Zehn Jahre nach dem Karfreitagsgefecht: Wie es Bundeswehr und gesellschaftlichen Blick veränderte
Das so genannte Karfreitagsgefecht, bei dem am 2. April 2010 drei deutsche Soldaten in Afghanistan starben, hat die Bundeswehr verändert – aber in Teilen auch den Blick der deutschen Gesellschaft auf die Streitkräfte. Ein Blick darauf zehn Jahre danach.
Als die Deutschen merkten, dass sie in Afghanistan im Krieg sind, war der Karfreitag des Jahres 2010. Seit 2003 waren bei Anschlägen auf die internationalen Truppen am Hindukusch immer wieder deutsche Soldaten gefallen. Doch erst an jenem 2. April verloren drei von ihnen ihr Leben nicht durch einen Selbstmordattentäter oder eine ferngezündete Sprengfalle: Deutsche Soldaten fielen in einem Gefecht mit Aufständischen.
Das als „Karfreitagsgefecht“ bekannt gewordene Geschehen vor zehn Jahren änderte den Blick auf den Einsatz – beschleunigte aber auch eine Veränderung dieser internationalen Mission, von einem faktischen Kampfeinsatz zu einer Trainingsmission, die dann aber wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand. Dass noch immer fast 1.300 deutsche Soldaten in Afghanistan sind und die Bundeswehr-Beteiligung an der NATO-geführten Mission „Resolute Support“ gerade erst um ein Jahr verlängert wurde, stößt auf immer weniger öffentliches Interesse. Und eine von den USA und den Taliban Im Februar ausgehandelte Vereinbarung, die nach fast 20 Jahren Krieg des Westens am Hindukusch einen Abzug der internationalen Truppen bringen soll, interessiert hierzulande weniger unter dem Aspekt, ob Afghanistan Frieden bekommt: Es geht darum, das Kapitel auch für Deutschland zu beenden.
Als die Fallschirmjäger aus Seedorf am 2. April 2010 in die Ortschaft Char Darrah bei Kundus im Norden Afghanistans rollen, weiß keiner von ihnen, das die nächsten Stunden das deutsche Bild des fernen Krieges prägen werden. Ein Zug der 1. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 373 geriet in einen Hinterhalt und führte ein stundenlanges Feuergefecht. Am Ende waren Hauptfeldwebel Nils Bruns, Stabsgefreiter Robert Hartert und Hauptgefreiter Martin Kadir Augustyniak gefallen, weitere acht Soldaten wurden teils schwer verwundet.
Das Gefecht forderte nicht nur einen hohen Blutzoll (auch wenn bei späteren Anschlägen mehr Soldaten gleichzeitig fielen), sondern hatte, für jede Seite anders, einen symbolischen Wert. Für die deutsche Bevölkerung, die erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg von gefallenen Deutschen in einem Gefecht las, nicht bei einem Anschlag eines gesichtslosen Gegners. Für die Taliban, die die gesprengte und ausgebrannte Karkasse eines Dingo-Transportfahrzeugs als Trophäe vor den Augen internationaler Medien feierten. Vor allem aber für die Kameraden der Gefallenen, die noch in gleichem Jahr eben dieses Dingo-Wrack wieder in ihren Besitz brachten und stolz präsentierten: Mit einem Transparent, das die Namen der Gefallenen trug. Und den Wahlspruch „Treue um Treue“.
Was vor zehn Jahren in Char Darrah passierte, bekam damit Symbolkraft über das Geschehen an jenem Freitag hinaus – und wurde damit zu einem zweischneidigen Ereignis für die Bundeswehr. Auf der einen Seite war es für die Truppe ein Moment, der stärker als jeder Selbstmordanschlag, stärker als jede IED-Gefahr deutlich machte, wofür sie als Soldaten ihren Eid geleistet hatten und ihr Leben riskierten.
Auf der anderen Seite herrschte in der Führung offensichtlich dafür Unverständnis – und die Angst, die starke Identifikation der Soldaten mit den Ereignissen des Karfreitagsgefechts und ein damit verbundener Korpsgeist könne missverstanden werden als Rückkehr zu blindem Kämpfergeist des Zweiten Weltkriegs. Im Mai 2014 verbot der damalige Heeresinspekteur Bruno Kasdorff die Verwendung des Spruchs „Treue um Treue“, offizielle Begründung: „Es ist davon auszugehen, dass seine Verwendung in der Bundeswehr und insbesondere bei den Fallschirmjägern in der öffentlichen Wahrnehmung auch als Bekenntnis zu einer Traditionslinie Wehrmacht – Bundeswehr aufgefasst wird.“
Mit diesem Erlass wurde eine Chance vertan – die Chance, wirklich die Debatte zu führen, wo die Bundeswehr ihre eigenen Vorbilder findet und nicht, wie zahlreiche Meldungen aus jüngster Zeit zeigen, diese Vorbilder in Erlebnissen und Gefechtshandlungen der Wehrmacht suchen muss. „Es stellt sich die Frage, wie wir die Begriffe Staatsdiener, Kämpfer, Staatsbürger verknüpfen?“, fragte der Buchautor Johannes Clair, der 2010 als Fallschirmjäger in Afghanistan diente, in dem Kontingent, das die Seedorfer Fallschirmjäger des Karfreitagsgefechts abgelöst hatte.
Die Kämpfe am 2. April 2010, die Gefallenen, aber auch die Verwundeten – die zum Teil nach ihrer Genesung weiter in der Bundeswehr dienen – sind für die Truppe nicht nur Erinnerung, sondern auch ein Vorbild für Einsätze nicht nur in Afghanistan. In der politischen Debatte wird zwar rechtzeitig zum Jahrestag immer wieder daran erinnert, wie jetzt zehn Jahre danach. Nach einer echten Aufnahme in die Traditionspflege der Bundeswehr, die ja gerne auf ihre eigene Geschichte zurückgreifen will, sieht es bislang allerdings nicht aus.
Dabei scheint ein Ende des deutschen wie des (westlichen) internationalen Engagements in Afghanistans nunmehr in greifbare Nähe zu rücken – wenn auch nicht unbedingt deshalb, weil die Ziele seit dem Einmarsch Ende 2001 wirklich erreicht worden wären. Die Vereinbarung, die die USA mit den Taliban – und nicht etwa unter Einbeziehung der afghanischen Regierung – in Doha abschlossen, sieht eine drastische Reduzierung der US-Truppen und der verbündeten Soldaten in der NATO-geführten Resolute Support Mission schon bis zum Juli vor.
Nun ist diese Vereinbarung an Bedingungen gebunden – aber genau der Slogan „conditions based“ weckt ungute Erinnerungen: Schon vor mehr als zehn Jahren war die Sicherheitsverantwortung in den Regionen Afghanistans schrittweise von den internationalen Truppen an die Regierung des Landes abgegeben worden. „Conditions based, not calendar driven“, hieß damals die Devise: Gebunden an die tatsächliche Entwicklung, nicht abhängig von einem Zeitplan. Das war auch damals nur ein frommer Wunsch, tatsächlich ging es genau nach dem Kalender, auch wenn rein formal alle damit verknüpften Bedingungen erfüllt sein mussten.
So ähnlich, das ist die begründete Befürchtung, könnte es auch diesmal laufen. Nicht zuletzt, weil ein ganz wichtiger Termin im Kalender steht: Die Wahl des US-Präsidenten im Herbst, und Amtsinhaber Donald Trump hat laut genug die Rückkehr von US-Soldaten aus Einsätzen wie Afghanistans zu einem bedeutenden Punkt gemacht. Für die Verbündeten bleibt kaum etwas anderes, als da mitzuziehen: „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“, der auch in Deutschland immer wieder verkündete politische Leitspruch, ist keine freiwillige Devise. Sondern eine Anpassung an die Notwendigkeiten. Ohne Unterstützung der US-Streitkräfte, allein schon ohne ihre Luftwaffe, ist für die anderen NATO-Staaten der Einsatz am Hindukusch auf Dauer nicht durchzuhalten, ob sie eine Verlängerung für sinnvoll halten oder nicht.
Der Bundestag hat im März den deutschen Einsatz noch mal verlängert, in dieser Form absehbar ein letztes Mal. Eine tatsächliche Aufarbeitung, was das deutsche Engagement wirklich gebracht hat, und das nicht nur militärisch, hat es nicht gegeben. Um so wichtiger wird es, auch mit dem und erst recht nach dem voraussichtlichen Ende von „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“ mal nachzuschauen, was diese Jahrzehnte für die Truppe bedeuten. Zum Beispiel das Karfreitagsgefecht.
(Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe der Zeitschrift Europäische Sicherheit und Technik)
Es war nicht ein Zug der 1. sondern 3./373.
Zu den Gefechten, Hinterhalten, Anschlägen usw. in AFG gab es ja immer Pressemitteilungen der Bw, dass z.B. ausgewichen, durchgebrochen wurde oder das Feuer erwidert wurde und ähnliches.
Gibt es auch Feststellungen der Bw, ob und in welcher Höhe jeweils dem Gegner Verluste (Tote/Verwundete) beigebracht wurden, zumindest soweit das jeweils überhaupt möglich war? Eventuell auch konkret zum Karfreitagsgefecht?
Oder ist das VS?
Gelesen hat man darüber offiziell eigentlich wenig bis nichts.
MIt dieser Aussage haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen und ich sehe auch zehn Jahre später noch keinen richtigen Ansatz, mit der Thematik umzugehen. Denn noch immer hat man scheinbar nicht verstanden, dass es gerade im Bereich der „Kämpfer“ eine Notwendigkeit für Vorbilder und Bezüge zur Vergangenheit gibt, weil sich junge Soldaten mit einem hohen Selbstbewusstsein und „Berufsverständnis“ sonst eigenständig welche suchen. Stattdessen regiert der ban hammer und auch zahlreiche Arbeitsgruppen und Sitzungen später ist man nicht wesentlich weiter. Und Afghanistan scheint mittlerweile, außer in der Truppe selbst, ohnehin ganz weit in den Hintergrund geraten zu sein…
Dabei gilt es zu berücksichtigen: Das Karfreitagsgefecht beeinflusste nicht nur die Einheiten in Kunduz selbst, sondern auch die „fahrenden Truppe“ (Logistik, MedEvac, Feldjäger etc.) in Mazar, denn noch am selben Abend wurden beispielsweise Handwaffenmunition nach Kunduz gekarrt und Verwundete ins Einsatzlazarett verlegt. Und auch in MeS war damals fast jedem bewusst, dass mit dem Gefecht vom 02. April eine neue Dimension erreicht worden war – zudem darf man dabei nicht vergessen, dass das 22. Einsatzkontigent gerade einmal um die vier Wochen alt war, denn der Kontingentwechsel war noch nicht einmal ganz vollzogen.
@Voodoo
Exakt so ist es.
Der Debatte wurde absichtsvoll und zielgerichtet die Grundlage genommen, per Befehlsgebung InspH. Bekanntlich gilt der Grundsatz im Vorfeld der Befehlsgebung, bei der Entscheidungsfindung, wird abgewogen, auch diskutiert. Mir Eingang des Befehls wird gehorcht.
Das Verbot der Verwendung von „Treue um Treue“, durch damaligen InspH zeugt von Angst vor Kohäsion in der Fallschirmjägertruppe. Er hat ihr und dem Heer insgesamt nachhaltig geschadet, gefährdet Zusammenhalt der Truppe. Truppe sucht sich und findet Vorbilder, bei Kampftruppe solche im Kampf.
Zu verhindern ist das nicht.
Also „General in der Angst“ als vorauseilender Gehorsam in Erwartung einer Weisung BMvG? Wüsste wirklich zu gern, wo die Verbotsidee geboren wurde.
Vorab ist der sehr gute Artikel des Hausherren, der auch bei ES&T erschienen ist, zu loben. Denn er bringt viele Probleme der BW auf den Punkt.
Laut Traditionserlass soll sich BW sich auf ihre eigene Tradition stützen, aber gerade dies wird bis heute nicht genutzt, wie das Beispiel zeigt, daß die Kameraden den zerstörten DIngo geborgen haben(damit dieser nicht mehr in Feindeshand als Trophäe verbleibt) und mit „Treue um Treue“ an die gefallenen Kameraden erinnert haben. Ich glaube nicht, daß die beteiligten Soldaten dabei auch nur einen Gedanken an die Wehrmacht verschwendet haben. Es ging darum gefallene BW-Kameraden zu ehren und die Verbundenheit zu diesen auszurücken, wissend, jederzeit selbst in die gleiche Situation/Hinterhalt kommen zu können und um sein Leben kämpfen zu müssen. Wo nur auf die Hilfe der Kameraden gesetzt werden kann.
Das Verbot des Ausspruches „Treue um Treue“ hat verhindert, daß die BW eine eigene Tradition aufbauen kann und führt bis heute dazu, daß die BW-Soldaten keine Tradition als Kämpfer haben. Damit ist die BW-Führung selbst schuld, wenn Soldaten dann falsche Vorbilder in „Landserromen“ usw.. suchen, weil „legale Vorbilder“ werden nicht angeboten.
Der neue Traditonserlass war völlig umsonst, weil er keinem Kämpfer irgendwelche Vorbilder an die Hand gibt. Dabei hat die BW jahrelang – nach dem Karfreitgsgefecht – Krieg geführt in AFG, aber dies ist der Bevölkerung längst nicht mehr bekannt, weil keine „Helden“ rausgestellt werden.
Vielleicht sollte man den Heeresinspekteur bzw. AKK mal fragen, ob diese an dem fragwürdigen Verbot denn weiter festhalten wollen?
Abschließend befürchte ich, falls es wirklich zum Rückzug kommt(niemand weiß, wie die US-Wahlen ausgehen), daß die BW das Kapitel AFG ganz schnell schließen/verdrängen wird und die BW beim nächsten „Kriegseinsatz“ in allen Bereichen(von Material bis Taktik) wieder von vorne anfangen muss, anstatt daß der Einsatz aufgearbeitet wird und seine Lehren gezogen werden, für die nächsten Einsätze.
@Closius
Uneingeschränkte Zustimmung.
„Vielleicht sollte man den Heeresinspekteur bzw. AKK mal fragen, ob diese an dem fragwürdigen Verbot denn weiter festhalten wollen“?
Dies Fass macht niemand mehr auf, sofort wäre der Traditionserlass in Frage gestellt.
Nicht ganz fair jetzt, aber falls es doch dazu käme, bestimmt kommt ein Wohlmeinender mit „unsere Tradition heißt Corona-Hilfe“ daher.
Das Motto „Treue um Treue“ hat es in sich, denn es gilt ja nicht nur horizontal auf gleicher Ebene sondern auch vertikal in der Hierarchie.
@Klaus-Peter Kaikowsky
sagt am:
02.04.2020 um 13:39 Uhr
„Wüsste wirklich zu gern, wo die Verbotsidee geboren wurde.“
Das ist ganz leicht zu beantworten. Zum einen handelte der damalige InspH gem. Weisung BMVg 2013 (Verbot „Treue um Treue“ auf Gedenktafeln), zum anderen ist davon auszugehen, dass er (und zwar vor Franco A. und der Fuehrungsschwaechedebatte) angesichts der medienwirksamen Skandale, durch die das Heer zu diesem Zeitpunkt bereits gegangen war (Besenstiehle, Bad Salzungen, Schweineleber, G36, Puma, NH90, Tiger, …), diesen potenziellen Skandal abraeumen wollte, bevor das die Medien definitiv getan haetten. Empfehle den Blogeintrag des Hausherrn vom 05.06.2014.
Vor dieser Entscheidung wurden seitens KdoH intensive Untersuchungen beauftragt (und das nicht nur beim ZMSBw) und dabei eben auch eine Reihe von direkten Verbindungen zur Wehrmacht nachgewiesen.
Was mich bei der ganzen Debatte stoert, ist die Tatsache, dass „Treue um Treue“ keine offizielle Traditionsvorgabe der Heeresfuehrung etc. war. Das kam offensichtlich irgendwann einmal aus der Truppe selbst.
Wieso gelingt es seit 2015 nicht, sich eigene, neue Credos, Mottos, Vorbilder zu schaffen. Afghanistan oder der Balkan haben doch viele Beispiele geliefert, wenn man z.B. das Kriegergedenken sucht.
Die Feldjaeger haben es mit der Lagenstein-Kaserne vorgemacht. Da gaebe es so viel Gutes (Operation Libelle, Halmazag, Siegfried, Taohid, Pegasus, Dawse-e-Gharbe, …..), auf das mal symbolisch-institutionalisiert stolz sein kann.
@Klaus-Peter Kaikowsky sagt: 02.04.2020 um 14:46 Uhr
„Dies Fass macht niemand mehr auf, sofort wäre der Traditionserlass in Frage gestellt.“
Es sei denn man schafft es, inhaltlich übrigens vollkommen berechtigte (!), diese beiden Fragen zu entkoppeln.
Der entscheidende Fehler des damaligen Inspekteurs war es ja gerade die beiden Dinge mit einander zu verbinden und damit eine bundeswehreigene (!) Tradition zu unterbinden.
@Wa-Ge
Die Benennung als 1./- bezieht sich vermutlich auf „Die 1. Infanteriekompanie des Provincial Reconstruction Team (PRT) Kundus, … hatte den Auftrag, im Distrikt Chahar Darreh verschiedene Straßen nach improvisierte Sprengfallen (IED Improvised Explosive Device) abzusuchen …“ (Bw.de)
@ Klaus-Peter Kaikowsky sagt: 02.04.2020 um 15:42 Uhr
Mir ist schon klar woher die 1. vermutlich kommt, nichtsdestotrotz ist der Satz „Ein Zug der 1. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 373 geriet in einen Hinterhalt und führte ein stundenlanges Feuergefecht.“ so nicht richtig.
Es war ein Zug der 3./373, diese Kompanie hatte in dem damaligen Kontingent die Kräfte für die 1. Infanteriekompanie des PRT Kunduz zu stellen.
Möchte nicht den Besserwisser raushängen lassen aber erlaube mir zum obigen Text zwei Anmerkungen.
„… die Fallschirmjäger aus Seedorf am 2. April 2010 in die Ortschaft Char Darrah bei Kundus…“
Die Ortschaft in der das Karfreitagsgrfecht seinem Anfang nahm, war Isa Khel im Distrikt Char Darrah. Aber das ist eigentlich nicht so wichtig.
„… an jenem 2. April verloren drei von ihnen ihr Leben nicht durch einen Selbstmordattentäter oder eine ferngezündete Sprengfalle: Deutsche Soldaten fielen in einem Gefecht mit Aufständischen.“
Ich finde der o.a. Abschnitt impliziert dass es am Karfreitag 2010 die ersten im Feuerkampf gefallenen Deutschen gegeben hätte. Allerdings bereits vorher waren Kameraden im „direkten Gefecht“ gefallen. Am 29.04.2009 fiel nämlich der Hauptgefreite Sergej Motz im Feuerkampf mit den Taliban und war damit der erste deutsche Soldat, der direkt vom Feind erschoßen wurde. Deshalb wurde der Stichtag für die Einsatzmedaille auf den Tag nach Motz Tod gelegt, um auf den Umstand (Soldat im Gefecht erschoßen) aufmerksam zu machen.
s.a.
https://augengeradeaus.net/2010/11/die-erste-gefechtsmedaille-wird-einem-toten-verliehen/
Macht für’s große Ganze zwar wenig Unterschied aber für den ein oder anderen AFG-Veteranen vielleicht schon. Just my 5 cents.
3./24
Die Taliban sollen bei dem Gefecht über ein Dutzend Kämpfer verloren haben.
Quelle : Drei Krieger – Nannen Preis 2016
Ein echt toller Artikel, einfach mal googeln.
Wirklich sehr schade.
Diesbezüglich ist der Abstand zwischen denen da oben und denen da unten nicht mehr in gängigen Einheiten bezifferbar, als Anleihe kann man sich vielleicht mit Lichtjahren aushelfen, klappt in anderen Bereichen ja auch ganz gut. Es steht zu befürchten, dass es bei jedem Sinnspruch, der Trooper einen Klos in den Hals treibt, zur reflexhaften Schnappatmung der Truppenführer kommen wird. Weil es nur vordergründig um geschichtliche Bezugnahme geht, wie wir an dem Verbot des „Treue um Treue“ feststellen können.
Mit gleicher Logik ließen sich die Dienstgradbezeichnungen in Frage stellen, und auch viele andere Dinge sind noch immer gleich bezeichnet wie ehedem. Ein Problem scheint zu sein, dass die Menschen der betreffenden Epoche sich der deutschen Sprache bedienten. Ergo ist jeglicher Sinnspruch als bedenklich einzustufen, der damals möglicherweise irgendwie von irgendwem im nicht traditionskonformen Zusammenhang, gemäß Erlass, geäußert oder benutzt wurde.
Die markige Verwendung von sinnhaften Bildern und das Kollektivieren im Banne kurzer prägnanter und eingängiger Slogangs war Systemimmanent. Das war doch gerade eine Kernidee dieser Ideologie, sich in einfacher Sprache zu äußern und dadurch einen Gemeinsinn durch Emotionalität zu stiften.
Es ist absurd zu glauben, Soldaten dächten im Gefecht an die Pfeiler des Bundeswehrtraditionserlasses. Versinnbildlichung seines Tuns ist ihm keine ideologische Präambel welche völlig unkonkret sich in nackte Kleider hüllt.
Der Soldat kämpft für und gemeinsam mit dem Menschen neben ihm, er ist ihm näher als alles Andere. Er hat eine klare Vorstellung der Verbindung zu diesem Menschen, es ist sein Kamerad.
Was er in diesem Moment denkt, das findet sich nicht im Traditionserlass und wird auch von denen da oben nicht mehr begriffen. Leider.
@Aufreger
Ja, ich gebe zu, über diese Formulierung habe ich mir auch Gedanken gemacht; und dass Motz im „direkten Gefecht“ gefallen ist, war mir auch bewusst. Allerdings schien mir, dass es dennoch eine andere Situation war beim Karfreitagsgefecht – deshalb habe ich mich dann doch für diese Formulierung entschieden, in dem Bewusstsein, dass man das durchaus anders bewerten kann.
@Fehlbesetzung
BRAVO !
Sie sprechen mir aus der Seele.
Dafür +1 mit *****
@3./24
@3./24
Sie schrieben: „Gibt es auch Feststellungen der Bw, ob und in welcher Höhe jeweils dem Gegner Verluste (Tote/Verwundete) beigebracht wurden, zumindest soweit das jeweils überhaupt möglich war? Eventuell auch konkret zum Karfreitagsgefecht? Eventuell auch konkret zum Karfreitagsgefecht? Oder ist das VS?“
— Um zunächst einmal auf den letzten Punkt einzugehen: Offiziell weiß man es nicht. (Dazu im Folgenden mehr.) Im „Panzergrenadier“, dem Blättchen des Freundeskreises der Panzergrenadiertruppe, wurde 2012 oder 2013 mal die Zahl von „zehn bis zwanzig Ausfällen“ geschätzt, die vornehmlich auf Rückmeldungen und Gegenstandsfunden basierte.
Ich war damals der Depp, der (in meiner Erinnerung 2008) auf Wikipedia angefangen hat, die Vorfälle mit Bundeswehr-Beteiligung ernsthaft zusammenzutragen. Die Apathie der Öffentlichkeit ging mir so auf den Keks, dass ich einen kleinen Beitrag dazu leisten wollte, ein von Medien und Politik stiefmütterlich behandeltes Geschehen besser bekannt zu machen. Ich kann mich noch gut an das Quellenstudium, wenn ich einmal so sagen darf, erinnern. Auch an den sich verändernden Tenor in offizieller und medialer Berichterstattung.
Wenn insb. Einsatzsoldaten aber über bessere Erkenntnisse verfügen, möge man übrigens nicht zögern, dazwischenzugrätschen!
Zunächst einmal ist in diesem Zusammenhang wohl problematisch, dass die Aufständischen stets bemüht waren, ihre Ausfälle, wenn möglich, vom Gefechtsfeld zu entfernen. Waren die Männer aus der Gegend, hätte man sie leicht identifizieren können und ihre Familien wären Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Vor allem aber ist es für fromme Muslime, gelinde gesagt, eine Katastrophe, wenn die Beerdigung eines Toten nicht vor dem nächsten Sonnenaufgang erfolgt.
Hinsichtlich des Karfreitagsgefechts trat anscheinend hinzu, dass der Gegner eine hochwertige medizinische Versorgung sicherstellen konnte. Mein Bruder war zu dieser Zeit (und dann gleich noch einmal 6 Monate, bis 2011) als San-Soldat in Kundus und hat mir erzählt, dass vor Ort Medikamente, Verbandsmaterial, Tourniquets und so weiter gefunden wurden, die teils höherwertiger waren als die in der Bundeswehr dienstlich gelieferte Ausrüstung. Laut Flurfunk waren an jenem Tag sog. Foreign Fighters aus Usbekistan, Tschetschenien usw. ganz vorne mit dabei, die sich für viel Geld ausgerüstet hatten.
Bedenkt man dann noch die Gefechtsentfernungen, die Möglichkeit zum Beschuss aus der Vegetation oder aus Compounds heraus, und die Fähigkeit des Gegners, in der Zivilbevölkerung unterzutauchen, wird leicht ersichtlich, dass es gar nicht so einfach ist, die gegnerischen Ausfälle exakt zu ermitteln. Ich meine, wenn unsere Jungs und Mädels an manchen Tagen schon mal eine halbe Stunde damit beschäftigt waren, herauszufinden, von wo überhaupt geschossen wurde, darf man sich kein perfektes Lagebild in der Rückmeldung erwarten.
Die Bundeswehr vermied bis etwa 2009 tunlichst, entsprechende Auskünfte zu geben. Das hatte auch rechtliche Gründe. Erst nachdem die Bundesregierung sich dazu durchgerungen hatte, den Afghanistan-Einsatz als Teilnahme an einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt zu klassifizieren, bestand ein gewisses Maß an Rechtssicherheit für die Soldaten. Fortan musste die Staatsanwaltschaft nicht mehr bei jedem tödlichen Waffeneinsatz ermitteln, ob eine Straftat vorlag, sondern nurmehr im begründeten Verdachtsfall.
Fortan begannen die Pressemeldungen der Bundeswehr denn auch durchaus darüber Auskunft zu geben, dass, und wie viele, Angreifer getötet worden seien. Doch waren die Angaben immer sehr viel konservativer als die durch die Presse zirkulierenden. Die Medien holten natürlich ihre eigenen Erkundigungen ein, nicht zuletzt vom Büro des Gouverneurs der Provinz Kundus, aber die Bundeswehr gab nur solche Ausfälle des Gegners an, die man selbst entweder eingesargt oder sanitätsdienstlich betreut hatte.
Wie sehr die Einsatzdynamik eine Rolle spielt, kann man an der nachfolgenden Operation Hamalsag sehen, für die das Presseinformationszentrum Kundus abschließend recht deutlich angab, dass zwanzig Aufständische getötet und zwanzig verwundet worden seien. Da hatte man genug Druck ausgeübt, um dem Gegner die oben genannte Koordination seiner Bemühungen zu verwehren.
Natürlich muss man bei all diesen Dingen berücksichtigen, dass es sich um einen asymmetrischen Konflikt handelt. Die gegnerischen Ausfälle haben nur bedingte Aussagekraft. In einem herkömmlichen Krieg kann man einen gegnerischen Verband einkesseln und zerschlagen, dann ist Ruhe. Da macht es eher Sinn, die Toten zu zählen.
@Closius:
„Abschließend befürchte ich, falls es wirklich zum Rückzug kommt(niemand weiß, wie die US-Wahlen ausgehen), daß die BW das Kapitel AFG ganz schnell schließen/verdrängen wird und die BW beim nächsten „Kriegseinsatz“ in allen Bereichen(von Material bis Taktik) wieder von vorne anfangen muss, anstatt daß der Einsatz aufgearbeitet wird und seine Lehren gezogen werden, für die nächsten Einsätze.“
Das Kapitel AFG ist doch institutionell bereits schon geschlossen und oftmals auch verdrängt.
Ist eben für sehr viele einfacher und bequemer.
Das ist für mich auch deutlich schwerwiegender als die auch hier wieder dominierende Traditionsdiskussion.
Denjenigen, die sich zum Verlauf des Gefechts informieren wollen und denen das bei Wikipedia Stehende nicht ausreicht, empfehle ich das Heft 2/2018 der „Militärgeschichte“, herausgegeben vom ZMSBw. In digitaler Form ist es beispielsweise beim österreichischen Verein „Freunde der Heereslogistik“ erhältlich: http://www.heereslogistik.at/docs/2018/1_zmg20182gesamtefinternet.pdf (S. 4-9)
Meines Erachtens die bisher beste öffentlich zugängliche Gesamtdarstellung des 2. April 2010. *Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung mitlesender Wikipedianer*
@Memoria
Dabei wurde doch akribisch eine Einsatzauswertung durchgeführt („Aus dem Einsatz lernen“). Zumindest für die taktische Ebene. ‚gibt es sogar im Intranet.
@Memoria
Sie schrieben: „Das Kapitel AFG ist doch institutionell bereits schon geschlossen und oftmals auch verdrängt.“
— Beziehen Sie sich bei dieser Einschätzung auf eine intellektuelle oder organisatorische Verdrängung? Immerhin hat hier noch vor wenigen Monaten mancher beklagt, dass alles in der Bundeswehr, von der taktischen Ausbildung bis zur Ausstattung, vollkommen auf asymmetrische Konflikte wie in Afghanistan ausgerichtet worden sei und niemand mehr Landesverteidigung bzw. konventionelle Kriegsführung könne.
@muck und Sepp
Vielen Dank für die Hinweise, sehr interessant.
@muck ich habe damals Ihre Beiträge in verschiedenen Foren sehr geschätzt. Vielen Dank für Ihre Arbeit! Ein „Depp“ waren Sie mit Ihrer Arbeit sicher nicht.
Vielen Dank für Ihre Arbeit und schön, dass Sie inzwischen häufiger bei Augen geradeaus zu den Themen beitragen!
@Thomas Melber:
„Aus dem Einsatz lernen“ ist mir durchaus bekannt.
Nur gab es jemals darin eine Auswertung des Karfreitagsgefechts?
Gibt es überhaupt noch neue Ausgaben?
Dies wurde hier übrigens schon vor 5 Jahren diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2015/04/karfreitagsgefecht-vor-fuenf-jahren-der-wendepunkt-fuer-die-truppe/
Zudem bildet aus meiner Sicht „Aus dem Einsatz lernen“ nicht mal die gesamte taktische Ebene (bis auf die Verbandsebene bzw. Führung PRT ab).
@Muck:
Ja die Bundeswehr hat sich sich in den letzten Jahren sehr stark auf Stabilisierungseinsätze ausgerichtet.
Das bedeutet aber nicht per se, dass hieraus konsequent gelernt wurde.
Das Problem daran:
Die Realität holt die Bundeswehr wahrscheinlich bald wieder ein, da aktuell deutlich mehr über Landes- und Bündnisverteidigung nachgedacht wird.
Gleichzeitig sehr gut Handball und Fußball zu spielen ist sehr schwer. Es ist jedoch unmöglich, wenn man aus den letzten Spielen nicht lernt oder sogar glaubt, dass man in beidem gut sein kann, wenn man nur eines der beiden Spiele ernsthaft vorbereitet und trainiert.
[Manchmal habe ich den Eindruck, @Memoria kennt mein Blog besser als ich… und hat alles parat, was hier je zu einem Thema geschrieben wurde… Kudos. T.W.]
Das Problem der Bw in Sachen Handball oder Fussball ist, dass die Bw Auslandseinsatz oder Bündnisverteidigung ideologisch betreibt. Je nachdem was der Zeitgeist gerade fordert, wir das ganze Heer nur nach einem Szenario ausgebildet. Ändern sich der Zeitgeist, dann Rolle rückwärts, und es gilt wieder „schießen vor Deckung“ statt umgekehrt. Da die Panzertruppe kaum in den Auslandseinsatz geht, im Gegensatz zur Infanterie, wäre es einfach,die Infanterie immer vor allem für Auslandseinsätze und die Panzertruppe immer für die Bündnisverteidigung auszubilden. Der Bw fehlt einfach eine Spezialisierung. Statt das alle Brigaden alles können müssen bzw das vorhandene Material entweder für Landesverteidigung oder asymmetrisch en Konflikt taugt, oder wild gemischt ist, sollte jede Brigade auf eins von beiden spezialisiert sein. Z.b. Luftlandebrigade und D/F- Brigade für Auslandseinsätze und dagegen die Panzerbrigade n für die Bündnisverteidigung.
@Bürger:
Vielen Dank für den den Hinweis auf den Artikel des ZMSBw.
Aus meiner Sicht jedoch auch keine wirklich wissenschaftlich-kritische Auswertung.
Hier noch ein Hinweis auf neue Darstellungen der Bundeswehr:
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/schwerpunkte/2010-afghanistan-bundeswehr/gefecht-isa-khel-bundeswehr
https://youtu.be/YBD7cvEcsAQ
Es bleiben da wohl weiter einige wesentliche Fragen auf verschiedenen Ebenen offen.
Nur leider kann man so nicht daraus lernen.
@T.W.:
Vielen Dank für das Feedback, ich versuche ja nur ihre beeindruckende Sammlung von Meldungen für die aktuellen Diskussionen in Erinnerung (in memoriam) zu rufen.
@all:
Hier noch einige Ansichten aus Gesprächen mit beteiligten Soldaten vom NDR:
http://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript744.pdf
@Closius
LV/BV ist die Pflicht, das andere ist die Kür. ‚will auch sagen: wer das Handwerkszeug für ersteres beherrscht hat eine gute Grundlage für zweites.
Die Diskussionen hier drehen sich doch alle um die völlig falsche Sache.
Hat denn mal jemand versucht, die Ereignisse wirklich zu hinterfragen? – Ich denke nicht. Stattdessen scheint es politisch korrekt zu sein, nur die Opfer zu betrauern und eine Art Heldenepos zu konstruieren, das ich beim besten Willen nicht erkennen kann.
Dann frage ich hier halt mal ganz ketzerisch. Nach 10 Jahren dürfte es hierfür mal Zeit werden:
Warum rückt eine kampfstarke komplette Kp (mit Schützenpanzer) genau an einem Freitag – pünktlich zum moslemischen Freitagsgebet möchte man sagen – zu dieser eher dubiosen Mission aus? Wollte man den Gegner provozieren? – Was sollte ein IED-Räumen auf dieser Nebenstraße denn überhaupt bringen? Dann lässt man eine Drohne genau über das ‚Indianerland‘ fliegen – man wusste doch genau Bescheid, wo die Grenze zum ‚Indianerland‘ verlief (das Vorgängerkontingent hatte das ja eingewiesen). Dann ‚verliert‘ man auch noch eine Drohne – herrjeh! – Na jetzt schicken wir denen auch gleich noch zum Freitagsgebet einen Trupp in ihr Dorf vorbei…Marder überwachen….
Und dann wird man von einem Hinterhalt ‚überrascht‘? – Hoppala! – Ja mit was für einem Szenario hat denn der KpChef und alle anderen taktischen Führer sonst gerechnet? – Ein Hinterhalt mit IED war doch die einzigste Bedrohung mit der gerechnet werden musste und für die man sich vorbereiten musste; wofür hat man denn sonst die Schützenpanzer auch mitgenommen? Und IEDs hat man doch angeblich eh gesucht. Na eines wurde ja dann auch ‚gefunden‘.
Wenn man dieses IED-Hinterhalt-Szenario nicht drillmäßig vorbereitet hatte, dann hat man seinen Job nicht gemacht. Punkt.
War das Ganze vielleicht nicht eher eine Aktion a la ‚An Ostern haben wir alle die Gefechtsmedaille‘. Die war nämlich kurz vorher gestiftet worden und das Vorgängerkontingent (von der Konkurrenzbrigade aus dem Saarland!) war damit stolz nach Hause gegangen?! Na, das könnte doch sehr gut zu ‚Halsschmerzen‘ geführt haben. Als Fallschirmjäger sammelt man doch gerne Abzeichen. Das würde den ‚Aufmarsch‘ einer ganzen Kompanie an einem Freitag schon eher erklären als der dubiose angebliche Auftrag des IED-Räumens dieser für den ISAF Einsatz völligen Nebenstrecke. (‚Wir machen mal einen IED-Sweep’….hinter diesen englischen Militärbegriffen läßt sich ja auch gut die eigene Planlosigkeit verstecken)
Und dann ist das Ganze eben gründlich schief gelaufen…dafür dass ein IED-Hinterhalt die einzigste wirkliche Bedrohung darstellte hat ja nicht viel geklappt. Die Helmaufnahmen zeigen völliges unkoordiniertes Chaos und kein geführtes Gefecht. …dafür dass man dem Gegner haushoch überlegen war kann ich für die ‚Gefechtsführung‘ keine guten Noten vergeben. (Die selbstgedrehte Aufnahme der Aufständischen zeigt Freizeitkämpfer die noch nicht mal über Kimme und Korn zielen, sondern die dilettantische ‚Spray-and-Pray‘ Methode anwenden….Wenn ich zuhause in Deutschland von den Taliban in einen Hinterhalt gelockt werde dann darf ich überrascht sein und aber dort zu diesem Zeitpunkt während dieses Auftrags in AFG, nach absichtlichem Überschreiten der Grenze zum ‚Indianerland‘?! – Lassen wir doch die Kirche mal im Dorf, toll war das nicht was unsere Elitetruppe da gezeigt hat….
Wie war das nochmal mit Stalingrad? – Aus diesem Desaster hat man ja schliesslich am Ende auch ein Heldenepos konstruiert um das eigene militärische Versagen zu kaschieren.
Es sollte jetzt endlich mal die Zeit gekommen sein, diesen Einsatz etwas zu ent-mystifizieren. Erreicht wurde nämlich weniger als gar nichts.
Ach ja, Mädchen dürfen jetzt in die Schule gehen wird immer behauptet. Haha, nix verstanden. Kleine Mädchen durften dort schon immer in die Schule gehen, nur man hat es eben nicht für notwendig angesehen, da die mit 10-12 Jahren eh verheiratet werden. Bei dieser ‚Mädchenschul-Angelegenheit‘ dreht es sich ausschliesslich darum, dass Mädchen ab dem geschlechtsfähigen Alter (!) nicht mehr mit anderen Männern (z.B. eben auch Lehrern) zusammen sein dürfen, und um Bildung für Mädchen geht’s da überhaupt nicht. Wenn sich also Politiker in einem Kindergarten oder Grundschule mit kleinen Mädchen fotografieren lassen und das als Erfolg feiern, ist das alles nur Unfug. Es wurde nix erreicht. Eine Schule mit 15 jährigen Mädchen und einem männlichen Lehrkörper gibt’s in AFG eben nach wie vor nicht.
P.S.: wieso liefen im grünen Gelände da alle wie die Schneehasen mit Wüstentarnung rum? – Dass der Anzug für Afghanistan befohlen war weiss ich auch, aber gem. Vorschrift tarnt sich der Soldat immer noch selbständig, ohne Befehl. – Und übrigens fallen die mit hellbeiger Farbe bemalten Helme sogar noch mehr auf, als mit dem Stoffbezug. …nur mal so angemerkt.
[Willkommen zu Ihrem allerersten Kommentar hier auf Augen geradeaus!. Ihre Meinung ist Ihre Meinung; nur den Beleg oder am besten ein Link zu Fotos der ‚Schützenpanzer‘ in Isa Khel bitte ich noch nachzuliefern. Danke, T.W.]
@Sindbad sagt: 03.04.2020 um 11:10 Uhr
„War das Ganze vielleicht nicht eher eine Aktion a la ‚An Ostern haben wir alle die Gefechtsmedaille‘. Die war nämlich kurz vorher gestiftet worden und das Vorgängerkontingent (von der Konkurrenzbrigade aus dem Saarland!) war damit stolz nach Hause gegangen?! Na, das könnte doch sehr gut zu ‚Halsschmerzen‘ geführt haben.“
Aua. Wenn Sie solche weitgehend und durchaus dramatischen Vorwürfe erheben, sollten Sie sie besser belegen können, als ihre o.a. Spekulation. So lange Sie das nicht tun, bewerte ich es als üble Kampagne.
@sindbad: Ketzerisch, nein, es ist nicht ketzerisch, was Sie mit Ihren Thesen betreiben. Es ist ist einfach nur ehrenrührig, nicht mehr und weniger, weil Sie einerseits das Gedenken an die Gefallenen und Verwundeten und das dezent formuliert durch ihre Thesen in Frage stellen und andererseits Dinge miteinander vermengen, die nicht zueinander gehören.
Der Dienst im Einsatz kennt weder Feiertage noch Wochenende usw. und sofort. Allein daher ist ihre These zum Einsatz an einem Freitag in AFG schlicht und ergreifend reine Spekulation, wobei ich mir hiermit erlaube, zu spekulieren, ob diese auf einem Background Ihrerseits ( Nickname Sindbad ) zurück zu führen ist. Weiterhin beschreiben Sie das Agieren der Soldaten vor Ort im Gefecht zusammengefasst als “ chaotisch „. Da frage ich mich, waren Sie selbst schon einmal in einem scharfen Einsatz verbunden mit einem Gefecht, wobei Sie selbst unter Feindfeuer standen und Führer vor Ort waren ? Ich persönlich war es nie, bin aber als Führer ( Offizier ) in der PzKampftruppe mal aus gebildet wurden. Dabei hatte ich noch die Möglichkeit, mich mit Männern zu unterhalten, die als junge Offiziere der WH an Gefechten im 2. WK teilgenommen hatten, zu unterhalten. Deren Erzählungen ähneln den Ereignissen, die während des K – Gefechts stattfanden. Das Handeln und Wirken eines Kampfverbandes im Gefecht hängt im Wesentlichen von der Routine im Umgang mit so einer Situation ab. Heißt, Einheiten, die zum 1. Mal in ein Gefecht geraten, benehmen und handeln sich anders wie solche, die bereits diese Erfahrung gemacht haben. Und Ihre Unterstellung eines Chaos kann ich nicht feststellen, da ich keine Auflösungserscheinungen bei der Einheit feststellen kann, im Gegenteil, wenn man sich die Berichte von verschiedenen teilnehmenden Soldaten dazu durch liest, muß man feststellen, dass diese sich den Anforderungen gemäß ihrer individuellen Aufgaben gemäß ihrer Ausbildung nicht nur stellten, sondern diese auch wahrnahmen und damit durchführten. Weiterhin den Männern zu unterstellen, diese und speziell als Fallis hätten “ Halsschmerzen „, ist pure Unterstellung. Diese sind einfach ihrem Auftrag, der auf einen Befehl beruhte, nachgegangen. Zu den Filmaufnahmen der Taliban: 1. Wer sagt uns denn, dass diese zur gleichen Zeit entstanden wie die Helmkameraaufnahmen der Fallis ? 2. Und wenn es denn so wäre, kommt das zu tragen, was ich zum Thema Routine geschrieben habe, was genauso für die Taliban – Insurgenten gilt.
Ihre vorgenommene Vermengung eines militärischen Einsatzes, um den es hier nur geht, mit einer gesamtpolitischen Analyse gemäß ihrer Diktion und damit Auffassung ist Ihnen zwar überlassen, nur die von Ihnen vorgetragene politische Demagogie halte ich wiederum aufgrund von unseren gefallenen und verwundeten Soldaten und Kameraden für unpassend. Daher verbietet sich auch schon der Vergleich von Stalingrad und dem Karfreitagsgefecht.
Ich bin nur exemplarisch auf einzelne Thesen Ihrerseits eingegangen. Diese sollten aber ausreichen, um klar darzustellen, dass Sie mit diesen nicht nur falsch liegen, sondern dazu auch ehrenrührig agieren.
Mal eine Frage an @TW und alle anderen.
Gibt es ein Buch speziell zum Karfreitagsgefecht? Bzw. Zum Jahr 2010 der Bundeswehr in Afghanistan?
Würde gerne alle Einzelheiten detailliert nachlesen, am besten auch mit Zeitzeugen und Beteiligten und Sichtweisen aus verschieden Perspektiven (Soldaten und Kommandeure). Gibt es da etwas?
@all
Der Derailing-Versuch („ausgerechnet an einem Freitag!“) verfängt bei einigen ja sehr gut. Ich stoppe das jetzt mal.
@T.W. (zu Sindbad), dessen böswillige Darstellung ich ablehne.
SPz Marder bei Isa Khel: Gefechtsverlauf mit Prinzipskizze.
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/schwerpunkte/2010-afghanistan-bundeswehr/gefecht-isa-khel-bundeswehr
[Aber kein Marder in Isa Khel, so weit ich das in Erinnerung habe…? T.W.]
@T.W.
Ich war nicht dabei und verlasse mich somit auf die Bw-Darstellung, mehr als Bw.de geht ja kaum.
Der Artikel ist überschrieben: „Gefecht bei Isa Khel: Das passierte am 2. April 2010“. Insofern habe ich zur Beteiligung, zumindest Anwesenheit von SPz keinerlei Zweifel.
Die Prinzipskizze ist interaktiv dargestellt. Unter dem „Button Marder“ verbirgt sich: „In Afghanistan war der Schützenpanzer Marder seit Ende 2006 im Einsatz. Er diente zur Lagersicherung und zur Unterstützung der Kampftruppe, beispielsweise der Quick Reaction Force (QRF). Im Gefecht wurde der Marder erstmals 2009 eingesetzt“.
Hätte deutlicher ausgedrückt werden müssen, für mich aber steht dort „erstmals 2009 und 2010 erneut“.
In der gestrigen Darstellung von ESuT findet sich eine nahezu identische Prinzipskizze, liebevoller ausgearbeitet, und, mit ZWEI SPz Marder.
(2 SPz stellen in unklarer Lage auch den richtigen Entschluss dar, zumal die Schützentrupps noch infanteristische Feuerkraft bieten – ob die dabei waren, weiß ich nicht. Also Ende der Spekulation).
@Der junge neue
Einige Antworten siehe meinen Eintrag 15:54, den Link ruhig einmal durchforsten und, auch hörenswert https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/das_feature/Feature-Killed-in-Action,sendung933280.html NDR Podcast.
An offizieller Literatur ist mir nichts bekannt. Dass Beteiligte von 373 das Geschehen für die interne Aus- und Weiterbildung aufgearbeitet haben, erachte ich als absolut sicher. Veröffentlichtes dazu kenne ich nicht.
(Lessons Learned gab es in der Kampftruppe lange bevor der Begriff Konjunktur bekam).
@KPK
Danke!!
@der junge neue und KPK:
Ich empfehle das Buch „Feindkontakt“, die beste Darstellung des Kontextes und der Ereignisse. Des weiteren finden Sie hier in den Kommentaren einiges Lesenswerte.
Eine wirklich ernsthafte interne Aufbereitung hat es übrigens nie wirklich gegeben. War für zu viele Stellen zu heikel.
@KPK:
Der Hotel-Zug der 1. InfKp verfügte über 2 SPz als „Kanonenwagen“ . Diese sicherten den IED-Sweep nach Süden ab. Siehe auch den Aufsatz des ZMSBw.
@Memoria
Danke!
Bei „Kanonenwagen“ hat’s geklickt, erinnere mich. Kein hinterer Kampfraum.
Waren die beiden am Feuerkampf beteiligt, mit welchem Ergebnis?
Ohnehin waren es nur 5 SPz insgesamt, oder?
Was ich von dem ganzen halte/hielt, … bisschen Erziehung hindert mich.
Allein schon das Zerschlagen der klassischen Zugstruktur ist von übel gewesen.
Sorry, an alle die sich über @Sindpads Ausführungen echauffieren.
Der Ort Isa Khel war als „Indianerland“ bekannt. Diese Erkenntnis lag im PRT Kunduz vor.
Die Lage des Dorfes war ebenfalls nur mäßig bedeutsam (an der Abzweigung von einer Nebenstrecke).
Da muss schon die Frage erlaubt sein: was wollte man in dem Kaff? Zumal es nie die Absicht gab, den Ort dauerhaft zu halten (clear ohne hold & build – für alle die es noch kennen – ist halt nix wert).
Zum Thema Halsschmerzen: die gab es bei einigen Kameraden definitiv. Aber das ist – auch im internationalen Vergleich – „normal“. Man will sich halt beweisen.
Die differenzierteste Aufarbeitung zusammen mit Zeitzeugen bietet tatsächlich der NDR Info Podcast „Killed in Action“.
Im Summenzug kann ich nicht erkennen, dass die deutsche Außen- und Sicherheotspolitik oder die Bundeswehr irgendwas aus dem Karfreitag 2010 bzw. aus AFG gelernt hätte. Es besteht nach wie vor das erhebliche Risiko für den deutschen Soldaten, dass ihm das Dümmste zustößt, was einem Soldaten passieren kann: sterben für’n schlechten Plan. Ob in Mali oder anderswo.
Just my 5 cents.
Hier noch der Bericht aus dem Stern:
https://www.stern.de/70jahrestern/70-jahre-stern–die-preisgekroente-reportage–drei-krieger–7929786.html
Und nochmal der wesentliche Teil der NDR-Serie:
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Killed-in-Action-Folge-4-Der-Hinterhalt,audio554354.html
Insbesondere Zweiteres zeigt deutlich, dass es bis heute keine wirkliche Aufbereitung gab.
Schon unmittelbar nach dem Gefecht begann offenbar eine eher selektive Nachbereitung.
Man sollte aus solchen Ereignissen lernen, aus dem Positiven und eben auch aus dem Negativen. Dafür bedarf es aber einer Fehlerkultur. Die Worte von General Leidenberger hierzu sind sehr bezeichnend.
Genau das ist die Führung eigentlich allen Beteiligten – und insbesondere den Opfern – schuldig.
Das ist alles andere als einfach, aber gerade in militärischen Fragen unabdingbar, wie bereits Sun Tzu lehrte:
„Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
@KPK:
Eine der vielen lange bekannten, aber fortlaufend vom EinsFüKdo und BMVg negierten Tatsachen, war die Einnahme von Einsatzstrukturen auf Kompanie- und Zugebene.
Es gelang sehr selten geschlossene Kompanien einzusetzen. Gerade auch im Bereich der Kampfkompanien, da die Strukturen im Einsatz über verschiedene Kontingente hinweg stur beibehalten wurden – auch wenn ein Kontingent aus Panzergrenadieren und eines aus Infanterie bestand. Somit kam es fortlaufend zu Kohäsionsproblemen.
Diese Probleme gibt es heutzutage übrigens weiterhin (z.B. bei MINUSMA).
Nur mal so als ein Beispiel für die wirkliche (!) Auswertung von Einsatzerfahrungen.
Solange bürokratische Logik (Stellenbesetzungslisten, etc) die Planung und Führung von Einsätzen dominiert, wird es nicht besser werden.
@Sindbad und Aufreger
Der Detailgrad Ihrer Schilderungen, lässt vermuten, dass Sie den Raum vor Ort (Isa Khel/südliches Chahar Darra) kennen. Auch ich war vor Ort und hab die Gegend von Höhe 431 und 432 noch gut vor Auge.
Was mich an Ihren Ausführungen zum Nachdenken gebracht hat, ist Folgendes:
– Warum hat man seit 2010 nichts Inhaltliches zum Karfreitag vom damaligen PRT-Kommandeur, Generalmajor a.D. Zudrop, oder vielmehr vom betroffenen KpChef gehört? Die Angehörigen des Golfzuges haben sich ja seit dem wiederkehrend geäußert.
– Warum macht der Führer der Eingreifreserve (HptFw P.) in „Killed in Action“ dem KpChef und dem ZugFührer so schwere Vorwürfe über deren Vorgehen am Karfreitag?
– Warum war die Operation nicht mit den Afghanen gepartnered (obwohl das zu der Zeit ja eine Prämisse war)?
– Warum kamen keine afghanischen Einheiten zu Hilfe (Absprache, Koordination)?
– Warum kam die damals in Kunduz befindliche Task Force 47 nicht zur Unterstützung (Absprache?)?
– Es ist davon auszugehen, dass die Truppe um die Gefahr wusste. Ulli Gack‘s Reportage „Der Krieg bleibt“ suggeriert, dass die Karfreitagskompanie vor dem 2. April schon an ein paar Gefechten beteiligt war und zudem galt Isa Khel ohnehin damals schlichtweg als „Drecksloch“, wo mit Feindkontakt definitiv zu rechnen war.
– Der Freitag hat schon seine besondere Bewandtnis. Traditionell der Tag an dem im PRT und Mazar-e-Sharif „Low OPs“ war. Wenn man eine Operation in einem solchen Ort plant, dann hat dieser Umstand sicherlich Auswirkungen.
– Heldengedenken: Taktischer Niederlagen zu gedenken finde ich per se nicht fragwürdig. Das tun viel andere Nationen auch (FschJg bei Arnheim während Market Garden, Battle of Korengal Valley, Battle of Hill 776). Das sollte aber einer möglichst objektiven Aufarbeitung des Karfreitag nicht im Wege stehen, um Dergleichen in Zukunft zu verhindern.
Just my 2 Cents.
@aufreger sagt: 03.04.2020 um 22:41 Uhr
„Der Ort Isa Khel war als „Indianerland“ bekannt. Diese Erkenntnis lag im PRT Kunduz vor.“
Natürlich, sonst wäre eine Operation dort ja auch überflüssig gewesen. Wir waren ja nicht dort um (nur) zu lächeln und zu winken.
„Im Summenzug kann ich nicht erkennen, dass die deutsche Außen- und Sicherheotspolitik oder die Bundeswehr irgendwas aus dem Karfreitag 2010 bzw. aus AFG gelernt hätte.“
Ich erkenne nicht, warum eine Operationsführung (sei sie nun geglückt oder nicht) Einfluss auf die DEU Außen- und Sicherheitspolitik haben sollte. Das eine ist eine politisch-strategische Frage, das andere eine militärisch-taktische.
@Memoria sagt: 04.04.2020 um 6:47 Uhr
„Eine der vielen lange bekannten, aber fortlaufend vom EinsFüKdo und BMVg negierten Tatsachen, war die Einnahme von Einsatzstrukturen auf Kompanie- und Zugebene.“
Das ist allerdings eine berechtigte Frage. Die Unterscheidung der Bundeswehr zwischen Heimat und Einsatz in Strukturen und in Ausbildung ist bedenklich.
Was sicherlich nicht unbedingt nur am Heer, sondern eher an den anderen OrgBereichen hängt; einen Sanitätseinsatzverband zur Unterstützung kann man eben nicht durchhaltefähig aus den originären Regimentern des Zentralen SanDienst bilden. Dass aber gerade diese heilige Kuh zur Schlachtbank geführt wird (also quasi eine Rückabwicklung beipielsweise zurück zum Heeressanitätsdienst inkl. SanTrupps in den Kompanien, nicht zuletzt aufgrund der Neuausrichtung auf LV/BV), werden wir wohl so schnell nicht erleben.
@ Der junge neue
@Memoria hat ja schon das Buch „Feindkontakt – Gefechtsbereichte aus Afghanistan“ empfohlen, das 2013 von Sascha Brinkmann, Joachim Hoppe und Wolfgang Schröder (mittlerweile Kommandeur Jägerbataillon )1 im Mittler-Verlag herausgegeben wurde. Das Karfreitagsgefecht wird direkt im ersten Kapitel behandelt, danach geht es im Wesentlichen um die Operationsführung im Anschluss daran. Kann ich empfehlen!
Ebenso wurde ja der Podcast „Killed in Action“ empfohlen. Da schließe ich mich an! Wobei einer der zu Wort kommenden Soldaten (Zugführer bei den Entsatzkräften) wie in den vorherigen Kommentaren bereits angesprochen recht hart mit seinen Kameraden ins Gericht geht.
Und zuletzt (und wenn sie Zugang zum Bw-Intranet haben): Das Karfreitagsgefecht ist dieses Jahr eines der drei Schwerpunktthemen für die Politische Bildung des Zentrums Innere Führung (neben 75 Jahre Befreiung KZ Auschwitz und 30 Jahre Armee der Einheit). Die haben da ziemlich viel Material zusammengetragen, u.a. eine sehenswerte Powerpointpräsentation, die den Gefechtsverlauf anhand zahlreicher Luftbilder nachzeichnet.
@Stephan L.:
Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Materialien des ZInFü nicht nur eine reine Stoffsanmlung sind, sondern eine umfassendere Reflexion der Ereignisse. Der bisherige Kdr des ZInFü hat dazu auch etwas beigetragen?
@Gorgon Stare.
– Warum war die Operation nicht mit den Afghanen gepartnered (obwohl das zu der Zeit ja eine Prämisse war)?
– Warum kamen keine afghanischen Einheiten zu Hilfe (Absprache, Koordination)?
Wie hier und in Nachbarfäden mehrfach dargestellt, selbstverständlich waren Afghanen in die GesamtOp eingebunden.
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/schwerpunkte/2010-afghanistan-bundeswehr/gefecht-isa-khel-bundeswehr
„Der Hinterhalt beschränkte sich nicht nur auf die Ortschaft Isa Khel. Am Nachmittag griffen rund 40 Taliban auch das etwa vier Kilometer entfernte Polizeihauptquartier von Chahar Darreh an. Dort lieferten sie sich ein Gefecht mit den zur Sicherung eingesetzten deutschen Soldaten sowie afghanischen Sicherheitskräften. Gegen 16.30 Uhr begann die 1. Infanteriekompanie auszuweichen. Am Abend erfolgte schließlich die Ablösung durch die 2. Infanteriekompanie.
Bei deren Marsch in den Einsatzraum kam es zu einem tödlichen Zwischenfall: Ein Panzergrenadierzug, vor Selbstmordattentätern in mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen gewarnt, beschoss gemäß der geltenden Einsatzregeln zwei entgegenkommende Pickups, welche die Warnzeichen nicht beachteten. Es waren jedoch Fahrzeuge der afghanischen Armee. Sechs afghanische Soldaten starben„.
(Hervorhebung durch mich)
Dieser offiziellen Bw Darstellung des Gefechtsverlaufs entnehme ich, im Raum Isa Khel – Char Darreh war AFG Truppe gemeinsam mit dem DEU PRT im Einsatz. Der Hinweis in obigem 2. Absatz „zwei entgegenkommende Pickups“ lässt die Beurteilung zu, dass es sich hier um AFG Reservekräfte mit dem Auftrag „verstärken in der Stellung“ handelte. Der tödliche Zwischenfall ist bedauerlich.
Die Ziffer 5 in jedem OpBefehl „Führungsunterstützung“ regelt u.a. die Einzelheiten zum Fernmeldeverkehr, Erkennungszeichen …
Wie die tatsächliche Befehlslage dazu bestand, bleibt unklar. Klar ist nach DEU Führungsgrundsätzen aber, dass nicht nur befohlen, sondern die Verbindung auch geprüft wurde, und zwar hinsichtlich Fm und Erkennung Tag/Nacht, Kennzeichnung eigene Truppe usw.
Da die beiden AFG Pickup „Warnzeichen nicht beachteten“, musste der anmarschierende PzGrenZg gem Befehlsgebung und ROE von Feind ausgehen und hat richtigerweise gefeuert.
Ein guter, klassischer Entschluss des ZgFhr samt Befehle&Maßnahmen!
@Vodoo und Koffer:
Danke für die Rückmeldungen.
Für mich sind diese strukturellen Erfahrungen nur ein Beispiel für die unzureichende Lernfähigkeit des Gesamtsystems Bundeswehr.
Wenn ich von einer umfassenden Auswertung des Karfreitagsgefechts spreche, dann geht es mir nicht um die Einzelentscheidungen des Zugführers, sondern um systemische Erkenntnisse in allen relevanten Bereichen (Führung, Struktur, Personal, Ausbildung, Material, etc).
Bei der Struktur muss man im Einsatz sicher auch immer Kompromisse machen, aber ich kann eben nicht nachvollziehen warum eine Schutzkompanie für MINUSMA immernoch die gleichen Probleme durchläuft wie eine Schutzkompanie für Kunduz vor 15 Jahren (Struktur und Material passen nicht zur jeweils beauftragten Kompanie).
Ich gebe auch Vodoo Recht, wenn man den Kohäsionsgedanken (siehe Kampfkraft, van Creveld) konsequent zu Ende denkt werden zumindest wesentliche Teile der Grobstruktur in Frage gestellt.
Dazwischen liegt aber – auch vom Karfreitag – eine weitere Erkenntnis: Das unterschiedliche „mind-set“.
Die Aussagen des Feldjägers in der NDR-Reihe „Killed in Action“ sind dabei interessant, dem von seinen vor dem Einsatz in Kunduz im Jahr 2010 suggeriert wurde er werde vorallem im Feldlager eingesetzt und wohl erst am PHQ die Rules of Engagement wirklich verinnerlicht.
Wenn ich mir dann die aktuellen Jahresberichte des Wehrbeauftragten und darin die Probleme in der Einsatzvorbereitung und im Einsatz anschaue, dann kommen bei mir schon Zweifel auf, ob und wieviel wirklich gelernt wurde.
Das ist das eigentlich Beunruhigende daran, da somit vermeidbare Fehler vorprogrammiert sind. Im Einsatz mit teilweise sehr schwerwiegenden Folgen.
Es fehlt der wirkliche „Ruck“ in der gesamten Organisation Bundeswehr.