SWP-‚Denkanstoß‘ für die Bundeswehr: Mehr Geld allein macht nicht glücklich
Die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat am (heutigen) Freitag ein Papier zu Reformüberlegungen für die Bundeswehr vorgelegt, dass wegen seiner Autoren schon vorab von sich reden gemacht hatte: Neben dem ehemaligen Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Rainer Glatz, der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels. Ihr nicht so überraschendes Fazit: Weniger Stab, mehr Truppe – neben mehr Geld.
Das achtseitige Papier Welche Reform die Bundeswehr heute braucht – Ein Denkanstoß gibt’s hier zum Herunterladen. Aus den Schlussfolgerungen der Autoren:
Eine künftige Struktur muss die Personalstärke der Truppe wieder erhöhen (zulasten von Stabsstrukturen) und durchhaltefähige, ausbildungsfähige Truppenteile mit vollständiger Ausrüstung (Vollausstattung) und mit Personal schaffen, das für den Gesamtauftrag ausgebildet ist . (…) Das seit etwa zwanzig Jahren geltende Paradigma, Streitkräfte prozessorientiert und betriebswirtschaftlich effizient führen zu sollen, ist kritisch zu überprüfen. Den Kriterien einer hohen Einsatzbereitschaft kann ein betriebswirtschaftlicher Ansatz nicht genügen (Bevorratung statt »just in time«). Um die Wahrnehmung von Verantwortung in einer Hand überhaupt zu ermöglichen, muss die Materialverantwortung in der Nutzungsphase, das heißt nach Indienststellung des Gerätes, an die Inspekteure zurückgegeben werden.
Zusammen mit anderen Empfehlungen wie der Wiedereinrichtung des unter Verteidigungsminister Thomas de Maizière abgeschafften Planungsstabes im Ministerium klingt einiges wie die Rückbesinnung auf frühere Strukturen. Das gilt auch für die Überlegungen zur militärischen Führungsorganisation, an denen Generalinspekteur Eberhard Zorn ohnehin seit einiger Zeit arbeitet (und die, so scheint es, durch die aktuelle Pandemie ein wenig verzögert wurden). Im Papier von Bartels und Glatz heißt es dazu
Zu prüfen wäre, ob dem Generalinspekteur eine Art »Chef des Stabes« zugeordnet wird, der mit einem leistungsfähigen Unterbau die militärischen Abteilungen steuert, die Zusammenarbeit mit den zivilen Abteilungen koordiniert und die grundsätzlichen Weisungen/Befehle des Generalinspekteurs an dessen nachgeordneten militärischen Bereich innerhalb und außerhalb des Ministeriums umsetzt.
So was ähnliches gab es schon mal. Hieß Führungsstab der Streitkräfte und wurde im Zuge der so genannten Neuausrichtung der Bundeswehr aufgelöst.
Guten Morgen zusammen,
vieles was dort geschrieben steht kann ich nachvollziehen, weil ich selbst in dem Bereich eingesetzt bin, allerdings ist die Ableitung aus meiner Sicht nicht zielführend. Ein Problem der Zusammenführung von Nutzung und Rüstung ist zum Beispiel die Doppelung von Strukturen im System Verantwortung der Materiellen Einsatzreife und der Betriebs- und Versorgungsverantwortung – hier wird zum Einen übermäßig Fachpersonal aus Engpass AVR gebunden und Prozesse und Informationswege komplex und undurchlässig gestaltet – das hindert eine situationsbezogene schnelle Reaktion. Kommen dann noch persönliche Befindlichkeiten dazu blockiert dies das gesamte System.
Auf der anderen Seite hat jedoch die Verknüpfung von Rüstung – auch wenn sie nun 7 Jahre Zeit hatte – noch nicht voll gegriffen (Grundverständnis der Vernetzung im BAAINBw) und zeigt daher erst wenige „zarte Pflänzchen“ des Erfolges. Außerdem hat sich durch die ganzen Taskforces, Berater etc. eine Mikromanagementkultur im BMVg gebildet, die permanent Einfluss auf das BAAINBw nimmt und so auch in der Nutzung zum Teil kontraproduktive Wege vorgibt, oder aber Leute (Soldaten wie Beamte) durch dauerndes Melden der gleichen/ähnlicher Berichte in unterschiedlichen Formaten an der Auftragserfüllung hindern – auch im BAAINBw hat der Tag nur 24 Stunden und es gilt die Arbeitszeitverordnung.
Aus meiner Sicht sollte man vor einer neuen Reform eher mal das adabsurdum geführte derzeitige System evolutionär entwickeln und Verantwortungsstränge wieder sauber aufbauen. Beim derzeitigen Kontrollzwang und der herrschenden Eingriffswut geht jedes System auf die Bretter.
The OldGuy
Das ist ja eine absolute Lachnummer geworden. Beide Autoren unter dem Dach der SWP argumentieren, als wären sie die vergangenen Jahre nur „Beobachter“ gewesen. Davon kann keine Rede sein Dann noch der allfällige Ruf nach der Wiederauferstehung eines Planungsstabes.
Das liest sich wie eine von Teilen der Leitung BMVg bestellte Arbeit, damit man doch noch irgendwann ein paar Umgliederungen einleiten kann. Den großen Wurf in welche Richtung auch immer hat man sich versagt, jetzt halt weitere Reförmchen.
Ist es nicht vielmehr so, dass die gesamte innere Verfassung und Einstellung der führenden Köpfe hier das Defizit bildet? Die langfristig erkennbare Fehlentwicklung liegt auf dieser Ebene und hat dann zu den falschen Entscheidungen wie Zergliederung, Verantwortungsdiffusion und all den täglichen Fehlern und Skandälchen geführt.
Weniger Stab, mehr Truppe. Was für eine Erkenntnis. Wer sägt schon am Ast, auf dem er sitzt. Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.
Transformation = Die Definition des Weges zu einem unbekanntem Ziel
@Schwermetaller Selbst wenn Sie in Verantwortung sind, haben ziemlich oft nicht die Gestaltungsmöglichkeiten, die notwendig wären. In letzter Instanz hat die Politik den Daumen auf der Sache und dort wird nach anderen Kriterien entscheiden als auf Sachebene. Deshalb nennt sich das ganze ja auch Parlamentsarmee – nur daß dort niemand wirklich Verantwortung übernehmen will.
@ Oldguy
100%korrekt soweit, wobei MatVerER und BVV eigentlich sauber und auch sinnvoll im CPM beschrieben getrennt sind. Es ist nur nach 8 Jahren nicht umfassend als Führungsaufgabe erkannt, genau an dieser Stelle die Sinne zu schärfen und im IPT an dieser Bruchkante keine großen Reibungsverluste entstehen zu lassen.
Die Folgerung aus dem Papier weniger Stab und mehr Truppe hat bei einer Rückführung der MatVerER in den Bereich der Inspekteure den Haken, dass dort ja niemand mehr ist, der die Aufgabe übernehmen könnte. MUKdo, AHEntwg, …. die werden sich bedanken. Von San und CIR ganz zu schweigen. Die vollumfänglich Übernahme der Aufgabe des BVV stellt diese Bereiche bereits aktuell vor erhebliche Herausforderung. Die Lw hat hier noch relativ klug agiert und einige Kompetenz erhalten und nicht Knall auf Fall 2012 alles eingestampft.
Ohne eine erhebliche Entschlackung der Vorgaben und Verfahrensabläufe auf allen Ebenen und dabei lediglich eine Konzentration auf gesetzlich zwingend notwendige sind OrgÄnderungen und Aufgabenverlagerungen nur Schmuck am Nachthemd.
herzlichst
Grashüpfer
Mehr Truppe – weniger Stab. Das ist ja was Neues! Ich erinnere mich da an einen Vortrag von PD Dr. Stefan Bayer, Fachbereich Human- und Sozialwissenschaften der FüAkBw, im März 2014 an eben dieser Alma Mater. Sinngemäß: „Es gibt so einen international anerkannten Daumenwert: Auf etwa 4500 Soldaten kommt ein General. Das Verhältnis stimmte bei der Bundeswehr auch – bis 1990. Jetzt haben wir nur noch etwa ein Drittel der Soldaten, aber immer noch genauso viele Generale und Admirale wie vor 1990.“ Was hat sich da seit 2013 geändert?? Zahlenmäßig wahrscheinlich nix. Nur ist die Verantwortungsdiffusion noch größer geworden. Oder?
Alles was hilft, die Bundeswehr zurück ins Gleis zu heben, sollte eine Chance bekommen. Es kann ja eigentlich auch so gar nicht weitergehen. Desolate Zustände in vielen Bereichen. Manchmal erkennt man die Parallelen zur DDR im Jahr 1989. Die Führung hatte die wahren Zustände auch gar nicht mehr wahrgenommen.
Hoffentlich bekommen wir nach der Wahl einen gedienten Verteidigungsminister mit klaren Vorstellungen. Das würde dem BMVg und der Bundeswehr gut tun.
Oben auf der Seite neben dem Reiter „UdÖ“ ist noch Platz für „DeSuF“. „Denkanstöße ehemaliger Soldaten und Funktionsträger“.
Amüsiert ins Wochenende ab.
@ Old Guy
Zitat: “ Ein Problem der Zusammenführung von Nutzung und Rüstung ist zum Beispiel die Doppelung von Strukturen im System Verantwortung der Materiellen Einsatzreife und der Betriebs- und Versorgungsverantwortung – hier wird zum Einen übermäßig Fachpersonal aus Engpass AVR gebunden und Prozesse und Informationswege komplex und undurchlässig gestaltet – das hindert eine situationsbezogene schnelle Reaktion.“
Ich weiß nicht wo Sie im Prozess der Nutzung von Wehrmaterial eingesetzt waren. Ich war eine zeitlang im LogABw in St. Augustin tätig. Schon damals konnte man sagen, dass die Auflösung des MatALw ein Fehler war, zumindestens hätte man die nachfolgenden Strukturen im WaSysKdo Lw erhalten müssen.
Die von Ihnen angeprangerten Verdoppelung der Strukturen in System der Verantwortung der Materiellen Einsatzreife kann ich so nicht bestätigen. Es war völlig klar, dass in den von mir genannten Materialämtern usw. die Fachleute der Waffensysteme saßen, also für Versorgung, technische Betreuung und Weiterentwicklung der Waffensysteme inkl. des Einführungsbeauftragten für ein neues Waffensystem oder ein Update. Damit war klar, wenn ein System an die Truppe übergeben war, war ab dann die Truppe für alles weitere zuständig. Deshalb saß der Nutzungsleiter eines Waffensystems auch in diesem Amt als Soldat und war in die militärische Hierarchie eingebunden.
Und was war die Aufgabe des damaligen Bundeswehrbeschaffungsamtes (BwB) ? Nachdem man der Truppe das Geld und die Vertragsjuristen zur Vertragsgestaltung nicht geben wollte, haben die Beamten des BwB die Ersatzteil- und Beschaffungslisten der Materialämter der TSK abgearbeitet und die Verträge gemacht und beschafft und hatten damit in den Fachdezernaten genügend Arbeit.
Der Hauptauftrag des BwB war jedoch der Rüstungs- und Beschaffungsprozess von neuen Waffenssystemen. Das sollte er heute auch noch sein und leider hat man den Fachdezernaten auch noch die Nutzungsverantwortung für das Wehrmaterial übertragen (um in den TSK-Ämter Soldatenstellen zu sparen).
Was ist die Konsequenz dieser Neuaufteilung seit nunmehr fast 8 Jahren ?
Das BAAINBw sieht sich in erster Linie immer noch als Rüstungs- und Beschaffungsbehörde, die ungeliebte Aufgabe „Nutzungsleitung“ wird quasi nebenbei mitgemacht und wenn wieder mal ein Waffensystem wegen Ersatzteilmangel steht, juckt es das BAAINBw herzlich wenig, die betroffene TSK sehr wohl.
Deshalb die eindeutige Forderung in dem obigen Papier. Die Nutzungsleitung gehört wieder in die Hand der Inspekteure der TSK und nirgendwo anders hin. Die Verantwortung für die Einsatzbereitschaft von Waffensystemen und Truppe ist unteilbar miteinander verbunden !
Ein Denkanstoß, kompetenter Herren mit vorzeigbarem mil und ziv/pol Hintergrund, der ausgewogen formuliert ist und sich nicht allein auf Herausstellung von Mängeln beschränkt sondern, wie es sich gehört, Vorschläge unterbreitet. Ein Denkanstoß eben.
Gründe für Häme sehe ich keine, sie führen zu nichts Positivem.
Wer am Besserwerden unserer Bundeswehr ehrliches Interesse hat, arbeite im Rahmen des jeweils Möglichen mit Anregungen zu.
Die Kommandeure werden, so meine sichere Erwartung, im unterstellten Bereich dazu auffordern.
Zentralaussage: „Auftrag, Kräfte und Mittel in einer Hand“, wie es sich gehört, nicht nur weil geübte Tradition, sondern weil es sich bewährt hat, im Frieden, im Einsatz, im Krieg.
Der Satz: „Im Bewusstsein vieler altgedienter Soldatinnen und Soldaten verbinden sich mit den diversen Reformen nach 1990 vor allem Stichworte wie Schrumpfen, Auflösen und Umstationieren, permanent wechselnde Führungsstrukturen, Frühpensionierungsprogramme, Finanznot und materieller Mangel“ trifft den Kern der Gefühls- und Erfahrungswelt.
Arbeiten wir, Aktive und Ehemalige, alle daran, dass die Streitkräfte wieder Grund unter die Füße bekommen.
@G.Schneider
Ein militärischer Hintergrund des Verteidigungsministers ist genauso wenig nötig wie ein Doktorgrad der Medizin an der Wand im Büro des Gesundheitsministers. Realiter stellen die Staatssekretäre, Abteilungs- und Referatsleiter dem Minister Entscheidungen zur Auswahl; seine bzw. ihre Aufgabe ist es lediglich, die günstigste oder populärste Option herauszufinden und zu verkaufen.
Alle Bundeswehrreformen stammen aus der Feder von Männern, denen es – jedenfalls auf dem Papier – an militärischem Sachverstand keineswegs mangelte.
@Trevor Faith sagt: 30.10.2020 um 12:56 Uhr
„In letzter Instanz hat die Politik den Daumen auf der Sache und dort wird nach anderen Kriterien entscheiden als auf Sachebene.“
Da habe ich die de Maiziere-Reform aber anders in Erinnerung:
Die zentrale Beratung der zivilen Leitungsebene wurde von der militärischen Führung vorgenommen. Und diese hat sorgfältig darauf geachtet, dass möglichst alle Dienstposten >A14 erhalten bleiben.
Wobei ich mich da gerne eines besseren belehren lasse.
Ansonsten noch ein Bonmot von TdM aus 2011:
„Wir haben zu viele Stäbe und zu viele Generalsterne, unklare Zuständigkeiten, Parallelstrukturen, zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit.“
https://augengeradeaus.net/2011/05/die-neue-bundeswehr-170-000-plus/comment-page-2/
Dann scheint die Reform anscheinend nicht viel geholfen zu haben…
PS:
IPT = Integrierte ProjektTeams
MatVerER = Materialverantwortung für die EinsatzReife (?)
BVV = Betriebs- und Versorgungsverantwortlicher für den Erhalt der Einsatzfähigkeit und Einsatzbereitschaft
Wenn man schon keine Abkürzungen ausschreiben will, so wäre es doch schön, sich zumindest an offizielle Abkürzungen aus dem CPM zu halten…
[Sie sehen es mir hoffentlich nach, dass ich den Link zu einer Zeitungsseite durch einen Link zur entsprechenden Meldung auf Augen geradeaus! ersetzt habe… T.W.]
Finde das Papier prinzipiell gut gelungen. Die Bw würde auch ohne SKB, CIR und ZSan als eigene OrgBereiche super zurechtkommen und Heerscharen von Generalen und StOffzen verursachen natürlich ohnehin immense Personalkosten.
Allerdings sehe ich es wie einige andere Kommentatoren: Will man den Teich trockenlegen, darf man nicht die Frösche fragen.
Insofern kann man nur weiter davon träumen, dass mal jemand den Hard-Reset-Knopf drückt und obige Vorschläge umsetzt.
@all Gibt es nicht eigendlich einen Personalschlüssel auf wieviele Mannschaften es wieviele Unteroffz, Offz und Generale geben soll? Es dürfte doch diesen Wasserkopf garnicht geben.
Ganz sicher ist folgendes:
Die Kampfkraft und Effizienz der Bundeswehr steigt mit Sicherheit nicht durch die x-te Transformation/Umstrukturierung von Organisationsbereichen und Ämtern innerhalb von 15 Jahren.
Bis diese Umstrukturierungen vollzogen sind und auch gut miteinander arbeiten können, vergehen mal locker wieder 5-10 Jahre.
Hmmm … Teilweise nehmen die Autoren die (für den Außenstehenden) richtigen Worte in den Mund, aber irgendwie fehlt mir da die politische Seite. Und da besteht genau soviel wenn nicht gar mehr „Reformbedarf“. Das – pardon – Geseier von wegen Weißbuch und jährlichem Bericht im Bundestag ist verschwendete Lebenszeit und vergeudetes O2, da kommt nichts Greifbares bei rum. Man muß hierzulande schon (leider) die Gretchenfrage nach dem Sinn und Zweck von Streitkräften und deren exakter Aufgabe stellen – und zwar nicht nur innerhalb des „Berliner Blobs“, sondern unter Einbeziehung der gesamten Bevölkerung! Denn sonst kommen wir nie aus dem Endlosbrummkreisel der „ethischen Beurteilung“ á la UCAV heraus. Das diese Debatte sehr wahrscheinlich politische Folgen haben wird ist klar, aber sie ist IMO die Basis für alle folgenden „Reformen“ bzw Änderungen.
Ein leider unterschätztes Problem bleibt – bei allen bisherigen und künftigen guten Ideen, und bei wie immer gearteten guten Entscheidungen : alle Reformer denken bisher noch immer an eine Umsetzung “ im laufenden Betrieb“ , also am laufenden Motor. Und hier hapert es immer wieder, sprich, das hat noch keiner geschafft, weil es eben nicht geht, schon wer sein Auto reparieren will, weiß das. (Gegenbeispiele ?)
Mein Hinweis ist , wie es – erstaunlicherweise – ausgerechnet die ALITALIA nun vorlebt, aus der Not und ganz vernünftig :
==== Entscheidung JA, aber UMSETZUNG nur mittels (paralleler) NEU-Aufstellung ! ====
Zunächst Dank an @ThomasWiegold für diesen Artikel. Die beiden Autoren liefern zwar einen Denkanstoß, aber keinen überzeugenden. Denn sie wiederholen zusammengefasst als Fazit: „weniger Stab, mehr Truppe – neben mehr Geld“ und somit nichts Neues.
Vor allem aber denken Sie das System Streitkräfte, so wie sie es erlebt haben: Top Down und dazu noch noch sehr „geschichtsbezogen“. Sie konzentrieren sich wieder sehr stark auf das Ministerium – also eine Behörde. Diese Behörde hat, so wie die früheren Kriegsministerien seit Mitte des 19. Jahrhundert auch – für den Einsatzwert von Streitkräften kaum Bedeutung. In diesem Zusammenhang sprechen sie von erkennbaren „Fehlentwicklungen“. Hier sind sie aber nicht mutig genug: Die Bundeswehr ist vielmehr in weiten Teilen nicht einsatzbereit – und das sowohl materiell, personell als auch strukturell. Das BMVg ist ein Behörden-Molloch mit 2.500 Mitarbeitern in 10 Abteilungen, die die Streitkräfte verwalten, aber nicht führen. Das ist die Wahrheit und hier sollte daher konsequent angesetzt werden.
Anstatt eine Vision oder ein Zielfoto zu skizzieren, arbeiten die Autoren sich zunächst mit Planungsvorgaben der bisherigen Reformen seit 1990 unter dem Stichwort „design to budget“ ab und erklären darüber einen unhaltbaren Zustand. Dann werden die letzten Struktur-Kommissionen aufgegriffen – aber auch wenig differenziert. Während die Weizäcker Kommission ja noch einigermaßen ausgewogene Ergebnisse produziert hatte, war das bei der Weise-Kommission schon kaum noch der Fall. Und die Müller-Kommission war keine Struktur-Kommission, sondern einfach Nonsens (siehe das Thema um die Ablösung des G36).
Die Streitkräfte haben heute ca. 185.000. Das sind fast 60% weniger im Vergleich zur Armee der Einheit. Damals gab es 200 Generäle und Admiräle – genauso wie heute. Wo bleibt hier nun die staatsbürgerliche Forderung, die Stabsstrukturen – insbesondere auch mit Blick auf die CORONA-Schulden – schnellstmöglich um 50% zu reduzieren? Und das gilt nicht nur für das Ministerium, sondern auch für die einzelnen Organisationsbereiche. Und ob dann 3, 4 oder wie viele Org-Bereiche auch immer übrig bleiben, wird sich zeigen.
Darüber hinaus sollten sie die Dinge von der Einsatzbereitschaft der Truppe her denken. Und das funktioniert nicht top down, sondern muss von der Ebene der Einheiten bzw. Verbände gedacht werden, denn hier spielt die Musik und diese müssen funktionieren. Erste Führungsebene ist der Zug, die zweite Führungsebene ist die Einheit und die dritte Ebene der Verband. Danach bedarf es noch zwei bis 3 weiterer Führungsebenen zur taktischen und operativen Führung – That’s it.
Der Ruf nach ´Wiedereinführen eines Planungsstabes im BMVg ist nachvollziehbar. Aber was soll der denn bitte schön machen und auf welcher Grundlage sollen denn die Planungen erfolgen. Hier vermisse ich das Zielbild, dass es rasch und konsequent zu verfolgen gilt. Zudem könnte ein starker, selbstbewusster GI dieses Thema von sich heraus anstoßen. Wenn nicht, dann sollte er seinen Platz räumen – und das ziemlich zügig. BTW: Helmut Schmidt brauchte Ende der 60er Jahre 4 Monate mit seinem Planungsstab zur Bestandsaufnahme. Warum soll das heute nicht auch in dieser Zeit gelingen? Oder glaubt hier wirklich jemand, das bei durch die nächste Bundestagswahl, egal wie diese auch ausgehen wird – neue, frische Ideen in die Streitkräfte einziehen werden.
Und nun abschließend noch ein weiterer Kritikpunkt: Wie kann man denn vor der aktuellen geopolitischen Lage so naiv sein und die Heeres, Luftwaffen und Marine-Verbände zur kollektiven Verteidigung einfach den NATO-HQs einfach zuzuordnen. Aber das reicht den Autoren ja noch nicht. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie vorschlagen, bei einer handlungsunfähigen NATO könnte das die US-Kommandostruktur in Europa einfach übernehmen. Die EU spielt dazu keine Rolle mehr.
Insgesamt zeigt mir auch dieses Papier, dass hier auch zwei Autoren am Werk sind, die zwar formell Ahnung haben müssten, aber völlig ziel- und somit wirkungslos ein Thesenpapier erstellt haben, dass nur wenig Linderung verspricht – Schade!
[Sie sehen mir nach, dass ich den Link entfernt habe… Das sieht schon sehr nach Werbung aus. T.W.]
@Stefan Bornemann:
„Der Ruf nach ´Wiedereinführen eines Planungsstabes im BMVg ist nachvollziehbar. Aber was soll der denn bitte schön machen und auf welcher Grundlage sollen denn die Planungen erfolgen.“
Der Planungsstab ist vorallem eine Kontrollinstanz des Apparates für die Leitung. Das ist auch wieder dringend notwendig, da der Apparat so nicht funktioniert.
Das Grundproblem ist seit knapp 10 Jahren bekannt:
https://augengeradeaus.net/2011/07/auf-die-partner-angewiesen/#comment-20758
An der Stelle nochmals mein Dank an den Hausherrn an das einmalige verteidigungspolitische Archiv des Hausherrn.
Nun ja, es wäre Zeit für ein Reset. Strukturen ausgerichtet auf den Verfassungsgemäßen Auftrag der Landesverteidigung. Es wird Zeit dauern, ob das Ziel bis 2032 voll ausgestattete und mit Personal besetzte Großverbände verfügbar zu haben erreicht wird mag bezweifelt werden. Die Streitkräfte führen trotz oder wegen des freundlichen Desinteresses der Bevölkerung ein tagespolitisches Schattendasein, wegen des Corona-Einsatzes zeichnet sich gleichwohl die Chance, einmal wirklich über Aufgabe und Ausstattung der Streitkräfte öffentlichkeitswirksam zu debattieren. Dafür müssten aber auch die obersten militärischen Führer beständig und ausdauernd den Finger in die Wunde legen. Vielleicht haben ja der Irre im Weißen Haus und der im Kreml mehr für eine Diskussion über die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte getan als die IBUKe der letzten Jahre. Das charmante Papier gehört unverzüglich umgesetzt, die überzähligen Organisationsbereiche aufgelöst.
Seit 21.März 2012 gilt der Dresdner Erlass. Er regel verbindlich Rolle, Aufgabe und Funktion des Generalinspekteurs
https://www.bmvg.de/resource/blob/11918/a0704bf10c05a278e69de63bd00c49d3/a-04-05-download-dresdner-erlass-data.pdf
Dem 15. Generalinspekteur waren acht Jahre Zeit gegeben, aus dem Dresdner Erlass etwas was zu machen, was seiner Verantwortung entsprechen kann. Ob die Zeit genutzt wurde, lass ich mal dahingestellt. Wer ändern und verbessern will, hat für den Bereich Soldaten eine gute Grundlage im Erlass. Aber, das BMVg ist mehr als Soldaten und es gilt das Primat der Politik. Ich schätze die Loyalität der Soldaten und ihren Respekt vor dem Primat der Politik. Aber, der Dresdner Erlass wurde bislang, mit Blick auf die Rolle, Aufgabe und Funktion der Generalinspekeurs in den zurückliegenden Jahren nicht als Chance für Soldaten(innen) gesehen. Und beide Verfasser des SWP Papiers haben die Chance in je unterschiedlicher Verantwortung gehabt.
Der wirkliche Denkanstoß wäre ja mal – abseits von vielen richtigen Kästchenfragen – ein „Ruck“ (Bundespräsident Herzog) durch die gesamte Organisation hin zur konsequenten Orientierung an der Aufgabe mit Verfassungsrang:
Deutschland möglichst effektiv zu verteidigen und militärische Beiträge zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bereitzustellen.
Das heißt im Kern große und kleine Kriege gewinnen zu wollen und zu können. Diese Grundeinstellung (neudeutsch mindest) ist nicht nur ein Problem der zivilen Komponente, sondern auch der militärischen.
Ansattt immer nur Prozesse und Regelungen zu betrachten, sollte die Organisationsaufgabe alle Gedanken und Taten leisten.
Diese mentale Seite fehlt mir im Papier, ansonsten ist es eine gute Zusammenfassung der Diskussion der letzten 20 Jahre und sagt auch deutlich, dass neue Kommissionen nicht erforderlich sind.
Erforderlich ist klare politische Führung, die konsequent die wesentliche Leistung von Streitkräften einfordert:
Gewaltandrohung und – anwendung.
Was mir ein wenig fehlt, ist die Tatsache, daß Frau AKK nicht mehr lange im Amt ist, wenn es schlecht läuft.
An eine große Reform ist also frühestens in einem Jahr zu rechnen.
Ich persönlich hoffe, dass Frau AKK dann Ibuk bleibt, denn Sie kennt das Amt, und hätte dann genug Zeit, um Dinge zu bewegen.
@Memoria
Um sich erfolgreich durchzusetzen bedarf es Bereitschaft und Fähigkeit. Beides wurde der Bw nicht gegeben bzw. weggenommen, wobei Fähigkeit im asymmetrischen Konflikt wohl noch in großen Teilen vorhanden ist. Die Bereitschaft steuert die Politik bei.
Ich schätze dabei „Bereitschaft“ als wichtiger ein als „Fähigkeit“, ein motivierter Akteur wird immer einen Weg finden, Fähigkeiten allein ohne Bereitschaft zur Aktion hingegen sind nutzlos.
@Thomas Melber:
„wobei Fähigkeit im asymmetrischen Konflikt wohl noch in großen Teilen vorhanden ist.“
Wenn man darunter mehr als ziellose Teilnahme an Dauereinsätzen versteht, dann bezweifle ich auch das.
Es ist insgesamt ein Problem der politischen und militärischen Eliten, die beide grundlegende Fakten negieren und ihre jeweiligen Hausaufgaben nicht machen.
Ich glaube, ich habe ein Deja Vu, alles zurück auf Anfang, von wo wir dereinst losliefen. Alles nur kleiner und weniger und eigentlich kaum realistisch umzusetzen. Es wurden einfach (oder leichtfertig?) die Kompetenzen preisgegeben und die kommen nicht wieder zurück. Auch nicht mit noch so gutem Wollen. Die Strukturen sind zerschlagen und können nicht zurückgewonnen werden.
Ich sehe vor allem ein tiefgreifendes Problem im Bereich der Mittel, wenn sich Mittel unter anderem unterteilen in Fähigkeiten und Kompetenzen. Heute ist beispielsweise die Instandsetzung im Sinne der Systeminstandsetzung oder auch Baugruppeninstandsetzung einfach inexistent. Das, was mal durch die ver-betriebsverwirtschaftlichung angerichtet wurde, ist, in den jetzigen Strukturen, nicht wieder aufzubauen. Und wer soll das eigentlich machen?
Wenig überraschend, Vollausstattung ist dem dynamischen Verfügbarkeitsmanagement überlegen? Wer hätte das gedacht? Ach so ja, eigentlich jeder, ausser denjenigen, die das unbedingt mal ausprobieren wollten. (Ja klar, genötigt durch die Budget Vorgaben der Politik, aber hey … es sah aus wie … es roch wie …. es war einfach Mist) Und genau das ist Führung und Verantwortung, da zu sagen: „Nein, den Scheiß mach ich nicht!“
Wir haben zu viele goldene Sterne? Jepp. Und die, die wir haben sind …. hmmm, ich sag mal eher karriereorientiert. Loyalität findet sich nur noch in den unteren Ebenen, aber wehe es wird mal etwas in Frage gestellt, oder man hat eine Meinung.
Ach je, ich gerate ins Lamentieren … wem auch immer da gerade mal wieder die nächste gute Idee zur Struktur der Bundeswehr kommt möchte ich einfach mal zurufen:
„Ich wünschte ihr machtet euren Job nur mal halb so gut wie diejenigen, die jeden Tag eure Suppe auslöffeln müssen!“
„Ich habe fertig“
@ Georg
Ihre Worte trage ich so vollständig mit.
Waren Sie vor Ihrer Zeit in St. Augustin mal als KpChef in der Oberpfalz?
@Fehlbesetzung
Im Zweifel macht das die Industrie zu hohen Kosten und langen Ausfallzeiten.
Bsp. UAV LUNA: die meisten Schäden könnte die Truppe „eigentlich“ selbst beheben, darf es aber nicht, da Reparatur/Inst vertraglich an „die Industrie“ abgegeben wurde.
@Georg:
Sie zeichnen da ein recht düsteres Bild vom BAAINBw bzgl. der Annahme der Aufgaben in der Nutzung. Der Aussage muss ich widersprechen. Man hat sich der Aufgabe angenommen. Aber wie sagt man so schön: Keine Hände, keine Kekse.
Der vorgeschlagene „roll-back“ bei der Materialverantwortung ist nicht in erster Linie eine Frage der Zuständigkeiten oder der Kästchen, sondern des ausreichenden und motivierten Fachpersonals auf der Arbeitsebene.
Nun wieder alles neue zu machen wird die Lage über Jahre nicht verbessern, sondern würde zu neuen Brüchen führen. Besser wäre die Frage:
Wie kann man die bisherigen Verfahren verbessern und beschleunigen ohne zu der alten Welt zurückzukehren, die so leicht nicht wieder aufzubauen ist.
Zumal große Teile der Probleme bei der Einsatzbereitschaft eher bei fehlenden Ersatzteilen durch aufwändige Verfahren und zu wenig Personal liegen als bei der Frage ob das BAAINBw oder die OrgBer dies steuern.
Keine Teile, keine Eile….
@ Fehlbesetzung
Dem ist leider nichts hinzuzufügen, außer „So iss ess !“
Mir ist schon klar, dass der Prophet im eigenen Lande nichts gilt. Aber warum haben wir Soldaten in der Logistik jahrelang gegen die Berater der bw-eigenen GEBB GmbH ankämpfen müssen ?
Da kamen 30 jährige BWL-Hochschulabgänger mit ostdeutschen Hintergrund von der Arbeitslosigkeit in der eigenen Heimat bedroht, mit einem Jahresgehalt von 30000 Euro abgefunden und wollten uns nichtstudierten Instandsetzern aber mit 20 – 30 jähriger Erfahrung in der Lfz-Logistik erklären wie Logistik in der Lfz-Branche funktioniert. Wir haben einen Kampf gegen das eigene Ministerium geführt und ihn verloren.
Wo sind jetzt die ganzen Heilsversprecher aus den Beraterkreisen aus dem 10er Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, nachdem die eigene Logisitik wie von uns Soldaten vorhergesagt, absichtlich, planvoll und voll gesteuert gegen die Wand gefahren wurde und sich herausstellt, dass die Industrie weniger auf die Beine stellt, wie es wir intern geschafft haben ?
@Georg @ Fehlbesetzung
Nicht immer so viel Fakten, wen interessiert schon Empirie.
Logisch kann BWL-Studi es alles besser in Log&Inst als der Meister mit 30 Jahren Praxis. (SARC, muss nicht betont werden)
Die vielen Papiere sollte man stets mit der echten Politik abgleichen.
Der sog. Kampf gegen den IS zeigt eigentlich, dass Probleme deutlich tiefer sind als die Anzahl der OrgBer und die Organisation der Logistik.
Es wird mittlerweile quer durch die Parteienlandschaft jede genuin militärische Aufgabe ausgeblendet:
https://augengeradeaus.net/2020/10/bundestag-billigt-verlaengerung-des-anti-is-einsatzes-der-bundeswehr/
Die Diskussion wird nach der Wahl sicher nicht einfacher.
… und dann wollte ich noch sagen, nur um der verspäteten Erkenntnis unser Entscheider vorzubeugen, denn ich will mir nicht nachsagen lassen, dass man ja hinterher immer gut daherschwätzen kann.
Bitte mitschreiben und berücksichtigen.
„Hohle Strukturen (Kräfte) ohne (geeignetem) Material (Mittel) haben keinen hohen Gefechtswert (Auftrag).“
@ oremountains
Nein, ich war nicht als KpChef in der Oberpfalz, obwohl ich dort aufgewachsen bin
@ Woody
Zitat: „Aber wie sagt man so schön: Keine Hände, keine Kekse.“
Das glaube ich gerne, aber das wussten die Insider schon bei der Auflösung des WaSysKdo Lw, das diese Verlegung der Nutzungsabteilung von Köln-Wahn nach Koblenz in die Hose gehen würde. Lieber macht manch Lfz-Techniker im Stabsdienst irgendeinen anderen Job in Köln-Wahn, dem größten Lw-Standort, als das er nach Koblenz zum BAAINBw pendelt. Und wie @ grashüpfer ja schon erwähnte, hat sich die Lw einen Rest an Systemtechnikbetreuung (natürlich mit anderen Titel) im LwTrpKdo in Köln erhalten. Also die Personalprobleme in Koblenz waren vorhersehbar.
Des weiteren hat das damalige BwB bzw. dessen Präsident einen Streit mit dem BMVg ausgefochten. Das BMVg hat darauf bestanden, dass 1000 Beamtenstellen des BwB eingespart werden. Der Streit eskalierte bis zur versuchten Frühpensionierung des BwB-Präsidenten wegen Dienstunfähigkeit und die Umwandlung des Präsidentenposten in einen politschen Beamtendienstposten erfolgte, den Inhaber man zukünftig geräuschlos frühpensionieren könnte.
In der Konsequenz – das BMVg hat geerntet, was es vor 15 Jahren gesät hat !
Mal nen Denkanstoß am Rande:
Warum musste das LogABw in St.Augustin bereits 2012 so schnell nach der Strukturentscheidung 2011 aufgelöst werden ?
Antwort: Weil die Stammdienststelle der Bw in der neuen Form BAPersBw zwei Büro-Verwaltungsgebäude mit Hochhauscharakter in der Nähe von Köln benötigte. Da war die Liegenschaft in St. Augustin ideal. Die Mitarbeiter der ehemaligen Personalabteilungen in Köln mussten nur die S-Bahn zu ihrem Arbeitsplatz wechseln aber nicht ihren Wohnort.
Im Gegensatz zum Streitkräfteunterstützungskdo, das von Köln-Wahn nach Erfurt verlegt wurde. Ohne es genau zu wissen, vermute ich dass dieses Kdo einige Jahre Personalprobleme hatte nach der Verlegung.
Mehr Truppe und weniger Stäbe:
Immer gerne als Ziel formuliert. Mir fehlt seit gefühlt 30 ( Reform-) Jahren die Beantwortung der Frage:
Wo in der Bundeswehr müssen zwingend Kombattanten sitzen und wo kann ziviles Personal den gleichen Einsatzwert haben?
185.000 Soldaten als Boots on the ground könnten eine erhebliche Kampfkraft haben.
@Georg:
Ja diese Entscheidungen waren falsch und das war auch vorab für Fachleute erkennbar (hier auch mehrfach diskutiert). Nun ist aber die Lage wie sie ist und es stellt sich nicht die Frage wer damals Recht hatte, sondern was man nun macht.
Entweder wieder neue Zuständigkeiten, Strukturen, Prozesse, Schnittstellen und Standorte oder man schaut sich mal an wo es im heutigen System wirklich hakt.
Da gibt es aus meiner Sicht oftmals sehr oberflächliche Analysen wie im vorliegenden Papier.
Es ist nicht viel Zeit bis nach der nächsten Wahl erhebliche Einschnitte bei der Bundeswehr anstehen werden.
Die Trendwenden sind alle gescheitert.
Also wird die Bundeswehr wieder einer Schrumpfkur unterzogen werden.
Ob es im nächsten Anlauf wirklich besser wird bezweifle ich, hinter den Kulissen wird ja schon intensiv an neuen Kommandobehörden gewerkelt, um dann am Ende einige wenige Geschwader, Divisionen und Flotillen zu „führen“ oder eher zu verwalten.
Da Luftwaffe und Marine fast vollausgestattet sind, wird der größte „Konsolidierungsbeitrag“ von Heer, SKB, ZSan und CIR kommen müssen.
Aber wie bereits gesagt:
Wenn man eh nicht mehr weiß wofür man Streitkräfte (oder auch Sicherheitsbehörden insgesamt) überhaupt noch hat, dann stört das auch nicht weiter.
Ob wir so viel Generalität brauchen, kann ich nicht beurteilen. Als Ich 88 anfing, war ein Gruppenführer teilweise OG UA mbL, heute mindestens ein HptFw,
ZgFhr teilweise HptFw oder Lt, heute Hptm, Chef damals Hptm (als A11 habe ich Ende der 90er 200 Männer und Frauen geführt, heute mind. Maj oder OTL, der Kdt ist weiterhin A15, der Regimenter A16. Früher wurden Soldaten in den Truppenküchen eingesetzt, heute komplett zivil,
Die Truppe von damals (z.B. Sicherungsstaffeln) gibt es nicht mehr, viel wurde out-gesourcet, kein Soldat schiebt heute noch Wache , bewacht die Bekleidungskammer, etc. Sprich die Truppe ist wegen Attraktivität und Komplexität hoch gerückt. Logischerweise sollte dann die Führung auch nicht stehen bleiben.
Kann man also wirklich 1989 mit 2020 vergleichen ? Früher gab es 12 Divisionen, ca. 20 fliegende Geschwader, Jeder Verband war mehr oder weniger gleich strukturiert, heute ist fast jeder Verband eine Unikat-Verband etc?
Heute ist vieles komplexer, man hat kaum Zeit, Dinge sich entwickeln zu lassen.
Wo soll das Personal für die „Truppe“ herkommen ?
@Memoria
“ Nun ist aber die Lage wie sie ist und es stellt sich nicht die Frage wer damals Recht hatte, sondern was man nun macht.“
Um dies zu beantworten müßte man zunächst einmal wissen, WOFÜR, und zwar sehr konkret, es die Bundeswehr heute überhaupt noch gibt und diese Bundeswehr dann diesbezüglich sehr konkret und sehr konsequent daraufhin ausbilden und ausrüsten. Zur Zeit macht die Bundeswehr in meinen Augen Alles und Nichts, ständig wechselnd, ganz so wie es die aktuelle Tageslage der großen Politik gerade einfordert, mal dies, mal das, völlig beliebig und die Generalität schwenkt sofort im „Gleichschritt“ um, ganz so als würde sie nicht auch eine entscheidende Rolle in diesem Planungsprozess spielen, sondern sei nur reiner Befehlsempfänger des/der jeweiligen Ministers/Ministerin, auch wenn die/der Null Ahnung haben vom konkreten Geschäft. In meinen Augen ist die Bundeswehr inzwischen eine komplett orientierungslose Armee, 50 Milliarden Euro Steuergelder werden inzwischen verbrannt für diesen „Gemischtwarenladen“, für was und für welches konkrete Ziel weiß eigentlich Keiner so genau, es bleibt immer im Ungefähren.
Ehrliche Frage: Glaubt wirklich irgendjemand in diesem Forum die derzeitige Bundeswehr könnte in einem symetrischen Krieg mit einem Gegner wie z.B. Russland auch nur irgendeine Bedeutung spielen? U-Bootjagd oder das „Gefecht der verbundenen Waffen“ im „Home Office“ gelernt? Dann träumt mal schön weiter in Eurer militärischen Home-Officewelt und macht weiter Eure Corona-Kontaktverfolgungsaufgaben, Home-Office. Piratenbekämpfung, Mittelmeerflüchtlingskontrolle, „Uniform in der Öffentlichkeit-Präsenz“, usw. usw. Militärische Kernfähigkeiten erwerbt Ihr damit nicht. Für mich ist das derzeitige Erscheinungsbild der Bundeswehr schlicht und ergreifend ohne jegliche Orientierung und Plan. Deswegen ist auch jede Debatte über die geeignete Struktur nur eine sekundäre Deabtte. Denn die Struktur muss ja dem konkreten Auftrag folgen. Und der scheint ja der politischen Tageswahrnehmung zu folgen. Wer auch nur ansatzweise glaubt, dass diese Bundeswehr wirklich kämpfen kann, der lebt in meinen Augen nicht in der Realität, ich hoffe ich täusche mich.
@Pete
Selten habe ich Ihnen so bedingungslos zugestimmt. Und, Sie täuschen sich nicht!
@Pete:
Zustimmung.
Zu dem Problem der unzureichenden Ausrichtung hatte u.a. ich hier und anderswo (https://augengeradeaus.net/2020/10/bundestag-billigt-verlaengerung-des-anti-is-einsatzes-der-bundeswehr/) etwas gesagt.
Aber diese Themen werden gerne umschifft, auch von ehemaligen Politikern und Generalen wie in diesem Fall.
Teilweise wird das Kernproblem gar nicht mehr erkannt, da manche politische Entscheider militärische Handlungslogik schlichtweg nicht verstehen (siehe auch: Drohnendebatte und dortige Vorstellungen zu Rechtsrahmen und Deesklalation).
Die militärische Führung führt diese Debatte ebensowenig die Wissenschaft, Opposition oder die Presse.
Das wurde hier schon öfter diskutiert.
Ändern wird sich daran nichts, da sich die politischen und militärischen Eliten in der realitätsfernen Blase über deutsche Sicherheitspolitik nicht stören lassen müssen. Es ist so ja auch bequemer und es finden sich ja oft genug genügend Ausreden – ohne echten Widerspruch.
@Pete
Schonungslose, aber im Kern zutreffende Anaylse. Und zwecks Ergänzung sei noch erwähnt, dass dabei der unterstellte Bereich tapfer gemäß befohlener Drehzahl rotiert, obwohl er bereits mehrmals meldete, dass man sich im „roten Bereich“ befindet und daher Verschleiß erfährt. Trotzdem klopft man sich feste auf die Schulter und lässt die Parole „2030+“ ausgeben, weil da ja sicherlich alles total besser ist… oder anders… vielleicht.
@ Pete:
Zustimmung. Und das Schlimme dabei ist, daß zu diesem Zustand nicht geführt hat, daß etwas ganz furchtbar schiefgegangen wäre, sondern daß die Bw ganz genau so ist, wie man (d.h. die Politik und die sog. „Zivilgesellschaft“) sie haben wollte und die Generalität bis auf ganz wenige Ausnahmen diesen Vorgaben willig gefolgt ist. Mission accomplished.
@Pete: Da muss auch ich zustimmen. Geld allein macht nicht glücklich. Man muss auch wissen, wofür man es ausgibt, und was man damit am langen Ende eigentlich erreichen will…
Ein paar Jahrzehnte politisches „Wasch mich, aber mach‘ mich nicht nass!“ gehen an Streitkräften eben nicht spurlos vorbei.
@ Memoria
Zitat:
„@Georg:
Ja diese Entscheidungen waren falsch und das war auch vorab für Fachleute erkennbar (hier auch mehrfach diskutiert). Nun ist aber die Lage wie sie ist und es stellt sich nicht die Frage wer damals Recht hatte, sondern was man nun macht.
Entweder wieder neue Zuständigkeiten, Strukturen, Prozesse, Schnittstellen und Standorte oder man schaut sich mal an wo es im heutigen System wirklich hakt. Da gibt es aus meiner Sicht oftmals sehr oberflächliche Analysen wie im vorliegenden Papier. “
Das kann man auch anders sehen (nicht die Rechthaberei sondern die Schlussfolgerungen). Wenn man also erkannt hat, das Truppe ohne ebenengerechte, inherente Logistik nicht funktioniert, dann muss man dies zielgerichtet ändern. Wenn man erkannt hat, das Zentralisierung auch im Kommunikationszeitalter kontroproduktiv ist für schlagkräftige Einheiten, dannn muss man eben Zuständigkeiten wieder dezentralisieren. Und schon sind wir wieder bei resilenten, widerstandsfähigen und durchhaltigefähigen Streitkräften.
Ein Kommandeur muss alle Mittel, Kompetenzen und Personal in der eigenen Hand halten um notfalls autark seinen Auftrag erfüllen zu können.
Dann hat ein Kommodore wieder die Personalverantwortung und die Verfügungsgewalt über seine beamtete Fliegerhorstfeuerwehr und die Wehrtechnische Dienststelle in Emsland braucht keine Unterschrift vom Leiter Brandschutzzentrum der Bw in Sonthofen um dringend einen CH-53 Hubschrauber zur Brandbekämpfung anfordern und einsetzen zu können.
Hier sieht man doch ganz klar, dass die ganzen Pflichtbeförderungen nicht allzu sinnvoll sind.
Wer als SaZ zum BS wird, der weiß, dass er kurz danach Major wird und 5 Jahre später OTL. Danach ist das Laufbandziel eigentlich erreicht – man hat aber noch ein paar Jahre vor der Brust.
Und da bei der Bundeswehr alles nur nach „Schulterklappen“ entschieden wird und man leicht depressiv wird, wenn man nicht alle 5 Jahre befördert wird, halten sich die „Elefantenfriedhöfe“ auch weiterhin.
In der freien Wirtschaft wird auch nicht jeder Abteilungsleiter oder was auch immer, sondern bleibt teils sein Leben lang Sachbearbeiter. das kann man übrigens auch bei den ganzen zivilen Mitarbeitern innerhalb der Bundeswehr gut sehen.
Aber da jedes System es schafft, sich so viel Arbeit zu schaffen, wie es braucht, um alle Systemteilnehmer mit „Tätigkeit“ zu versorgen, stellt niemand die Frage, OB eine Tätigkeit sinnvoll ist, sondern nur, wie EFFIZIENT sie erledigt werden kann.
Ferner kommt hinzu, dass (gefühlt) jede zweite Stelle ab Major aufwärts eine „politische“ Stelle ist – man quasi im Sinne der Stromlinienfähigkeit mit dem gesamten Überbau mitzuschwimmen hat -, denn seine Aufgabe im Sinne der Bürger und Kameraden zu erfüllen.
Wie sonst kann es sein, dass die Aussagen in den Berichten und die Aussagen „hinter vorgehaltener Hand“ oft derart divergieren und in den diversen U-Ausschüssen entweder allgemeines Kopfschütteln herrscht (Berichte „niederer Chargen“) und gleichzeitig eine Vergesslichkeit und Erinnerungslücken auftauchen, die jedem Heim für Demente Mitmenschen zur Ehre gereichen würde (hier vorallem die Satbsdiener und Ministerialen):
Wenn man nicht langsam dazu übergeht, die Aufgabe über den Soldaten zu stellen, dann wird das auch nicht besser.
Ich befürworte daher die ganzen Anstrengungen, die Bundeswehr wieder in eine art Heeresstruktur 4 – light umzustrukturieren, auch wenn ich denke, dass viel Know-How (gerade quer durch alle Instandsetzungseinheiten) verloren gegangen ist.
@Georg:
Stimme ihnen voll zu was den Wildwuchs der OrgBer bei fliegenden angeht.
Ich bin lediglich skeptisch wie eine Rückübertragung der Materialverantwortung an die OrgBer ohne ausreichendes Fachpersonal – dazu wohl an einem neuen Standort funktionieren soll. Solche Umstrukturierungen sind in vielen Großorganisationen üblich, übersehen aber oftmals die Fakten an der Basis.
Notwendig ist vorallem – wie im SWP-Papier vorgeschlagen – ein energisches Zurückschneiden des OrgBer-Wildwuches.
Notwendig wären als milOrgBer nur Land, See, Luft/Weltraum, SpezKr und eventuell Cyber (jedoch ohne IT und EloKa).
Das erfordert echte politische Führung.
@Memoria sagt: 02.11.2020 um 20:12 Uhr
„Das erfordert echte politische Führung.“
Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. da muss man schon weit zurückblicken, bis man diese findet. 1+