Bundeswehr-Präsenz im Irak „ausgedünnt“, Soldaten zum Teil ausgeflogen
Die Bundeswehr hat einen Teil ihrer Soldaten, die in der Anti-IS-Koalition im Irak im Einsatz waren, vorübergehend aus dem Land abgezogen. Das Kontingent werde auf Anweisung der US-geführten Operation Inherent Resolve“ (OIR) vorübergehend ausgedünnt“, teilten Außenminister und Verteidigungsministerin dem Bundestag mit. Angebliche Mitteilungen des OIR-Kommandos an den Irak zu einem Abzug de Koalitionstruppen führten derweil zu Verwirrungen.
Die Ressortchefs von Auswärtigem Amt und Wehrressort, Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer, hatten am späten (gestrigen) Montagabend in einem Schreiben an Auswärtigen und Verteidigungsausschuss des Parlaments über die deutsche Haltung zur Lage im Irak informiert. Zur Bundeswehr heißt es darin:
Nach der gestrigen Resolution des irakischen Parlaments, die für die irakische geschäftsführende Regierung empfehlenden Charakter hat, haben wir unzüglich weitere Gespräche mit der irakischen Seite aufgenommen, um zu klären, wie sie das künftige Verhältnis zur internationalen Anti-IS-Koalition und den weiteren Anstrengungen der internationalen Seite gestalten will. Wir werden hierzu auch hochrangige Vertreter für Konsultationen nach Bagdad entsenden. Selbstverständlich werden wir jede souveräne Entscheidung der irakischen Regierung respektieren. Bis diese Klärung erfolgt ist, wird aus Sicherheitsgründen auf Anordnung der Combined Joint Task Force Inherent Resolve das deutsche Kontingent in Irak vorübergehend ausgedünnt; dies gilt insbesondere für die Standorte Bagdad und Taji. Die dort eingesetzten Soldaten werden zeitnah nach Jordanien und Kuwait verlegt. Wenn die Ausbildung wieder aufgenommen werden soll, können diese Kräfte zurückverlegt werden.
Die 32 deutschen Soldaten aus Taji im Zentralirak trafen bereits am (heutigen) Dienstagmorgen in Jordanien ein. Die Bundeswehr hatte sie mit einem A400M der Luftwaffe auf die Basis al-Azraq ausgeflogen, wo die für die Luftaufklärung ebenfalls im Rahmen der Anti-IS-Koalition stationierten deutschen Tornados und ein A400M als Tankflugzeug stationiert sind. Drei Bundeswehrsoldaten aus dem OIR-Hauptquartier in Bagdad wurden nach Kuwait (KORREKTUR) verlegt, wie das deutsche Verteidigungsministerium mitteilte.
Insgesamt waren bisher im Irak gut 120 deutsche Soldaten stationiert; das Kontingent in Erbil in der Kurdenregion im Norden des Landes ist von dem Teilabzug bislang nicht betroffen
Am Vorabend hatte es auch Verwirrung um ein Schreiben aus dem OIR-Hauptquartier gegeben, in dem die Vorbereitung eines Abzug der US-geführten Koalition aus dem Land angekündigt wurde. Nach Darstellung des US-Verteidigungsministeriums soll es sich um einen nicht abgestimmten Entwurf handeln; dagegen meldeten mehrere Medien, der Erhalt dieses Schreibens sei von irakischer Seite bestätigt worden. Das hat sich bislang noch nicht geklärt.
(Foto: U.S. Army Soldiers provide armed overwatch at the U.S. Embassy Compound in Baghdad, Iraq, Jan. 1, 2020 – DoD photo by British Lt. Col. Adrian Weale)
Aus meiner Sicht eine folgerichtige Maßnahme, die selbst von der Opposition heute morgen im MoMa gelobt wurde.
Das ist eine richtige Entscheidung, denn die Lage ist doch sehr angespannt und riskant. Ein dort bleiben und sich verschanzen wäre sinnlos.
Zudem zeigt es Respekt gegenüber dem irakischen Parlament.
Im Norden, wo die Kurden die Mehrheit der Bevölkerung stellen, ist es ja ruhiger und die Ausbildung dort auch wichtig.
Guten Morgen. Natürlich sind die Kameraden auch zu schützen. Aus meiner Sicht handelt es sich bei der Ausdünnung (sic) aber um eine eher politisch motivierte Maßnahme. Zum einen für die „Ruhe“ in Opposition und sogar Koalition, zum anderen ist natürlich das kollektive Verhalten in OIR erforderlich. Insgesamt ist es so, das wir Soldaten einfach nur die Bauern im Schachspiel sind. Also im Auftrag und Einsatz variabel verfügbar …
Warum eigentlich gerade Jordanien und Kuwait? Naiv würde ich denken, man könne die Leute auch zeitweise nach Deutschland verlegen.
Was ist der Hintergrund dies nicht zu tun?
@Bruno
Dann bleiben die Kräfte „in theatre“ (i.w.S.). Wenn sie erst in der Heimat sind sind sie quasi „aus dem Einsatz heraus“ und werden sicher nicht kurzfristig zurückverlegbar sein, zumindest wäre dies politisch sehr schwierig.
@Bruno
Das Ausfliegen (zunächst) nach Al-Azraq war die Option die man am schnellsten umsetzen konnte, da man den ohnehin dort stationierten A400m nutzen konnte.
Und so ganz nebenbei darf man der Luftwaffe jetzt hiermit zum ersten Einsatzflug eines deutschen A400m in den Irak gratulieren 😉
@Bruno: Ich denke, dass man erstmal die eigenen Soldaten in Sicherheit gebracht hat. Von Jordanien und Kuwait aus kann man die Truppe nach Hause fliegen, evtl dort die Iraker ausbilden (?) oder sie kehren nach einiger Zeit wieder zurück?
Man will ja seitens Bundesregierung mit der Regierung des Irak abklären, wie es in Zukunft weiter geht.
Also noch nichts final geklärt.
Da Deutschland in Irak und Iran ein gutes Ansehen hat, und Gespräche am Samstag mit Putin ausstehen, muss man einfach ein klares und umfassendes Bild bekommen.
Dann kann man weiter sehen.
Russland ist ein wichtiger Player im Nähen Osten, und Frau Merkel versteht sich sehr gut mit Herrn Putin.
Wenn es Lösungen gibt, dann können beide Nationen etwas erreichen.
Ich weiss, dass dies ein Blog für Sicherheitspolitik ist. Dennoch will ich gerne zum Thema machen, dass im Irak nicht nur deutsche Soldaten stationiert sind sondern auch zivile Kräfte – gemäß der Grundidee deutschen Außenpolitik, die Zivile Krisenprävention komplementär mitlaufen zu lassen. Ich sehe nicht, dass dieses Komplement mit im Blick gehalten wird. Es kann doch nicht allein um die Sicherheit von Soldaten gehen. Die zivilen Kräfte brauchen auch Sicherheit. Eine Entkopplung beider Themen ist nicht wirklich zielführend.
Unter den wenigen Wortmeldungen, die beides zusammenhalten, sehe ich, dass der Chef der Bundessicherheitsakademie, der aus dieser Szene kommt, in seinem Blogbeitrag für „dableiben“ zu werben versucht:
https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/angebakst_20-1.pdf
und ich sehe, dass ausgerechnet der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Totalabzug wirbt
https://www.evangelische-friedensarbeit.de/artikel/2020/ekd-friedensbeauftragter-tief-besorgt-ueber-drohende-eskalation-im-golf
Ich frage mich, ob man Streitkräfte, die in Minenräumung schulen, und Einheiten, die zum Schutz der zivilen Kräfte da sind, nicht gleichsam „umbenennen“ kann, sodass sie dem Wortlaut der Entscheidung des Irakischen Parlaments nicht unterfallen – sinngemäß wäre es auch meinem Urteil.
Sicherheitsgründe? In anderen Darstellungen habe gelesen, das nicht benötigtes Personal ausgeflogen werden soll. Das Argument der „Sicherheit“ sollte hier nicht überstrapaziert werden. Soldaten haben einen Auftrag, durchaus im gefährlich Umfeld, also auch wo es unsicher ist. Gerade die Politik sollte der Öffentlichkeit das klar machen, meist verstecken die sich aber.
@ Ökonom: danke für die Hinweise bzw. Links. Allerdings bin ich vom Präsidenten der BAKS etwas überrascht – nicht positiv. Das ist doch sehr allgemein gehalten und hätte manch Journalist – sicher auch T.W. – verfassen können. Ich hätte mir eher einen klareren strategischen Impuls oder eine Idee zum weiteren Vorgehen gewünscht. Schade.
@ACClaus: gefährlich ist es derzeit nur bedingt. Jedoch ist eine solche Ausbildungsmission per se kein gefährlicher Auftrag und hätte wohl auch kaum die parlamentarische Zustimmung erhalten, wenn es so wäre. Die Rahmenbedingungen müssen schon geeignet sein, um Ausbildungsziele zu erreichen. Von daher nix mit unsicher und gefährlich und so, nur weil ja Soldat …
Es besteht zwar keine Gefahr im Augenblick, aber wir ziehen uns schon mal vorsichtshalber zurueck. Deutschland zeigt mal wieder das es nicht mal hart auf hart kommen muss damit wir unsere Sachen packen und uns aus der Gefahrenzone bringen. Under jeder der jetzt wieder argumentiert das keiner zu Schaden kommen soll, versucht bitte mal erklaeren, warum wir ueberhaupt Streitkraefte haben. Zu Schaden kommen ist ein „occupational hazard“. Ansonsten sollten wir uns ueberlegen eine DEU Version der Wagner Group oder Blackwater fuer solche Sachen aufzulegen. Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass es der Masse unserer Jungs und Maedels hochgradig peinlich ist sich in Sicherheit zu bringen zu muessen und keiner von denen ist scharf drauf in 4 oder 6 Wochen wieder zurueck zu gehen und sich zum Gespoett der anderen Nationen zu machen! Vorallem wenn sie nun in Kuwait (wahrscheinlich in einem der dortigen US-Camps) ausser viel Sport, Kino und 4 Mahlzeiten am Tag nichts machen werden (koennen/duerfen).
@JohSte
Sie haben da was vergessen – Ihre Kritik gilt dann natürlich auch anderen Nationen wie Kanada, den Niederlanden, Kroatien und der NATO insgesamt, die ebenso wie die Deutschen Truppen aus dem Irak raus verlegt haben. Insofern ist natürlich die Frage, zum Gespött welcher anderen Nationen die sich alle machen, weil sie eine Anweisung des US-geführten OIR-Hauptquartiers befolgt haben. Aber das mit Befehl und Gehorsam scheint ja nicht mehr so hoch geschätzt.
@Holzi: Ja, sehe ich auch so, mit der mangelnden Konkretion beim Präsidenten des BAKS.
Deswegen habe ich das hier geteilt – scheint mir auch nicht-trivial, das operationell handhabbar zu formulieren. Es sind eben Soldaten, die für Minenräumung ausbilden. Und wenn alle Soldaten aus dem Irak heraus sollen, wenn gilt „to end the presence of any foreign troops on Iraqi soil“, dann können die Ausbilder nur weitermachen, wenn sie nicht zu „foreign troops“ gehören. Wie man das organisieren kann, dass dieselben Fachkräfte unter anderem Titel ihre Arbeit weiter leisten können, übersteigt meine Phantasie.
Möglich aber muss es sein – denn auch dem Sinne der Resolution des Irakischen Parlaments soll es möglich sein, dass dieses Training weitergeführt wird. Eine naheliegende Lösung wäre die Weiterführung auf dem Boden eines Drittstaates – aber das wäre nur kostspieliger.
Bruno sagt:
07.01.2020 um 10:22 Uhr
„Warum eigentlich gerade Jordanien und Kuwait? Naiv würde ich denken, man könne die Leute auch zeitweise nach Deutschland verlegen.
Was ist der Hintergrund dies nicht zu tun?“
Zu Jordanien haben andere schon geschrieben. Bezüglich Kuwait schreibt SPON unter Berufung auf dpa, dass das OIR-Hauptquartier teilweise dorthin verlegt wird.
@Ökonom
Mal wild gesponnen…. wenn man die Ausbilder mit etwas Phantasie nicht als „troops“, sondern als zivile Helfer einsetzen/definieren würde, dann wäre die Präsenz natürlich denkbar. Ob das realistisch ist, keine Ahnung.
@sakrileg sagt:08.01.2020 um 11:27 Uhr
“ @Ökonom
Mal wild gesponnen…. wenn man die Ausbilder mit etwas Phantasie nicht als „troops“, sondern als zivile Helfer einsetzen/definieren würde, dann wäre die Präsenz natürlich denkbar. Ob das realistisch ist, keine Ahnung.“
Warum sollte man von Seiten der OIR-Streitkräfte solche Verrenkungen machen? Nur um im Land bleiben zu können? Die irakische Regierung kann einfach sagen, was sie möchte und was nicht.
Und wie sollen aus Militärs „zivile Helfer“ werden, die Militärs ausbilden? Das macht doch gar keinen Sinn.
@Pio-Fritz:
Ich ging jetzt nur auf Ökonom ein und habe versucht folgende Frage zu beantworten: „Wie man das organisieren kann, dass dieselben Fachkräfte unter anderem Titel ihre Arbeit weiter leisten können, übersteigt meine Phantasie.“
Ob das Sinn ergibt, gewollt ist oder sonst etwas, darum gings in meinem Beitrag nicht unbedingt.
@TW
„….weil sie eine Anweisung des US-geführten OIR-Hauptquartiers befolgt haben. Aber das mit Befehl und Gehorsam scheint ja nicht mehr so hoch geschätzt.“
Welche Anweisung ist das denn gewesen? Der Brief den die Iraker bekommen haben kann das ja wohl nicht gewesen sein: „The top US general said Monday a letter suggesting the US would withdraw troops from Iraq was released by mistake and poorly worded, telling reporters „that’s not what’s happening.“ (CNN).
Auch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Amerikaner den Teilnehmern von OIR einen Befehl geben Soldaten aus irgendwelchen HQs im Irak abzuziehen. Aber man weiss ja nie!!!
Und was meine Aussage angeht, dass man sich zum Gespoett macht, kann man wahrscheinlich nur nachvollziehen wenn man selbst mal im Einsatz gewesen ist. Man muss sich vorstellen das Soldaten von jetzt auf gleich abgezogen werden, weil es moeglicherweise gefaehrlich wird und deren Aufgaben nun auch noch von anderen uebernommen werden muessen in Zeiten wo die Lage eh schon angespannt ist. Und dann, 4-6 Wochen spaeter, kommen unsere Jungs zurueck und muessen mit ihren Kameraden, die im Lager geblieben sind, zusammenarbeiten. Ich persoenlich wuerde mir diese Schmach gerne ersparen und ich bin mir ziemlcih sicher, dass es einem Grossteil der Evakuierten auch so geht!
[Sie haben gelesen, dass andere Nationen ebenfalls ihre Soldaten aus Irak abgezogen haben, oder lieber nicht, damit es Ihre Meinung nicht beeinträchtigt? Dass Sie dem BMVg vorwerfen, es habe mit der Aussage gelogen, die Verringerung des HQ-Personals sei auf Weisung der OIR-Führung erfolgt, ist Ihr Problem, nicht meins. T.W.]