AKK stoppt umstrittene Privatisierung der Heeresinstandsetzungslogistik
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein umstrittenes Privatisierungsprojekt ihrer Vorgängerin und der früheren Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder gestoppt: Die Werke der Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) bleiben in Bundesbesitz.
Die HIL werde als Eigengesellschaft des Bundes weitergeführt, das heißt die Privatisierung wird nicht weiter verfolgt, sagte die Ministerin am (heutigen) Donnerstag in Berlin. Sie verwies zur Begründung unter anderem auf die Hinweise des Bundesrechnungshofes, die künftige Rechtsform der Reparaturwerkstätten für Landsysteme der Bundeswehr müsse auch unter strategischen Gesichtspunkten betrachtet werden – und nicht nur monetär.
Die Aussagen Kramp-Karrenbauers und der beiden verteidigungspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, Henning Otte (CDU/CSU) und Fritz Felgentreu (SPD), zum Nachhören:
Die Entscheidung kommt nicht ganz überraschend – die Frage, ob eine Privatisierung der drei HIL-Werke für den Bund am Ende tatsächlich kostengünstiger ausfallen würde, war ohnehin umstritten. Seit dem Amtswechsel an der Spitze des Ministeriums dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass sich Kramp-Karrenbauer in ihrer früheren Aufgabe als Ministerpräsidentin des Saarlandes auch für den Verbleib des HIL-Werks im saarländischen St.Wendel in öffentlicher Hand ausgesprochen hatte.
Zusätzlich waren die Umstände der geplanten Privatisierung im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur so genannten Berateraffäre im Verteidigungsministerium in den Blickpunkt geraten. Der Betriebsratsvorsitzende wie auch der frühere Chefjurist des Unternehmens hatten von massivem Druck aus dem BMVg für eine Privatisierung berichtet – und von merkwürdigen Begleitumständen bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen.
Unabhängig von den finanziellen Umständen hat es möglicherweise auch andere Auswirkungen, wenn Panzer und andere Großgeräte des Heeres von einem bundeseigenen Betrieb gewartet werden: Die Bundesbediensteten, so schilderte es ein Arbeitnehmervertreter im Untersuchungsausschuss, hätten das vorrangige Ziel, den Kameraden für den Einsatz die bestmögliche Leistung zu bieten. Unabhängig von Wirtschaftlichkeitserwägungen.
(Foto: Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit den Gebirgsjägern am Tag der offenen Tür im Verteidigungsministerium in Berlin am 17.08.2018 – Christian Vierfuß/Bundeswehr)
Der erste Aufschlag zur Trendwende in der Bw-Logistik und das mit den richtigen Argumenten !
Im Text hier und bei https://t.co/dPukcs0Mt1?amp=1 stecken bemerkenswerte Formulierungen, die im Vergleich zu UvdLs Privatisierungskurs einem Paradigmenwechsel nahe kommen.
Nicht Monetäres (ausschließlich) gibt die einzuschlagende Richtung vor, sondern strategische Überlegungen.
Eine Erkenntnis, die gleichermaßen banal und zielführend daher kommt. Letztlich misst sich die Wirksamkeit von Streitkräften, ihre FOC, an strategischen Anforderungen eines Heeres, dass in LV/BV gefordert ist aber auch weiterhin „expeditionary mindset“ out of area umsetzen können muss, solch ein Heer darf nicht zivilen Instandsetzungsabhängigkeiten unterliegen.
So richtig dieser Kurswechsel auch ist, Details zu den strategischen Überlegungen sollten durchaus aufschlussreich werden. Schließlich könnte der deutsche strategic mindset entdeckt werden, eine Qualität, die irgendwo gut verborgen wird.
Im Spiegel Artikel ist nachzulesen: “ … Entscheidung … mittelfristig für die Verlagerung der Aufgaben des Werkes in Darmstadt“. Zu den Hintergründen des Aus für Darmstadt ist mehr bekannt?
Dass eine saarländische ex-Ministerpräsidentin sich für St. Wendel/Saar einsetzt, ein Standort der Heeres-Instandsetzungstradition mit dem 1961 aufgestellten InstBtl 962 verkörpert, erstaunt dabei nicht.
Als die Entscheidung die HIL zu privatisieren sich abzeichnete, haben viele mit der Materie Betraute nur den Kopf geschüttelt, denn eine Armee und deren Logistik muss primär effektiv und sekundär effizient sein.
Und die Fähigkeit Instandsetzung Kette (MES 3/4) komplett out zu sourcen war insbesondere vor den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht nachzuvollziehen.
ich persönlich hatte die Möglichkeit, mit verschiedenen Verantwortlichen zu sprechen und habe meine Bauchschmerzen („Wenn Kunde X mehr Geld bietet als wir, warten wir dann X Jahre auf einen gewarteten Panzer, weil auch KMW am Fachkräftemangel leidet?“) kund getan und auf die strategischen Implikationen hingewiesen. Es war erschreckend, wie darauf reagiert wurde. Ich möchte kein Bashing betreiben, aber manch einem war die Karriere lieber bzw. Entscheidung ist Entscheidung.
Zum Glück gibt es doch noch strategisch vernünftig denkende Leute!!!
Und auch wenn St. Wendel im Saarland liegt – Frau Ministerin macht aus meiner Sicht bis jetzt einen guten Job!!
Diese Entscheidung ist absolut vernünftig und sehr begrüßenswert, auch wenn landespolitische Gründe letztlich ebenfalls eine Rolle gespielt haben mögen.
Ich hoffe sehr, dass dieser Weg auch bei zukünftigen Projekten weiter beschritten wird. Die Streitkräfte als Wirtschaftsunternehmen zu betrachten war bzw. ist eines der größten Irtümer der letzten Jahrzehnte. Ggf. folgt nun ebenfalls die Erkenntnis, dass Instandsetzung auch in der Truppe abgebildet sein muss – dann könn(t)en wir auch wieder ernsthaft über LV/BV reden… ;-)
Eines sollte man sich bei öffentlich rechtlichen Unternehmen vor Augen führen :
Sinn und Zweck ist nicht die Erwirtschaftung von Gewinn, sondern die Aufgabe möglichst gut zu erfüllen.
Natürlich muss man die Kosten im Blick behalten, aber gute Arbeit hat eben seinen Preis.
Wenn AKK bei weiteren Entscheidungen so verfährt, wird sich das sicher auch positiv für die BW auswirken. Weiter so!
Ein Glück, dass die Scharping’schen Reformen / ‚Satyrspiele‘ neu betrachtet werden. Damals ging es um ‚haushaltsunschädliche‘ Bemühungen im Bundestag. Auch weil der Fokus auf Missionen lag …
Heute geht es (zum Glück und Dank Weckruf 2014 durch Zar Waldemar) wieder um Einsatzbereitschaft der Bw und um Bündnisverteidigung. – Auf geht’s !
Ich bin jetzt erst mal amtlich schockiert (und das Wort verwende ich nicht oft), dass so etwas überhaupt noch geplant wurde. OMFG wie die Jugend sagt.
Bin gespannt was AKK noch macht. Ein bisschen schade, dass ihre Umfragewerte so mies sind. Andererseits könnte sie so der Truppe tatsächlich erhalten bleiben.
Nichts für ungut, ich halte an dieser Stelle auch nichts von Privatisierung, aber hier wird ganz schön emotional und irrational aufgetragen. Nach der hier zur Schau gestellten Logik müsste besser auch die gesamte Wehrtechnik selbst zusammengebaut werden, damit im entscheidenden Moment nicht der Schlagbolzen wegrostet …
Und wenn die Solidarität innerhalb der Truppe so großartig ist, warum dauern dann Beschaffungen einfachster Ausrüstungsgegenstände (Stiefel, Mützen …) länger als so manche Doktorarbeit?
Sehr guter Schritt – Ähnliches nun bitte auch für die Marine vorantreiben, i.e. sukzessive Ertüchtigung der Marinearsenalbetriebe und deren Außenstellen für mehr Kapazitäten bei allfälligen Instandsetzungen oberhalb MESt 2.
@ Pham Nuwen
Zitat:
„Nach der hier zur Schau gestellten Logik müsste besser auch die gesamte Wehrtechnik selbst zusammengebaut werden, damit im entscheidenden Moment nicht der Schlagbolzen wegrostet … “
Genau so ist es ! Die Industrie versucht bei einem Wehrauftrag einen maximalen Gewinn bei minimalen Mitteleinsatz zu generieren, d.h. auch mit dem billigsten Material das gerade noch für den angestrebten Zweck ausreicht (siehe auch im Nachbarthread mit den Klammern für den Heckrotor am NH-90).
Zitat:
„Und wenn die Solidarität innerhalb der Truppe so großartig ist, warum dauern dann Beschaffungen einfachster Ausrüstungsgegenstände (Stiefel, Mützen …) länger als so manche Doktorarbeit?“
Die Beschaffungen dauern unter anderem deshalb so lang, weil das Beschaffungsrecht so gerichtsfest gemacht werden musste, dass die unterlegenen Bewerber vor einem Gericht keine Chance haben die Entscheidung der Beschaffungsbehörde anzugreifen.
Außerdem wenn der Personalmangel der Behörde (BAAINBw) von der Regierung über ein Jahrzehnt systematisch vorbereitet wurde (siehe die Anweisung vor 10 Jahren beim BwB 1000 Planstellen nicht mehr zu besetzen und unbesetzt stehen zu lassen), dann muss man sich nicht wundern wenn hinterher selbst das Personal für einfachste Dinge fehlt.
@Pham Nuwen
Würde mitgehen, wenn nicht die Erfahrungen mit der Industrie im Bereich Ersatzteile nicht so grauenhaft wären.
Das sind doch eher zwei getrennte Probleme, oder? Oder vielmehr ein Problem, das sich in verschiedenen Ausformungen zeigt: organisierte Verantwortungslosigkeit, die einerseits zu Überbürokratisierung und andererseits zu wenig durchdachten Gegenmaßnahmen wie Privatisierung führt. Ihr Kommentar impliziert ja, dass man Beschaffungsvorgänge nicht effizienter gestalten kann ohne zu privatisieren. Das glaube ich nicht, die Ideen dafür liegen schon länger vor. Sie sind nur unpopulär.
Pham Nuwen sagt:
18.10.2019 um 9:26 Uhr „Und wenn die Solidarität innerhalb der Truppe so großartig ist, warum dauern dann Beschaffungen einfachster Ausrüstungsgegenstände (Stiefel, Mützen …) länger als so manche Doktorarbeit?“
Die Truppe hat mit der Beschaffung von Ausrüstung nichts zu tun.