Die Bundeswehr und das Corona-Paket: Etwas mehr Klarheit – aber noch nicht bei Rüstungsprojekten
Das Konjunktur- und Zukunftspaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie, auf das sich die Koalition aus Union und SPD am vergangenen Mittwochabend verständigt hat, berücksichtigt auch die Bundeswehr – aber was genau soll es für die Streitkräfte bringen? Das vorgesehene 130-Milliarden-Programm ist ja in erster Linie ein Paket zur Förderung der deutschen Wirtschaft. Augen geradeaus! hat mal nachgefragt.
In zwei der 57 Punkte werden ausdrücklich Rüstungsprojekte oder Bundeswehr genannt. Zunächst in Punkt 10:
10. Der Bund wird in allen Bereichen prüfen, inwieweit geplante Aufträge und Investitionen jetzt vorgezogen werden können. Insbesondere sollen Digitalisierungsvorhaben in der Verwaltung, Sicherheitsprojekte sowie neue Rüstungsprojekte mit hohem deutschen Wertschöpfungsanteil, die noch in den Jahren 2020 und 2021 beginnen können, sofort umgesetzt werden. (Projektvolumen: 10 Mrd. Euro)
Klar ist dabei: Das bedeutet keineswegs, dass damit zehn Milliarden Euro zusätzlich allein für Rüstungsprojekte der Streitkräfte zur Verfügung stehen – Verwaltung und andere Sicherheitsprojekte (was auch immer das bedeutet) werden daraus ebenso bedient. Die Antwort des Verteidigungsministeriums bleibt – notwendigerweise? – noch ein bisschen unscharf:
Im Fokus stehen hierbei schnell umsetzbare, aber auch vorziehbare bereits geplante Maßnahmen.
Unser Augenmerk richtet sich auf die Dinge, die für unsere Soldatinnen und Soldaten einen Mehrwert bringen und die Bundeswehr für die Zukunft stärken.
Die Bundeswehr wird die Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten digitaler, umweltfreundlicher und smarter gestalten. Gleichzeitig unterstützen wir die Industrie in Deutschland und sichern Wertschöpfung und Arbeitsplätze in unserem Land.
Ich kann Ihnen dazu aktuell folgende Beispiele geben:
Wir wollen ein Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung aufbauen. Dabei geht es darum, die Idee einer besseren Vernetzung der Universitäten der Bundeswehr und externen Einrichtungen von Industrie, Forschung und Behörden auszuweiten und die digitale Souveränität zu stärken.
Darüber hinaus ist es unsere Absicht die Digitalisierung (u.a. bei Bildungseinrichtungen der Bundeswehr aber auch für Homeoffice und Konferenztechnik) zu beschleunigen. Zunächst geht es dann im Kern um Beschaffung von IT-Material (Hardware, Software) mit dem Ziel der Vollausstattung. Wir wollen so auch den Digitalisierungsschub durch die Corona-Krise weiter nutzen.
Wir verbessern und modernisieren unsere Infrastruktur (etwa durch energieeffizientere Gebäude).
Weiter möchten wir unsere Transportflotte (u.a. LKW) durch moderne, leistungsfähige und umweltfreundliche Fahrzeuge erneuern. Dies ist durch Abruf der Leistung aus bereits bestehenden Rahmenverträgen schnell möglich. Damit tragen wir nicht nur zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei, sondern geben unseren Soldatinnen und Soldaten auch deutlich modernere Technik an die Hand, die sich gleichzeitig positiv auf die Einsatzbereitschaft auswirken wird.
Auch Beschaffungen im Bereich der Sanität wollen wir angehen (Bevorratung, mobile Behandlungsmöglichkeiten).
Im Kontext von Ausrüstungsprojekten sind wir in der Klärung, welche Vorhaben schnell einleitbar sind. Da bitte ich um Ihr Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete Aussage tätigen können. Klar ist, dass die Projekte die bestmögliche Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten zum Ziel haben und gleichzeitig mit einem hohen deutschen Wertschöpfungsanteil heimische Industrie und Arbeitsplätze unterstützen werden.
Das klingt eher nach Aufstockung vorhandener Ausstattung im IT-Bereich und in anderen Schwerpunkten, derzeit aber weniger nach dem klassischen weiteren Panzer, Schiff oder Hubschrauber. Klar scheint, dass es nicht um Projekte gehen kann, die noch in der Planungsphase sind – vorstellbar ist da offensichtlich eher, dass aus bereits laufenden Verträgen Nachbestellungen folgen oder Optionen auf zusätzliches Material aus Rahmenverträgen gezogen werden, siehe das Beispiel der neuen Lastwagen . Vielleicht auch, dass bereits eingeleitete Beschaffungen, die kurz bevorstehen, ebenfalls beschleunigt und/oder aufgestockt werden, zum Beispiel digitale Funkgeräte.
Konkreter wird das Ministerium beim zweiten Punkt im Corona-Paket, dem Punkt Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr:
49. Die Fähigkeit zu souveränem Handeln im Cyber- und Informationsraum ist untrennbar mit digitaler Souveränität verbunden. Daher wollen wir ein Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr aufbauen, um die nationale Verfügbarkeit digitaler und technologischer Innovationen für öffentliche und private Bereiche zu verbessern und innovative und interdisziplinäre Forschung in einem sicheren Umfeld zu betreiben. (Finanzbedarf: 0,5 Mrd. Euro)
Das ist ein Projekt, dass schon in der Pipeline schien, wenn ich die Erläuterung des Ministeriums dazu lese:
Das „Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr“ wird eine vom Geschäftsbereich BMVg getragene Einrichtung der beiden Universitäten der Bundeswehr (UniBw). Es zielt darauf ab, die universitäre Forschung der beiden UniBw in den Bereichen Digitalisierung, nationaler Schlüssel- und weiterer Zukunftstechnologien stärker zu verknüpfen, strategisch auf Innovationsbereiche auszurichten und neue Forschungskooperationen der Bundeswehr mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu erproben. Es hat die Absicht, innovative und interdisziplinäre, universitäre Spitzenforschung zu betreiben sowie exzellente Nachwuchsforscherinnen und –forscher für Bundeswehr, Wissenschaft und Wirtschaft zu gewinnen.
Die UniBw sind aufgrund ihrer anerkannten Forschung und Lehre sowie ihrer internationalen Wissenschaftskooperation, insbesondere im europäischen Rahmen, ideale Partner. Zudem bieten sie sich mit ihren militärischen und zivilen Studierenden aus Deutschland und der EU für Forschung in sicherheitsrelevanten Themenfeldern explizit an.
Am „Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr“ sollen daher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UniBw und weiteren forschungsstarken Universitäten gemeinsam mit ausgewählten Unternehmen und Forschungsorganisationen im gesamten Spektrum digitaler und technologischer Innovationen zusammenarbeiten.
Das Zentrum soll als Motor für die universitäre Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr fungieren und zugleich Wegbereiter für die Erhöhung der nationalen Verfügbarkeit digitaler und technologischer Innovationen für öffentliche und private Bereiche sein.
Für den notwendigen Technologietransfer soll das „Zentrum für Ditalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr“ zudem von Beginn an einen Gründungsinkubator etablieren. Ziel dieses Inkubators ist es, Gründerinnen und Gründern ein lebendiges, von innen und außen wahrnehmbares und aktivierendes Umfeld zu bieten, das die Überführung von Forschungsergebnissen und Geschäftsideen in innovative Gründungsvorhaben in Kooperation mit Wirtschaft und Industrie fördert.
Exemplarische Forschungsfelder sollen in allen Bereichen der Digitalisierung und Technologie liegen, insbesondere im kompletten Spektrum der sicherheits- und verteidigungsrelevanten Schlüsseltechnologien der Bundesregierung.
Aber auch Bereiche wie z.B. »Digitale Infrastrukturen, »Robotik«, »3D-Druck«, »Maschinelles Lernen«. »Mensch-Maschine-Interaktionen«, »sichere Identitäten«, »Quantenkommunikation«, »sichere Soft- und Hardware-Entwicklung, »digitale Gesellschaft«, »digitale Bildung«, »digitale Verwaltung«, etc. abdecken.
Damit ergänzt das „Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr“ mit seiner mittelfristig ausgelegten universitären Forschung die Cyberagentur, welche sich auf die langfristige Forschungsförderung im Bereich der Cybersicherheit konzentriert, und den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, der auf kurzfristig verfügbare Technologien und Innovationen insbesondere im Umfeld des „Start Up Ökosystems“ abhebt.
Also sozusagen eine dritte Forschung für Cyber in den Streitkräften-Ebene, unterhalb der Grundlagenforschung. Und besser dotiert als die vor zwei Jahren angekündigte gemeinsame Cyberagentur von Verteidigungs- und Innenministerium: Dafür stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung, für das neue Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr stehen 500 Millionen Euro im Paket.
Endgültig klar wird das vermutlich erst, wenn die ganzen Vereinbarungen über die 130 Milliarden in einem Nachtragshaushalt stehen. Bis dahin muss dann allerdings auch geklärt werden, wie die zusätzlichen Gelder entsprechend der grundsätzlichen Überlegung tatsächlich für eine hohe Wertschöpfung im Inland ausgegeben werden. Und da es möglichst schnell den Unternehmen zugute kommen soll, dürften über Jahre laufende, ohnehin vorgesehene Projekte wie neue Kriegsschiffe erstmal nicht dazu gehören.
(Archivbild: Die im vergangenen Jahr beschafften neuen Ungeschützten Transportfahrzeuge der Bundeswehr – Claudio Römer)
Dann ist aber das Gesamte „Corona Paket“irreführend.
Denn es ist hier von Investitionen die Rede, auf Kosten einer Neuverschuldung.
Ein Nachtragshaushalt ist nötig.
Sollten aber davon über 10 mrd Euro an Rüstung eh schon vorher eingeplant gewesen sein, dann würde es ja quasi später wieder eingespart werden.
Erstmal nett das Foto. Lkw gl kann man immer gebrauchen. Ich hoffe die Ersatzteile und die MSA werden gleich mitgekauft. Und es giebt aus einem anderen Paket einige hundert für das THW. Die können dass auch gebrauchen. Und gleich mit Ladekran.
Es gibt sehr wohl eine Vielzahl von Rüstungsprojekten, dessen Beschaffung auf Basis von Rahmenverträgen realisiert wird und bei denen wesentliche Anteile der Produktion und Wertschöpfung in Deutschland stattfinden. Meist keine Großprojekte im mittleren Milliardenbereich wie das MKS180, die Finanzierung sollte daher gesichert sein, warum also net geplante Lose vorziehen?
Als Beispiele
– diverse Lose im Rahmen Mobile Taktische Kommunikation
– schnellere Beschaffung Nachtsicht-, Bildverstärkerbrillen
– beschleunigte Beschaffung persönlicher Ausrüstung (Lose für Kampf-, Feldbekleidungssätze, MOBAST, Schutzwesten, Rucksäcke, Gefechtshelme)
– letztes Los ungeschützte Transportfahrzeuge
– LKW Wechselladersysteme (gerade durch den Haushaltsausschuss)
– Sattelzugmaschinen Elefant 2
– weitere Lose MELLS, Wirkmittel 1800+, DM121 und DM11
Die Liste ließe sich fortsetzen.
All diese Projekte haben den bürokratischen Beschaffungsprozess (Ausschreibungen, Vertragsausgestaltung, Vertragsschluss) durchlaufen. Lediglich die weiteren Lose müssten in den Haushaltsausschuss, sollte nach der neuen Beschlusslage jedoch kein Problem sein. Somit wären auch eine Vielzahl von hochqualifizierten und gut bezahlten Jobs gesichert. An letzterem Punkt sollte auch der Finanzminister großes Interesse haben
Viele Verbände wären sicher froh wenn sie all das Material hätten, was ihnen gemäß SollOrg zusteht.
Das fängt bei vermeintlich einfachen Dingen wie analoger Funktechnik an, geht über ein simples Drucker-Netzwerkscanner/Kopiergerät und hört bei Großgerät sowie Infrastruktur(Gebäude) auf. Vieles wie bei dem fehlenden Scanner und FM Gerät lässt sich sicher irgendwie kompensieren durch leihen und ausdrucken oder faxen. Aber langfristig weder zeitgemäß, noch attraktiv und im Alltag teils mit hohen Aufwand verbunden um Aufträge erfüllen zu können. Es gibt in den Kasernen genug Baustellen zum anpacken, man müsste die Soldaten, die sich mit dem was vor Ort da ist rumschlagen und in dem Gebäude in dem sie dienen, nur mal fragen.
Wäre das nicht vielleicht auch ein guter Zeitpunkt für ein 2. Los vom Puma?
Da wird ja eh schon gefühlt ewig drüber geredet und der Bedarf wäre ja wohl auch da.
Politisch unverfänglich wäre sicher auch die Beschaffung von Stiefeln und Kälteschutzmasken. Vielleicht direkt noch die Schuhcreme dazu – haben ist besser als brauchen. Weiter hat der Sanitätsdienst ja auch einige Beatmungsgeräte abgegeben. Da gibt es im Moment sicher auch ein paar Schnäppchen, da ja zum Glück nicht so viele gebraucht wurden wie befürchtet.
Na da gibt es ja wirklich genug. Wie wäre es denn mal damit direkt die Mercedes G Produktion mit Greenlinern auszulasten?
Dann würde endlich mal der Krieg um diese wichtige Ressource enden und man würde nicht im Gefechtsdienst mit seinen Widdern da stehen nur um nachher wieder den ärger mit jedem Kratzer zu haben der im Wald nun mal entsteht.
Eine Bemerkung: Die 10 Mrd. Projektvolumen gelten für den Bund insgesamt, nicht die Bundeswehr alleine.
@Der junge neue
Na prima, ein zweites Los eines Schützenpanzers, dessen im ersten Los gebaute Exemplare sich durch eine große Zahl von Mängeln auszeichnen und die weiterer Milliarden bedürfen, um die Einsatzreife zu erlangen, würde im Rahmen des Konjunkturpakets zusätzlich bereitgestelltes Geld zur Gänze absorbieren. Dann wäre es Aus mit den im Artikel erwähnten Projekten und LKW müsste sich die Bw auf dem Gebrauchtmarkt in Rumänien oder so besorgen.
@Peter Eberl
Wahnsinnig logisch, klingt gar nicht nach Stammtischparole.
Laufende Produktverbesserung, Nachrüstung, KWS existieren nicht?
Golf I – Schwächen konnten auch nie abgestellt werden. Schon klar. Leo 1A1 war als 1A5 auch um keinen Deut besser?
Mit der Denke gehen wir besser nie an RüProj, stets hat ein erstes Los Fehler!
Logik: PUMA schreddern, neu Entwicklung, in 15 Jahren auf dem Hof mit Mängeln im 1. Los, macht so richtig Sinn?
@Peter Eberl sagt: 07.06.2020 um 0:18 Uhr
„Na prima, ein zweites Los eines Schützenpanzers, dessen im ersten Los gebaute Exemplare sich durch eine große Zahl von Mängeln auszeichnen und die weiterer Milliarden bedürfen, um die Einsatzreife zu erlangen“
Aber der Bedarf ist nun mal da und das Geld für die Einsatzreife muss so oder so gezahlt werden.
Aber wenn ich es richtig verstehe, dann fällt eine solche zusätzliche Beschaffung aufgrund der notwendigen Zeitläufe doch so oder so nicht unter das Konjunkturpaket.
Von daher ist das doch ein rein theoretischer Streit, oder?!
Ich schließe mich Labacco hier an. Bevor wir von neuen Puma-Losen oder Reservelazaretten träumen: Es gibt viele Dinge, die genau in die Vorgaben passen und einen deutlichen Benefit bringen – allein die querschnittliche Ausstattung mit moderner Feldbekleidung, die aktuell nur in homörpathischen Dosen verfügbar ist. Und für die berüchtigten 25.000.000 Euro kriegt man bestimmt eine Menge neuer Feldanzüge, die auch in Deutschland produziert werden.