Untersuchungsausschuss Berater: Bühler verteidigt umstrittene Auftragsvergabe

Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den umstrittenen Beraterverträgen im Verteidigungsministerium hat der frühere Abteilungsleiter Planung und heutige NATO-General Erhard Bühler offensiv eine umstrittene Vergabeentscheidung verteidigt. Die Beratungsfirma Accenture sei für ein bestimmtes Vorhaben wegen ihrer Expertise aus vorangegangen Projekten des Ministeriums ausgewählt worden, sagte Bühler am Donnerstag als Zeuge vor dem Ausschuss. Er wies zugleich erneut den Vorwurf zurück, seine langjährige Bekanntschaft mit dem Accenture-Mitarbeiter Timo Nötzel habe zu der Entscheidung geführt. Zuvor hatte Nötzel als Zeuge vor dem Gremium ebenfalls diesem Vorwurf widersprochen.

Hintergrund ist die Beauftragung des Beratungsunternehmens mit den Arbeiten an der digitalen Erfassung und Auswertung der Daten von Großwaffensystemen, dem so genannten Produkt Lebenszyklus-Management (PLM*; hier verwende ich jetzt den deutsche Begriff). Für diese Aufgabe einigte sich Bühler 2017 als Abteilungsleiter Planung mit den anderen damaligen Abteilungsleitern für Ausrüstung (Benedikt Zimmer, inzwischen Staatssekretär) und Computer und Informationstechnik (Hardy Mühleck, nicht mehr im Amt) auf eine Vergabe an Accenture: Wir haben einen vergaberechtlich sauberen Weg gesucht, sie unter Vertrag zu nehmen.

Bühler begründete diese Festlegung auf ein Unternehmen und damit den Verzicht auf eine Ausschreibung der Leistung mit der Expertise, die das Unternehmens zuvor im Verteidigungsministerium erworben habe: Die Einbeziehung der Firma Accenture folgte folgenden Erwägungen: Schnelligkeit, Synergie und Kompetenz, sagte der General. Mit dem Unternehmen hatten wir im Ministerium in mehreren Abteilungen, darunter auch in der Planungsabteilung und im Planungsamt jüngste, sehr positive Erfahrungen sammeln können. Die Firmenvertreter waren eingearbeitet und mit den aktuellen Herausforderungen und der Arbeit im Ministerium vertraut.

Damit sei es in der zuständigen Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nur noch darum gegangen zu prüfen, auf welchem weg die Vergabe an genau diese Firma möglich sein könnte, räumte Bühler ein. Das BAAINBw sei deshalb gebeten worden zu prüfen, wie ein vorhandener Rahmenvertrag dafür genutzt werden könnte: Wir haben keine Ausschreibung wissentlich umgangen, sondern wir haben versucht, einen schnellen Weg zu finden, der rechtlich einwandfrei ist, sagte Bühler auf Nachfragen von Abgeordneten.

Der Bundesrechnungshof  hatte bei einer späteren Überprüfung die Nutzung dieses Rahmenvertrags gerade für diesen Zweck als unrechtmäßig eingestuft, was am Ende zum aktuellen Untersuchungsausschuss führte. Die Prüfungsbitte ans BAAINBw, so argumentierte ein BRH-Prüfer als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss, habe angesichts der Bezugnahme auf damalige die Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder und die drei Abteilungsleiter praktisch eine alternativlose Anweisung gewesen.

Im Vordergrund habe eine möglichst schnelle Beauftragung von Accenture gestanden, sagte Bühler. Er stehe dazu, dass er mit den anderen Abteilungsleitern diese Entscheidung getroffen habe, um möglichst rasch Ergebnisse eines Projekts zu bekommen, dass für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte von Bedeutung sei. Im Vordergrund habe deshalb die Prüfung gestanden, ob der vergaberechtliche Weg möglich sei an Stelle einer Ausschreibung: Sinn eines Rahmenvertrages ist ja, dass wir sofort anfangen können zu arbeiten. Zudem sei dieser Rahmenvertrag Ergebnis einer europaweiten Ausschreibung gewesen. Mit der Vergabe und den rechtlichen Bedingungen sei er aber nicht befasst gewesen und habe das als Nicht-Jurist auch nicht bewertet.

Vehement wandte sich der frühere Abteilungsleiter gegen eine Verbindung seiner privaten Bekanntschaft zu Nötzel  mit der Beauftragung. Zu dem Accenture-Mitarbeiter, den er aus anderen Verwendungen seit 2008 kannte und teilweise auch in Auslandseinsätzen als Mitarbeiter hatte, habe ein vertrauensvolles, professionelles Verhältnis bestanden.

Bühler reagierte besonders scharf auf die Nennung seiner Tauf-Patenschaft für die Kinder Nötzels im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit.  Der private Hintergrund sei allein durch die Taufe der fünf  Kinder Nötzels zustande gekommen, die alle an einem Tag im September 2016 katholisch getauft werden sollten. Wenige Wochen zuvor habe der Pfarrer erklärt, er könne die Taufe nicht vornehmen, weil die vorgesehen Paten nicht katholisch seien: Ich bin deshalb auf Bitte der Familie kurzfristig eingesprungen und habe an der Taufe teilgenommen. Dies war mir  als Katholik Verpflichtung und Ehre zugleich. Ich habe auch in dieser Sache im BMVg bewusst kein Geheimnis gemacht. Ich habe das als Privatsache bewertet, die auch in dem Recht zur freien Religionsausübung begründet ist.

Nötzel selbst hatte zuvor als Zeuge seine engen Verbindungen in die Führungsspitze des Ministeriums dargelegt. So sei er unter anderem mit der früheren Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder per du und auch samt seiner wie ihrer ganzen Familie miteinander befreundet. Bühler, mit dem er ebenfalls per du sei, habe dagegen eher die Rolle eines Mentors für ihn.

Dass seine langjährige Bekanntschaft zu zahlreichen Spitzenbeamten und -offizieren ausschlaggebend für die Aufträge an die Firma Accenture gewesen sei, wies Nötzel dagegen zurück. So sei das Unternehmen bereits für das Verteidigungsministerium tätig geworden, bevor er 2015 zu dieser Firma wechselte: Accenture hat den Auftrag erhalten wegen besonderer Fähigkeiten, nicht wegen besonderer Beziehungen.

Nötzel betonte mehrfach, dass Suder als Rüstungs-Staatssekretärin mit den Details der Vergabe in diesem wie auch in anderen Fällen nicht befasst gewesen sei. Er erinnere sich an eine Sitzung, die Suder gezielt verlassen habe mit den Worten: Wie das jetzt vertraglich gemacht wird, damit möchte ich nichts zu tun haben.

(Das Statement Nötzels im Wortlaut hier)

*In der ersten Fassung hatte ich fälschlich ‚Projekt Lebenszyklus Management‘ statt Produkt verwendet – danke für den Leserhinweis auf diesen Fehler

(Foto: Schild des Zeugen Bühler vor Beginn der Anhörung am 27. Juni 2019; Auftaktbilder mit Zeugen wurden vom Ausschuss nicht zugelassen)