Straffere Bundeswehr-Führung für Landes- und Bündnisverteidigung: Luftwaffe plant Umstrukturierung (Korrektur)
Die Bundeswehr arbeitet an einer Straffung ihrer Führungsstruktur für die Landes- und Bündnisverteidigung – und die Luftwaffe hat erste konkrete Schritte angekündigt: Vor allem das bereits bestehende Zentrum Luftoperationen soll auf eine militärische Struktur umgestellt und zum Air and Space Operations Center umgebaut werden. Ähnliche Schritte planen auch Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst für Landoperationen.
Die veränderte Struktur soll der bereits seit Jahren laufenden Umstellung von Auslandseinsätzen als Hauptaufgabe auf die Landes- und Bündnisverteidigung in der NATO auch die dazu passende Führung bereitstellen: Derzeit hat die Bundeswehr zwar ein Einsatzführungskommando, aber (mit Ausnahme von integrierter NATO-Luftverteidigung und maritimen Operationen) kein(e) militärische(n) Operationszentrale(n) für diese Landes- und Bündnisverteidigung.
Die Umorganisation der Führung der Luftstreitkräfte kündigte Inspekteur Ingo Gerhartz in einem Tagesbefehl* an, der am (heutigen) Dienstag in der Truppe verteilt wurde:
Eine stringente Führung ist das A und O des Erfolgs. Hier haben wir in der Luftwaffe, gerade auch mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung, noch Optimierungspotential.
• So werden wir unsere Kommandobehörden in 2020 auf den Prüfstand stellen. Eine innerhalb der Bundeswehr und der NATO kompatible J1-J9 Gliederung der Führungsorganisation der Luftwaffe wird die Richtschnur sein, flache Hierarchien und schlanke Strukturen das Ziel. Zudem muss eine Optimierung unserer Führungsstrukturen für unsere Einsatzverbände mit einem klaren Zugewinn an Personal verbunden sein.
• Zur Stärkung unserer Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung zählt auch die Wahrnehmung unserer Verantwortung in multinationalen Luftkriegsoperationen und im Weltraum. Mit einem Deutschen ‚Air and Space Operations Center‘ (ASOC) werden wir einen zentralen Führungsgefechtsstand in der Führungsorganisation der Luftwaffe verankern.
Ein wenig scheint das schon wie die Abkehr von den Umorganisationen der vergangenen Jahre und eine Rückkehr zu dem, was es auf niedrigerem Niveau schon mal gab – nämlich dem Luftwaffenführungskommando, das 2013 im Kommando Einsatzverbände Luftwaffe und dann im Luftwaffentruppenkommando aufging.
Andererseits läuft das auf eine Konzentrierung der gesamten Luftwaffenführung hinaus, nämlich auf das Kommando Luftwaffe und direkt darunter das – aufgebohrte – Zentrum Luftoperationen in Uedem bei Kalkar am Niederrhein als eine zusammengefasste militärische Kommandozentrale für Luft- und Weltraum.
Was mir – und vermutlich vielen außerhalb der Luftwaffe – bislang nicht bewusst war**: Das Kommando Luftwaffe ist derzeit nicht wie ein militärisches Hauptquartier nach Führungsgrundgebieten organisiert. Das wird sich ändern. Und die Ansage des Inspekteurs, Zudem muss eine Optimierung unserer Führungsstrukturen für unsere Einsatzverbände mit einem klaren Zugewinn an Personal verbunden sein, deutet zusammen mit der neuen Schwerpunktsetzung schon darauf hin, wo der Zugewinn herkommen dürfte: Aus dem Luftwaffentruppenkommando.
Diese Neustrukturierung kann die Luftwaffe vermutlich in eigener Hoheit organisieren – weil es die Strukturen schon gibt, aus denen sie die neue Operationszentrale generiert. Für die Landstreitkräfte sieht das ein bisschen anders aus: eine entsprechende Kommandozentrale für die Landstreitkräfte betrifft mit Heer, SKB und Sanitätsdienst gleich drei Organisationsbereiche. Da muss schon Generalinspekteur Eberhard Zorn das grüne Licht für den Umbau geben. Zumal auch im Ministerium selbst ein Führungselement erst geschaffen werden muss – so was gab es vor Jahren bereits mal mit dem Einsatzführungsstab auf BMVg-Ebene, der dem Einsatzführungskommando vorgeschaltet war**.
Eines ist mir auch erst in Gesprächen mit Fachleuten über die geplante neue Führungsstruktur klar geworden: Da sollen auf nationaler deutscher Ebene Operationszentralen geschaffen werden, die es auch früher nie gab. Denn wenn es um die Führung eines Einsatzes in der Landes- und Bündnisverteidigung ging (besser: gegangen wäre), standen die entsprechenden Kommandozentralen der NATO bereit.
*Zum Nachlesen der Tagesbefehl des Inspekteurs der Luftwaffe vom 10.02.2020:
20200210_Tagesbefehl_Insp_Luftwaffe
**KORREKTUREN:
– die geplante Umorganisation nach Führungsgrundgebieten bezieht sich offensichtlich auf das Kommando Luftwaffe, nicht auf das Zentrum Luftoperationen – da habe ich was falsch verstanden.
– das Einsatzführungskommando gab es, so sagen mir Kenner, bereits, als der Einsatzführungsstab geschaffen wurde.
(Archivbild 2015: NATO Combined Air Operations Centre (CAOC) Uedem und Operationszentrum Luftwaffe; Blick ins Static Air Defence Center Air Policing des CAOC)
@Koffer:
„Außerdem im Krieg, da müsste man dann sehen, wie man das hinbekommen würde.“
Blöderweise ist die gesamte Organisation für den Krieg da. Wenn man dann mal sehen will, ist es sicher zu spät.
Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass das neue Kdo eher für den Grundbetrieb in der Führung der Division vorgesehen ist.
Mal abwarten was da noch alles offiziell gesagt wird.
@ Memoria
Sie sprechen ein großes Wort gelassen aus. Ich glaube ebenfalls nicht, dass wir eine nationale Heeresführungsorganisation aufbauen werden, die in irgendeiner Art und Weise den NATO-Strukturen Konkurrenz machen soll. Dann doch eher ein Drei-Sterne-Kommando, welches das KdoH von der lästigen Truppe befreit, denn das Leben im Stab/Kommando könnte so schön sein, wenn die Truppe nicht wäre ;-).
In Sachen „Truppe führen“ bin ich Laie.
Kann mir jemand erklären, was 2012 denn nun genau passiert ist, als das Heeresführungskommando unter Eingliederung der Anteile des ministeriellen Fü H zum Kommando Heer wurde? Und wieso muss nun ein neues Führungskommando aufgestellt werden?
@Grashüpfer:
Das Kdo Heer ist eine Art aus dem BMVg ausgegliederte Abteilung.
So ist es strukturiert und so „tickt“ es auch (siehe Diskussion weiter oben).
Die Divisionen haben aber praktische Probleme im Alltag (Ausbildung und Übung, Disziplinarverfahren, Logistik). Dies passt im Grundbetrieb nicht immer zueinander, da das KdoH eben eher die mittel- und langfristige Perspektive höhKdoBeh abdeckt (im Dialog mit PlgA, BAIUDBw, BAPersBw) sicherlich notwendig.
@Grashüpfer sagt: 18.02.2020 um 6:21 Uhr
„Kann mir jemand erklären, was 2012 denn nun genau passiert ist, als das Heeresführungskommando unter Eingliederung der Anteile des ministeriellen Fü H zum Kommando Heer wurde? Und wieso muss nun ein neues Führungskommando aufgestellt werden?“
Das KdoH hat (befehlsgemäß!) die Fähigkeit zur Truppen- und Einsatzführung aufgegeben.
Zwar besteht seit dem ein „Restauftrag“ zum Erhalt der Befähigung kleiner und spezieller Einsätze/Operationen, aber durch den Entzug der entsprechenden Ressourcen und den gleichzeitigen Befehl sich prozessorientiert zu gliedern um dem BMVg zuarbeiten zu können, ist es faktisch zur Truppenführung nicht mehr geeignet.
Die Luftwaffe hatte dieses Problem so nie, weil sie zwischen Truppenführung und Operationsführung unterscheidet (und deswegen unterschiedlichen Führungsstrukturen unterhält) und die Marine hat das Problem nicht, weil sie sich mit Verweis auf „Marinebesonderheiten“ ihre OPZ erhalten hat.
@Memoria sagt: 20.02.2020 um 22:35 Uhr
„Das Kdo Heer ist eine Art aus dem BMVg ausgegliederte Abteilung.
So ist es strukturiert und so „tickt“ es auch (siehe Diskussion weiter oben).“
+1 Leider.
Das war noch zu einem gewissen (!) Grade sinnvoll, wenn man die originäre Befehlsgebung TdM mit berücksichtigte, dass das BMVg von operativen Aufgaben befreit werden sollte, es verkleinert werden sollte und deswegen die nachgeordneten Stellen diese Aufgaben vom Ministerium hätten übernehmen sollen.
Da das BMVg (hier vor allem TdM Nachfolgerin, aber auch gewisse Abteilungsleiter) aber faktisch nicht bereit waren den nachgeordneten Stellen auch die notwendigen Freiheiten zu gewähren, ist das BMVg wieder auf alte Stärke aufgewachsen, verliert sich wieder in taktischen und operativen Fragen und das KdoH kann daher weder in seiner aktuellen Struktur weder seine eine noch seine andere Aufgabe ordentlich wahrnehmen.