keine Berufung oder Revision. Wo Menschen handeln sind Fehler möglich und sollten auch möglich bleiben, bestenfalls ist ein Korrektiv zu etablieren um das Mehraugenprinzip zu verwirklichen. Grobe Fehler sind aber auch dadurch nicht auszuschließen. Leider.
Als unredlich erachte ich es, wenn sich in Unkenntnis der Umstände ein Urteil angemaßt wird, das nur in der eigenen subjektiven Wahrnehmung begründet ist. Natürlich ist es zulässig, daran besteht kein Zweifel. Aber es ist nicht mehr als ein Zuruf aus dem Publikum, entscheidend ist nun mal auf dem Platz, um diese Analogie zu bemühen.
Schön zu lesen, dass es so viele gibt, die das alles soviel besser gemacht hätten, [irony]dann besteht ja noch Hoffnung.[/irony]
Ich pflichte hier eher denjenigen bei, die anmerken, dass sich im Nachhinein alles gut und gerne klar deuten lässt. Die Realität sich aber so nicht wirklich darstellt, da hat man keine umfassenden Informationen und keine Ewigkeiten Zeit um daraus Schlüsse zu ziehen. So ist nur das Leben nur im Publikum, auf dem Platz ist eben anders.
Wer sich ernsthaft anmaßt zu beurteilen, dass ihm das nie passiert wäre, oder dass er das alles hätte kommen sehen und frühzeitig die richtigen Schlüsse gezogen- und dann auch konsequent die richtigen Massnahmen durchgesetzt hätte.
Tut mir leid ihnen das sagen zu müssen, aber ich kann sie nicht ernst nehmen. Ich verstehe @Koffer da sehr gut, es ist ermüdend zu lesen und dagegen zu argumentieren.
Aber wie gesagt, was sich in den Gedanken dieser Person abgespielt hat? Sein Handeln und seine Beweggründe sollten jedenfalls mal auf psychopatholgische Aspekte hin untersucht werden, Nach meinem dafürhalten weisen die unbestrittenen Tatsachen entweder in eine solche Richtung, oder es sind nachträgliche Schutzbehauptungen.
[sarc]Allein aus der Tatsache, dass ein karriereorientierter Offizier ein wenig komisch ist, abzuleiten, dass er zu beobachte sei … da hätten die entsprechenden Stellen und/oder Behörden aber viel zu tun. [/sarc]
@muck sagt: 31.12.2020 um 1:48 Uhr
„Ob der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft freikommt, hängt nur mittelbar von der Beweislage ab; auch wer auf frischer Tat angetroffen wird, kann bis auf Weiteres freikommen, wenn keine Haftgründe nach § 112 StPO vorliegen oder nachträglich entfallen.“
Habe nie etwas anderes behauptet.
Aber wenn keine ausreichende (wenn auch deutlich geringere als für einen Schuldspruch notwendige) Beweislage vorliegt, dann muss die U-Haft immer aufgehoben werden. Erst Recht wenn sie über einen so langen Zeitraum andauerte und damit die drohende Verdunklungsgefahr etc. immer geringer wird.
Aber wird dieser Streit nicht langsam sehr akademisch?
Meine Kernaussage ist doch nicht Prozessverfahrensrecht, sondern die Tatsache, dass es eine Beweislage gibt, aber diese offensichtlich nicht erdrückend ist.
Beides kann doch angesichts der öffentlich bekannten Fakten überhaupt nicht bestritten werden.
Meine Schlussfolgerung, dass mich das Urteil weniger interessiert, als die Beweggründe, die Franco A. auf hochverrräterische Gedankenpfade geführt haben (und das ist glaube ich eindeutig der Fall, auch nach seinen eigenen, öffentlichen Aussagen), kann natürlich angezweifelt werden, aber die zu Grunde liegenden Fakten sollten wir doch bitte nicht zerreden.
@Koffer
> Korrektur. Franco A. ist nicht entlassen worden, weil damals (!) nichts nachweisbar war, weswegen ein Gericht eine Entlassung ausgesprochen hätte.
Nein. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren is es nur üblich bei gleichzeitigem Strafprozess zuerst das juristische Urteil abzuwarten um dann abzuwägen wie man disziplinär verfährt. Franco A. Hat sein gerichtliches Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen. NUR deshalb ist er noch im Status Soldat. Und ich sage bewusst NUR, da die Anordnung zum Verbot der Ausübung des Dienstes, Tragen der Uniform und Kürzung der Bezüge angeordnet wird, wenn fest mit einer Entfernung aus dem Dienst zu rechnen ist.
Man könnte (Und hätte wohl) – wären die Truppendienstgerichte nicht mit irgendeinem Kleinmüll überfrachtet – ihn auch früher aus dem Dienst entfernen und entlassen.
@Pete
> Die einzige zulässige Frage ist daher: haben die Disziplinarvorgesetzten im Disziplinarverfahren gegen Franco A. gegen das geltende Recht verstoßen?
Darum geht es doch überhaupt nicht! Die Frage die viele hier zu recht stellen und die bei jedem Fall von Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus stellt ist doch:
Ist die Bundeswehr als Institution und ihre Soldat_innen als Gemeinschaft resilient genug um wirksame Abwehrfähigkeiten und ein Selbstverständnis der “Null Toleranz” zu allen Extremen zu entwickeln
ODER
Müssen wir akzeptieren, dass es eben immer nur der Zufall, der Einzelhinweis oder das Offenkundige – niemals aber die Bundeswehr selbst es ist, das aufdeckt?
Darum geht es doch. Da ist ein offenkundig rechtsextrem orientierter Offizier(Anwärter). Der macht daraus kein Hehl. Verfasst sogar Rassistische, Volksverhetzende Schriften als akademische Arbeit. Wird Teil eines rechtsextremen Netzwerkes. Entwendet Munition und Sprengstoff. Besitzt unerlaubt Waffen aus unbekannter Herkunft. “Verbrüdert” sich mit anderen Soldaten zu Straftaten. Bleibt unerlaubt dem Dienst fern – durch andere Soldaten vertuscht – um sich als syrischer Flüchtling auszugeben. Und raus kommt’s weil ihn die österreichische Polizei wegen einer versteckten Waffe festnimmt?
Die Frage ist: Muss die Gesellschaft es akzeptieren, dass die Bundeswehr Und ihre Soldat_innen nicht in der Lage sind so etwas selbst zu merken, aufzuklären etc… Der Trigger kommt IMMER von außen!
Rechtsextreme und Straftaten im KSK? Polizei und LKA – die Bundeswehr hat schön “dicht” gehalten – da kam der Trigger nicht her.
Franco A? Nichts. Komplett von außen. Keiner sah die Möglichkeit was zu machen, zu sagen, es aufzuzeigen. Der Junge kommt mit faschistischen Ideen in den Offizierdienst, diese können in zugegeben kritischen Umfeld Saint Cyr weiter reifen und gedeihen. Als er sie offen äußert – Crickets. Bitte nochmal… dann passt das schon. Danach Entwendung von Munition und Sprengstoff, unerlaubte Abwesenheit mit Mitwissern etc… nichts. Aber Hauptsache ich lese hier von Uniformträgern eine Charakterisierung über Franco A. “Intellektuell und fachlich überdurchschnittlich geeignet” Kopfschütteln….
Also was ist es?
A) Das kann und darf nicht sein. Die Bundeswehr muss das Selbstverständnis zur eigenen Aufdeckung und Auslese fauler Äpfel entwickeln
Oder
B) Tja da muss man durch. Wird’s immer wieder geben. Kann man nix machen. Arbeiten wir im Nachgang ab. Weiter so.
Denn darauf läuft es ja hinaus.
Ich mache den DV keinen Vorwurf – die sehen immer nur nen Ausschnitt. Aber das System insgesamt ist hier doch nachweislich zu volatil.
Hej, da haben wir ja eine Gemeinsamkeit herausgefunden.
Es ist ermüdend zu lesen und dagegen zu argumentieren.
Guten Rutsch!
@ Fehlbesetzung; 31.12.2020 um 10:19 Uhr
„Wer sich ernsthaft anmaßt zu beurteilen, dass ihm das nie passiert wäre…“
Genau da liegt bisweilen der Hund begraben!
Für ihren Kommentar +1
@ vache folle ; 30.12.2020 um 1:10 Uhr
Exakte Darstellung der „Zustände“ in dieser FRA-Eliteschmiede!
Ich schließe mich auch der Meinung an das an solchen Einrichtungen nur „Erwachsene“ und Berufserfahrene Stabsoffiziere über einen längeren Zeitraum verbleiben sollten. Nicht aber der junge Lt/OLt der sich noch in einer Phase der Prägung befindet.
Gleiches gilt auch für UmP die sich über einen längeren Zeitraum an einer (der) Sergeant Major Akademie befanden. 90% derer, kommen mit einem verbogenen Weltbild und vollkommener Selbstüberschätzung aus der danach meist folgenden Verwendung in den USA nach DEU zurück. Ich spreche hierzu aus eigener Erfahrung.
Keimzellen für „nationalistisches Denken“ sind in den oben aufgeführten Bereichen schwieriger Trockenzulegen als man glaubt!