Wenn der Berater mit dem Bagger kommt (m. Nachträgen)

Wenn die Stichworte Berater und Verteidigungsministerium im Zusammenhang fallen, ist die Öffentlichkeit alarmiert – nicht zu Unrecht. Gab es doch in den vergangenen Jahren diverse Beratungsaufträge im Ministerium, die eingestandenermaßen unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande kamen. Und nicht ohne Grund durchleuchtet ein Untersuchungsausschuss des Bundestages diese Verträge.

Wenn allerdings am (heutigen) Donnerstag die Schlagzeile Verteidigungsministerium: Mehr als 150 Millionen Euro für Berater die Runde macht und für eine gewisse Aufregung sorgt, erlaube ich mir eine etwas differenziertere Betrachtung.

Zunächst einmal: Die 155 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2019 wurden, so die offizielle Angabe der Bundesregierung, für externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen ausgegeben. Das bedeutet: eben nicht alleine für Berater. Und Unterstützungsleistungen umfasst einiges, was mit der Arbeit eines Beratungsunternehmens nichts zu tun hat. Der mögliche Eindruck, die McKinseys und Accentures dieser Welt hätten mehr als 150 Millionen für bunte Powerpoint-Präsentationen kassiert, stimmt also schlicht nicht.

Den größten Teil des Geldes, nämlich 109 Millionen Euro, gab nach einer Auflistung des Verteidigungsministeriums die bundeseigene BWI Gmbh aus, die für die Bundeswehr und andere Behörden IT-Dienstleistungen bereitstellt. Das Unternehmen kaufte dafür als Unterstützungsleistung – nicht als Beratung – externe Fachexpertise ein, zum Beispiel für das Einrichten und Programmieren von Software.

Die Einführung neuer Technologien wie die Private Cloud des Bundes, Architekturentwicklung in Bezug auf vorhandene Softwarelösungen und Lösungen für die Anpassung genutzter Verfahren hätten dabei im Mittelpunkt gestanden, sagt das Ministerium. Zu den Unterstützungsleistungen hätten aber auch (vermutlich zu einem geringen Teil) die Kosten für Firmen gehört, die mit ihrem Bagger den Schacht für eine Kabeltrasse aushoben.

Nun kann man drüber streiten, ob die Bundeswehr solche Dinge selber können muss. Auf Dauer sicherlich mehr als bisher – aber die Expertise ziviler Softwareexperten wird auch der Bund, wie jedes Großunternehmen, vermutlich immer brauchen, weil es schlicht unwirtschaftlich wäre, für alles eigene Leute vorzuhalten. Die Brötchen für die Truppenverpflegung werden schließlich auch nicht von Soldaten in der Kaserne gebacken.

Natürlich bleiben Fragen. Die 39 Millionen Euro, die das Ministerium selbst und seine direkt unterstellten Behörden und Kommandos für Beratungs- und Unterstützungsleistungen im ersten Halbjahr 2019 ausgegeben hat, sind auch schon nicht wenig für sechs Monate. Ebenso stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die nötige Anpassung von Software durch eigene Leute gewährleistet werden kann. Diese Leute muss die Bundeswehr  sich allerdings erst heranziehen.

Dennoch: Die Aussage, das Verteidigungsministerium habe alleine fast so viel Geld für Berater ausgegeben wie die übrigen Bundesministerien zusammen, halte ich für, sagen wir ein wenig undifferenziert. Und deshalb für eine Skandalisierung nur bedingt geeignet.

(Widerspruch – bitte auch so differenziert – in den Kommentaren nicht nur erwartet, sondern auch erwünscht.)

Nachtrag: Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber musste zu dem Thema vor die Mikrofone:

20190808_Tauber_Berater_Unterstuetzung     

 

Nachtrag 2: Die BWI Gmbh hat dazu Stellung genommen:

Heutigen Medienberichten zufolge, hat die BWI GmbH im ersten Halbjahr 2019 knapp 109 Millionen Euro für „Beratungs- und Unterstützungsleistungen“ ausgegeben. Eines haben die Berichte vernachlässigt: Die BWI kauft keine Strategie- oder Organisationsberatung ein. Bei der Summe handelt es sich ausschließlich um Ausgaben für IT-Unterstützungsleistungen. (…)
Mit den Leistungen in Höhe von 109 Millionen Euro wurden Projekte wie SASPF (Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien) oder die Modernisierung von IT-Ausstattung und Anwendungen in der Bundeswehr unterstützt. Hinzu kamen Konzepte und Planungen etwa zur Einführung neuer Technologien, beispielsweise Cloud-Lösungen, wenn spezifisches Know-how dazu in der BWI fehlt.

Allerdings: der Trend der anhaltenden Meldungen Das Verteidigungsministerium und seine nachgeordneten Behörden haben im ersten Halbjahr 155 Millionen Euro für Beratungsleistungen ausgegeben lässt sich mit Sachdarstellungen wohl kaum stoppen. Und das Ministerium selbst hat es, wenn man sich dessen Aussagen ansieht, auch nicht so richtig versucht…