Bundeswehr stoppt planmäßige Truppenrotation für Irak-Einsatz
Vor dem Hintergrund der Entwicklung im Irak hat die Bundeswehr die planmäßige Rotation von Soldaten für die deutsche Ausbildungsmission dort vorerst gestoppt. Diese Entscheidung habe Generalinspekteur Eberhard Zorn getroffen, teilte das Verteidigungsministerium am Sonntagabend mit. Zuvor hatte das irakische Parlament in einer Resolution den Abzug aller Truppen der internationalen Anti-IS-Koalition gefordert.
Die Entscheidung des Generalinspekteurs machte das Ministerium zuerst über Twitter bekannt:
In den kommenden Tagen hätten planmäßig rund 60 Soldaten im Rahmen des Kontingentwechsels in den Irak verlegt werden sollen; die meisten von ihnen vom Jägerbataillon 413 aus Torgelow. Einige Soldaten waren bereits in den vergangenen Tagen aus Deutschland nach Erbil im Nordirak geflogen.
Die Bundeswehr ist als Teil der US-geführen Operation Inherent Resolve derzeit mit rund 130 Soldaten im Irak präsent, die irakische Sicherheitskräfte ausbilden. Rund 90 von ihnen sind in Erbil in der vergleichsweise ruhigen Kurdenregion im Norden des Landes stationiert, knapp 30 in Taji im Zentralirak.
Bereits am vergangenen Freitag hatte der OIR-Kommandeur, US-Generalleutnant Pat White, die Ausbildungsmaßnahmen der an der Anti-IS-Koalition beteiligten Truppen ausgesetzt. In einer Mitteilung am (heutigen) Sonntag erklärte das OIR-Kommando, der Eigenschutz der Soldaten habe derzeit Vorrang vor der Ausbildung der Iraker. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte allerdings am (gestrigen) Samstagabend, Deutschland wolle sich unverändert im Kampf gegen den Islamischen Staat engagieren.
Den Europäern sei daran gelegen, Irak im Vorgehen gegen den IS weiter zu unterstützen, erklärte auch Außenminister Heiko Maas am Sonntagabend:
Wir haben Irak gemeinsam mit den Koalitionspartnern geholfen, den Kampf gegen IS zum Erfolg zur führen, militärisch, aber auch mit einem beispiellosen zivilen Stabilisierungsbeitrag. Dieser Kampf ist noch nicht vorbei, IS ist nach wie vor eine ernste Bedrohung. Wir sind bereit, unsere Unterstützung weiterzuführen, wenn sie gewünscht ist und die Lage es erlaubt. Um dies mit unseren internationalen Partnern zu beraten, sollte es schnellst möglich ein Treffen der Anti-IS-Koalition geben.
Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen genau im Blick haben müssen, welche Konsequenzen sich aus den irakischen Entscheidungen ergeben und inwieweit die praktischen und rechtlichen Voraussetzungen für unser Engagement vor Ort noch erfüllt werden können. Oberste Priorität bleibt die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten.
Für den (morgigen) Montag hat NATO-Generalsekretär ein Treffen des Nordatlantikrats angekündigt, bei dem es um die Entwicklung im Irak gehen soll. Die Anti-IS-Koalition steht nicht unter Führung der NATO, allerdings ist ein Großteil der Bündnismitglieder daran beteiligt.
(Archivbild August 2018: German infantry soldiers participate in a combined forces endurance stress shoot at Camp Taji, Iraq – U.S. Army photo by Spc. Audrey Ward)
heißt das, dass die im Einsatz stehenden Kräfte jetzt länger vor ort bleiben?
oder werden diese abgezogen mit der Kosnequenz, dass das Kontigent faktisch (temporär) aufgelöst wird?
Bitte um kurze Interpretationshilfe was das “Aussetzen der Rotation” konkret bedeutet:
A: Das aktuelle Kontingent wird abgezogen, es rückt niemand nach (also quasi ein “gesichtswahrender ABZUG”
B: Das aktuelle Kontingent bleibt erst mal auf unbestimmte Zeit weiter vor Ort und wird einstweilen nicht abgelöst.
Variante B kann ich mir allerdings kaum vorstellen. Gibt es eine Variante C?
Würde mich über kurzen Klartext freuen.
Danke vorab.
[Glauben Sie mir, ich auch. Welche Variante gilt, habe ich am Sonntagabend nicht herausfinden können. T.W.]
Ich tippe auf M2 (B), schließlich muß das jetzt mit der irakischen Führung abgestimmt werden. Zudem ist ein „low profile“ derzeit angesagt, man sollte dort nicht prominent in Erscheinung treten.
An der Mission will man ja b.a.w. festhalten.
@Poo: Ich weiß es nicht, welche Variante gilt, aber ich vermute, daß die Variante B gemeint ist. Denn die größte Gefahr dürfte im Moment, im Zentralirak sein, Soldaten vom Flughafen zum Stützpunkt oder zurück zu transportieren. So daß ich davon ausgehe, daß der An- und Abtransport von Soldaten im Moment vermieden werden soll. Die Variante A würde dieses Risiko beim Transport aber gerade verursachen. Deshalb erscheint es mir logisch, daß die Soldaten, im Moment im Irak sind, ggf. noch Wochen oder Monate in ihren Stützpunkten ausharren sollen, bis sich die Lage beruhigt hat oder die deutschen Soldaten zusammen mit den US-Truppen abziehen können. Die die US würden ihre Truppen(wenn überhaupt) sicher nur in stark geschützten Konvois abziehen oder mit Hubschraubern rausholen.
@POO
Die Truppe bleibt am Einsatzort bis Ablösung kommt oder der Auftrag für beendet erklärt wird und rückt dann ab.
Alter Grundsatz.
Welche Möglichkeiten hätten denn die Europäer überhaupt ihre Kräfte aus dem Irak ohne Hilfe der USA abzuziehen?
@Kay sagt:06.01.2020 um 11:06 Uhr
„Welche Möglichkeiten hätten denn die Europäer überhaupt ihre Kräfte aus dem Irak ohne Hilfe der USA abzuziehen?“
Wieso? Fahren die Fahrzeuge der Europäer nicht? Und besitzen „die Europäer“ keine Hubschrauber und Flugzeuge? Zur Not wird über die Türkei abgezogen, zumindest für die Kräfte im Nordirak kein Problem.
@Kay sagt: 06.01.2020 um 11:06 Uhr
Sie könnten die Russen bitten…
/sarc off
(Die Idee ist doch nicht ganz so scherzhaft. Die US-Regierung hat einmal ganz offiziell bei Ausbruch des Bürgerkrieges in Tadschikistan und von Kämpfen direkt um die Hauptstadt die russische Regierung um Evakuierung ihrer Staatsangehörigen gebeten, Botschaftspersonal usw., was die Russische Armee dann auch gemacht hat. Die Bitte war aber ein einmaliges Ereignis, das es nicht wieder gegeben hat.)
@ Kay
Bisher kann dort auch alles ohne die hilfe Verbündeter gemacht werden.
Wüsste nicht wofür Kräfte in Erbil oder Taji Unterstützung benötigen würden.
Dafür können die wege genutzt werden die beim Kontingentswechsel genutzt werden.
Der personelle Abzug geht doch relativ flott.
Die Masse der deutschen Kräfte ist in Erbil stationiert. Fußweg vom Lager zum Flughafen-Terminal 15 Minuten.
Der Transport von Taji nach Erbil ist da schon etwas kniffliger. Nach Bagdad ist es da zwar kürzer, aber die Stadt würde ich eher meiden.
Es gibt aber sicherlich Wege, wie man jetzt auch die normale Rotation in Taji durchführt hätte, bzw. wie man dort hingelangt (Hubschrauber, Osprey, etc.). Irgendwie wird es gehen und es dürfte nicht die unüberwindbare Herausforderung werden.
Materiell sieht es da schon etwas anders aus.
Zwar ist das Lager in Erbil unter der Verwaltung von Ecolog/NSPA, aber das ganze Material was nicht Wohn-/Bürocontainer ist gehört der Bundeswehr und das muss irgendwie nach Deutschland.
Das wird dauern, bis man das durch die Matschleuße gebracht, in SAP gebucht, in Container verpackt, geprüft, etc. und in die Antonov verladen hat.
Dafür braucht es wiederum Personal vor Ort, welches sich aktuell sicherlich nicht im Kontingent befindet, sondern in Deutschland vorgehalten wird.
Hoffen wir mal, die Kameraden haben alle schon ein Visum. ;-)
Nein, es muss nicht wieder nach Deutschland, es wäre zwar nett wenn das praktikabel wäre
Das ganze Material ist ersetzbar, das Leben der Soldaten nicht