Coronavirus: Finnland sagt Beteiligung an Übung ‚Cold Response‘ ab (Nachträge)
Ausbreitung und Folgen des neuartigen Coronavirus SARS-CoV2 und der dadurch ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 sind (bislang) kein sicherheitspolitisches Thema – aber sie haben inzwischen auch Auswirkungen auf Streitkräfte: Die finnische Armee sagte die Beteiligung an der Übung Cold Response 2020 im Norden Norwegens ab, nachdem dort ein Verdachtsfall aufgetreten war. Die übrigen Nationen, darunter Deutschland, halten bislang an der Übungsbeteiligung fest.
Aus der Mitteilung der finnischen Streitkräfte vom (heutigen) Sonntag:
Die Teilnahme der Streitkräfte an der von den norwegischen Streitkräften vom 9. bis 19. März 2020 in Nordnorwegen durchgeführten Übung Cold Response wurde abgesagt. Die Armee beschloss, sich aufgrund der neuesten Informationen über das Coronavirus von der Übung zurückzuziehen.
Rund 400 Personen der Jäger-Brigade und der Kainuu-Brigade sollten an der Übung teilnehmen. Die Verlegung der Truppen zur Übung wurde heute, am 8. März, ausgesetzt, und die Truppenteile sind nicht nach Norwegen gereist.
Bereits am Freitag hatten die norwegischen Streitkräfte von dem Verdachtsfall im Rahmen der Übung berichtet:
Die Proben aus den 20 engen Kontakten der Person, die am Donnerstag im Lager Skjold positiv auf Korona-Infektion getestet wurde, lieferten keine schlüssige Antwort. Ein erneuter Test der 20 Personen wird kommende Woche durchgeführt.
(…)
Die gesamte Skjold-Garnison wurde sofort geschlossen, als bestätigt wurde, dass eine Person bei einem Koronatest positiv getestet wurde. Die Quarantänemaßnahmen im Lager Skjold werden vorerst fortgesetzt. Inzwischen sind rund 850 Menschen im Lager unter Quarantäne gestellt.
Nach Angaben der US-Streitkräfte betrifft die Quarantäne auch 23 U.S. Marines, wie die Soldatenzeitung Stars&Stripes berichtete:
Almost two dozen U.S. soldiers in Norway for a large-scale exercise are in quarantine isolation after possibly encountering a Norwegian service member who tested positive for the coronavirus, the Marine Corps said Friday.
The U.S. soldiers are among the roughly 1,500 personnel from the U.S. Army, Air Force, Marine Corps and Navy in Norway participating in Exercise Cold Response 20, slated to run through March 18.
The Norwegian service member and the 23 soldiers were training at Skjold Garrison in the Troms region of Norway, the Marine Corps said in a statement.
Auf die Bundeswehr, die mit Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 an der Übung teilnimmt, hat das bislang keine Auswirkungen. Es gebe keine Meldungen von einer Änderung der deutschen Beteiligung, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Sonntag.
Nachtrag aus einem anderen, deutlich stärker betroffenen Land: Der Chef des italienischen Heeres, Salvatore Farina, ist nach einem Bericht des italienischen Senders RAI mit Coronavirus infiziert:
Heute habe ich mich dem Coronavirus-Test unterzogen, der positiv war. Es geht mir gut, ich bin in meinem Quartier in Isolation, in Übereinstimmung mit den von den Regierungsbehörden erlassenen Richtlinien und den vorgesehenen Gesundheitsprotokollen; demzufolge werden wir die Kontakte, die wir in den letzten Tagen hatten, überprüfen. Ich werde meine Pflichten weiterhin erfüllen und für die Aktivitäten, an denen ich nicht teilnehmen kann, durch General Bonato ersetzt werden. Ich grüße und danke den Frauen und Männern der Armee, die sich im operativen, logistischen und gesundheitlichen Bereich für diese Notlage einsetzen.
Nachtrag 2: Bereits am Freitagabend (New Yorker Zeit; Samstag deutscher Zeit) hatten die Vereinten Nationen mehrere Länder gebeten, wegen der Virus-Ausbreitung den Kontingentwechsel ihrer Truppen in UN-Einsätzen zu verschieben, wie Associated Press meldete:
Nine countries that contribute troops and police to the United Nations’ far-flung peacekeeping operations are delaying bringing in replacements for three months because of the new coronavirus, the United Nations said Friday. (…)
The Department if Peace Operations said it will have to suspend or postpone some planned deployments or rotations to peacekeeping operations in Congo, Lebanon and South Sudan and its border with Sudan.
As of Friday, the countries adjusting their troop and police plans are Cambodia, China, France, Germany, India, Italy, Nepal, South Korea and Thailand, the department said.
Die Auswirkungen für die Bundeswehr gehen daraus nicht eindeutig hervor: Bei UNIFIL (Libanon) gab es bereits kürzlich einen Besatzungswechsel auf der Korvette Ludwigshafen am Rhein. Im Sudan sind derzeit vier, im Südsudan zwölf deutsche Soldaten im Blauhelmeinsatz – damit dürfte diese Bitte für die Betroffenen ärgerlich sein, aber bedeutet keine große Truppenverschiebung.
Update dazu: Ich hatte nicht im Blick, dass demnächst der Kontingentwechsel bei MINUSMA in Mali ansteht (danke für den Leserhinweis). Ob und ggf. wie sich die UN-Bitte darauf auswirkt, ist bislang noch unklar.
Nachtrag 3, am Montag: Die NATO meldet den ersten bestätigten Fall in ihrem Brüsseler Hauptquartier:
We can confirm that one NATO staff member working at NATO HQ in Brussels has tested positive for COVID-19. The staff member had come back from a holiday in northern Italy, felt unwell at the end of last week, and was tested due to the onset of fever-like symptoms. The staff member is currently at home in self-isolation. Within minutes of receiving the result, all the immediate work colleagues were informed. They had been working from home at the end of last week and continue to do so. All NATO headquarters staff have also been informed of the confirmed case. NATO continues to monitor the situation on an ongoing basis and to take all necessary measures.
(Weiter ggf. nach Entwicklung.)
(Foto oben: Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 bei einem Spähtrupp im Norden Norwegens – Jana Neumann/Bundeswehr via Facebook; Übersetzungen via Google Translate; Italienisch via deepl.com; Karte: Norwegisches Verteidigungsministerium; Foto unten: Farina im Februar 2017 als Befehlshaber des NATO Joint Forces Command Brunssum)
Zumindest ungewöhnlich bei sonstiger Reserviertheit im Einsatz SK.
@Deutsches_Heer
Gelebte #Spiritualität: Im Schnee Norwegens beim gemeinsamen Feldgottesdienst der Gebirgsjäger aus #Bischofswiesen.
https://mobile.twitter.com/Deutsches_Heer/status/1236577731451727873/photo/1
Niederlande prüfen, inoffiziell wenigstens. Ähnliches dürfte auchnbierzulande zutreffen, was dann getrost kommuniziert werden dürfte. M.E. wäre dies force protection.
Streitkräfte aus USA, UK, NLD, DEU, FRA, BEL, DNK, FIN, SWE, NOR könne betroffen sein.
Außerhalb Nordnorwegen, in Norditaliens „Red Zone“, wurden drei Fliegerhorste unter Qurantäne gestellt. https://mobile.twitter.com/MMQWalker/status/1236403025155104768/photo/1
Istrana/Venetien und Cervetia/Emilia-Romagna beherbergen ITA JaboGeschw 51 bzw. Teile 15. HubSchrGeschw, das ein ausschließlicher SAR Verband ist und 155 ECR Tornado Staffel Ghedi als Betroffene.
Genau so wie sich der deutsche Soldat am Eisblock wärmt und höchstens vor Wut zittert, dass es nicht noch kälter ist, zeigt er sich als absolut unempfindlich gegen jedwede Unbill der Natur! Dies schließt auch neuartige Viren mit ein.
Interessanterweise wurden die aktuellen Ereignisse bereits 2011 verfilmt: „Contagion“.
Ich hoffe ich handele mir nicht wieder Schelte ein?
Nachdem heute durch den Gesundheitsminister die Empfehlung ausgesprochen wurde, Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen, bleibt abzuwarten, wie die Bundeswehr zukünftig reagiert. Demnächst steht die multinationale Großübung European Challenge zur Zertifizierung der EUBG an. Sicherlich interessant, wie die multinationale Beteiligung, nach Absage der Finnen bei Cold Response, noch aussehen wird.
So vermummt und mit Abstand hinter einander fahrende, wie auf dem Foto hier, würden es die Gebirgsjäger und Marines nicht so leicht schaffen, sich anzustecken. Da dürfte der Aufenthalt in der Kaserne/Lager oder Feldgottesdienst viel leichter zur Ansteckung führen
Ich rate mal, daß die BW ihr Fähnchen schnell in den Wind stellt, die Übung abgebrochen wird und die deutschen Soldaten nach Hause geholt werden, obwohl das Risiko dadurch steigt, daß der Virus weiter verbreitet wird.
Ich finde die Finnen übertreiben mit dem nicht entsenden der Soldaten. Eine getrennte, geänderte Unterbringung wäre doch sicher eine Alternative gewesen.
Wenn der Virus sich weiter ausbreitet, stehen in ein paar Wochen wahrscheinlich alle Nato-Truppen in Europa unter Quarantäne.
Als Anmerkung. Das 1. Bild ist ein Fernspäher der LLAufklKp 260/310 (LLBrig 1)
mit freundlichen Grüßen,
siehe Bildbeschreibung bei Bundeswehr (FB/Instagram)
[Auf FB ist das leider nicht so klar gekennzeichnet, das Bild bei Instagram finde ich gerade nicht. Danke für den Hinweis. T.W.]
@Wiegold: Nachfrage, weil der Nachtrag mit dem italienischen General scheint mir etwas missverständlich zu sein. Der italienische General ist in Italien und hat sich dort infiziert, so verstehe ich Ihren Nachtrag. Und der italienische General ist damit nicht der infizierte Soldat im Norden von Norwegen in Skjold?
[Pardon, wenn das missverständlich war: Nein, General Farina ist in Italien, das hat mit dem Fall in Norwegen nichts zu tun. T.W.]
@timo
Ah, das erklärt das EOTech Visier! Danke!
Und in zwei wochen läuft der Schnabeldocktor hinterher. Abwarten. Dass ganze entwickelt nun doch eine gewisse Dynamik. Ich habe mich schonmal mit Corona extra eingedeckt.
Die Spanische Grippe hat historisch uns einiges gelehrt, auch wenn das Corona-Virus hier überhaupt nicht mithalten kann.
Es geht nun darum, auf das Gesundheitssystem zu vertrauen, denn eine natürliche Immunisierung der Sicherheitskräfte ist ein sehr schlechte Idee!
Die wirkliche Übung ist nun, wie wir in Friedesnzeit eine Abschreckung aufrecht erhalten können, bis wir ein eine Impfung entwickelt haben.
Was mich dann, wenn es soweit ist, intressiert… wird es eine Impfpflicht geben?
Und auch, wie sieht es bei Rot aus?
@all
Vorsorglich die Bitte: eine grundsätzliche Debatte über das Coronavirus würde hier bei weitem den Rahmen sprengen – deshalb sollten wir sie nicht führen, sondern es auf das ursprüngliche Thema der Auswirkungen auf Streitkräfte (und ggf. Sicherheitspolitik) begrenzen.
@Wiegold
Ja die Bw Redaktion hat es selber ähm verkackt. Wenn Sie bei fb auf die Bildbeschreibungen gehen, sehen Sie „Die Augen des Heeres“ oft als Umschreibung bzw bei einigen Bildern des Posts auch den Begriff Fernspäher.
Allerdings hat man die Fernspäher fälschlicherweise den GebJg zugeordnet. LG
Ich hoffe dieser Link ist zulässig:
https://www.military.com/daily-news/2020/03/08/coronavirus-un-asks-9-countries-delay-peacekeeper-rotations.html
Die UN bittet 9 Staaten, darunter auch Deutschland, ihre Truppenrotation für drei Monate auszusetzen.
Mit Blick auf den beginnenden Wechsel bei MINUSMA und den anstehenden Wechsel in anderen Kontingenten (jedoch keine UN-Mission), durchaus spannend.
Kann mir nicht vorstellen, dass das BMVg bzw. die betroffenen Soldaten da so einfach mitmachen.
Da hängt ja noch viel mehr hinten dran, als einfach „nur“ drei Monate mehr Einsatz.
[Hm, ich glaube, Sie haben den Text oben inkl der Nachträge nicht gelesen. Danke für den Hinweis auf MINUSMA. Aber wieso sollte bei Nicht-UN-Missionen eine Bitte der UN zum Tragen kommen? T.W.]
Ohh, Nachtrag 2 hatte ich verpasst…Entschuldigung.
Naja, angenommen die Bw würde der Bitte der UN nachkommen (was ich zum derzeitigen Zeitpunkt für abwegig halte) und den Ktgt-Wechsel bei MINUSMA aussetzen, dann wäre es ja nur konsequent den, zwei Wochen später einsetzenden, Wechsel bei EUTM auch auszusetzen. Lässt sich in meinen Augen den Soldaten gegenüber sonst nur „schwer verkaufen“.
Gesundheitsminister Spahn bittet jüngst um Mitwirkung zur Eindämmung der Virusverbreitung u.a. Verschiebung/Absage von Veranstaltungen.
Interessant hierbei ist die notwendige Entscheidung der Kommandobehörden über TrÜbPl-Aufenthalte, wo Soldaten nicht selten mit mehr als sechs Soldaten täglich eine Stube über mehrere Wochen teilen und dem engeren Körperkontakt ausgesetzt sind.