65 Jahre Bundeswehr: Steinmeier betont „Bringschuld“ gegen „freundliches Desinteresse“
Die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland existieren jetzt seit 65 Jahren, und die Würdigung dieses Ereignisses ist, durch die Coronavirus-Pandemie bedingt, deutlich kleiner ausgefallen als eigentlich geplant. An die Stelle des großen öffentlichen Gelöbnisses vor dem Reichstag in Berlin trat ein kleines Gelöbnis mit einer Abordnung vor dem Berliner Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Und Frank-Walter Steinmeier hat zu diesem Anlass eine Rede gehalten, die vor allem wegen des darin formulierten Anspruchs an die Gesellschaft auffällt.
Natürlich fanden sich in dieser Rede – im Wortlaut hier nachzulesen – die Aussagen, die von einem Staatsoberhaupt zu diesem Jahrestag erwartet werden: Die Bedeutung des Staatsbürgers in Uniform, die Zusage an die Soldatinnen und Soldaten, dass sie Anspruch auf bestmögliche Ausrüstung haben. Aber eben auch Anforderungen, die Frank-Walter Steinmeier an die Gesellschaft richtete:
Ihr Dienst ist wichtig für unser Land, für Freiheit und Demokratie. Doch wissen das auch die Staatsbürger ohne Uniform?
Es scheint paradox: Die Bundeswehr übernimmt heute mehr Verantwortung als je zuvor, ist aber im Bewusstsein, im Alltag der allermeisten Deutschen fast unsichtbar geworden. (…)
Doch wie viel von dieser Realität nehmen die Deutschen eigentlich wahr? Wer erfährt davon, wer interessiert sich dafür? Es droht ein freundliches Desinteresse, eine Gleichgültigkeit, die dem Vertrauen zwischen Bundeswehr und Gesellschaft nicht dient.
Und das ist nicht die einzige Herausforderung: Krieg, Gefecht, Tapferkeit, Verwundung, Trauma, Tod, bewaffnete, gar kämpfende Deutsche in anderen Ländern – das verdrängen wir gern, darüber sprechen wir nur ungern oder vor allem kritisch. Das macht es den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr nicht leicht. Ich weiß, wie schwer es für viele Soldaten ist, über prägende Erlebnisse aus dem Einsatz zu sprechen, der auch zur Wirklichkeit der Bundeswehr heute gehört. „Das will keiner hören“, sagen sie. Oder: „Das können sowieso nur die verstehen, die so was selbst erlebt haben“. Das ist eine Herausforderung für viele Soldatenfamilien. Das ist eine Herausforderung für die Bundeswehrführung. In dieser Sprachlosigkeit liegt aber auch die Gefahr einer gegenseitigen Verständnislosigkeit von Soldat und Gesellschaft, die wir nicht einfach hinnehmen können.
Denn für uns muss weiter gelten, was vor 65 Jahren Maxime der neugegründeten Bundeswehr war: Armee und Gesellschaft dürfen sich in einer Demokratie niemals fremd werden!
In diesem Anspruch steckt eine Verpflichtung für beide Seiten. (…)
Ihre Kämpfe sind auch unsere Kämpfe, auch wenn, ja gerade weil bei uns zuhause Frieden herrscht. Das ist unserer Gesellschaft nicht nur zumutbar, das muss unserer Gesellschaft wichtig sein. Diese Anteilnahme, dieses Interesse ist es, was die Gesellschaft Ihnen schuldet.
Steinmeier griff damit die Formulierung vom freundlichen Desinteresse auf, die der damalige Bundespräsident Horst Köhler bereits 2005 gebraucht hatte:
Gewiss, die Bundeswehr ist gesellschaftlich anerkannt; aber was heißt das eigentlich genau? Die Deutschen vertrauen der Bundeswehr, mit Recht, aber ein wirkliches Interesse an ihr oder gar Stolz auf sie sind eher selten. Noch seltener sind anscheinend der Wunsch und das Bemühen, den außen- und sicherheitspolitischen Wandel zu verstehen und zu bewerten, der da auf die Bundeswehr einwirkt.
Natürlich lassen sich für dieses freundliche Desinteresse Gründe angeben: Die Deutschen sind nach 1945 ein wirklich friedliebendes Volk geworden und halten gern vorsichtige Distanz zu allem Militärischen. Die Wehrpflicht hat in der Praxis fast den Charakter der Freiwilligkeit angenommen, das verringert für viele Bürger die lebenspraktische Bedeutung der Bundeswehr. Zugleich fördert es die Fehleinschätzung, Soldaten seien eine Berufsgruppe wie andere, und wenn sie freiwillig im Ausland unterwegs seien, dann auf eigene Gefahr und außerdem ja auch zu höheren Tagessätzen. Auch das Bedrohungsgefühl hat sich auseinander entwickelt: Früher drohte den Bürgern in Zivil und den Bürgern in Uniform dieselbe Kriegsgefahr, heute scheinen die Heimat friedlich und die Einsatzorte der Bundeswehr weit.
Eine wirkliche Antwort darauf, wie dieses freundliche Desinteresse überwunden und der Anspruch auch an die Gesellschaft realisiert werden kann, dass sich Armee und Gesellschaft in einer Demokratie niemals fremd werden dürfen – diese Antwort hat auch der heutige Bundespräsident nicht. Aber er ermahnt zumindest Politik und Parlament, sich nicht vor der Frage wegzuducken, was die Bundeswehr warum leisten soll:
Wer dem Staat und der Gesellschaft seine Bereitschaft beweist, das eigene Leben für unsere Sicherheit, Demokratie und Freiheit einzusetzen, der hat aber auch einen Anspruch auf eine überzeugende Antwort auf die Frage: Wofür wird die Bundeswehr gebraucht? Wofür diene ich?
Die Antwort auf diese Frage ist die Bringschuld von Parlament und Politik gegenüber den Soldaten. Es ist ihr Beitrag dazu, dass wir uns nicht fremd werden. Ich selbst habe über viele Jahre hinweg Einsatzmandate formuliert und im Bundestag eingebracht, deshalb weiß ich: Mit einem Bundestagsbeschluss nach kurzer Debatte allein ist es nicht getan.
Und noch ein wichtiger Punkt stach aus Steinmeiers Rede heraus: Die eindeutige Absage an rechtsextremistische Haltung unter Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr:
Den Nationalsozialisten diente sich ein großer Teil der militärischen Elite an. Die Wehrmacht verübte unfassbare Verbrechen im Vernichtungskrieg und hinter der Front. Geschützt durch deutsche Soldaten, oft mit ihrer direkten Beteiligung, wurde der systematische Völkermord an den europäischen Juden geplant und ausgeführt.
Die Bundeswehr steht nicht in dieser Tradition. Das freiheitlich-demokratische Fundament der Bundeswehr ist stattdessen geprägt durch die Ideen der Inneren Führung und das Ideal des „Staatsbürgers in Uniform“. Diese Republik kann der Bundeswehr vertrauen!
Begründen Sie dieses Vertrauen jeden Tag aufs Neue, wenn Sie Ihren Dienst tun. Seien Sie mutig auch gegen Feinde und Verächter der Demokratie, gegen Rechtsextreme in den eigenen Reihen. Wer die Demokratie hasst, der kann ihr nicht dienen.
In unserem Land gibt es Soldatenehre nur als freiheitliche, als demokratische Ehre.
Gerade der letzte Satz richtet sich wohl kaum an die Rekrutinnen und Rekruten, die zum Gelöbnis vor dem Schloss Bellevue angetreten waren. Sondern in die Bundeswehr hinein.
(Foto: Gelöbnis in kleinem Rahmen vor dem Schloss Bellevue – Felix Zahn/photothek.net)
Herzlichen Glückwunsch an alle Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Ich hatte kurz Gelegenheit, in den Live-Stream der Veranstaltung zu schauen und fand die Rede durchaus angemessen und wohl gesetzt. Mich irritiert immer noch die coronabedingte Minimalbesetzung bei solchen Anlässen, aber so ist das nun mal gerade. Beste Grüße aus der Zivilgesellschaft und bleiben Sie gesund!
Der Ball liegt hier schon seit geraumer Zeit bei der Politik. Leider wurde an zugstarke Episoden wie „Hindukusch“ oder „Seewege“ nie auf breiter politischer Basis angedockt. Es wird bewusst schwammig gehalten, wofür die Bundeswehr steht („Landes-Bündnisverteidigung, Einsatzarmee“ usw.). Auf eine anschauliche Kommunikation des Instrumentes Bundeswehr wird verzichtet. Bzw. wenn, dann werden eher vom Kern entfernte Themen wie das Brunnenbohren oder die Coronahilfe nach vorne gespielt.
Da kann die Truppe noch so schöne Image-Filme produzieren … Das Parlament ist der Auftraggeber und hieraus muss sich auch die gesellschaftliche Akzeptanz ergeben. Diese wächst über eine klare, offene Kommunikation an dieser Stelle.
Eine GUTE Rede (ich habe sie gelesen) – angemessen, würdig, ein wahrer Bogen über 65 Jahre (was nicht leicht ist) ! Nicht beschönigend, nichts ausgelassen, dem Anlass entsprechend – Dank dafür ! Allerdings – und das muss in aller Fairness gesagt werden – besonders auch dem Umstand geschuldet, dass F.W.Steinmeier von den in Rede stehenden 65 Jahren davon 46 am eigenen Leibe, sprich in Wehrpflicht und pol. Verantwortung, selbst miterlebt hat !!! > Wenn diese pol. Überschneidungen zwangsläufig zukünftig kleiner werden, vermute ich allerdings andere Reden, weitaus distanziertere Haltungen (mehr BENIGN NEGLECT) ggü. der Bw.
@PN
Es wird bewusst schwammig gehalten, wofür die Bundeswehr steht („Landes-Bündnisverteidigung, Einsatzarmee“ usw.).
Diese Einschätzung setzt voraus, dass die Bundeswehr das eine ODER das andere machen soll. Das sehe ich nicht so. Wir brauchen beides, gut ausgestattet, motiviert und für die jeweilige Mission trainiert.
Wie andernorts geschrieben würden wir dafür aber deutlich mehr Leute brauchen.
Wenn wir für die LV/BV wie in Schweden und den Baltischen Ländern wieder die Wehpflicht (bzw eine allgemeine Dienstpflicht) einführen würden, gäbe es auch genug die sich nach 12 Monaten im Rahmen der Landesverteidigung auch länger für die weiteren Aufgaben verpflichten würden.
Vorweg: Ich werde hier nicht in das uebliche Gejammer von wegen gepflegtem Desinteresse einstimmen, denn auf der anderen Seite gibt es in den Sk auch immer wieder Oberschlaue, die bei Besuchen von Abgeordneten im Einsatzgebiet, in einer Parlamentsarmee faktisch Dienstaufsicht, von „Gefechtsfeldtourismus“ labern.
Also, sehr gute Veranstaltung vor Schloss Bellevue unter Pandemie-Bedingungen, insbesondere Inhalt Rede Steinmeier.
Was mir nicht gefallen hat, ist die unfreiwillige Unschneidigkeit in der Optik des anwesenden Militaerpersonals. Die Maentel der Rekruten sind unfoermig geschnitten, und waren teilweise garnicht oder schlecht gebuegelt, selbst der GI sah seltsam aus, weil sein Mantel buckelte.
Barette sitzen nicht, Hosen werfen falten, Muetzenbezeuge sind schlecht gebrasst. Das waren nicht nur ein Einkleidungs-Fails dank Bundeswehr-Bekleidungsmanagement, aber auch. Dabei hat das Wetter mitgespielt, und der Amtsitz des BuPrae bot 1a Kulisse.
Ich weiss, sich ueber sowas zu mokieren ist spiessig, und: „Je schlechter die Paraden, desto besser die Armee.“ Aber wir begehen den 12. November nicht immer so wuerdig, und Bilder sind maechtig. Ich wuerde mir da auch auf den unteren Ebenen mehr Hingabe an das „Messaging“ in Wort, Tat und Bild wuenschen.
Vielleicht unterhält sich der Bundespräsident zunächst einmal mit dem Außenminister, der ja mit seiner Bildwahl jedem Soldaten die Wertschätzung der Bundespolitik vor Augen geführt hat.
[Oh weh, schon klar, dass die missglückte AA-Bildauswahl auch hier auftaucht… würde aber bitten, das nicht weiter zu thematisieren, das führt direkt in den OT. T.W.]
Die Aussage des BP bleibt soweit hinter den klaren Worten Horst Köhlers vor 15 Jahren zurück, dass ich sie nicht ernst nehme. Leeres Gerede dem nichts folgt. Interessanterweise hat keine der deutschen Zeitungen mal bei Horst Köhler nachgefragt wie er heute diese Debatte sieht.
„Im steten Zank zwischen Politik, Bürokratie und Industrie scheinen jedenfalls die Interessen der Soldatinnen und Soldaten nicht die Hauptrolle zu spielen.“
Mit diesem Satz hat Peter Carstens gestern in der FAZ schon sehr treffend kommentiert. Zudem hat er mE zu recht die fehlenden Stimmen des „Generalstabes“ kritisiert.
Die politische Bedeutung der Bw hat nach 1990 und damit seit ihrem 35. Geburtstag jedenfalls stark und ständig nachgelassen.
Nein, auch mehrere Aufgaben können problemlos kommuniziert werden. Die vorhandenen Mittel zur Ausführung sind auch nicht das Problem (die Allokation schon eher – aber darum geht es hier ja nicht). Ja, selbst die auszusprechenden Worte sind schon vor Jahren erarbeitet worden. Man denke an das letzte Weißbuch der Bundeswehr. Da wurde die gesellschaftliche Akzeptanz der Sicherheitspolitik (und damit der Bundeswehr) hinlänglich besprochen: https://www.bmvg.de/de/themen/weissbuch/thesen/interessen-ethik-gesellschaftliche-akzeptanz-sicherheitspolitik-12200
@TW: Tut mir leid, aber das war ein Elfer ohne Torwart. ;-)
Ich fasse jetzt mal nicht ganz korrekt den Bundespräsidenten mal mit in „die Bundespolitik“ mit ein: diese muss jetzt zeigen, dass sie in den nächsten Jahren mi der BW etwas verändern will – auch gegen Widerstand. Das heißt: Eine Reform im großen Wurf! Tiefgreifend Strukturen verändern, den Blumenstrauß an Zentren und Kommandos auflösen, Kriegsfähigkeit herstellen. Wenn versucht wird, die bisherigen Strukturen zu erhalten, ist klar: kein Interesse.
Aussage der SPD zum Jubiläum:
„Damit die Bundeswehr auch weiterhin erfolgreich ihren Auftrag erfüllen kann, benötigt sie ohne Abstriche die bestmögliche Ausstattung und Ausrüstung. Als Sozialdemokraten werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass es den Soldatinnen und Soldaten an nichts mangelt. Alle Maßnahmen der Bundesverteidigungsministerin prüfen wir daher weiterhin sehr genau und greifen bei Bedarf korrigierend ein. Die Männer und Frauen der Bundeswehr haben es verdient!“
Diese Aussage ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten.
Die Forderungen des BMVg werden durch das SPD-geführte BMF regelmäßig im HH-Entwurf und in der mittelfristigen Finanzplanung eingedampft, und dann behauptet man, dafür zu sorgen, dass es der Bundeswehr an nichts mangelt. Aber vielleicht sollte man die Stellungnahme auch so verstehen, dass die Bundeswehr nichts anderes verdient hat.
@ Thomas Wiegold, @pirat77
warum soll der Maas Tweet hier nicht thematisiert, an welcher Stelle und an welchem anderen Tag soll das sonst passieren, bei den Reaktionen der Fraktionen ist dies ja nicht möglich. Und das Maas ein Bild mit belgischen Soldaten twittert, wohl ausgewählt weil er Hände schütteln kann, zeigt doch genau die Problematik. Zur Selbstpromotion und Inszenierung europäischer Solidarität ist die BW den Ministern recht (*hust* vdL) während
es nach Jahren immer noch Defizite bei der Schutzausrüstung gibt.
[Wenn es darum ginge, jeden dämlichen PR-Fauxpas der Mitarbeiter eines Ministeriums oder einer Institution (oder glauben Sie, der Außenminister sucht die Bilder für diese Tweets selber aus?) hier auszubreiten, dann gäbe es dafür fast täglich lustige Beispiele – im fraglichen Fall waren die Mitarbeiter nicht in der Lage, aus der Fotoserie paar Bilder weiter das gleiche Motiv mit deutschen Soldaten auszuwählen. Daraus jetzt die Möglichkeit für ein Bashing eines Ministers zu basteln, den man nicht mag, kann man ja machen – muss ich hier aber nicht tun. T.W.]
Ich denke, bei solchen Anlässen ist von Staatsorganen in ihren Rednern nichts anderes zu erwarten und sie werden auch nichts sagen, was gegen eine gewissen Staatsraison wäre. Deswegen sind sie, mit wenigen Ausnahmen, weitgehend im Tenor immer das Gleiche. Alle, die die Reden entwerfen, finden eine Vielzahl von Bausteinen aus „alten Reden“ und können diese in neuen Texten neu komponieren. Deswegen sind sie oftmals langweilig.
Derartige Anlässe, wie jetzt vor dem Amtssitz des Staatsoberhauptes, eigenen sich einfach nicht, um „Tacheles zu reden“, sollen es auch nicht, denn dafür gibt es andere Orte.
Trotzdem; es könnte sich doch mal lohnen, Vertreter gesellschaftlicher Einrichtungen, z.B. dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) oder einer seiner Einzelgewerkschaften, zum Reden einzuladen. Nicht ohne Grund ist ein Vertreter der Gewerkschaften im Beirat für Fragen der Inneren Führung der Bundesministerin der Verteidigung vertreten (gewesen?). Warum immer die gleichen Staatsorgane? Gesellschaftliche Verankerung deutscher Streitkräfte und ihrer Soldaten könnte durchaus mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Einrichtungen dokumentiert werden.
Ich denke es wäre auch an der Zeit, die immer nach dem gleichen Protokoll ablaufenden Staatsveranstaltungen und den immer gleichen Bildern zu überdenken. Müssen die immer so langweilig sein? Ich verstehe schon, dass die Soldatinnen und Soldaten, die dafür bestimmt eine lange Zeit vorher üben, diese Bilder schätzen und es gerne machen. Aber macht das Streitkräfte in der Demokratie aus?
Als Ansprache an Rekruten im Rahmen eines Gelöbnisses – und das war die Rede! – finde ich die Rede wirklich gelungen. Der Langtext ist dabei zu lesen, um Verweise/Auszüge im Kurztext oben richtig einordnen zu können..
Pauschalisierendes Politik(er)bashing nervt mich dabei nur und zeugt eher vom freundlichen bis unfreundlichen Desinteresse ggü. dem demokratisch verfassten Staat.
Zu 65 Jahren Bundeswehr sagt die Rede eigentlich nichts aus. Der Adressat sind die Rekruten. Das Geburtstagskind BW (nun im Renteneintrittsalter?) hätte die Party und das Setting dazu wohl schon selbst organisieren müssen.
@ J10:
Dann ist die Bundeswehr die Beste.
Immer neue freundliche Worte helfen in der Sicherheitspolitik nur bedingt.
Ich erinnere an die Münchner Reden und die Realität.
Besonders bemerkenswert auch die Behauptungen der SPD:
„Damit die Bundeswehr auch weiterhin erfolgreich ihren Auftrag erfüllen kann, benötigt sie ohne Abstriche die bestmögliche Ausstattung und Ausrüstung. Als Sozialdemokraten werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass es den Soldatinnen und Soldaten an nichts mangelt. “
Wenn man sich den Zustand der Truppe und die Haushaltsplanung anschaut, dann gibt es nach so langer Regierungsbeteiligung in den letzten 20 Jahren so manche Fragezeichen bei der Behauptung.
Gleiches gilt für die Union.
Anspruch, Worte und Taten passen immer weniger zusammen.
@Memoria:
„bestmögliche Ausstattung und Ausrüstung“
Das hat nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun, sondern mit gut gemachten Verträgen, Blick über den Tellerrand und klarer Haltung bei „Problemen“, die von der Industrie kommen. (also bitte auch einmal den „langjährigen“ Vertragspartner ans Bein „pi..en“)
Die letzten 15 Jahre wurde das Verteidigungsministerium von CDU/CSU geführt.
Wüsste nicht, wieso hier die SPD auf einmal Schuld für die Ausrüstungsmisere sein sollte.
Wenn man nicht genügend Geld als Resort bekommt (Ansichtssache), muss man halt mit dem vorhanden Geld gut wirtschaften oder seiner Partei mehr Druck machen bessere Deals mit den Koalitionspartnern zu machen (CDU stimmt für mehr Geld für SPD geführte Resorts, dann stimmt die SPD auch für mehr Geld für Resort Verteidigung).
Denn das Finanzministerium kann auch nicht einfach so Mittel kürzen oder durchwinken – da gibt es immer Deals/Vereinbarungen zwischen den Koalitionspartnern zwischen ihren Anliegen. Sonst würde man als großer Koalitionspartner auf die Kanzlerschaft verzichten und dafür den Finanzminster stellen wenn der diese angebliche Macht hätte.
Wenn man schon den schwarzen Peter jemanden zuordnen will, dann bekommt die „Sicherheitspartei“ CDU/CSU diesen zugeschoben – dann kommt ganz lange nichts und dann kommt die SPD und die FDP (weil auch mal Koalitionspartner).
Große Reden schwingen kann jeder Politiker – wichtig ist aber die Zuhörer mit den Worten auch mitzunehmen.
Das, muss man leider zugeben, habe ich in den letzten 15 Jahren nur bei der Coronarede von Kanzlerin Merkel (im März) gespürt.
Alle anderen Neujahrsansprachen, Bendlerblockgelöbnissreden usw. (von Politikern) haben bei mir nichts, aber auch wirklich nichts hinterlassen. Egal wie der Name war.
@All:
Zunächst einmal: Sie haben eigentlich alle Recht. Die Bundeswehr ist ein Spielball der Politik, das Ausrüstungstheater ist ein Dauerbrenner und viele der verantwortlichen Politiker die unsere Parlamentsarmee steuern sind so dumm wie Schifferscheiße und haben keine Ahnung wovon sie eigentlich sprechen.
Seit Jahrtausenden haben Soldaten sich (mit Recht) darüber beschwert das ihre Ausrüstung suboptimal ist (das fing wohl bei Cannae an). Fazit daraus:
Dann muss ich meinen Auftrag eben mit suboptimaler Ausrüstung durchführen (wohl wissend in welche Scheiße man dadurch geraten kann)
Warum: Ich habe einen Eid geleistet, auf Volk und Vaterland, nicht auf wechselnde Politiker irgendeiner Coleur! – Ich kann es bleiben lassen wenn es mir (politisch) nicht mehr passt – und kündigen…
Mag sein, das manch einer jetzt denkt, ich sei naiv…. das wird vermutlich stimmen, ich bin auch nur ein popeliger Reservist der sich 29 ( neunundzwanzig, das ist kein Rechtschreibfehler) Monate irgendwo am Arsch der Welt mitunter gefragt hat was er dort eigentlich soll ( vor allen Dingen dann wenn es haarig wurde….)
Eine Ministeriumsrunde habe ich auch gedreht, ich weiß also wie der Hase in Berlin läuft und die NATO kenne ich auch gut genug…)
Damit niemand auf falsche Gedanken kommt: ich bin Privatier und habe das alles aufgrund freiwilliger Verpflichtung und einem gehörigem Schuss Abenteuerlust mitgemacht – weil Deutschland mein Vaterland ist und es sich immer noch lohnt hier zu leben – drei Jahre in Afrika und dem Nahen Osten haben mir gezeigt wie gut es uns hier wirklich geht: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, soziale Absicherung etc. etc.
Ich sitze gerade in meinem Arbeitszimmer (in Familienkreisen auch Militärmuseum genannt), blicke auf mein Barett das ich nach 15 Monaten Grundwehrdienst und 85 Reserveübungen (was eine Gesamtdienstzeit von 10 Jahren ausmacht) im wahrsten Sinne des Wortes an den Nagel gehängt habe.
Mein ziviles Umfeld ist eigentlich gar nicht so ignorant der Bundeswehr gegenüber wie immer erzählt wird -im Gegenteil: man hat mir immer mit Interesse zugehört wenn ich ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert habe – oftmals mit der Bemerkung „Das habe ich gar nicht gewusst…“ (woher auch, da darf man niemandem einen Vorwurf machen).
Deswegen: ….auf die nächsten 65 Jahre….!“
Als Soldat zu dienen ist selbstlos und Dank darf man nicht von der Politik erwarten
Gott und den Soldaten ehret man,
In Zeiten der Not und zwar nur dann,
Ist aber die Not vorüber und die Zeiten gewandelt,
Wird Gott bald vergessen und der Soldat schlecht
behandelt.
– aber der Dank unserer Mitbürger – der ist uns allen gewiss – und:
Ich habe Deutschland gedient.
@emil93:
Daher hatte ich ja auch geschrieben:
„Gleiches gilt für die Union“.
Diese hat natürlich deutlich mehr Verantwortung daran. Nur hat sich die SPD aktuell noch deutlicher geäußert als die Union. Ich teile ihre Ansicht, dass die Rolle des BMF oft in der Diskussion überschätzt wird. Wenn sich die Union in den Koalitionsausschüssen wirklich für die Bundeswehr einsetzen würde, dann gäbe es da andere Lösungen. Die SPD hatte mehrfach weitere Steigerungen des Verteidigungshaushaltes in Frage gestellt. Die Union hat sich nur halbherzig dagegen gestellt.
Interessanterweise reden heute alle von der kaputtgesparten Bundeswehr.
Daran waren CDU und CSU maßgeblich beteiligt. Die Bundeskanzlerin wird mit diesem Zustand bezeichnenderweise gar nicht in Verbindung gebracht.
Bei CDU, CSU und SPD passt das Reden nicht zum Handeln. Ja und die FDP hat die Reformideen von KTG noch befördert.
Bei den vorhandenen Defiziten kann man, aus meiner Sicht, noch so gut die Industrie und andere vor sich her treiben, es fehlt schlichtweg ausreichend Geld für die politisch gewollte Vollausstattung und Modernisierung.
Finanzbedarf und Finanzplan gehen immer weiter auseinander:
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/newsbeitrag/debatte-im-bundestag-ein-haushaltsentwurf-mit-zwei-gesichtern
Die Ministerin behauptete bei Amtsübergabe ihre Doppelfunktion wäre ein klares Signal, dass die Bundeswehr oberste Priorität für die Union hätte. Auch der letzte Haushalt der sog. Großen Koalition zeigt, dass es doch wohl nicht so wichtig ist.
Die Reden in 5 Jahren werden ähnlich sein, der Zustand der Bundeswehr wird jedoch kaum besser sein.
Die Mini-Debatte um die Sicherheitspolitik geht weiter:
https://www.tagesschau.de/inland/sicherheitspolitik-bab-101.html
Erinnert alles sehr an die Debatte nach der Münchner Sicherheitskonferenz 2014.
Seitdem gab es halbherzige Verbesserungen aber vorallem war die deutsche Sicherheitspolitik nicht „früher, entschiedener und substanzieller“. (https://augengeradeaus.net/2014/02/steinmeier-militarische-zuruckhaltung-bedeutet-nicht-heraushalten/).
Die Beiträge im Kampf gegen den IS, der zögerliche Einsatz in der Sahelzone (inkl. der Weigerung bei Takuba teilzunehmen), die absurde Drohnendebatte, die Finanzierung „auf Sicht“ und weiteres zeigten, dass immer wenn es konkret wird, dann hat man vorallem Ausreden parat.
Besonders gern den Zustand der Bundeswehr, eine vermeintliche Arbeitsteilung oder sogar das Grundgesetz.
Die nächste Koalition wird sicher wieder schöne Worte für den Koalitionsvertrag finden.
Wenn jedoch auch die Union bei 65 Jahren Bundeswehr vorallem den Corona-Einsatz in den Mittelpunkt stellt, dann ahnt man schon, dass eine ehrliche Debatte gar nicht geführt werden soll.
Solange die politischen Entscheidungsträger fortlaufend beim außen- und innenpolitischen „Publikum“ möglichst wenig anecken wollen, funktioniert alldas nicht.
Nur nochmal zur Erinnerung wie widersprüchlich die Bundesregierung in den letzten Monaten geredet und gehandelt hat: https://augengeradeaus.net/2020/03/anti-terror-mission-im-sahel-deutschland-ist-dafuer-aber-nicht-dabei-und-das-soll-auch-keiner-merken/
Das wird nicht durch immer neue Sonntagsreden und ein Abschieben von Verantwortung auf die EU-Ebene anders, sondern durch politischen Mut.
Mut da ja zu sagen und (!) mitzumachen wo es wichtig ist und auch da nein zu sagen und nicht mitzumachen wo es unwichtig ist.
Genau diese Linie fehlt seit mindestens 20 Jahren (Ausnahmen: Irak und Libyen, jedoch vorallem innenpolitisch motiviert). Auch von den vielen Worten der aktuellen Ministerin und Parteivorsitzenden blieb praktisch fast nichts übrig. Aber neue Symbolpolitik im Indopazifik.
Ob die nächste Koalition den Mut aufbringt mal reinen Tisch zu machen?
Ich bezweifle es.
@all
Das Papier der SPD zur Europaarmee möchte ich erst mal sehen, ehe es so richtig Gegenstand der Debatte werden kann…
(BTW, nach meiner Erinnerung gab es aus der SPD-Fraktion schon mal einen Vorstoß, eine eigenständige EU-Streitmacht als 28. zu den 27 nationalen aufzubauen – habe die Details aber nicht mehr parat. Wer erinnert sich besser?)
@TW
Dies hier vielleicht:
https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/positionspapier_europaeisierung-agsv-final-2014-11-14.pdf
Das müßte gem. Dateinamen aus 2014 stammen.
[Danke, aber @Memoria – s. oben – war näher dran. T.W.]
@all
Das Diskussionspapier der SPD-Verteidiger zu Europa-Armee habe ich in einem gesonderten Thread im Original veröffentlicht und die hier dazu aufgelaufenen Kommentare dorthin verschoben.
Ich kann nur sagen des der Bundespräsident nicht einmal die tatsächliche Gelöbnis Formel richtig hinbekommt:
„Sie geloben heute, unserer Demokratie treu zu dienen, unser aller Recht und Freiheit tapfer zu verteidigen.“
Richtig wäre: „Sie geloben heute, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.
Hat dieser Bundespräsident ein Problem mit dem Wort Volk?
Tut mir leid, als ehemaliger Berufssoldat ist der Mann bei mir schon lange unten durch.
[Ihre Meinung über den Bundespräsidenten ist Ihre Privatsache, das berechtigt Sie noch lange nicht, hier Unsinn zu schreiben – schließlich hat nicht der Bundespräsident das Gelöbnis abgelegt und die Formel wortgetreu zu wiederholen. Wir haben verstanden, Sie mögen ihn nicht, und das wissen jetzt alle, und damit ist auch gut. T.W.]
Gut dass die Kommentare hier noch offen sind.
Bin gerade von Youtube hierauf gestossen worden:
Abschiedsparade der Bundeswehr für Konrad Adenauer (III) (1963)
https://www.youtube.com/watch?v=BCFjj6rf0hA
Ich glaube, das bei 2:22 sind Luftabwehrraketen vom Typ Shrike-Hercules mit nuklearem Sprengkopf* W31 …
https://de.wikipedia.org/wiki/Nike_Hercules
Man stelle sich vor, eine solche Parade heutzutage durch Berlin.
Welch ein Heulen und Zähneklappern sich da wohl auftun würde …
*Natürlich Übungsversionen für die Zwecke der Parade …
Nike Hercules natürlich. Shrike is was anderes …
https://de.wikipedia.org/wiki/AGM-45_Shrike