Unabhängig von Abzugsplänen: Bundeswehr plant neue Instandsetzungshalle in Afghanistan (Nachtrag: BMVg)
Die USA – und damit auch die NATO-geführte Resolute Support Mission – in Afghanistan bereiten sich auf einen Truppenabzug im kommenden Jahr vor, die Baumaßnahmen der Bundeswehr am Hindukusch gehen aber wie geplant weiter: Bis zum Jahresende soll eine neue Instandsetzungshalle für Luftfahrzeuge im Camp Marmal in Mazar-e Sharif errichtet werden.
Eine entsprechende Ausschreibung des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), die bereits Ende Mai veröffentlicht wurde*, sieht Angebote für die neue Halle bis zum 29. Juni vor. Das Gebäude in Nähe des Flugfelds am Camp Marmal (s. Plan oben) soll bis zum 26. Dezember betriebsbereit sein:
Die Bundeswehr beabsichtigt in Mazar-e-Sharif (MES) Infrastruktur für einen LFZ- Instandsetzungsbereich errichten zu lassen. Die hierfür geplante Baumaßnahme beinhaltet die Herstellung, Lieferung und Aufbau einer Instandsetzungshalle einschließlich der erforderlichen technischen Ausstattung.
Die Leistung ist im Camp Marmal in MES, Afghanistan zu erbringen. (…)
Die Baumaßnahme beinhaltet im Wesentlichen folgende Leistungen:
• Herstellen, Lieferung und Aufbau einer Instandsetzungshalle
• Lieferung und Inbetriebnahme der Heizcontainer und Klimaanlage
• Lieferung und Herstellung der Elektroinstallation
• Liefern und Herstellen aller erforderlichen Medienanschlüsse für die Instandsetzungshalle
Nach der zwischen den USA und den Taliban Ende Februar geschlossenen Vereinbarung sollen die internationalen Truppen in Afghanistan bis zum Juli dieses Jahres reduziert werden, im kommenden Jahr steht dann der Komplettabzug aus dem Land an:
A. The United States, its allies, and the Coalition will take the following measures in the first one hundred thirty-five (135) days:
1) They will reduce the number of U.S. forces in Afghanistan to eight thousand six hundred (8,600) and proportionally bring reduction in the number of its allies andCoalition forces.
(…)
1) The United States, its allies, and the Coalition will complete withdrawal of all remaining forces from Afghanistan within the remaining nine and a half (9.5)months.
2) The United States, its allies, and the Coalition will withdraw all their forces from remaining bases.
Sollte das Abkommen so umgesetzt werden, könnte die neue Halle ein knappes halbes Jahr (KORREKTUR) genutzt werden.
Nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr werden derzeit alle geplanten Projekte im Afghanistan-Einsatz weiter fortgeführt, wenn deren Abbruch den Auftrag gefährden könnte. Derzeit ist geplant, ab Herbst die bislang genutzten CH53-Hubschrauber der Luftwaffe durch NH90-Helikopter des Heeres in dieser Mission zu ersetzen. Darüber hinaus laufen Planungen, im kommenden Jahr die neu beschafften Heron TP-Drohnen – unabhängig von der Frage, ob mit oder ohne Bewaffnung – am Hindukusch zu nutzen.
Nachtrag: Dazu gehört allerdings auch, das aus Sicht des US-Militärs die Abzugspläne noch nicht feststehen, wie AP berichtet:
The Taliban have not yet met conditions required for a complete U.S. troop withdrawal from Afghanistan by next May as envisioned in a U.S.-Taliban deal signed in February, the commander overseeing U.S. forces there said Wednesday. (…)
McKenzie stressed, however, that going to zero troops by May is dependent on conditions.
“Those conditions would be: Can we be assured that attacks against us will not be generated there? And as of right now … frankly, if asked my opinion, those conditions have not been fully met,” he said in a video conference hosted by the Middle East Institute in Washington.
Nachtrag 12. Juni: Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte, der Bau der Halle sei zwar geplant. Die Entscheidung, ob der Bau auch tatsächlich realisiert werde, sei aber noch nicht gefallen.
(Ich bin kein Vergaberechtler und kann nicht beurteilen, ob eine öffentliche Ausschreibung nicht auch zugleich die Willensbekundung ist, das Vorhaben auch umzusetzen.)
*Die Webseite mit den Ausschreibungen ist zeitweise – planmäßig – wegen Wartungsarbeiten nicht erreichbar; deshalb die Kopie der Ausschreibung und der dazu gehörigen Leistungsbeschreibung hier:
20200527_Ausschreibung_InstHalle_MeS
KI009_17_Anlage 2_Leistungsverzeichnis
(Grafik: Lageplan des Flugvorfeldes und der geplanten neuen Instandsetzungshalle im Camp Marmal aus der Ausschreibung des BAIUDBw)
Der Klassiker ist wieder da: erst viel und teuer bauen, dann Kaserne schliessen. Funktioniert auch in Mazar 😃
Garantiert 👍
Wenn es eine Behelfshalle wäre, die man einfach wieder abbauen kann, dann könnte das fast schon Sinn machen.
Ansonsten fällt das unter die Rubrik „Neues aus Schilda“ und zeigt nur, wie unflexibel die Bw-Ämter sind und wie langsam die dazugehörigen Entscheidungsprozesse auch an anderen Stellen ablaufen.
Der Vertrag ist doch da, die Abzugsentscheidung steht. Jetzt sollte man die USA auch einfach mal beim Wort nehmen und nächstes Jahr komplett abziehen, egal was passiert. Und sollten die USA dann doch länger bleiben wollen, dann gehört es zu ihrer Lernkurve dazu, festzustellen, das andere Nationen anders reagieren. Rumeiern ist nicht angesagt, weil das viel zu viel Geld kostet.
Die Bundeswehr bleibt sich auch im Ausland treu.Erst sanieren oder neu bauen und dann abziehen.
Das BAIUD und das BAAIN sind wirkliche Fehlinstitutionen.Sorry, ich weiss, kein konstruktiver Kommentar, aber darüber bin ich schon weg.
Nun, die Flugzeug Wartungshalle würde ja an die afghanische Armee oder Air Force übergehen. DEU macht gern solche Geschenke als Wiederaufbauhilfe an einen Staat, von dem man abzieht, denn Infrastruktur können wir (siehe ehemalige Kolonien in Deutsch-Ostafrika, heute Tansania, Eisenbahnstrecken).
Haben wir ja nach dem Abzug der Amerikaner und Aufbau der Luftwaffe Ende der 50er Jahre auch so erfahren !
Ich verstehe die Kritik am BAIUDBw nicht. Die führen doch nur einen Auftrag aus. Die Verantwortung trägt das BMVg, wenn dieses nicht will, dass die Halle gebaut wird, dann soll das Ministerium den „Bedarf“ zurücknehmen.
Die untergeordneten Ämter treffen keine Entscheidungen sondern führen diese nur aus!
Der Abzug ist noch nicht in Sack und Tüten. ISAF Redeployment wurde 2014 auch auf Rest „0“ geplant und dann kam doch noch RS. Von daher sind für MES noch nicht alle Messen gelesen. Und außerdem würden sich sowohl ein AAF Wing als auch eine SMW Sqn ins MES über diese Infra freuen. Ich denke mal hier ist Aufregung fehl Platz.
@Georg sagt: 11.06.2020 um 11:34 Uhr
„Nun, die Flugzeug Wartungshalle würde ja an die afghanische Armee oder Air Force übergehen. DEU macht gern solche Geschenke als Wiederaufbauhilfe an einen Staat, von dem man abzieht, denn Infrastruktur können wir (siehe ehemalige Kolonien in Deutsch-Ostafrika, heute Tansania, Eisenbahnstrecken).“
Ist die Bw für Aufbauhilfe zuständig? Hat man in AFG nicht schon genug getan? Ihr Vergleich mit ehemaligen Kolonien hinkt gewaltig, es sei denn, Sie betrachten AFG als Kolonie. Und da hat beim Bau der Eisenbahn niemand an das Land gedacht, da ging es rein um Güter- und Militärtransport.
@MBO sagt: 11.06.2020 um 12:03 Uhr
„Und außerdem würden sich sowohl ein AAF Wing als auch eine SMW Sqn ins MES über diese Infra freuen.“
Das ganz bestimmt. Und auch hier die Frage, ist die Bw dafür da, andere zu erfreuen? Da sind wir wieder beim bewaffneten THW, das am besten dem Entwicklungshilfeministerium untersteht. So etwas ist reine Geldverschwendung, die voraussichtliche Nutzung von 2-3 Monaten lächerlich kurz. Budgetverantwortung sieht anders aus.
Ich versteh nicht dass hier Lagepläne von Bw Infrastruktur aus dem Einsatz veröffentlicht wird. Gefährdet nur unsere deutschen Soldaten und die Allianz auch. Unverantwortlich finde ich. Bericht hätte ohne diese Grafik deie gleiche Gewichtung….
[Das BAIUDBw stellt den Lageplan als Anhang zur Ausschreibung offen ins Internet, und ich bin „unverantwortlich?“ Gehen Sie zu der Dienststelle im Geschäftsbereich des BMVg, die das veröffentlicht hat, und verzichten Sie hier auf unsinnige Anschuldigungen. T.W.]
Ich stelle mir die Frage, weshalb es angesichts des absehbaren Abzugs keine erneute, große Materialrückführung zu geben scheint (Stichwort ISAF – Trabzon).
Zumindest wird darüber nicht ansatzweise berichtet, wie das 2014/15 der Fall war, als sich die SKB (berechtigterweise) groß in Szene gesetzt hat.
Passiert in MES und KDZ überhaupt was, oder sitzt man in Punkto Abzug wie das Kaninchen vor der Schlange?
@ Nico W.
Ich bin da der selben Meinung und finde es Unverantwortlich. Mit Lageplänen sollte sensibel umgegangen werden und nicht im WWW gepostet werden.
Den Schuh sollte sich tatsächlich das BAIUDBw anziehen.
@ Herrn W. – Sie sollten sich nicht persönlich angegriffen fühlen, aber evtl. vor der Veröffentlichung von solchen Dateien überlegen, wer auch Interesse an solchen Plänen haben könnte. Der Beitrag wäre tatsächlich auch ohne das Bild mehr als Aussagekräftig gewesen.
Und in unser aller Interesse sollte immer die Sicherheit unserer Soldaten im Einsatz stehen.
Es ist zwar kein inhaltliches Problem und ein wenig OT – aber die Frage des oben gezeigten Lageplanes beschäftigt einige . Nicht nur hier in den Kommentaren; ich habe auch E-Mails dazu bekommen.
Natürlich war und bin ich mir dieses Problems bewusst. Aber: Vor Veröffentlichung dieses Eintrags habe ich, gute journalistische Praxis, sowohl das BAIUDBw als auch das Einsatzführungskommando um eine Stellungnahme zu den Bauabsichten gebeten und dabei ausdrücklich auf die öffentlich zugänglichen Lagepläne hingewiesen.
Nach einer Woche (!) erhielt ich die Stellungnahme des Einsatzführungskommandos, die ich oben zitiert habe. Zu den Lageplänen gab es keinerlei Aussage; auch an der Veröffentlichung mehrerer Pläne im Internet wurde nichts geändert.
Mit anderen Worten: Die Bundeswehr ist auch nach entsprechendem Hinweis der Meinung, dass die Veröffentlichung dieser Pläne keine Gefährdung darstellt. Und angesichts dieser Haltung der zuständigen Experten kann ich dann nicht nachvollziehen, warum die Veröffentlichung hier, zusätzlich zu den bestehenden Veröffentlichungen in der Ausschreibung, eine Gefahr darstellt – sonst wird doch gerne drauf verwiesen, dass ein Zivilist die Gefährdung gar nicht beurteilen könne und die zuständigen Bw-Stellen da mit ihrer Einschätzung entscheidend seien?
MKn ist es spez. für die US Streitkräfte normal Verbündete mit Material etc. zu unterstützen und btw dürfte das THW eigentlich nach Völkerrecht militärische Bauten errichten?
@ThoDan sagt: 12.06.2020 um 10:23 Uhr
„MKn ist es spez. für die US Streitkräfte normal Verbündete mit Material etc. zu unterstützen und btw dürfte das THW eigentlich nach Völkerrecht militärische Bauten errichten?“
Natürlich.
Aber warum sollte es das tun? Dafür ist es nicht da.
Welche Informationen auf dem Plan sollen denn nicht schon längst aufgeklärt sein, spätestens wenn unter Beteiligung von Ortskräften dort was umgebaut wird? Das sind öffentliche Informationen, die jeder in Erfahrung bringen kann.
Im Moment sieht es nicht so aus als wenn wir und die USA von heute auf morgen knall auf Fall
Im Camp marmal rausgeben. Und selbst wenn , wäre nicht das erste mal Geld sinnlos zu vernichten.
Aber den Schuh kann sich Berlin anziehen , die Entscheidung liegt in der politischen Situation.
Die Aufregung über den veröffentlichten Lageplan halt ich für sehr lächerlich, insbesondere da unter anderem auf Google Maps hochaufgelöste Luftbilder aus dem Jahr 2020 zu sehen sind.
„Nach der zwischen den USA und den Taliban Ende Februar geschlossenen Vereinbarung sollen die internationalen Truppen in Afghanistan bis zum Juli dieses Jahres reduziert werden, im kommenden Jahr steht dann der Komplettabzug aus dem Land an: …“
@starsandstripes
„The United States has reduced its troop presence in Afghanistan to 8,600, fulfilling its obligation as part of a February deal with the Taliban, the general who oversees American forces in that region said Thursday“.
https://t.co/ksYaLDYlpr?amp=1
Die USA entsprechen den eingegangenen Verpflichtungen im Kontext der Talibanunterhandlungen (Vereinbarungen). Trotz aller wortreichungen Erklärungen zu der Notwendigkeit der Baumaßnahmen vor dem Hintergrund des beginnenden Truppenabzugs, der Spagat zwischen Investition einerseits und begonnener Räumung des Feldes andererseits , was doch mehr der politischen Niederlage gleichkommt, erschließt sich mir nicht.
Vielleicht kann das BMVg froh sein, dass andere Themen die Schlagzeilen beanspruchen als Investition in eine Taliban geführte Zukunft.