Technik-Schluckauf – deshalb ein Nachtrag hier

Augen geradeaus! hat derzeit einen kleinen technischen Schluckauf – den Text zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe ich mit einer Einschätzung des Politikwissenschaftlers Carlo Masala ergänzt, aber diese Ergänzung wird derzeit nicht angezeigt. Das Problem ist in Arbeit (‚Techniker ist informiert‘), bis dahin der Text dazu hier:

Ich habe mal den Politikwissenschaftler Carlo Masala* von der Bundeswehruniversität München nach seiner Einschätzung der Gerichtsentscheidung und vor allem der Aussagen zu den Systemen kollektiver Sicherheit gefragt – seine Antwort im Wortlaut:

Das Bundesverfassungsgericht versteht den Unterschied zwischen kollektiver Sicherheit und kollektiver Verteidigung nicht. Ein System kollektiver Sicherheit stellt für seine Mitgliedsstaaten Garantien bereit, falls diese von außen angegriffen werden, aber vor allem, falls es militärische Auseinandersetzungen zwischen ihnen geben sollte. Im letzteren Fall sieht das System kollektiver Sicherheit vor, dass Mechanismen – unabhängig vom Willen der Mitgliedsstaaten –  greifen, um diesen Konflikt beizulegen.

Ein System kollektiver Verteidigung ist ausschließlich für die Abwehr eines Angriffes eines seiner Mitglieder von außen gedacht. Legt man diese Unterscheidung zugrunde, dann ist nur die UN (mit Abstrichen) als ein System kollektiver Sicherheit zu bezeichnen.

Die NATO ist ein System der kollektiven Verteidigung (so nennt sie sich ja selbst). Deswegen hat sie auch nie in den Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei eingegriffen – weil es dafür keine Mechanismen gibt. Und der EU-Vertrag sagt: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.“ Das klingt erstmal nach Angriff von außen und ist somit kein System kollektiver Sicherheit, sondern ein System kollektiverVerteidigung.

Nun ist es gut für Deutschland, dass das Bundesverfassungsgericht das mit der kollektiven Sicherheit so einordnet, aber es ist ein kategorialer Fehler des Gerichts.

Ad-hoc-Koaltionen können sich nur mit Artikel 51 der UN-Charta legitimieren. Und dieser Legitimation kann sich die Bundesregierung auch anschließen und unter dieser kann sie sich auch beteiligen.

Dass das Grundgesetz die Bereitschaft vorsieht, in Systemen kollektiver Sicherheit dem Frieden der Welt zu dienen, ist  gut. Das Grundgesetz ist aber unter dem Eindruck der Vereinten Nationen geschrieben worden. Die anderen Institutionen gab es da noch nicht.

Völkerrechtler sind da vermutlich anderer Meinung – aber wir müssen schon die Dinge sauber auseinanderhalten.

*Offenlegung: Masala und ich sind Co-Hoster des Podcasts Sicherheitshalber