Verteidiger in der SPD-Bundestagsfraktion wollen Europa-Armee als ’28. Armee‘
Die Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion hat am 6. Oktober ein Diskussionspapier zu ihren Vorstellungen von einer Europa-Armee beschlossen – als 28. Armee zusätzlich zu den nationalen Streitkräften der 27 Mitgliedsstaaten. Da die Debatte hier (in anderen Threads) dazu schon losgeht, hier das am (heutigen) Sonntag bekanntgewordene Papier im Original:
20201006_SPD-AGSV_Diskussionspapier_28Armee
(Die bereits eingegangenen Kommentare zu diesem Thema verschiebe ich hierher.)
Die SPD wiederholt und verfeinert aktuell auch noch die Idee einer EU-Armee (Welt.de, „Revolutionärer Schub“ für eine eigenständige Europa-Armee). Aus meiner Sicht aus politischen, militärischen, finanziellen und personellen Gründen ein Irrweg.
Der Vorteil wäre innenpolitisch, dass man dann bei Anfragen zu sog. Kampfeinsätzen die Verantwortung nach Brüssel abschieben kann.
Mehr Verantwortung übernehmen ist aus meiner Sicht das komplette Gegenteil.
@Konflikt_Sicher
„#Bundestag’s #SPD schlägt vor, anstatt sich auf Weiterentwicklung der Kooperation von 27 nationalen #EU-Streitkräften zu konzentrieren, soll neue, eigene 28. #EUropa-Armee geschaffen werden, parallel zu nationalen Truppen wie #Bundeswehr“.
Parallelstrukturen, wie einfältig.
Noch ne Truppe, die sich dann „europäische Armee“ nennt und schwups, schon sind die Probleme der 27 gelöst? Weitere HQ, mit mehr StOffz, GenstStOffz-DP, noch weniger Indianer auf dem Gefechtsacker!
Wie träumerisch kann Politik doch sein, denn, wie will SPD Parlamentsvorbehalt bei “out-of-area“-Einsätzen regeln? Deutsche bleiben daheim, die anderen 26 machen’s schon.
Bevor hier der 2. Schritt umgesetzt wird, Truppe aufstellen (eigene EU-Kampbrigade mit nötigen Unterstützungteilen direkt in Brüssel ist aus SPDBT zu hören) , erstmal Hausaufgaben machen: freiwilliger Verzicht auf DEU Veto wäre der grundlegende Basisschritt.
D.h. der EU GI führt nach Entschluss EUParl und ist allein (!) der EU verantwortlich.
@T.W. :
Es gab den Vorschlag schonmal zu Jahresbeginn, aber kein Papier dazu:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/spd-verteidigungsexperte-plaedoyer-fuer–28–armee-der-eu-100.html
Daraufhin gab es ein Papier der SWP dazu:
https://www.swp-berlin.org/10.18449/2020A19/
Das neue Papier greift einige Ideen der SWP auf, aber es bleiben die ungelösten Grundfragen.
Die Idee einer europäischen Armee als Parallelstruktur wird ausserhalb von Berlin wohl wenig Applaus ernten.
Aber immerhin kommt mal überhaupt eine Idee auf wie es die nächsten 20 oder 30 Jahre weitergehen soll.
Bin auch mal gespannt was in dem Papier zu den Aufgaben dieser Streitkräfte stehen wird.
Reine Zahlenspiele und Kästchen sind ja leider allzuoft Kern der sog. sicherheitspolitischen Debatte in Berlin.
@KPK
Die von der SPD vorgeschlagene Lösung beinhaltet eine Unterstellung unter die EU, d.h. Herauslösung au nationalen Kommandostrukturen. Es wären auch keine DEU / FRA / ITA etc. Soldaten sondern Soldaten der EU, also ohne Nationalitätskennzeichnung sondern mit dem Sternenkanz am Ärmel.
Einen DEU Parlamentsvorbehlat gäbe es dann logischerweise nicht mehr.
@Thomas Melber
Pardon, aber Tagträumerei oder Wunschdenken, Ihr „Einen DEU Parlamentsvorbehlat gäbe es dann logischerweise nicht mehr“?
Dann muss sich der BT beim Einsatz DEU Soldaten out-of-area wohl selbst entmannen, sich seiner Rechte freiwillig beschneiden. So einfach ist das, „logischerweise“, Souveränitätsabgabe?
Sie sehen mich entsetzt!
Ich bin prinzipiell gegen Volksabstimmung im CHE Stil auf Bundesebene. Diese Frage aber, ob ein EU Befehlshaber ohne Entscheidung einer DEU BR deutsche Soldaten in den Kampf schickt, die hätte ich gern dem Bürger und auch Karlsruhe vorgelegt.
Btw.: Andere europäische Meinungen, schon beim letzten SPD-Schuss ins Blaue –
@MinBijleveld/NLD BMVg im Nov ’18
„Der Ehrgeiz von FRA und DEU in Bezug auf eine europäische Armee geht viel zu weit. Der Einsatz niederländischer Truppen irgendwo in der Welt bleibt eine nationale Angelegenheit, und die NATO bleibt für unsere Sicherheit essentiell“.
Mit anderen Worten, nur noch 26, wir setzen auf die NATO. Aus DNK, SWE soll Ähnliches zu hören sein.
@KPK
Es sind dann aber keine deutschen Soldaten mehr iS. daß sie für Deutschland im Auftrag des BT ins Feld ziehen. „Deutsch“ sind sie nur noch in Bezug auf ihre Staatsangehörigkeit.
Demnächst werden teilw. Mitarbeiter von FRONTEX auch keine Angehörigen z.B. der BPol mehr sein sondern direkt bei der EU angestellt sein.
@KPK:
Es geht der SPD ja um eine supranationale Struktur mit entsprechendem Statuswechsel der Soldaten – ohne umfassende nationale Mitentscheidung (inkl. Parlamentsbeteiligung).
Also wohl eher – wie bisher – entscheiden die jeweiligen Mitgliedstaaten über den Europäischen Rat mit.
Fritz Felgentreu dazu in der WamS:
„Es geht uns darum, unabhängig von den leidigen Souveränitätsfragen die Handlungsfähigkeit der EU zu verbessern“.
Da liegt das Grundproblem, da die Experten der SPD offenbar weiterhin nicht verstehen, dass Verteidigung für andere Staaten ein echtes Thema nationaler Souveränität ist (siehe auch ihr Beispiel NLD) und das die EU vorallem wegen deutscher Einwände und Bedenken nicht wirklich handlungsfähig ist (damit meine ich nicht den Parlamentsvorbehalt, sondern die Weigerung Kampfeinsätze und Mentoring mitzutragen).
Allein mit Mali gibt dafür mehrere Beispiele der letzten Jahre (seit 2013).
Das Papier wird vermutlich diese Woche veröffentlicht, dann wissen wir mehr. Es ist aber für mich schon jetzt nur ein weiteres Beispiel für die realitätsferne deutsche Sicherheitspolitik der letzten 30 Jahre.
Wirklich besser wird es auch zum 70. Geburtstag nicht werden.
@Memoria
Den Einzelstaaten wird ja nicht der Unterhalt eigener Sk untersagt. Aber Aufträge wie die EUTM und EUBG könnten direkt durch Sk der EU übernommen werden ohne die „leidige“ Diskussion der Alimentierung durch die Mitglieder.
Kostspielige Hochwertressourcen und -fähigkeiten bleiben aber wohl für längere Zeit für die EU unerreichbar.
@Memoria/Thomas Melber
Das ALLES ist aber, bitte schön, vorab zu entscheiden.
Allein schon der Begriff Statuswechsel, von Deutsch zu Europäer, …? Das beträfe Staatsbürgerrecht.
Komplett sehr unausgegoren.
Sämtliche Vorstellungen können wir hier und heute und sofort umsetzen:
– EUBG, haben wir … nie eingesetzt
– D/F Brig haben wir … nie eingesetzt als Großverband
Ursache: der große Zauderer aus Berlin als Veto/Vorbehaltskünstler.
Die EU braucht sicherlich keine weitere Placebo-Truppe, die nicht zum Kampf kommt, da die politischen Voraussetzungen nicht stimmen.
Ist es unfair der SPD zuzuraten, sich vor Veröffentlichung im Verbund der „Sozialistische Internationale“ umzutun, was der Rest so denkt?
Unverbindliche Aufzählung, wer nicht mitmacht: NLD, POL, SVK, CZE, HUN, GRE, DNK, FIN.
Die Idee einer EU Armee ist auf lange Zeit abwegig. Die Idee kam auf im kalten Krieg, als die Sovietunion mit Millionen Mann an der innerdeutschen Grenze stand, Italien und (West-)Deutschland als Besiegte nichts zu melden hatten und Frankreich innerhalb der (zukünftigen) Europäischen Gemeinschaft eine klare Führungsrolle innehatte.
Heute fehlen alle Voraussetzungen für ein solches Konstrukt, insb die Bedrohungslage. Wenn die USA sich plötzlich zu einer faschistischen Diktatur entwickeln würden, oder China Russsland schlucken würde, dann wäre sowas evtl denkbar – in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es aber weder machbar, noch sinnvoll oder gar notwendig. Davon unreflektiert zu schwadronieren untergräbt die Bindung der Soldaten an das Land und die Verfassung, auf die sie einen Eid geleistet haben.
***
Mittelfristig machbar und sinnvoll ist das Rahmennationen-Konzept, wenn man da mehr investiert. D für (Süd-)Osteuropa, Fr für Afrika, UK für den Rest.
Für D müssen die ausld Kontingente dabei eine sinnvolle, aber nicht notwendige Komponente der jeweiligen Division sein. Idealerweise mit zwei unterstützenden Brigaden (zB Ndl und Dänemark) pro deutscher Division, so dass, wenn ein Land kneift, immer noch die Chance besteht, dass das andere mitzieht. Notfalls muss die dt Division aber auch selbständig handlungsfähig sein.
Oder man stellt gleich ein gemeinsames Panzerkorps mit 2 Deutschen und einer gemischten Division auf.
Die anderen EU Mitglieder werden uns jedenfalls (zu Recht) nie einen Freibrief ausstellen, ihre Truppen nach unsererem Gutdünken einzusetzen – und das sollten wir umgekehrt auch nicht.
***
Langfristig sollte die EU mal in Richtung US Geschichte schauen. Da fing man auch nicht damit an, die Truppen der Einzelstaaten zu föderalisieren, sondern mit einer gemeinsamen Marine – und ein paar Marineinfanteristen für Operationen in Übersee.
Ein ähnliches Konzept wäre auch in Europa sehr viel realistischer als eine gemeinsame Armee; evtl mit einer Europäischen Fremdenlegion statt Marine Korps als Ergänzung …
@KPK: Eine Frage : Wären diese Soldaten dann noch deutsche Soldaten oder europäische?
Denn trotz deutscher Staatsangehörigkeit wäre es ja nicht die Bundeswehr, sondern die EU Armee,welcher deutsche dienen.
Und europäisches Recht bricht deutsches Recht.
Da dürfte es seitens Bundestag wenig zu sagen geben.
Ich kann auch nicht verstehen, warum man dem Europäischen Parlament so wenig vertraut.
Was anderes : Fällt nicht bald die Entscheidung, ob man den SPz Puma weiter nutzt, oder eine andere Lösung sucht?
[Was anderes: Einfach hier mal einen OT reinwerfen (wollen wir vielleicht noch drüber reden, wann TLVS kommt, wie es mit dem STH aussieht, was der Patenantwalt wg. Sturmgewehr so macht, wie sich die Besoldungserhöhung im öffentlichen Dienst auswirkt, usw. usf.) sind nicht besonders hilfreich. T.W.]
@KPK:
Statuswechsel ist kein Wechsel der Stattsbürgerschaft. Wenn ein Bundesbeamter zum EU-Beamten wird, bleibt er auch Deutscher.
Auf mich macht das alles sonst auch einen undurchdachten Eindruck, aber stellen sie diese Fragen doch am besten an Fritz Felgentreu.
[Das ist jetzt der letzte Kommentar im falschen Thread dazu, den ich verschiebe. T.W.]
@KPK
„Allein schon der Begriff Statuswechsel, von Deutsch zu Europäer, …? Das beträfe Staatsbürgerrecht.“
Wenn Sie als Deutscher in einer EU / VN o.ä. Organisation beschäftigt sind verlieren Sie ja dadurch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft.
Angepaßt werden müßte natürlich z.B. der § 109h StGB (Anwerben für fremden Wehrdienst). Deutsche können wohl auch bisher schon problemlos in den SK von EU und NATO Staaten dienen.
Die EU wird, wie ich bereits erwähnte, auch EU-eigene FRONTEX Kräfte bekommen, also mehr als (freiwillige) Abstellungen der Einzelstaaten.
Aus dem Papier:
„Unter Berücksichtigung des Aufgabenschwerpunktes, schnelle und dynamische Anfangsoperationen durchzuführen, wird die 28. Armee in der Anfangsbefähigung
infanterielastig aufzustellen zu sein. Zu Beginn wird das erforderliche Material
kurzfristig durch Beteiligungsstaaten zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wichtig ist dabei, auf eine einheitliche Ausstattung zu achten.“
Schon das ist ja irgendwie ein Widerspruch in sich.
Naja, die SPD möchte halt europapolitisch punkten.
An mehren Stellen scheint auch die Sichtweise durch, dass man mit derlei eigene Ausgaben nicht steigern muss.
Auch bequem.
Der Ansatz orientiert sich nach dem Papier an der VJTF – gemeint ist aber die VJTF (L). Was macht der Verband in einer Anfangsoperationohne ohne Luft- und Seestreitkräfte?
Hier wird die europäische Integration mal wieder von der falschen Seite begonnen.
Da helfen viele kluge Worte nicht wirklich weiter.
Wo ist das Problem?
ALLE EU-Staaten werden eingeladen sich an der EU-Armee zu beteiligen.
Den Staaten steht es frei teilzunehmen oder nicht teilzunehmen.
Wer nicht teilnimmt, hat seine eigene Armee vollständig in seiner Hand.
Wer teilnimmt, gibt einen Teil seiner Armee an die EU ab und hat einen anderen (viel größeren) Teil seiner eigenen Armee weiterhin unabhängig in seiner eigenen Hand.
Die große Frage ist nicht, wer will NICHT mitmachen, sondern wer WILL mitmachen.
Denn eine EU-Armee macht natürlich nur Sinn, wenn sie eine gewisse Größe und Eigenständigkeit hat und jeder Staat kann/soll ja nur einen kleinen Teil seiner eigenen Armee einbringen.
Es müssen dann also die großen Armeen mindestens mitmachen und auf kleinere kann verzichtet werden, aber in der Summe müssten (zumindest langfristig gesehen) schon die Hälfte der EU-Staaten mitmachen (moralischen Legitimation).
Nur weil NL, DNK, SWE nicht mitmachen wollen (oder die aktuellen Regierungen) muss man das Projekt nicht gleich einstampfen.
@KPK:
Verstehen Sie das System nicht?
Ein deutscher Staatsbürger bleibt deutscher Staatsbürger – er leistet seinen Eid aber auf die EU und der Arbeitgeber ist die EU.
So ähnlich wie wenn sie Beamter bei der UN sind. Da sind sie auch der UN als Institution verpflichtet und nicht dem Regierungschef/Parlament/Staatsoberhaupt ihres Landes. Selbst wenn sie ihm auf den Flur in New York begegnen.
„D/F Brig haben wir … nie eingesetzt als Großverband“
Genau das ist ein super Beispiel. Weil der Verband leider D + FR unterstellt ist und beide so unterschiedliche Ansichten haben was Einsätze betrifft.
Wenn der Verband aber der EU unterstellt ist, gibt es dieses Hindernis nicht mehr.
@Positroll:
„Die Idee eine EU-Armee kam auf im kalten Krieg, …“
Wann die Idee das erste mal ersonnen wurde, ist egal. In der Gegenwart spiel die Musik und die EU hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Trotz großer Meinungsunterschiede und auch großen Streits ist sie aber viel stärker miteinander verwoben und zusammengewachsen als jemals zuvor.
Eine EU-Armee hat nichts mit einer Bedrohungslage zu tun, sondern mit Pragmatismus.
Ich finde die Idee – EU-Armee UND Nationalarmeen sogar hervorragend.
Muss natürlich finanzierbar sein und da muss man mal abwarten wie das funktionieren soll.
Ihr Rahmennationen-Konzept ist völlig abwegig – die Erklärung würde hier aber den Rahmen sprengen.
„nach unsererem Gutdünken einzusetzen“ – wäre es ja nicht. Es wäre das Gutdünken der EU und dort gibt es unterschiedliche Meinungsbildungsinstitutionen (Parlament, Rat)
@Memoria (einheitliche Ausstattung):
„Schon das ist ja irgendwie ein Widerspruch in sich.“
Nein kein Widerspruch.
Gewehre aus Belgien, …. aus Frankreich, Panzer aus Deutschland, Koppelgestell aus Italien usw. (nur eine Idee)
Hier wird natürlich viel geschachert werden wer was genau einbringen will und kann und wie viel „Wert“ das dann hat.
Als Beispiel mit den Panzern. Das neue PzBtl würde dann Materialtechnisch in die EU-Armee gehen.
Ob der Belgier dann FN SCAR Gewehre (belgische Produktion) für alle Soldaten der EU-Armee extra produzieren lässt oder seine alten FN FNC einbringt ist natürlich diskussionswürdig.
@emil 93
„Die große Frage ist nicht, wer will NICHT mitmachen, sondern wer WILL mitmachen.“
Kann ich Ihnen sagen, ausser den Träumern in der SPD, niemand.
Das SPD geführte Finanzmisterium verweigert doch schon die Vollausstattung der Bundeswehr. Und die EU Armee wird bestimmt nicht günstiger, da man die Soldaten, wenn überhaupt, nur mit viel Geld locken kann.
[Ich finde es langsam nicht mehr hinnehmbar, wenn die Kommentare nur dafür missbraucht werden, die Partei zu bashen, die man nicht leiden kann. Das steht Ihnen ja frei, das Nicht-Mögen, aber so grundlegende Falschbehauptungen und tiefgehendes Unverständnis des ganzen Funktionierens dieses Apparates brauchen hier nicht wiederholt ausgebreitet zu werden. T.W.]
@emil93
8.000 Soldaten einschl. UStG sind keine Armee, sondern eine halbe Div. Da bleiben max 4.000 Kampf/KampfUstg übrig. Von der Nachhaltigkeit einer frei im Raum hängenden Brig will ich gar nicht sprechen.
„Die Einsatzbereitschaft/Durchhaltefähigkeit auf mittlere Sicht stark begrenzt … In der Folge erfolgt eine Ablösung durch Kräfte der EU-Mitgliedstaaten oder aber die Beendigung der EU-Mission“.
Wir kriegen Interoperabilität nicht mal bisher vernünftig gebacken, jetzt noch ein Player oben drauf. Viele Köche verderben den Brei. Nur das Einfache hat Erfolg! Wer denkt sich sowas aus?
Die sprachliche Oberflächlichkeit ist eine Anmaßung, die in der Öffentlichkeit begierig aufgenommen werden wird, ist aber eine Frechheit: deutsche Wähler stimmen begeistert zu, eine Sorge weniger?
„Ein deutscher Staatsbürger bleibt deutscher Staatsbürger“, na donnerwetter, welche Erkenntnis. Schade, dass die Klagen bis Karlsruhe zur Verfassungsmäßigkeit der Rechtstellung deutscher Staatsbürger nicht stattfinden werden: diese (!) Idee EU-„Armee“ entspringt einem Fiebertraum und wird beerdigt.
[Was hat das Umsatzsteuergesetz (UStG) damit zu tun? Mehrwertsteuer wird auf diese Truppe kaum anfallen. T.W.]
Das wäre keine Armee, sondern eine Fremdenlegion!
Es kam ja auch schon mal die Idee einer deutschen Fremdenlegion auf.
Der Haken daran ist, das andere Ländern ihren Bürgern meistens nicht erlauben für andere Länder oder „fremde / ausländische Mächte“ zu kämpfen. In einigen Ländern, wie Deutschland, hängt das von vielen Dingen ab. Bei doppelter Staatsbürgerschaft kann man, wenn es einen zwischenstaatlichen Vertrag dazu gibt, auch in dem anderen Land seinen Wehrdienst leisten.
Die französische Fremdenlegion ist da eine Ausnahme, die nimmt ja fast jeden, der kämpfen kann. Aber wenn man das durchzieht bekommt eben auch die französische Staatsbürgerschaft, mit einem schönen neuen Namen. Die Strafverfolgung in der Heimat war dadurch quasi unmöglich.
Mal ein paar Jahre als Söldner für Deutschland oder die EU kämpfen ist jedenfalls nicht drin.
In Deutschland steht das Anwerben von Söldnern bzw. Soldaten bei doppelter Staatsbürgerschaft auch unter Strafe.
—
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 109h Anwerben für fremden Wehrdienst
(1) Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
—
Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
§ 28
(1) Ein Deutscher, der
1.
auf Grund freiwilliger Verpflichtung ohne eine Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm bezeichneten Stelle in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt oder
2.
sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligt,
verliert die deutsche Staatsangehörigkeit, es sei denn, er würde sonst staatenlos.
—
Nun ist die EU keine wirkliche ausländische Macht, ihr fehlt damit aber noch etwas anderes. Sie ist kein Staat und damit nicht berechtigt eigene Streitkräfte aufzustellen. So etwas wie die EU kommt im Kriegsvölkerrecht nicht vor. Dazu haben Söldner keinen so guten Stand nach dem Kriegsvölkerrecht. Sie gelten quasi als mordende Zivilisten, nicht als kämpfende Soldaten.
Deutschland hat auch vor 30 Jahren die “ International Convention Against the Recruitment, Use, Financing and Training of Mercenaries“ unterzeichnet aber nie ratifiziert.
Das haben die SPD und die Stiftung Wissenschaft und Politik einfach komplett ignoriert.
Obendrein muss man sich eines klar machen: eine zusätzliche Europaarmee oder Fremdenlegion würde wohl verheizt werden, um die eigene Truppe zu schonen.
@emil93:
Gemeint war die Kombination der beiden Sätze:
„Zu Beginn wird das erforderliche Material
kurzfristig durch Beteiligungsstaaten zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wichtig ist dabei, auf eine einheitliche Ausstattung zu achten.“
Wenn das Material kurzfristig von den Beteiligungsstaaten zur Verfügung gestellt werden soll, dann ist es per se nicht einheitlich. Insbesondere was Funk und Fahrzeuge angeht. Wenn jeweils ein Land zu Beginn (!) ein Thema abdecken soll (was aber nicht im Text steht), z.B. Fahrzeuge aus Deutschland, Waffen aus Belgien, Funk aus Frankreich, dann wird es erhebliche Löcher reißen. Dazu kommt die industriepolitische Dimension, da empfehle ich einen Blick auf Pesco, EDIDP und EDF.
Gleiches gilt dann für die eigene Ausstattung in einer späteren Phase.
Das klappt in einer neu azufzubauenden EU-Bürokratie, dann sicher einfacher als national….
Aber das sind für mich nicht die Kernprobleme. Im Kern ist es politisch eine deutsche Gespensterdiskussion.
Die anderen EU-Staaten bilden bspw. bei Takuba eine Koalition der Willigen.
Deutschland ist der Unwillige.
Würden wir uns an solchen Themen beteiligen, dann könnte man auch glaubwürdig argumentieren, dass derlei ein logischer Folgeschritt ist (Europa der zwei Geschwindigkeiten).
Das Papier möchte jedoch die deutsche Logik (parlamentarische Beteiligung, viele Papiere, aufwendiger Planungsprozess, keine konsequente Orientierung auf den Kampf) auf die EU übertragen. Mitmachen würden einige vielleicht, wenn sie merken, dass Deutschland noch mehr bezahlt (aber andere Industrie davon profitiert).
Jedoch hätte Deutschland viele Stimmen im EP. Also würde man die Probleme nur verlagern.
An weiteren zahnlosen Tigern haben recht wenige Interesse. Schon gar nicht Frankreich. Italien wird sich ebenfalls sehr schwer tun.
Gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht. Auf den ersten Blick sicher eine gute Idee. Aber der Ansatz und Zeitpunkt passen nicht wirklich.
Und ob das Ganze überhaupt von der gesamten SPD-Fraktion, der Gruppe im EP und der Partei unterstützt wird?
Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es gerade in Deutschland im politischen System (und hier noch sehr überraschend angeregt von der eher links im Spektrum stehenden SPD), eine Mehrheit geben wird, deutsche Staatsbürger einer Armee – ich nenne sie mal bewusst überspitzt „EU-Fremdenlegion“ – zu unterstellen, welche dort dann ggf. seitens der EU in Einsätze geschickt werden könnten und gem. ROE in diesen militärische Gewalthandlungen vornehmen könnten, die außerhalb des Parlamentsbeteiligungsgesetzes stattfinden.
Oder möchte man dann seitens unseres Parlamentes für diese 28. EU-Armee auch jeweils die selben (nicht grundsätzlich schlechten, aber doch oft „bremsenden“) Beteiligungsrechte für den bewaffneten Einsatz dieser EU-Armee?
Viel Spaß bei der Abstimmung mit dann all den anderen EU Staaten.
Ich stelle zwei praktische Fragen, die für mich aufkämen:
– Wie steht es um die Werte und Rahmenbedingungen des Dienstes, welche durch die Innere Führung aufgezeigt werden?
– Als Deutscher bin ich dem Grundgesetz verpflichtet, egal wo ich bin und mache mich bei Zuwiderhandlung strafbar, dies gilt ins Besondere für Soldaten. Auf Basis welcher Kriterien wird ein Auftrag durch eine EU-Komandostruktur erfüllt? (zb. Auslegung des Begriffs der Verhältnismäßigkeit? / Bräuchten wir da nicht erstmal eine Art EU-Verfassung?)
P. S: Ein ähnlicher Vorschlag kam bereits seitens Frankreich zu EU-Nachrichtendienst?
Für die schnelle Verbringung dieser Kräfte bräuchte man dann zwangsläufig eine Menge tauglicher Hubschrauber, die es so in Europa leider nicht in üppiger Anzahl gibt. Also sollen die Mitgliedstaaten diese Ausrüstung quasi vorstrecken und finanzieren. Außerdem sollen sie dabei bestenfalls auch noch das gleiche Muster von Drehflügler erwerben. Lösungsansätze? Fehlanzeige. Es geht hier doch nicht um Peanuts wie Gewehre oder Rucksäcke, liebe Leute …
Also sollen die Mitgliedsstaaten, die ohnehin jetzt schon alles in einer „Koalition der Willigen“ stemmen und finanzieren, auch noch die sog. „28. Armee“ aufstellen? Mit ihrem eigenen Personalkörper? Bei bereits jetzt äußerst angespannter Personal- und Nachwuchslage, beispielsweise in Belgien und den Niederlanden? Wow… Der Gruppenführer wird dann ein Offizier, der Zugführer Major und der Chef mindestens Oberst, damit die EU-Armee (bzw. die eigene Armee) attraktiv wird bzw. bleibt?
Corona sorgt also für eine Belastung der einzelnen Haushalte der Mitgliedstaaten, was nachteilig für die Sicherheits- und Verteidigungsausgaben ist (siehe Einleitung). Daher wird die „28. Armee“ folglich aus Beiträgen der Beteiligungsstaten vorfinanziert… Aha?! Und die üblichen Verdächtigen, die auch bisher viele Belastungen übernehmen, sollen auch diesmal den Löwenanteil stemmen, weil deren Volkswirtschaft ja keinen Schaden durch Corona nimmt?
Zusammenfassend schlage ich als Traditionsnamen der 28. Armee schonmal den Beinamen „Wenck“ vor. Sie ist ein netter Gedanke, aber die Ideen der SPD sind mehr als realitätsfern. Die Mitgliedstaaten können sich doch noch nicht einmal auf eine gemeinsame Linie bei so einer Banalität wie einer EU-Zeitzonenreform einigen.
@AoR u.a.
Wie es funktionieren könnte wir doch recht ausführlich erläutert. Die EU hat ja bereits militärische Elemente und ein Nachrichtenwesen.
Die Gretchenfrage ist nur, welche Staaten sich wie beteiligen würden (direkt finanziell und zunächst mit Materialbeistellung). Nach dem „Go“ liegt der Ball eh bei der EU.
Für kleines Geld ließe sich auch eine Anfangsbefähigung herstellen (z.B. Lkw statt GTK). Interoperabilität gibt es nicht einmal zwischen den NATO-Partnern.
Daß die EU nicht mehr bei den Mitgliedstaaten betteln gehen will ist mehr als verständlich (s. Alimentierung EUBG, die für das 1. Hj 2021 immer noch nicht gesichert ist).
Ich würde gerne einen Aspekt diskutieren : Bisher geht der Entwurf davon aus, dass man ein Heer auf EU-Ebene aufbaut.
Ich sehe allerdings ein gemeinsames Interesse eher bei der Marine, welche die Seewege für Europa frei hält.
Es bedeutet nicht, dass man aktiv Kriege führt, sich aber auch nicht durch aggressiv vorgehende Staaten herumschubsen lässt.
Ich denke, hier wird von den meisten Kommentatoren schon zu weit gedacht.
Noch haben wir in der EU das Einstimmigkeitsprinzip, das zu mannigfaltigen Problemen führt. Man braucht sich nur die Diskussion um so elementare Grundsätze wie das Rechtsstaatlichkeitsprinzip anschauen, das von Ungarn und Polen mit Blockade über die Haushaltsabstimmung bedroht wird.
Solange die EU solche Probleme nicht in den Griff bekommt, brauchen wir über eine EU-Armee nicht zu diskutieren. Die EU laboriert an den Problemen, die sie sich trotz Warnung von z.B. Helmut Schmidt u.a. im Zuge der überhasteten Osterweiterung eingefangen hat.
Eine nette Idee deren Umsetzung/Umsetzungsfähigkeit auf lange Sicht ich allerdings bezweifeln mag.
Nicht nur politisch oder rechtlich sicherlich schwierig, sondern auch aus Ressourcen-Sicht eine Herausforderung; Selbst wenn hier der EU-Haushalt zur Alimentierung herangezogen würde, wäre ein einzlener Mitgliedsstaat in der Lage diesen zu blockieren.
Leicht umsetzbar wäre das Einmelden von Truppen zu EU-Missionen ähnlich der EU BG bzw den derzeit bestehenden ForceGen für laufende Missionen – das schränkt natürlich abermals die Handlungsfähigkeit der EU diesbezüglich ein, hier scheitert es ja derzeit bereits an klaren Strukturen die zudem auch noch personell hinterlegt werden müssten…
Ich denke LBY wird zeigen wie ernst es die EU mit ihrer GVSP meint und Europa seinen eigenen Ansprüchen für den selbst definierten Interessenbereich gerecht werden wird.
@ Pio-Fritz
Sie haben vollkommen Recht. Man denkt jetzt über den Schritt 46 nach, ohne den hierfür notwendigen ersten getan zu haben. Streitkräfte stehen für Staatsmacht/-gewalt und damit für Souveränität – die EU ist kein Staat, sondern ein Staatenbund. Solange dies so bleibt, braucht man auch nicht über eine EU-Armee, mit welcher Nummerierung auch immer, nachzudenken.
Mir scheint, dass der Gedanke, seine Souveränität in Form der eigenen Staatsgewalt abzugeben, außerhalb Deutschlands kaum nennenswert vorhanden ist.
Kann eine supranationale Organisation Streitkräfte ohne eigene Nationalität aufstellen?
Welcher staatsbürgerlichen Rechtsstellung unterliegen sie.
In welchen Mitgliedsstaaten sind sie stationiert mit Unterwerfung unter jeweiliges nationales Recht, dass des Aufnahmestaates vs Staatsbürgerrecht des betroffenen Soldaten vs EU-Recht?
Wie gilt das HVR für „EU“-Soldaten?
Die 28. „Armee soll“ direkt der EU-Kommission unterstellt und von einem neu zu berufenden Verteidigungskommissar verantwortet werden. Der „Chief of Defence“ der EU führt unter dessen politischer Leitung. – Nun ja, UvdL hat ja Vorerfahrung.
Der Ansatz ist sowohl unrealistisch als auch unerwünscht im europäischen Querschnitt.
Macron hat heute erneut für die strategische Autonomie Europas (s. FAZ) gefochten und sich gegen AKK gestellt. Es geht ihm um französische Führung in Europa, die Legion der 28 wird ihm gefallen, ohne Zugriff aus Paris?
@Pio-Fritz
+1*
Sorry, aber das ist vorzeitiges Wahlkampfgetrommel, mit dem man versucht, im konservativen Lager Wählerstimmen abzugreifen. Ähnlich verhält sich das mit der plötzlichen Entdeckung, daß Islamismus zu bekämpfen sei. Da hat Herr Kühnert aber wenigstens darauf hingewiesen, daß man dieses Thema nicht der AfD überlassen darf (was ich ihm hoch anrechne, wenn es auch viel zu spät kommt).
Die Frage ist doch, wie der Personenkreis um Herr Mützenich diesen Vorstoß bewertet. Ohne diesen Kreis dürfte in Hinsicht auf eine EU-Armee (darf man eine so kleine Truppe überhaupt Armee nennen) nicht viel passieren.
@TW
Sie können in meinem Beitrag vom 15.11. 23:02 gerne die Nennung der SPD durch die Begriffe Regierung oder Koalition ersetzen oder sie komplett
Mir ist die Partei zu dieser unsinnigen Idee letztendlich völlig egal. Die SPD speziell zu „bashen“ war auch nie meine Intention.
Wenn ich allerdings sehe, wie viele angestoßene Projekte im Heer jetzt wieder aufgrund fehlender HHM in den Schubladen verschwinden oder auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden, bleibt meine Aussage im Kern wahr.
Nachtrag:
„Zum anderen ist eine parlamentarische Kontrolle durch das EP nicht vorgesehen – ein Modell, an dem wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht orientieren wollen. “
Wenn das im deutschen Bundestag schon mehr schlecht als recht funktioniert, wie soll das erst mit den Vertretern von 27 Nation im EU Parlament klappen?
@Hans Dampf
„Mir scheint, dass der Gedanke, seine Souveränität in Form der eigenen Staatsgewalt abzugeben, …“
Wo wird dies gefordert?
@Suum Cuique
„Selbst wenn hier der EU-Haushalt zur Alimentierung herangezogen würde, …“
In der Aufwuchsphase sollen interessierte Staaten die Mittel bereitstellen. Und: wer zahlt, schafft an.
„Leicht umsetzbar wäre das Einmelden von Truppen zu EU-Missionen …“
Genau, so wie bei den EUTM und aktuell der EUBG.
@Voodoo
„Die Mitgliedstaaten können sich doch noch nicht einmal auf eine gemeinsame Linie bei so einer Banalität …“
Zu PESCO hat es auch gereicht. Übrigens: DEU ist Koordinator (quasi Federführer) bei EUFOR CROC:
https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/europaeische-sicherheit-und-verteidigung/eufor-croc-pesco-projekt-264008
Das könnte man mittelfristig von der Ebene der Einzelstaaten auf EU-Ebene heben. Daneben gibt es noch EI2, was wohl wieder etwas anderes ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Interventionsinitiative#:~:text=Die%20Europ%C3%A4ische%20Interventionsinitiative%20(englisch%20European,und%20Estland%20gaben%20am%2025.
Es ist so unendlich traurig, was die SPD in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik abliefert. Ich kann hier inhaltlich wenig neues beisteuern, die anderen Kommentatoren haben schon alles gesagt. Die große Stärke der EU ist es, die gemeinsamen Anliegen der Mitgliedsstaaten so zu koordinieren und zu unterstützen, dass ein Mehrwert für alle draus wird. In der Außen- und Sicherheitspolitik geht es dabei um vernünftiges Ressourcen-Pooling und das Herstellen von Entscheidungsfähigkeit z.B. durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss (wobei Militäreinsätze dann natürlich nur von Staaten zu erwarten wären, die das von sich aus wollen). Darum geht es.
Was ich aber hauptsächlich zum Ausdruck bringen will, ist meine wachsende Verzweiflung darüber, was die ehemals außenpolitisch sehr ernstzunehmende SPD am laufenden Meter an verantwortungslosem und leider richtiggehend antieuropäischem oder zumindest antiwestlichem Unfug produziert. Und welches Desinteresse und auch welche Ablehnende Haltung gegenüber der Bundeswehr von der SPD mittlerweile ausgeht. Das tut so weh. Ob das nun dieses elende, vollkommen unbegründete Putin-Appeasement ist, oder ständige Angriffe auf die Nato, oder nuklearpolitische Schnellschüsse aus der Hüfte. Vor diesem Hintergrund wirkt diese Initiative nochmal extra bizarr.
Für mich skizziert das Papier den derzeit einzig realistischen Weg zu einer effektiven militärischen Verteidigung der EU (Frage an die Transatlantiker: würde die NATO CYP schützen, oder FIN?).
Eine Abgabe von Souveränität sehe ich in dem Modell nicht, diese Diskussion ist doch die eigentliche Phantomdebatte. Denn: es geht in dem Vorschlag doch um den Aufbau neuer Souveränitätsrechte auf EU-Ebene, parallel zur nationalen Ebene. Welche die Souveränität der Einzelstaaten aber nicht im geringsten einschränken. In DEU sind die Teilstaaten ja auch nicht durch Art. 87a GG an der Aufstellung eigener Streitkräfte gehindert (man möge mir das Gegenteil beweisen).
Warum sollten dann die EU-Staaten in diesem Modell daran gehindert sein, ihre eigenen Streitkräfte souverän einzusetzen, wo die EU doch nicht einmal ein Bundesstaat ist?
Es geht hier eben nicht um den single set of forces, der irgendwoher herausgeschnitten werden muss, sondern um neu aufzustellende Kräfte.
Die eigentlichen Probleme sehe ich woanders:
1. Finanzen: Hier kann jeder einzelne Mitgliedstaat bei der Aufstellung des EU-Haushalts sein Veto geltend machen. Das Modell der zwei Geschwindigkeiten ist wahrscheinlich der erfolgversprechendste Lösungsansatz dafür, solange die EU keine eigenen Haushaltsmittel generieren kann. Ansätze dazu gibt es ja bereits, aber auch Widerstand gerade von DEU. Wenn diese eigenen Haushaltsmittel (z.B. über eine EU-weite Digitalsteuer…) jedoch zur Verfügung stehen, erscheint mir der gordische Knoten gebrochen. Wer zahlt, bestellt die Musik. Und die Mitgliedsländer werden sehr schnell den Mehrwert von Truppe erkennen, die nach EU-Besoldungstabellen bezahlt bei Ihnen Geld ausgibt, auf das sie sonst keinen Zugriff hätten.
2. Innere Führung: Welche militärische Führungskultur soll es denn sein? FRA Befehlstaktik heereslastig, oder DEU Auftragstaktik nach Art der Marine? Wer mal versucht hat, Dienstzeitregelungen und Urlaubsansprüche im Multinationalen Bereich unter einen Hut zu bringen kann erahnen, das auch hier nur ein vollkommener Neuansatz zielführend ist. Hier liegt ganz viel Zündstoff für Debatten, die es auch zu führen gilt, hier, zwischen den EU-Mitgliedstaaten, den EU Institutionen (allen voran dem Europäischen Parlament).
Die üblichen Argumente der Gegner einer EU-Armee prallen an diesem Modell einfach ab: Ineffektive Doppelstrukturen durch eine 28. Armee? Dann müssten nach dem Austritt Großbritanniens die EU-Streitkräfte ja effizienter geworden sein. Verbot der Anwerbung in fremden Streitkräften? Durch Legislative änderbar, außerdem nach meiner Meinung sowieso nicht konform zu EU-Recht (Inländerdiskriminierung bei der Berufswahl für Doppelstaatsbürger). Parlamentsvorbehalt in der EU? Dessen Form ist ja noch zu diskutieren, da gibt es viele Modelle, ein Blick in andere EU-Mitgliedstaaten genügt. Europäische Verträge müssen geändert werden? Wenn jeder was vom Kuchen (dem EU-Verteidigungshaushalt) abbekommt sicherlich machbar, vielleicht sogar als neues Instrument zur Regionalförderung (Truppenstationierung).
Den Ansatz eines kleinen Nukleus, aus dem heraus aufgebaut wird, finde ich auch sehr realistisch. So können sich die Mitgliedstaaten von Fähigkeiten sicher erst dann verabschieden, wenn diese nach und nach auf EU-Ebene aufgebaut werden und den (militärischen wie politischen) Einsatztest bestanden haben. Das Modell erlaubt den Mitgliedstaaten sogar fröhlich ihr hergebrachtes Beschaffungs-, Rekrutierungs-, Besoldungs-, etc. -System beizubehalten, ohne kompliziert Interoperabilität zwischen 27 Nationen herzustellen. Erst wenn die 28. Armee ein Erfolg wird, werden sich die Mitgliedstaaten die Frage stellen, welche Fähigkeiten sie nicht mehr selbst abbilden und welche sie unbedingt erhalten wollen. Da kann jede Nation ihre eigene Antwort finden. Je nachdem wie der jeweilige Außen-/Verteidigungsminister seinem Finanzminister erklärt warum das nicht die 28. Armee leisten kann.
Also: EU-eigene Steuermittel einführen. Zusatz zum Lissaboner Vertrag: „Die EU stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“
Und da hier schon darüber diskutiert wird ein nicht ganz ernstgemeinter Namensvorschlag: Legio XXVIII
Ich kann alle Kommentatoren, die starke Zweifel an der Umsetzbarkeit des Diskussionspapiers (!) der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion verstehen. Aber wer eine Stärkung des gemeinsamen sicherheitspolitischen Vorgehens der EU möchte, muss Vorschläge auf den Tisch legen. Wenn man diesen Vorschlag nicht mag – dann bitte schön eine wirksamere Alternative vorliegen. Die sehe ich hier in der Diskussion nur in Ansätzen. Und wer eine Stärkung der EU gegenüber dem nationalstaatlichen Ansatz nicht möchte, der soll dies einfach sagen. Dann erübrigt sich aber die Diskussion um das wie der Umsetzung.
Ich halte es für sinnvoll, den Aufbau einer EU-Armee mindestens zu diskutieren. Und ich bin bei Ex-Grenni, der da die Marine-Komponenten ins Spiel bringt. Technisch gesehen ist ein europäischer Einsatzverband, der natürlich im Kontext der SNMGs mit der NATO abzustimmen wäre, auch gut denkbar.
Was ich an dem Vorschlag der EU-Armee attraktiv finde ist die sich auf Dauer quasi automatisch ergebende Standardisierung des Materials. Man schreibt einfach alle Beschaffungen EU-weit aus und der Drops ist gelutscht. Dann muss nur die sukzessive die marktbeeinflussende Größe dazu kommen. Mit diesen EU-Ausschreibungen sollte man so früh wie möglich beginnen. Auch wenn es dann ein wenig längert dauer, bis das Material auf den Hof kommt. Dann ist es aber neu und modern.
Wie sollte man die EU-Armee angehen? Darüber kann man sicher streiten. aber was ist falsch daran, eine VJTF-Äquivalent samt Unterstützung ins Spiel zu bringen? Ich würde sogar noch darüber hinaus gehen und als Ziel eine EU-Armee auf dem Level eines der größeren Player (Italien, Deutschland, Frankreich) anstreben. Oder zumindest einen Streitkräfteansatz wählen, der über eine weitestgehende Autonomie verfügt. Das wäre zum Beispiel ein Flugzeugträger-Verband. Oder ein Verband zur amphibischen Kriegsführung mit entsprechender Sicherung durch Begleitschiffe. Oder eine komplette Luftlandedivision inklusive aller dafür benötigten Flugzeuge (Transport + Absicherung) und Hubschrauber (Transport + Absicherung). Oder ein durchsetzungsfähiger Luftkampfverband (Aufklärung, Sicherung der Lufthoheit, Wirkung auf Boden und See) mit Fernaufklärern, MPAs, Tankflugzeugen, Jägern, Jagdbombern, Bombern mittlere Reichweite, etc..
Eine Einschränkung sehe ich allerdings. Ich würde die Einsatzreichweite primär auf die EU und die angrenzenden Regionen (Arktis, Ost-Europa, Vorderasien, Naher Osten, Nordafrika, Nordatlantik) optimieren. Also sagen wir mal auf die Reichweite eines A400m. Mit Stationierung der Truppen im EU-Raum.
Als Vision und Idee finde ich das gar nicht mal schlecht – die SPD beweist hier zumindest genügend Realitätssinn um zu erkennen, dass ein Kontingentheer auf Dauer nicht funktionieren kann, weil man immer nur Bittsteller ist.
Viel sinnvoller als ein Heer wäre es aber aus meiner Sicht, das bereitzustellen, was a) teuer und b) selten ist, also Marine, Marineinfanterie oder Luftstreitkräfte. Dann könnten sich auch die Binnenstaaten vernünftig beteiligen und niemand müsste Angst haben, dass ihm „etwas weggenommen“ wird.
Ist das zeitnah durchsetzbar? Im Leben nicht. Finde ich die Idee gut? Ja. Haben, bis es soweit ist, sogar meine Enkel schon das Pensionsalter erreicht? Wahrscheinlich.
Auch der Ansatz, komplett bei 0 anzufangen, könnte sich als gut erweisen. Dann werden Kompatibilitätsprobleme und Ausbildungs-/Mentalitätsunterschiede nicht erst kultiviert und ausgehandelt, sondern von vornherein ausgeschlossen.
@Pauvre pecheur
In DEU sind die Teilstaaten ja auch nicht durch Art. 87a GG an der Aufstellung eigener Streitkräfte gehindert (man möge mir das Gegenteil beweisen).
-> Das ergibt sich aus dem Satzbeginn: Der BUND stellt SK zur Verteidigung auf […]. Damit ist klar, dass es ein ausschließliches Bundesrecht ist, Streitkräfte aufzustellen (zumal 87a im Abschnitt über die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung zu finden ist) . Das geht verfassungsrechtlich zurück bis zur Paulskirchenverfassung §11: „Der Reichsgewalt steht die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung“.
(Vielleicht sollten wir den OT nicht auswalzen… schon während ich das schreibe, höre ich @TW mit den Zähnen knirschen ^^)
Zur Zeit wird der Afghanistanseinsatz sang- und klanglos abgewickelt, und das Land wieder an die Taliban übergeben, aber anstatt diese katastrophale Entwicklung zum Anstoß für Reflexion und Bedachtsamkeit zu nehmen, wird einfach gefordert, das böse deutsche Parlament zu entmachten, weil es sich zu wenig kriegsfreudig zeigt.
Stattdessen soll jetzt eine EU-Armee ohne lästige Nachfragen in Kriege rund um die Welt geschickt werden, die dann nach ein paar Jahren oder Jahrzehnten genauso sang- und klanglos beerdigt werden. Realitätsverweigerung auf übelstem Niveau.
Und irgendwann wundert man sich, wo denn ein europäischer Trump plötzlich herkommt…
@Pauvre Pecheur +1
Das PROTOKOLL (Nr. 10) über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit nach Artikel 42 des Vertrages über die Europäische Union (Lissabon Vertrag) sah äquivalent zur Währungsunion eine echte Verteidigungsunion vor.
Was man nun mit PESCO aus dem Gedanken gemacht hat, ist höchst peinlich und im Grunde ein Verrat am Geiste des Verfassungskonvents von 2003.
Sicher, das SPD-Papier ist ambitioniert in der politischen Symbolik und bescheiden in den konkreten Schritten. Doch genau darin liegt eine Chance! Die 8000 Mann kann die EU notfalls aus der Portokasse bezahlen (mit 2 Mrd-Euro jährlich wäre man auf dem Ausgabenniveau pro Soldat wie die Bundeswehr).
Ja, eine EU-Armee unter Kontrolle des EU-Parlaments (deutsche parlamentarische Tradition), doch mit Kommissionspräsidenten als IBUK (französische präsidentielle Tradition), damit wäre ein weiterer Schritt zu einer echten Staatlichkeit der EU getan (weg von Intergouvernementalität und Supranationalität hin zu einem echten Föderalem Staat EU).
@SvD: wir sind bereits Staatsbürger der EU mit jeweils deutscher, französischer etc. Nationalität! (Sie glauben mir nicht – schauen Sie in Ihren Reisepass!) Zudem gibt es genügen Beispiele von Soldaten, welche von der Bundeswehr beurlaubt und direkt von der NATO (oder EU) verpflichtet werden. Auch dies erfolgt in vollem EInklang mit §109a StGB und § 28 StAG.
@Pauvre pecheur
„In DEU sind die Teilstaaten ja auch nicht durch Art. 87a GG an der Aufstellung eigener Streitkräfte gehindert (man möge mir das Gegenteil beweisen).“
Anderer Ansicht: das Bundesverfassungsgericht (zB bei der Ausrufung atomwaffenfreier Zonen auf Landes oder Gemeinde-ebene: verfassungswidrig da Verletzung der ausschliesslichen Bundeskompetenzen für Verteidigung und Aussenpolitik) und so ziemlich jeder Verfassungsjurist der je dazu mal geschrieben hat …
Deswegen sind auch die „Landesregimenter“ des Heimatschutzes Teil der BW,
https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/die-reserve-der-bundeswehr/reservist-werden-in-der-bundeswehr-/reserve-der-streitkraeftebasis-/landesregiment-bayern
und nicht wie etwa 1871 autonome Bayrische Streitkräfte …
Verteidigung ist Sache der Mitgliedsstaaten. Der Aufbau eines EU Militärs würde die Machtverhältnisse komplett umgekehren. Kaum einer in Europa will das wirklich.
Das ganze wird ohne ernsthafte, konkrete Bedrohung nicht passieren und ist mE auch unnötig wie ein Kropf.
Man sollte in Brüssel und Berlin sich hin und wieder daran erinnern, dass das Projekt einer EU Verfassung in zwei Mitgliedstaaten in Volksbefragungen durchgerasselt ist. Und dann war da noch diese Kleinigkeit genannt Brexit. Ausgerechnet bei der Verteidigung mit dem Kopf durch die Wand zu rennen wird populistisch-nationalistische Stömungen nur beflügeln. Ich will keinen deutschen Trump im Kanzleramt …
***
[Das ohne erkennbaren Zusammenhang an dieser Stelle eingestellte Video von einem Bundeswehr-Panzerbataillon auf Übung für die NATO habe ich mal rausgenommen. Oder hatte das was mit der EU zu tun? T.W.]
@Thomas Melber:
Also aufstellen und dem Verband die Chance geben, sich zu bewähren?
Wo bewerben? Quasi braucht man nen DP in ner EUBG und wenn sich soetwas manifestiert erst per Verwendung dorthin versetzen lassen/wechseln?
Ich denke, wenn Mittel und Material bewilligt, gibt es ne Menge Veteranen der EU Staaten, welche sich melden würden… global betrachtet kommen wir um den Dreiklang aus Wirtschaft, Militär und Justiz nicht herum.
@Paul
16.11.2020 um 13:47 Uhr
@Positroll
16.11.2020 um 14:09 Uhr
Ich präzisiere:
In DEU sind die Teilstaaten ja auch nicht durch Art. 87a, sondern explizit durch Art. 73 (1) 1. GG an der Aufstellung eigener Streitkräfte gehindert, und auch das kann man gemäß Art. 71 GG durch Bundesgesetz umgehen.
Wichtig ist die Idee: Wenn die EU- Regierungschefs es wollen, kann die EU die gleiche Befugnis wie die Mitgliedstaaten bekommen, eigene Streitkräfte aufzustellen.
Eine verbindliche Formulierung wird sich finden.
@Nachhaltig sagt: 16.11.2020 um 13:25 Uhr
Das, was Sie fordern, ist doch auch nicht mehr, als ein Einsatzverband alà EUBG. Und Materialharmonisierung soll über Pesco stattfinden. Das ist von einer europäischen Armee ganz weit entfernt. Insofern reihen Sie sich nahtlos in die Phalanx der Kritiker ein.
Bei diesem Papierchen der SPD fehlt es schlicht an Grundlagen, und zwar in allen Bereichen. Bei Shakespeare war es noch eine Komödie „Much ado about nothing“. Hier droht eine Tragödie…
@Fabian
„@SvD: wir sind bereits Staatsbürger der EU mit jeweils deutscher, französischer etc. Nationalität! (Sie glauben mir nicht – schauen Sie in Ihren Reisepass!) Zudem gibt es genügen Beispiele von Soldaten, welche von der Bundeswehr beurlaubt und direkt von der NATO (oder EU) verpflichtet werden. Auch dies erfolgt in vollem EInklang mit §109a StGB und § 28 StAG.“
Nein, ich bin sicher kein Staatsbürger der EU, da die EU kein Staat ist. Die Pässe und Ausweißdokumente sind nur angeglichen. Das „Europäische Union“ deutet auf den Schengenraum hin. Widersinnigerweise allerdings in der jeweiligen Landessprache.
Eine Beurlaubung und Überlassung für den Schreibtischdienst oder den Dienst in einer Kommandozentrale sind etwas völlig anderes als EU Soldaten, die aktiv kämpfen.
Auch die Nato Flieger, welche in Geilenkirchen hausen, zählen da nicht. Die AWACS werden gemeinsam betrieben. Die Soldaten gehen also, für ihre Länder, gemeinsam in diese Aufklärungsmissionen.
So kann eine EU Armee funktionieren, allerdings braucht man sie dann auch nicht.
@all
Ich meine, mutiger Vorschlag – aber GUT. Neuaufstellung, war schon mein Vorschlag (bescheiden) nur für DEU, warum nicht als 28me Armée ? Und ,,, mit Biden ist das EU-Wegducken sowieso zu Ende, unabhängig von den 2%. EIN Problem nur: die SPD wird schon Oct 2021 nicht mehr an der Macht sein, schade für die EU-Armee,,,:(
@Pauvre pecheur:
Formulierungen? Mit Tinte und Rethorik lässt sich vieles Konstruieren, aber für Soldaten zählt tiefgreifenderes. Man sollte die Kritik ernst nehmen, welche sich in den Kommentaren herauskristallisiert.
Die EU, Europa muss eine Idee und Institution sein, für die der einfache Soldat bereit ist, sein Leben zu riskieren.
Das Grundgesetz erfüllt diese Kriterien für den Soldaten der Bundeswehr, analoges gilt für Franzosen, Italiener etc.
Die EU müsste demnach als Substitut bzw. Analogie zum nationalstaatlichen Patriotismus, der Loyalität und vor allem praktizierten Treue und dem unbeugsamen Willen sein, diesem im Gefecht zu dienen.
Eine 28. Armee wird für lange Zeit ein Hybrid zwischen EU Dachorganisation und nationalem Substaat sein müssen. @KPKs Kritik ist da ganz zentral.
Z. B müsste die EU Aussengrenze im Kern verstanden werden als unser aller Aussengrenze und nicht nationale Aussengrenze wo jeder Grenzstaat seine Interpretation von Rechtsstaatlichkeit auslebt, während blBinnenstaatrn so tun, als ginge sie das nichts an…
Nachhaltig sagt: 16.11.2020 um 13:25 Uhr
„Aber wer eine Stärkung des gemeinsamen sicherheitspolitischen Vorgehens der EU möchte, muss Vorschläge auf den Tisch legen.“
Ein Blick über den großen Teich auf die Streitkräfteorganisation der USA könnte ein Beispiel liefern mit Streitkräfte auf Bundeseben und auf Ebene der Bundestaaten (US Armed Forces, National Guard und State Defense Forces). Ist aber etwas komplex, um dies hier ausführlich darzustellen.
[Das ohne erkennbaren Zusammenhang an dieser Stelle eingestellte Video von einem Bundeswehr-Panzerbataillon auf Übung für die NATO habe ich mal rausgenommen. Oder hatte das was mit der EU zu tun? T.W.]
Das ist eine gemischte Deutsch-Niederländische Einheit, die gemeinsam die VJTF stellen werden. Finde ich sehr nah am Thema „Europäische Armee“.
[Das ist ein deutsches Panzerbataillon mit einem integrierten niederländischen Zug, das einen Einsatz der NATO übt. An der Debatte hier ist es genau so nah dran wie alle Integration/Unterstellung niederländischer Truppenteile ins deutsche Heer, die gemeinsame Arbeit des Seebataillons mit der niederländischen Marine, die Flugabwehr ‚Apollo‘. Mit anderen Worten: Mit der aktuellen Debatte hat es nicht besonders viel zu tun. T.W.]
@Pio-Fritz:
„Das, was Sie fordern, ist doch auch nicht mehr, als ein Einsatzverband alà EUBG.“
Das Kräfte-Dispositiv ist ein Infanterieverband in Bataillionsstärke und erfüllt noch nicht einmal meinen Minimalansatz der weitesgehenden Autonomie – geschweige einer EU-Armee auf dem Level eines der größeren EU-Länder. Wo sind denn da die Flugzeuge für den Transport in weiter entfernte Regionen?
Die EUBG wird nur für 6 Monate aufgestellt. Es sind nationale Kontingente und nicht EU-Soldaten. Die operative Führung erfolgt durch die Nation, die das Infanteriebataillion stellt.
Fazit: Ihr Vergleich hinkt gewaltig. Es sähe allerdings schon anders aus, wenn eine EUBG dauerhaft und nicht rollierend aufgestellt und besetzt würde. Samt Führung und samt logistischer Unterstützung. Wäre durchaus ein Startpunkt. Dann könnte man auf der anderen Seite den ganzen Aufwand mit den rollierenden Aufstellungen der EUBG sparen.
„Und Materialharmonisierung soll über Pesco stattfinden. Das ist von einer europäischen Armee ganz weit entfernt. Insofern reihen Sie sich nahtlos in die Phalanx der Kritiker ein.“
PESCO ist von einer EU-weite Ausschreibung für alles, die ich bei einer EU-Armee sehe, weit entfernt. PESCO ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht mehr und nicht weniger. Die Aufstellung einer EU-Armee wäre ein weiterer Schritt zur Harmonisierung. Auch nicht mehr und nicht weniger.
Wieso Sie allerdings behaupten, dass ich mich nahtlos in die Phalanx der Kritiker einreihe, ist mir völlig schleierhaft. Ich habe doch geschrieben: „Ich halte es für sinnvoll, den Aufbau einer EU-Armee mindestens zu diskutieren.“
„Bei diesem Papierchen der SPD fehlt es schlicht an Grundlagen, und zwar in allen Bereichen.“ Also – was ist Ihr fundierterer konstruktiver Vorschlag?
Ein interessanter Link bei Heise.de zu den Problemen bei der Ausrüstung von Frontex.
https://www.heise.de/tp/features/Keine-Waffen-fuer-Frontex-4943167.html
Und das ist a.m.S. nur ein kleiner Vorgeschmack zu dieser Armee und ihrer Ausrüstung. Am Rande noch eine Frage. Vermutlich muss die EU dabei doch auch einheitlich zustimmen? Ich kann mir nicht vorstellen das z.B. die Visegrad Staaten dabei zustimmen.
[Hm, Frontex ist etwas ganz anderes, ne andere Organisation, andere Aufgaben, kurz gesagt: Ist auch kein Militär. Deshalb scheint mir das, zurückhaltend gesagt, bisschen irreführend. T.W.]