Erneut drohen USA mit Truppenabzug aus Deutschland
Die Stationierung von US-Truppen – und vor allem von militärischen Einrichtungen der USA – in Deutschland kann man ja recht unterschiedlich sehen: Entweder als Sicherheitsdienstleistung der USA für Deutschland. Oder als günstig gelegenen Ausgangspunkt mit funktionierender Infrastruktur für das US-Militär.
Tatsächlich dürfte es eine Mischung aus beidem sein, allerdings kommen aus den USA inzwischen regelmäßig Drohungen, die Truppen würden abgezogen. Immer verbunden mit dem Hinweis auf die deutschen Verteidigungsausgaben, die das in der NATO vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel nicht erreichen. Aktuell vom US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
Kurz vor den geplanten Europa-Reisen von US-Präsident Donald Trump verschärfen die USA ihre Drohungen mit einem Teilabzug ihrer Truppen aus Deutschland. „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden“, sagte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell.
Die Ausgangslage hat sich seit der letzten Drohungsrunde im vergangenen Jahr nicht verändert, deshalb kann ich meine Faktenübersicht vom Juni 2018 auch hier recyceln. Auch Grenells Forderung („es ist wirklich beleidigend“) klingt wieder nach einem Vorgehen, das auf der emotionalen Ebene entweder Befriedigung oder Entsetzen erzeugen (soll), aber mit Fakten – vorerst – noch nichts zu tun hat.
Nicht so ganz klar ist zum Beispiel, wie eine Einrichtung wie das U.S. Africa Command in Stuttgart, die ausschließlich für einen anderen Kontinent zuständig und nur aus praktischen Gründen nicht in einem afrikanischen Land stationiert ist, unmittelbar zur deutschen Sicherheit beiträgt.
Also schauen wir mal, welche größeren Installationen der US-Streitkräfte es in Deutschland so gibt:
• Das U.S. European Command in Stuttgart
• Das U.S. Africa Command in Stuttgart
• Das Hauptquartier der U.S. Army Europe in Wiesbaden
• Die Ramstein Air Base der U.S. Air Force
• Die (offiziell nicht bestätigten) US-Atomwaffen in Büchel
• Das Krankenhaus der US-Streitkräfte in Landstuhl
• Die – sehr großen – Trainingseinrichtungen in Grafenwöhr und Hohenfels
• Die in Vilseck, Bayern, stationierten Truppen einer Brigade der U.S. Army
(und vermutlich noch ein paar mehr, die ich jetzt nicht auf dem Schirm habe).
Dass alle diese Einrichtungen in Deutschland liegen, hat zum einen historische Gründe – aber seit langer Zeit auch praktische. Denn das Aktionsgebiet der hier installierten Kommandos und der stationierten Truppen ist ja nicht Deutschland, sondern die von hier aus (im Vergleich zu den USA) viel leichter erreichbaren Einsatzgebiete: In den vergangenen Jahren Afghanistan und der Irak, und sowohl die Nordost- als auch die Südostflanke der NATO sind ungefähr gleichermaßen gut erreichbar.
Natürlich lässt sich das alles in andere europäische Länder verlegen, zum Beispiel ins benachbarte und Trump freundlicher gesinnte Polen. Das würde allerdings einen recht großen finanziellen Aufwand bedeuten, und die von Polen angebotenen zwei Milliarden US-Dollar für die erhoffte Stationierung einer US-Division wären da eher Peanuts.
Abgesehen von den Kosten, würde es aus militärischer Sicht recht wenig bringen: Außer dass US-Truppen näher an die (Nord)Ostflanke der NATO rücken, wäre für sie kein rechter Vorteil erkennbar. Im Gegenteil, für andere Einsatzregionen müssten die entsprechenden Verkehrswege sichergestellt werden – und da geht es nicht nur um Flugplätze. Auch der Weg zu den Seehäfen an der Nordsee vergrößert sich (wenn man nicht denkt, sie könnten einfach durch Ostseehäfen ersetzt werden, die in einem bestimmten Bedrohungsszenario nicht ganz so praktisch sind).
Auch eine Rückverlegung der Truppen (und der Kommandozentralen?) in die USA scheint nicht so richtig praktisch: Alle Vorteile, die die USA im Hinblick auf Europa und Afrika durch ihre Einrichtungen in Deutschland haben, würden dann aufgegeben.
(Foto: U.S. Army Col. Mark Swofford, U.S. Army Medical Department Activity Bavaria commander, speaks during a U.S Army Health Clinic Grafenwoehr Change of Command Ceremony at the Tower Barracks, Germany, July 3, 2019 – U.S. Army photo by Gerhard Seuffert)
@ Der Realist, 10.08.2019 um 10:04 Uhr:
„@ Koffer
„Was ich noch weniger will als tote DEU Soldaten sind tote Soldaten von Alliierten und Partner, die für unsere (gemeinsamen) Interessen fallen nur weil wir zu feige sind.“
Tut mir leid, aber das ist die unterste Schublade der Argumentationen.“
Die _gemeinsamen_ Interessen wurden von Koffer doch betont! Sie finden es also nicht schlimm, wenn ein holländischer oder polnischer Soldat (auch für unsere Interessen) seine Haut zu Markte trägt, die deutschen Soldaten sich aber vornehm zurückhalten? Sollen doch die anderen krepieren?!?
Natürlich sollen keine deutschen Soldaten für fremde Interessen eingesetzt werden, aber darum ging es hier doch nicht. es geht um unsere „vornehme Zurückhaltung“, selbst wenn unsere eigenen Interessen betroffen sind. Und dann dafür andere bluten zu lassen, ist nicht nur feige, sondern verantwortungslos.
@Pete sagt: 10.08.2019 um 10:26 Uhr
„– Bei einer so tiefsitzenden Verachtung gegenüber dem eigenen Staat / der eigenen Regierung ist eine sachorientierte Debatte vermutlich nicht möglich.“
Denken Sie mal über diesen Satz nach und überlegen Sie, ob diese Beschreibung wirklich das abbildet, was ich in den letzten Jahren hin in den Kommentarspalten geschrieben habe. Oder vielleicht haben Sie diese Formulierung ja auch nur gewählt um mich zu verletzten?
So oder so war ich zwischen Schmunzeln und Verärgerung hin und her gerissen.
Ich entscheide mich aber für Schmunzeln, denn das Leben ist zu kurz um sich durch so etwas beleidigen zu lassen.
Dennoch wäre ich Ihnen verbunden im Sinne der sachlichen Auseinandersetzung in diesem Blog von solchen Aussagen in Zukunft Abstand zu nehmen.
@Fussgaenger sagt: 10.08.2019 um 13:01 Uhr
+1
Vor einiger Zeit gab es von der Marine ein Video, so nach dem Motto „ohne uns/den ungehinderten Seehandel bleiben die Regale in den Geschäften leer“. Nun wird der freie Seehandel durch den Iran nachhaltig gestört/herausgefordert und was tut der Exportweltmeister, der vom freien Seehandel besonders abhängig ist? Nichts. Und selbst wenn er wollte, er könnte nichts tun, weil sich seine Marine in einem erbarmungswürdigen Zustand befindet. Wie auch der Rest der Streitkräfte. Viel mehr kommt das zumindest wohlklingende Steinmeiersche Mantra zum tragen, nachdem militärische Konflikte ja mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen seien (was Otto Schily sinngemäß einmal bei einer Talkshow des NDR mit der Äußerung quittierte „ja womit denn sonst?“). Mich deucht, im Iran folgt man diesem Ansatz derzeit nicht.
Es ist grundsätzlich ein Armutszeugnis, dass Einlassungen von Herrn Trump und nunmehr auch von Herrn Johnson- egal zu welchem Thema und neuerdings sogar mit erfundenen Äußerungen – hierzulande mehr Beachtung finden als das, was offenkundig in unserem Land schief läuft bzw. vor die Wand fährt.
Insofern hat Herr Trump recht: Die Bundesrepublik Deutschland, als das wirtschaftlich zweitstärkste Land im Bündnis, steuert keinen dementsprechenden Anteil zu den Verteidigungsanstrengungen bei, weder finanziell, noch mit Manpower/Material/Schlagkraft. Als Westdeutschland direkt bedroht war (eine Grenze zu Rußland hat Deutschland übrigens seit 1918 nicht mehr), sah das noch ganz anders aus. Da verfügte die Bundeswehr – u.a. in den Augen der Sowjetunion – über das schlagkräftigste Heer der NATO in Europa. Da die direkte Bedrohung nun weggefallen ist, ist es uns egal geworden, wer für die Sicherheit in Europa und damit auch Deutschlands sorgt. Und wenn sich ausgerechnet in Polen über den schlechten Zustand der Bundeswehr gesorgt wird, dann könnte auch dem letzten klar werden, dass wir hier – wie bei so vielem auch – über das Ziel hinausgeschossen sind bzw. einen Weg eingeschlagen haben, den niemand mitgeht.
Ansonsten: Ich gehe davon aus, dass es ausgeschlossen ist, dass die Amerikaner z.B. die Fliegerhorste Spangdahlem und Ramstein schließen und/oder verlagern können. Was über mittlerweile über 70 Jahre gewachsen ist, das könnte man natürlich mit einem Federstrich beenden (wir wären darin besonders effektiv/geübt), aber nicht ohne weiteres ohne massive Einbußen anderswo wieder etablieren. Ebenso, wenn auch einige Nummern kleiner als Ramstein, das Militärkrankenhaus. Aber für Truppenteile der US-Army würde ich eine solche Stationierungs-Garantie nicht abgeben wollen. Man kann von Donald Trump halten was man will, dass er aber jemals einen Hehl daraus gemacht hätte, dass er von Deutschland militärisch mehr erwartet, daraus hat er nie einen Hehl gemacht.
Aufgrund der erheblichen Komplexität allianzpolitischer Zusammenhänge gibt es keine einfache Antwort auf die Frage nach der gerechten Lastenteilung. Hierzu bedarf es vielmehr einer detaillierten Untersuchung unter Einbeziehung der historischen Entwicklungen, der vielfältigen außen- und sicherheitspolitischen Faktoren sowie der ökonomischen Bedingungen und Wechselwirkungen, die für multilaterale Allianzen im Allgemeinen und die NATO im Besonderen bemerkenswerterweise noch immer nicht vorliegen.
In einer grundlegenden, umfassenden Analyse des Trittbrettfahrervorwurfs in der US-amerikanisch-japanischen Allianz als ein bilaterales Bündnis bin ich Ende der neunziger Jahre trotz einer gesamtwirtschaftlichen Verteidigungsquote Japans von sogar unter 1% zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser damals nicht begründet war: https://www.peterlang.com/view/title/24190 .
(Für geneigte Leser ohne allzu großes wissenschaftliches Interesse mag die Lektüre der Kapitel „1 Einleitung“, „2.2 Grenzen der ökonomischen Theorie der Allianzen“ und „5 Bewertung des Vorwurfs des Trittbrettfahrerverhaltens“ ausreichen, um sich davon einen eigenen Eindruck zu verschaffen.)
@ Koffer und Fussgänger
Ich sehe nicht, dass Deutschland sich zu wenig engagiert.
Und ich sehe auch nicht, dass andere NATO Staaten mehr für unsere Sicherheit tun, als wir.
Ich sehe aber eine USA, die aktuell massiv bedrohend gegenüber ihren Verbündeten auftritt, wenn man nicht nach Trumps Pfeiffe tanzen möchte.
DAS geht überhaupt gar nicht und zerstört sämtliches Vertrauen der letzten Jahrzehnte.
Es läuft frei nach dem Motto: Ihr habt zwei Möglichkeiten:
1. Ihr zahlt mehr für die NATO, oder die Soldaten, die wir aus eigenen strategischen Überlegungen bei Euch stationiert haben
2. Ihr kauft schön fleissig Waffen bei uns, dann vergessen wir Forderung 1.
Da gibt es aktuell diverse Beispiele aus D, Südkorea oder Japan, die dieses Verhalten zeigen.
@ Koffer
Ich habe nicht einen Pieps über eine irgendwie geartete „Fremdbestimmung“ gesagt. Das haben Sie falsch verstanden. Ich habe lediglich meinen Standpunkt dargelegt, daß weder die EU- noch die NATO-Mitgliedschaft uns dazu verpflichten automatisch bei allem (und sei es der größte anzunehmende Bockmist) mitmachen müssen. Diesen Automatismus sehe ich nicht … außer in einem Fall, nämlich einem militärischen Angriff einer ausländischen Macht auf das Territorium eines NATO- bzw EU-Mitgliedes. Das aber beinhaltet aber ganz klar weder die Teilnahme an irgendwelchen post-kolonialen Abenteuern in der MENA Region noch die Übernahme der Rolle als Bühnendeko und politisches Feigenblatt für egal welche Idiotie, die sich das apokalyptische Duo Trump/Bolton in punkto Iran ausgedacht haben.
PS: Und auch innerhalb der NATO sei vor der Deklaration des Artikels V doch gestattet, daß man gegenüber der Hegemonialmacht konträre Ansichten vertritt. Schließlich ist es ein Bündnis und keine Imperiale Vereinigung aus Imperium und Vasallenstaaten. /SCNR
Nach Veröffentlichung des neuen Fähigkeitsprofils der Bundeswehr werden wir es schwarz auf weis haben, das Deutschland Trittbrettfahrer Nummer 1 ist. Aber selbst dann wird bestimmt noch auf den bösen Ami geschimpft. Die Wahrheit will halt keiner wahrhaben.
[Wovon reden Sie eigentlich bzw. wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? Welches „neue Fähigkeitkeitsprofil“, das zur „Veröffentlichtung“ anstünde, wo es seit kurzem ein neues gibt, das eben nicht veröffentlicht wird? Und unter wie vielen Nicks wollen Sie hier auftreten, inzwischen ist es der dritte? T.W.]
@Alpha Tango:
Danke für die Literaturempfehlung.
Im Rahmen der NATO ist aus meiner Sicht eine gerechte Lastenteilung deutlich weniger komplex als im Vergleich USA/ Japan.
Die NATO hat klar definierte Verfahren für die nationalen militärischen Beiträge zur Lastenteilung (NDPP). In einer der letzten Aktualisierungen wurde fest gelegt, dass in keiner Fähigkeit ein Mitglied mehr als 50% der Beiträge erbringen soll. Also die logische Umsetzung der Diskussion um gerechte Lastenteilung der letzten Jahre.
Nur leider leisten wir unsere Beiträge nicht und werden dies auch im Jahr 2027 nicht können.
@Koffer sagt:10.08.2019 um 0:04 Uhr
„@Pio-Fritz sagt: 09.08.2019 um 23:09 Uhr
Ja, die USA sind nicht perfekt. Beim besten Willen nicht. Aber dennoch sind ihre Interessen in diesem Fall mit unseren eigenen identisch. DEU muss mehr für seine eigene Sicherheit und die unserer Verbündeten ausgeben.“
Das haben Sie jetzt aber sehr USA-freundlich ausgedrückt. Ehrlich gesagt, sehe ich die Interessen außerhalb des militärischen Schutzes Europas nicht mehr. Wo denn und was denn? Freier Handel? Bei der momentanen US-Handelspolitik? Nicht wirklich. Eindämmen von Flüchtlingsströmen durch Beseitigung der Ursachen? Interessiert die USA überhaupt nicht. Und so weiter und so fort.
In allen vorangegangenen Diskussionen zu dem 2%-Ziel waren wir uns einig, das Deutschland gar nicht in der Lage wäre, das Geld momentan sinnvoll für das Militär auszugeben, weil die Industrie nicht nachkäme. Außerdem war in Wales vereinbart, dieses Ziel bis 2024 zu erreichen, jetzt ist 2019, so what? Und dann war da noch die Frage nach dem einheitlichen Berechnungsmodus, was alles zu den Verteidigungsausgaben zählt. Alle diese Fragen sind ungeklärt, es springen nur immer die Gleichen auf den US-Populismuszug auf, was nicht zielführend ist. Und die Planungen für die Aufstockung der Bw sind doch da, es dauert eben bis ca. 2030. Da ändern auch ständige US-Drohungen nichts.
Sie reden auch immer von Bündnisinteressen, ohne die näher zu erläutern. Die USA verfolgen ausschließlich US-Interessen und gehen davon aus, das Europa diese adaptiert. Geschieht das nicht, werden wilde Drohungen ausgestoßen, wie jetzt auch wieder. Die von Ihnen erwähnten „identischen Interessen“ sehe ich nicht.
Das sehe ich nicht als normalen Umgang unter Verbündeten an. Das ist wie mit dem Brexit, irgendwann muss man dann einfach sagen“ Ja, wenn das so
ist, dann haut doch endlich ab“.
@Koffer sagt: 10.08.2019 um 9:02 Uhr
„Was haben wir in 18 Jahren in AFG erreicht?
1. Das AFG kein Ausbildungslager für den weltweiten Terror mehr ist.
2. Außerdem u.a. (!) das Kindersterblichkeit deutlich gesunken ist und Schulquoten (für beide Geschlechter) deutlich gestiegen sind.
Das eine berührt unsere Sicherheitsinteressen.
Das andere unsere humanitären Interessen .“
Unbenommen zwei Teilziele. War ganz schön teuer für so ein bisschen Output, oder?
Das mit den Terrorlagern hätte man mit zwei-drei Einsätzen und Bombardements und Satellitenüberwachung schon in den Griff gekriegt. Und medizinische Versorgung, Hygiene und ein paar Schulen kosten nicht die ca. 14 Milliarden Euro, die alleine Deutschland bisher aufgewendet hat.
@Der Realist sagt: 10.08.2019 um 14:06 Uhr
„Und ich sehe auch nicht, dass andere NATO Staaten mehr für unsere Sicherheit tun, als wir.“
EST 2,14
ROM 2,04
POL 2,01
LVA 2,01
LTU 1,98
BGR 1,61
Um mal die derzeit unmittelbar bedrohten Staaten aufzuführen.
Darauf werden Sie vielleicht anführen, dass das nicht auf DEU passt, weil ja nur kleine (Hinweis POL) oder Staaten mit geringem BIP.
Gute, dann halt große und wirtschaftlich gut darstellende Staaten:
GBR 2,13
FRA 1,84
Versuchen Sie jetzt bitte nochmal unseren Geiz damit zu rechtfertigen, dass andere auch nicht mehr für unsere gemeinsame (!) Sicherheit tun als wir…
@csThor sagt: 10.08.2019 um 14:34 Uhr
„Und auch innerhalb der NATO sei vor der Deklaration des Artikels V doch gestattet, daß man gegenüber der Hegemonialmacht konträre Ansichten vertritt. Schließlich ist es ein Bündnis und keine Imperiale Vereinigung aus Imperium und Vasallenstaaten.“
Stimmt. Aber die Forderung an uns kommt ja nicht von den USA, sondern von aufgrund eines GEMEINSAMEN Beschlusses der NATO (auch von uns selbst!).
Es ist also schon seltsam das als USA Ding zu bezeichnen, wenn wir selbst es mit entschieden haben…
@Pio-Fritz sagt: 10.08.2019 um 16:41 Uhr
„Unbenommen zwei Teilziele. War ganz schön teuer für so ein bisschen Output, oder?“
Das kann man so oder so sehen, aber das ist hier OT. Die Aussage stand: es ist nichts besser geworden in AFG, und das ist halt Quatsch. Alles andere können wir in anderen Fäden diskutieren.
@Pio-Fritz:
„Und die Planungen für die Aufstockung der Bw sind doch da, es dauert eben bis ca. 2030.“
Die Planungen für die Zwischenziele in 2023 und 2027 sind, aufgrund der Finanzplanung der Bundesregierung, bereits nicht mehr erreichbar, damit ist auch das Endziel 2032 sehr unwahrscheinlich. Fernab der 2%-Debatten und der Rethorik der Trump-Administration gibt es schon sachliche Kritikpunkte an der Erfüllung der von Deutschland zugesagten Beiträge innerhalb der NATO.
@Koffer sagt: 10.08.2019 um 17:15 Uhr
„Aber die Forderung an uns kommt ja nicht von den USA, sondern von aufgrund eines GEMEINSAMEN Beschlusses der NATO (auch von uns selbst!).“
Das stimmt, und das ist auch das Ergebnis der deutschen konsensualen Politik, wenn man Streit vermeiden will. Und jetzt hängt man in dieser Schleife. Aber das ist doch nicht der Hauptgrund, die USA sind beleidigt, weil es weder deutsche Bodentruppen für Syrien noch eine Beteiligung im Golf geben wird. Und die Tornado-Arie ist im Herbst auch gesungen. Dazu noch die mehr oder minder unverholene Aufforderung PESCO doch für US-Waffenhersteller zu öffnen, und ein paar nicht-militärische Forderungen wie North Stream 2, Agrarimporte aus den USA, Zölle usw und schon haben Sie den US-Giftmix.
Wirklich schade, dass man den Botschafter der USA in Deutschland nicht ernst nehmen kann. Höchstens wenn die US-Truppen abziehen macht es Sinn die Bundeswehr zu stärken. Da wir von „Freunden“ umzingelt sind bleibt der Abzug der Amerikaner ein zweischneidiges Schwert.
@Memoria:
Der NDPP ist in der Tat ein sehr gut geeignetes Planungsverfahren zur Synchronisation der verschiedenen militärischen Fähigkeiten der einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten, um im Endeffekt den künftigen militärstrategischen Bedarf der Allianz bestmöglich decken zu können.
Damit befinden wir uns in Bezug auf die Beiträge der Allianzmitglieder allerdings – in meinen Augen richtigerweise – auf der Output-Ebene und betrachten dabei auch lediglich rein militärische Beiträge. In der gegenwärtigen Trittbrettfahrerdiskussion in der NATO liegt das Hauptaugenmerk hingegen wieder einmal auf der Verteidigungsquote und damit auf der Input-Ebene. Und darüber hinaus fließen hier die anderen für eine abgewogene Beurteilung der Begründetheit dieses Vorwurfs relevanten Dimensionen gar nicht ein.
@Koffer u. Pio-Fritz:
Bevor hier zum x-ten Mal die BIP-Diskussion zum BIP wiederholt wird vielleicht nochmal ein Blick auf die Fähigkeitsplanung.
Nächstes Jahr soll die sog. NATO Readiness Initiative (4×30) beginnen. Noch ist nicht bekannt in welcher Form und in welchem Umfang Deutschland sich hier einbringen wird.
Eine Beteiligung von 10% wäre sicherlich das Minimum. Da die USA aber ihre Beiträge wohl möglichst gering halten wollen (https://augengeradeaus.net/2019/02/deutsche-meldung-an-die-nato-schaut-nicht-nur-aufs-geld/comment-page-2/#comment-308929), wird sich der Blick gerade auch auf Deutschland richten seinen Beitrag zu verstärken. Nur leider mit Blick auf die fehlende Vollaustattung und Einsatzbereitschaft und anderer Einsätze und Verpflichtungen nicht einfach, in einigen Teilen schlichtweg unmöglich (man schaue nur mal auf die Auswirkungen auf ein Btl, wenn Teile für eFP eingesetzt werden.).
Für die Luftwaffe ebenfalls eine kaum leistbare Aufgabe.
Wenn man in Washington, London, Paris und Brüssel zeigen will wie weit in Deutschland Worte, Zusagen und Taten auseinanderliegen, dann hat man genug Fakten.
Zumindest in Washington wird man das Thema NRI nicht vergessen, da die Initiative eine Reaktion auf die fruchtlosen BIP-Diskussion war.
Die Berliner These von den stets erfüllten Bündnisverpflichtungen wird somit spätestens 2020 endgültig unglaubwürdig.
Man wird dafür irgendwelche Verbände einmelden, nur wenn die dann – was angedacht ist – CREVAL und Alarmübungen durchführen, gibt es sicherlich wieder schöne Ausreden in der RegPK.
@Pio-Fritz sagt: 10.08.2019 um 18:25 Uhr
„Das stimmt, und das ist auch das Ergebnis der deutschen konsensualen Politik, wenn man Streit vermeiden will.“
Vielmehr ist es das Ergebnis, dessen das DEU offiziell anerkannt hat, dass es richtig ist mehr in die gemeinsame Verteidigung und Sicherheit zu investieren.
Sei es wie es sei. Es ist gemeinsame Politik und sich nicht an gemeinsam gefasste Beschlüsse zu halten ist nun mal Trittbrettfahrerei/Schmarotzertum.
Die wiederholten Hinweise von @Memoria in Richtung unterdurchschnittliche Fähigkeit-/Leistungserbringung DEU innerhalb der NATO unterstreichen sachlich die verkürzte Geld Debatte.
Insgesamt ist die Kritik der NATO, der Alliierten und ja auch der USA also nachweisbar vollkommen berechtigt.
Das ein (Teil)Abzug der USA aus DEU nach POL hier aber ein intelligentes Mittel darstellen soll um die gemeinsame Sicherheit zu erhöhen und/oder DEU zu einem Ende seiner Trittbrettfahrerei zu bewegen bezweifle ich.
Insgesamt drohen die USA hier mit einem Mittel welches sie vermutlich mehr kosten wird als uns und uns dennoch nicht dazu bringen wird unseren Pflichten besser nachzukommen.
Wenn die USA komplett abziehen würden, wäre das vermutlich etwas anderes, aber aus den hier ja bereits mehrfach von anderen Kommentatoren erwähnten Gründen ist der große und infrastrukturell StO Rahmstein (inkl. weiteres Umfeld) wohl kaum verlegbar. Die beiden Hauptquartiere in Wiesbaden und Stuttgart sind ehrlich gesagt für beide Seiten nahezu egal wo sie sind (es sei denn ein Krieg bricht aus, dann wären sie vermutlich in DEU besser).
Also wird es vermutlich auf eine Verlegung kleinerer Teile (Btl+/Rgt-) aus den bayerischen StO oder Baumholder nach POL gehen.
Kein großes Drohpotenzial. Rüpelhaft zudem.
@Alpha Tango:
Volle Zustimmung.
Nur leider schafft es ja schon das BMVg nicht die output-Orientierung gegenüber dem BMF als Kern der Argumentation beim Haushalt zu nutzen. Noch weniger gelingt es in der Kommunikation mit dem Bundestag und der Öffentlichkeit. Und schon gar nicht gegenüber den NATO-Partnern (da ahnt man wohl schon, dass ein zu starker Verweis auf die Erfüllung des NDPP nicht finanziell hinterlegt ist).
Ich bin mal gespannt, ob AKK diese Argumentation bald verstärkt aufgreift.
Dann ist aber auch bald die NRI (s.o.) ein Thema.
Wie auch in anderen Politikfeldern (Klima, Entwicklungspolitik) haben die Regierungen (!) Merkel in den letzten 14 Jahren international sehr viel versprochen. Daheim war die schwarze Null und das Bemühen es allen irgendwie Recht zu machen die oberste Priorität.
Nun steht man vor unauflösbaren Zielkonflikten in einer kaum mehr funktionsfähigen Regierung.
Also genug Angriffsfläche auch innerhalb der NATO. Da genügen ja schon all die Zusagen und die Münchner Reden von 2014 („schneller, entschlossene, substantieller“).
Gerade an der Substanz mangelt es erheblich.
Aber auch das wird man aussitzen.
Neuwahlen sind ja schon in Sicht.
Die Zielkonflikte bleiben – bei einer immer schwächeren Konjunktur.
@Koffer
„– Bei einer so tiefsitzenden Verachtung gegenüber dem eigenen Staat / der eigenen Regierung ist eine sachorientierte Debatte vermutlich nicht möglich.“
Denken Sie mal über diesen Satz nach und überlegen Sie, ob diese Beschreibung wirklich das abbildet, was ich in den letzten Jahren hin in den Kommentarspalten geschrieben habe. Oder vielleicht haben Sie diese Formulierung ja auch nur gewählt um mich zu verletzten?“
Denken Sie erst einmal selbst darüber nach und überlegen Sie wie „verletzend“ es rüberkommt wenn Sie „Deutschland“ (das sind ca. 80 Millionen Bürger) als „Schmarotzer“, „Trittbrettfahrer“ und „feige“ bezeichen!
Erst danach lasse ich mich auf Ihre ganz persönlichen Befindlichkeiten ein!
@ Koffer
UK?
Schauen Sie sich z.B. einmal die Luftwaffe Großbritanniens an und vergleichen Sie diese mit unserer. Die kleinste Luftwaffe, die sie (GB) je hatten.
Bei der Marine sieht es ähnlich aus. Prestigeobjekte wie 2 Flugzeugträger und einige Atom-UBoote verbrauchen den Etat, der für alles andere gebraucht würde.
Da frage ich mich ernsthaft, wofür dort das Geld ausgegeben wird und welche Zusagen an die NATO dort noch eingehalten werden…
Es sieht bei den anderen NATO Staaten nicht wirklich anders aus, als in Deutschland.
Und je schlechter es der Wirtschaft geht, desto weniger absolute Ausgaben für das Militär, weil 2 Prozent vom BIP eben sehr viel, oder auch sehr wenig sein können…
Deswegen wird Großbritannien ihre NATO Zahlungen mit Sicherheit bald auf 3 bis 4 Prozent vom BIP anheben müssen, um absolut genauso viel zu bezahlen, wie jetzt…
Ich sehe das bei weitem nicht dramatisch. Der Potus macht bekanntermaßen gerne viel Wind.
In einer Meldung vom 12.06.2019 (z.B. bei ntv) war zu lesen, das er beim Treffen mit dem polnischen Präsidenten Duda eine geplante Aufstockung der US-Truppen in Polen um 2000 Soldaten erwähnte.
Dabei betonte er, dass keine zusätzlichen Truppen nach Europa geschickt würden, sondern die Soldaten aus anderen Teilen Europas nach Polen verlagert würden. Außerdem wäre noch nicht abschließend entschieden…
Wenn sich die Planung jetzt so ungefähr in der Größenordnung manifestiert und die Soldaten aus Deutschland kommen, soll er doch seinen tollen Deal machen und die 2000 oder paar mehr US-soldiers für polnische Zlotys nach Polen vermieten. Sicherlich wohl ein Fingerzeig/Druckmittel an die Adresse Deutschlands, Russlands und ein Bonbon für den follower Polen. Aber schwer vorstellbar, dass fest etablierte Strukturen der US-Streitkräfte aus D verlagert werden.
Dabei hat selbst so eine kleinere Maßnahme in den Staaten eine innenpolitische Dimension, die er bestimmt für seine Zwecke nutzen will.
Schaden richtet der Potus damit mehr politisch als militärisch in der Nato an. Er macht weiter nach dem Motto „Spalte und herrsche“ – und wer nicht nach seiner Pfeife tanzt, bekommt das auf die eine oder andere Art zu spüren. Das kann nicht im Sinne der anderen Nato-Verbündeten sein, jedoch sind, wie bekannt einige Länder inzwischen schon auf eigenen Pfaden unterwegs.. z.B. die Türkei. Dringlicher als je zuvor wäre es, die europäische Zusammenarbeit beim Militär, weitmöglichst zu vertiefen und die Bundeswehr wesentlich schneller auszurüsten. Das wäre auch ein Zeichen für die europäischen Verbündeten, dass sich Deutschland ernsthaft einbringen will. Der Spielraum zum lavieren wird kleiner und der politische Einfluss Deutschlands in Europa ebenso, wenn man weiter so wenig in die Bw investiert.
@Memoria sagt: 10.08.2019 um 19:32 Uhr
„Bevor hier zum x-ten Mal die BIP-Diskussion zum BIP wiederholt wird vielleicht nochmal ein Blick auf die Fähigkeitsplanung.
Nächstes Jahr soll die sog. NATO Readiness Initiative (4×30) beginnen. Noch ist nicht bekannt in welcher Form und in welchem Umfang Deutschland sich hier einbringen wird.
Eine Beteiligung von 10% wäre sicherlich das Minimum. Da die USA aber ihre Beiträge wohl möglichst gering halten wollen“
In der Tat. Ich habe hier schon ganz, ganz üble Prognosen gehört. Es sieht derzeit so aus als müssten wir nächstes Jahr wirklich Farbe bekennen und stünden dann ganz schlecht dar.
Damit geht dann in der Tat auch das letzte Argument für einen angeblich angemessenen DEU Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit flöten.
(bisher können wir auch noch etwas mit unseren Einsatzbindungen z.B. in AFG punkten, aber das dürfte zeitnah ja auch nicht mehr der Fall sein.)
@Der Realist sagt: 10.08.2019 um 23:35 Uhr
„Schauen Sie sich z.B. einmal die Luftwaffe Großbritanniens an und vergleichen Sie diese mit unserer. Die kleinste Luftwaffe, die sie (GB) je hatten.“
Ja, aber angesichts unserer Leistungen ist GBR der Einäugige unter den Blinden. Das Argument zieht also auch nicht.
„Deswegen wird Großbritannien ihre NATO Zahlungen mit Sicherheit bald auf 3 bis 4 Prozent vom BIP anheben müssen, um absolut genauso viel zu bezahlen, wie jetzt…“
Es geht hier nicht um irgendwelche „NATO Zahlungen“ (natürlich gibt es die, nämlich zum gemeinsamen funding, aber diese haben nichts mit dem BIP zu tun und sind so oder so unstrittig) ! Es geht um Ausgaben für die gemeinsame Sicherheit. Und ja in der Tat wird bei einem Sinken des BIP und einem Gleichbleiben der VtdgAusgaben die relative Ausgabenquote steigen.
Ich könnte mir in der Tat vorstellen, dass GBR seine Ausgaben nicht senken wird. Trotz aufziehender Wirtschaftskrise.
Das wiederum wäre dann für uns noch peinlicher, denn GBR würde damit beweisen, dass die gemeinsame Sicherheit für sie auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtiger ist als für DEU in wirtschaftlich guten Zeiten :(
@Pete sagt: 10.08.2019 um 20:29 Uhr
„Erst danach lasse ich mich auf Ihre ganz persönlichen Befindlichkeiten ein!“
Wenn Sie den Unterschied zwischen meinen allgemeinen Aussagen über DEU Verhalten im Bündnis und ggü. unseren Alliierten mit Ihren persönlichen Vorwürfen von unpatriotischem Verhalten mir ggü. nicht erkennen können, dann bleibt mir nichts mehr zu sagen.
@Koffer:
Wie schon bei der Umsetzung der Zusagen der letzten 20 Jahre wird man wieder irgendwelche Erfolge simulieren. Wenn die NATO die Zertifizierung wie bei der IVTF 2015 durchführt, dann klappt es auch erneut.
Das Kernproblem ist eher der fehlende Fokus der Leitung auf die Einsatzbereitschaft.
Mal sehen, ob dies unter AKK anders wird – und sich der gesamte Apparat entsprechend bewegen lässt.
Es ist ja längst kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungproblem.
Mal abwarten, ob die NRI hier einen Impuls geben wird – wenn Lastenteilung schon ein prominentes Thema wird.
Ich bin – wie gesagt – skeptisch, da die Denkweise an den entscheidenden Stellen eine andere ist.
@Memoria:
Kein Widerspruch.
Und ich sehe den bevorstehenden NDPP-Nagelproben ebenfalls mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen. Allerdings haben wir ja auch in der Vergangenheit bereits zugesagte Fähigkeiten wieder abgemeldet, die dann im Rahmen des Prozesses von anderen Mitgliedern gestellt wurden.
Nur findet die allianzinterne Trittbrettfahrer-Diskussion nun einmal vor allem auf der Input-Ebene statt, auch aus vielerlei politischen Gründen. Und obwohl dabei auch sicherheitspolitische Argumente mit finanz- und außenwirtschaftlichen Themen verknüpft oder besser: vermengt werden, wird hier jedoch auf allen Seiten stets recht eindimensional argumentiert. Daher halte ich eine umfassende Analyse, die alle wesentlichen Faktoren adäquat berücksichtigt, nicht nur für hilfreich, sondern sogar für erforderlich, um die Begründetheit der Trittbrettfahrervorwürfe angemessen beurteilen zu können.
Wie im oben beschriebenen Fall Japans in der US-amerikanisch-japanischen Allianz kann schließlich sogar bei einer Verteidigungsquote von lediglich rund 1% der Trittbrettfahrervorwurf zurückzuweisen sein.
Die nachvollziehbare Drohung der Amerikaner, nach Polen zu gehen, evoziert in Deutschland und ein Hochamt von Anti-Amerikanismus, hinter dem eine kindische Naivität steht. Amerika bezahlt und trägt unsere Verteidigung – und wir Deutsche beschimpfen sie dafür. Wir sind ein merkwürdiges Volk.
Stuffz d.Res.
@ SvD sagt:
09.08.2019 um 20:10 Uhr
+1
@ Alle
Ich habe das Gefühl, das hier einige aneinander vorbei reden obwohl sie inhaltlich gar nicht soweit auseinander liegen.
Sicherlich sind eine Menge Leute der Meinung, das wir als Deutschland zu wenig für Verteidung tun. Das ist aus meiner Sicht nicht zwingend im Zusammenhang mit den Kosten dafür. Außerdem sind die 2% als Ziel oder die X% eines jeden Partners als IST von wenig Bedeutung, da in jedem Land irgendwie was anderes in den Etat zählt.
Aus meiner Sicht sollte man das daher anders anpacken und vergleichen und eine Wertungsmatrix aus Bevölkerungszahl, Grenzlänge, Landesfläche, Wirtschaftsleistung bilden und daran fest machen wie viele autark einsatzfähige Divisionen man aufzustellen hat. Ein Fähigkeitssprektrum im Hinblick auf Verteidigung wäre festzulegen. Eine jeweils inländische Härtung von Infrastruktur und Zivilverteidigung wäre festzulegen.
Wie viel dann jeweils dafür ausgegeben wird diese dann wirklich messbaren Vorgaben zu erreichen wäre bestenfalls ein Nebenkriegsschauplatz. Das ist ja an sich nur davon abhängig ob man sich bei Ausschreibungen mehr oder weniger hat übervorteilen lassen oder ob man mehr oder weniger Tendenzen zu ‚Quick-and-dirty‘ (oder keep-it-simple) aber Ziel erreicht oder eben Eierlegendewollmilchsau hat. Oder auch wie viel Verwaltung man jeweils meint zu brauchen oder ob man das mit Karteikarten und Excellisten hinkriegt oder eben SAP braucht. (Ein regionaler Bäcker hier hat deutlich bessere Software mit der sich selbst eine Materialinstandsetzung für Fahrzeuge bessert abbilfen liesse als mit anderen Programmen).
Außerdem wird hier derzeit gerne das ein oder andere vermischt. Die Meinung, dass wir zu wenig für Verteidigung ausgeben teile ich, aber sollten wir trotzdem nicht mit allen US-Drohungen in einen Topf werfen. Z.B. wird @Koffer hier vorgehalten wir bräuchten uns im Iran/Syren/Name-it nicht zur US-Marionette zu machen und daher auch nicht mehr ausgeben und er sagt nur, dass wir zu wenig für Bündnisverteidigung tun. So wie ich das einschätze weiss @Koffer, dass es beim Iran usw. nicht um BV geht und wer ihn hier sonst mitliest weiss ‚wie er drauf ist‘. Es kann dort auch nicht um den freien Welthandel/freie Seewege gehen, denn mir wäre neu, dass da niemand mehr fahren kann/darf, respektive das Hormuz neuerdings vermient worden wäre. (FunFact: Freie Seewege haben im Rahmen anderer Konflikte andere Parteien blockiert). Daher können die anderen davon ausgehen, dass er das auch gar nicht vermengt. Daher denke ich sollten hier einige Personen mal wieder ein bisschen runter kommen.
@Alpha November
Das Problem ist, daß der Bundeswehr Kernfähigkeiten abhandengekommen sind bzw. in absehbarer Zeit „auslaufen“ – z.B. EloKa (i.w.S.) oder bei der Marine im Bereich Minenabwehr.
Zum Thema „querschnittliche Vollausstattung“ habe ich länger nichts mehr gehört, dafür möchte man bis 2027 eine neue Division aufstellen. Vom Thema „Reserve“ (anderer Faden) ganz zu schweigen.
@Memoria sagt: 11.08.2019 um 11:59 Uhr
„Wie schon bei der Umsetzung der Zusagen der letzten 20 Jahre wird man wieder irgendwelche Erfolge simulieren. Wenn die NATO die Zertifizierung wie bei der IVTF 2015 durchführt, dann klappt es auch erneut.“
Vielleicht. Bis zu einem gewissen Grade sogar sehr wahrscheinlich.
Aber das Ziel der Initiative ist ja gerade wieder echte Verteidigungsfähigkeit, von daher bin ich mir nicht sicher, ob die NATO sich hier komplett blind stellen wird.
Natürlich ist es so, dass auch bei anderen Alliierten die eigentlich notwendige Beistellungsquote schwer zu erreichen sein wird und wenn eine kritische Masse wichtiger Staaten erreicht ist, dann wird man ggf. in der Tat beide Auge zudrücken…
Aber vielleicht auch nicht. Meine Hoffnung ist, dass tatsächliche mal Namen genannt werden, damit wir von einer fiktiven Prozentdebatte endlich zu einer tatsächlichen Solidaritätdebatte kommen.
@ Thomas Melber sagt:
11.08.2019 um 17:27 Uhr
Ja, das große Problem dabei ist einerseits das man nicht weiss was man eigentlich können will oder es weiss, aber nicht danach handelt und da wo man handelt, dass die Umsetzung in dem ‚Verwaltungsmoloch‘ eeeeewig dauert.
Das man die Bundeswehr eingedampft hat kann ich verstehen. Warum man dabei einige Teile ganz abgeschafft, habe ich bis heute nicht verstanden. Es ist ja grundsätzlich so, dass man es zumindest weit runter fahren kann, jedoch nie so weit runter fahren darf, das ganze Fähigkeiten wegfallen und so ein Aufwuchs nicht mehr möglich ist.
Z.B. hätte es unsere Finanzierung sicher nicht umgebracht, wenn man wenigstens eine Kompanie Gepard behalten hätte usw…
Klar ist das Fahrzeug derweil etwas über dem Datum, aber besser als nichts. Man hätte auf der Basis dann aber in Übung bleiben können (zumindest mit richtig guten Multiplikatoren), man hätte weiter entwickeln können usw.. Und das ist ja nur ein Beispiel von vielen.
Viele sagen ja auch man könne 2% derzeit gar nicht ausgeben – das denke ich allerdings schon. Z.B. könnte man den Leiferanten und Herstellern die Entwicklung von neuen Fahrzeugen und Systemen vergüten, wie früher mehrere potentielle Bieter Prototypen entwickeln lassen und bezahlen, daraus dann evaluieren usw.. Es ist ja nicht so, als wäre Modernisierung nicht erforderlich.
Aber für all das und auch für Effizienz dabei müsste man auf politischer Seite über eine Menge Hürden springen und viele klare Kanten fahren. Das sehe ich nicht…
@ Horst Rosendahl
Niemand beschimpft die USA für ihre Verteidigung, wohl aber für die Art und Weise, mit Verbündeten umzugehen.
Oder auch für ihre Intoleranz anderen Kulturen oder Völkern gegenüber, die gerne auf eine andere Art und Weise leben möchten, als der Westen.
Es ist momentan eine schwierige Zeit und wird einige Verbündete dazu bringen, sich anderweitig zu orientieren. Und ob das im Sinne der USA ist, darf bezweifelt werden.
Mich ärgert dieser Begriff Trittbrettfahrer – und hier ist das warum:
1. Im Kerngeschäft der LV/BV haben wir seit 2014 richtig viel Verantwortung übernommen. Bei der eFP sind wir eine von vier Lead-Nations auf Augenhöhe mit den Amerikanern. Auf Augenhöhe sind wir auch beim Air Policing im Balkan. Und bei der VJTF (Land) sind wir jedes vierte Mal dran (sind da die Amerikaner dabei). Ich sehe kein anderes NATO-Land – nicht die USA und auch nicht GB, FR oder andere europäische Staaten, was bei diesem Dreiklang so viel beiträgt wie wir.
2. Bei den UN-Einsätzen sind wir deutlich engagierter als die Amerikaner. Wo ist denn deren Beitrag bei UNIFIL? Wo der Beitrag bei MINUSMA?
3. Wo wir uns nur zögernd oder gar nicht beteiligen, sind Interventionseinsätze/Interventionskriege. IRAK, Libyen, Syrien… Aber dies ist nicht Trittbrettfahren aufgrund mangelnder militärischer Mittel – dies waren sicherheitspolitische Entscheidungen auf Bundestagsniveau.
Wir können und sollten mehr tun? Aber souverän und gemäß unser eigenen Einschätzung der sicherheitspolitischen Lage. Und dann – wo immer möglich – im Einklang mit unseren europäische und nord-amerikanischen Partnern.
Und was das 4 x 30 anbelangt: Da kommt es ja wohl auf das Zählen an. Wenn man Schiffe im Einsatz mitzählen darf, die man dann notfalls umwidmet sehe ich kein Problem, immer 3 Kampfschiffe zu benennen. Wir haben sowieso eine Korvette vor Libanon und eine Fregatte in der SNMG. Irgendeine weitere Korvette oder Fregatte oder ein U-Boot werden wir ja wohl haben. Die Briten haben ja auch die HMS Duncan aus SNMG herausgelöst, um sie in den persischen Golf zu schicken. Warum sollte das Heer bei über 20 Bataillonen nicht 3 stellen können? Insbesondere wenn man auch die QRA, EFP und/oder die VJTF mitzählen darf..
Schwierig wir es in der Tat 3 Geschwader zu benennen. Aber eine Einsatzbereitschaft von 37,5% (3 von 8) innerhalb von 30 Tagen sollte ja wohl sowieso im Zielbereich der Bundeswehr liegen… Spannend finde ich in diesem Zusammenhang aber auch die Frage, wer denn die anderen 27 (!) Geschwader der NATO stellt. Über wie viele Geschwader verfügen die europäischen NATO-Partner überhaupt? Also, ich sehe da nicht, dass Deutschland schlechter dasteht als andere.
@Alpha Tango:
Ich weiß nicht welche weiteren Faktoren aus Ihrer Sicht berücksichtigt werden sollten, aber wenn es – wie von der Bundesregierung vorgeschlagen – zivile Beiträge sind, dann ist dies nicht mehr Klarheit, sondern Augenwischerei. Die NATO ist eine politische Allianz mit militärischem Gepräge. Somit ist eine Einhaltung des NDPP der klare und messbare Indikator ob ein Mitglied anhand vom output seinen zugesagten (!) Beitrag leistet.
@Alpha November:
„Aus meiner Sicht sollte man das daher anders anpacken und vergleichen und eine Wertungsmatrix aus Bevölkerungszahl, Grenzlänge, Landesfläche, Wirtschaftsleistung bilden und daran fest machen wie viele autark einsatzfähige Divisionen man aufzustellen hat. Ein Fähigkeitssprektrum im Hinblick auf Verteidigung wäre festzulegen.“
Wenn auch ohne Mechanik über die genannten Indikatoren, aber ähnlich baut hierauf die NATO-Planung auf. Deutschland hat beispielsweise eine Division ab 2027 eine Division und 2032 3 Divisionen zugesagt (https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/politik-verband/beitrag/news/bundeswehr-plaene-heer-soll-drei-volle-divisionen-bekommen/).
Passt nur nicht zur Finanzplanung.
@Thomas Melber:
Es soll bis 2027 keine neue Division aufgestellt werden, sondern eine bestehende Division (1. PzDiv) soll wieder voll ausgestattet, digitalisiert und mit Divisionstruppen versehen werden.
Absehbar wird daraus nichts, da die dafür notwendigen Investitionen im Milliardenbereich nicht möglich sind.
Schon der Zwischenschritt 1 (Vollaustattung VJTF 2023) ist mittlerweile bereits illusorisch.
Wenn nun noch die NRI ernsthaft im Bündnis weiterverfolgt wird, dann wird zumindest den Alliierten wohl mehr als deutlich, dass Deutschland zwar viel zusagt, aber wenig einhält. Das stört dann nicht nur Trump, sondern auch andere.
Es genügt eben nicht in Bierzelten davon zu reden, dass wir unsere Sicherheit verstärkt in die eigenen Hände nehmen müssen.
Man muss es dann halt auch machen.
Daran fehlt es eben und das wird wohl auch nicht besser.
@Nachhaltig:
„Warum sollte das Heer bei über 20 Bataillonen nicht 3 stellen können? Insbesondere wenn man auch die QRA, EFP und/oder die VJTF mitzählen darf..“
Die NRI sollte man zunächst mal im Kontext sehen. Die NRI soll die bisherigen Teile der NRF, die als Reserve vorgesehen sind (IFFG), schneller einsatzbereit machen und flexibler ausgestalten, um die Fähigkeiten der NATO zur Abschreckung glaubwürdig (!) zu verbessern und die Lastenteilung im Bündnis stärker auszugleichen. Es geht also darum eFP und VJTF zu unterstützen. Somit können Kräfte für eFP und VJTF nicht gleichzeitig für NRI gemeldet werden, da sie ja sonst ihre eigene Reserve wären.
Schaut man sich dann an welchen Aufwand die gesamte Bundeswehr vorallem für die VJTF leisten muss, sollte klar sein, dass das ganze Personal und vorallem Material für die Verbände für die NRI fehlt. Zumal es bei NRI um dreimal so große Umfänge in 1/3 der Zeit geht. Dazu werden absehbar noch umfangreiche Kräfte zur Führungs-, Kampf- und Einsatzunterstützung hinzukommen.
Es sind eben nicht die hohlen Strukturen relevant, sondern die dortigen Fähigkeiten und Lücken.
@Nachhaltig sagt: 11.08.2019 um 21:48 Uhr
„Mich ärgert dieser Begriff Trittbrettfahrer – und hier ist das warum:
1. Im Kerngeschäft der LV/BV haben wir seit 2014 richtig viel Verantwortung übernommen.“
Sorry, aber wenn Sie unsere Ankündigungen und Presseerklärungen als Verantwortung übernehmen betrachten.
Wir tun das beste was wir können mit dem aktuell beschränkten Haushalt, aber es bleibt halt nur Stückwerk, weit unterhalb dessen was wir versprochen haben und was wir im Rahmen einer fairen Lastenteilung leisten müssten.
@Alpha November
Wir können die 2% nicht ausgeben. Genauer: WIR können die 2% nicht in unserem eigenen Land ausgeben.
Würde man aber Systeme von der Stange kaufen sähe das schon besser aus. Würde man dann noch Lücken, bei denen die hiesige Industrie eh nichts zu bieten hat, mit Systemen aus dem europäischen Ausland und notfalls den USA, Israel und anderen Ländern stopfen, würde die Zuliefererbasis deutlich in der Breite wachsen.
Das will man aber nicht. Man hat eine Lücke, will die angeblich schließen und setzt auf Entwicklungen die in 5 – 15 Jahren zulaufen könnten, wenn nicht wieder alles schief geht. Dazu kommt eben Goldrand, miese Verträge und dann das Sparen am falschen Ende (Beschaffung in Salamitaktik, keine Ersatzteilpakete usw). Das wird auch wohl so weiter gehen.
Es geht immer nur darum dass das Geld nicht reichen würde. Warum es nicht reicht und was man dagegen tun könnte interessiert nicht so sehr.
Das neue Sturmgewehr wird doch auch wieder so eine Posse. 7,62er Durchschlagskraft bei 5,56 Waffe und Munitionsvorrat zu fordern kann ja nichts werden.
Entweder man kauft das HK433 in 5,56mm oder wagt den Schritt zu neuen Kalibern, so Richtung 6,5 oder 6,8 mm.
Stattdessen werden da Ansprüche gestellt die niemand erfüllen kann. Irgendjemand muss sich aber planungs- und beschaffungsseitig damit befassen…
Von der Geldverschwendung mal ab scheint es auch kein Sparprogramm zu geben? Einige Investitionen könnten langfristig sicher die Kosten senken.
Bei 2% wären ein paar verbrannte Milliarden durch Fehlkäufe und noch ein paar durch Ineffizienz egal; jährlich versteht sich.
Das Vertrauen ist dahin, daher ist die Bereitschaft mehr Geld in den Apparat zu pumpen auch eher gering.
Die Zustimmung in der 2%-Frage liegt zwar bei etwas über 50% aber die dusseligen Wähler wissen eh nicht wie viel das eigentlich ist und fragen auch nicht.
Viele denken es drehe sich um 2% vom Haushalt oder das 2% von der Wirtschaftsleistung ja nicht viel wäre. Es gab mal massive Steuersenkungen für die Reichsten und große Unternehmen. Es gibt diverse Steuerschlupflöcher und nicht genug Steuerfahnder um dreiste Hinterziehung aufzudecken.
Beim Finanzminister kommt von der Wirtschaftsleistung nicht mehr soviel an wie früher.
Und wie gesagt, trotz Geldverbrennungsparty in den USA bekommt die Seelogistikflotte nichts ab.
Von 61 Transportschiffen sind 13 nicht einsatzbereit und weitere 6 haben ihre Klasse verloren. Fast ein Drittel der Flotte und es wird immer schlimmer…
https://www.stripes.com/news/rotting-ships-and-aging-tankers-could-compromise-the-military-s-ability-to-get-to-the-fight-lawmakers-warn-1.571831
Mal sehen ob bei über 200 Mrd. Dollar mehr Spielgeld mal jemand an die Marinearsenale denkt. Die sehen auch nicht so gut aus, dabei ist der jährliche Fehlbetrag bei dem Budget ein schlechter Scherz.
US Rechnungshof dazu: https://www.youtube.com/watch?v=R420_Md5P4Q
Man kann auch mit sehr viel Geld, sehr wenig erreichen.
@Nachhaltig:
Es handelt sich übrigens nicht um 30 Geschwader, sondern um 30 Staffeln.
Aber auch empfehle ich anzuschauen welcher personelle und materielle Aufwand über Geschwader hinaus betrieben wird, um VAPB in den jeweiligen Rotation zu realisieren.
Daher sind 3 Staffeln dann doch auch wieder eine Aufgabe die aus der Grundaufstellung nicht einfach so zu leisten ist.
Die NRI ist nunmal ein Katalysator für die Verbesserung der Einsatzbereitschaft und wohl auch wie die VJTF etwas ernsthafter als die NRF.
@Memoria:
Wenn die Bereitstellung der im Rahmen des NDPP zugesagten militärischen Fähigkeiten das Kriterium in der allianzinternen und öffentlichen Diskussion (auch hier im Thread) wäre, wären Deutschland bisher keinerlei Vorwürfe zu machen.
Die Trittbrettfahrervorwürfe setzen jedoch bereits deutlich davor bzw. oberhalb der militärischen Ebene an und zielen dabei u. a. auch auf den Umfang der Zusagen ab. Und um dieses Gewebe aus Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Ökonomie zu durchdringen, bedarf es aus meiner Sicht einer umfassenden polit-ökonomischen Analyse, die dann im Ergebnis eine deutlich differenziertere Argumentation erlaubt.
Die hier von einigen Kommentatoren kolportierte „Trittbrettfahrermentalität“ bekämpft man nicht dadurch, indem man den USA blindlings hinterherrennt und alle Forderungen erfüllt, auch wenn sie gegen die außenpolitischen Interessen Deutschlands und Europas sind.
Wie man mit den USA umgehen muss, damit sie handzahm werden, zeigt uns gerade Nordkorea. Etwas Kritik am laufenden US/südkoreanischem Manöver, ein paar Raketentests und ein Brief an den POTUS und die Sache läuft. Trump bezeichnet daraufhin das Manöver als „lächerlich“ und freut sich auf das nächste Treffen mit seinem Kumpel Kim, der ihm „einen sehr netten Brief“ geschrieben hat.
Das scheint die neuen Leitlinien US-amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik wiederzuspiegeln. das kann man als Europa nicht ernst nehmen und sollte ganz viel Abstand dazu halten. Das hat doch gerade mal Kindergartenniveau („du bist mein Freund, weil du deine Rakete mit mir teilst“ oder so ähnlich).
@ Pio-Fritz und Nachhaltig: +1
Ich fürchte einige Kommentatoren ignorieren die Weiterentwicklung der Geschichte:
Die USA wollen schlicht nicht mehr der (Gott)-gegebene Anker der westlich, freiheitlichen Werte und somit Garant auch unserer Freiheit sein. Verbündete hin oder her, es gilt den vollen Einfluss und Druck auf wen auch immer auszuüben, um das Maximale für sich rauszuholen. Daran werden die USA Gefallen finden und ein Trump wird, so fürchte ich jedenfalls, keine Eintagsfliege oder Exot bleiben, den man nur überstehen muss und danach geht’s weiter wie in den letzten 60 Jahren gewohnt…
Mithin ist es doch folgendes geboten: Deutschland muss sich schleunigst (völlig) emanzipieren, eine Armee aufbauen und unterhalten, die den Namen auch verdient und nicht nur schlagkräftig ist, sondern auch einen deutlich abschreckenden Effekt entfaltet und sich dann selbstbewusst aber im Schulterschluss mit gleichgesinnten europäischen Partnern bei Krisen positioniert. Wenn dann ein (heißer) Einsatz für die „richtige“ Sache nötig ist, wird das Volk mitziehen. Als Beispiele: Völkermord im ehemaligen Jugoslawien vs. Irakkrieg oder der jetzigen Situation am Golf (bei der die USA für die ganze Welt deutlich sichtbar einen Konflikt vom Zaun bricht mit dem Ziel einen Regime-Wechsel herbeizuführen und anschließenden krampfhaft versucht eine Koalition der Willigen zu „verpflichten“. Wer nicht spurt, siehe oben).
Und nochmal zu den 2%: Sicherlich wird deutlich mehr Geld benötigt, aber eins ist doch klar: Zunächst müssen mal die Strukturen von Grund auf erneuert werden. Es ist schon oft thematisiert worden: Der Wasserkopf und der Bürokratismus in der Bundeswehr ist enorm. Hier muss schleunigst angesetzt werden, sodass nicht schlechtem Geld Unmengen gutes hinterher geworfen wird mit dem Ergebnis, dass zwar die Ausgaben stark steigen, die Schlagkraft aber kaum…
@ Pio-Fritz
+1
@ Blaubarschbube
„Mithin ist es doch folgendes geboten: Deutschland muss sich schleunigst (völlig) emanzipieren, eine Armee aufbauen und unterhalten, die den Namen auch verdient und nicht nur schlagkräftig ist, sondern auch einen deutlich abschreckenden Effekt entfaltet und sich dann selbstbewusst aber im Schulterschluss mit gleichgesinnten europäischen Partnern bei Krisen positioniert. “
Ein guter Kommentar. Aber ersetze „Deutschland“ in der ersten Zeile durch „die EU“ und streiche das Wort „europäischen“ in der letzten Zeile. Dann ist es rund!
Wir (Deutschland) sind alleine ein Zwerg. Sowohl von der Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft, aber auch militärisch. Wir können alleine, auch bei einer noch so gut ausgestatteten Armee, nicht bestehen. Und Konflikte lösen auch nicht.
@Der Realist: Danke & einverstanden!
@Alpha Tango
„Wenn die Bereitstellung der im Rahmen des NDPP zugesagten militärischen Fähigkeiten das Kriterium in der allianzinternen und öffentlichen Diskussion (auch hier im Thread) wäre, wären Deutschland bisher keinerlei Vorwürfe zu machen.“
In der Absolut heit sehen das wohl nicht alle so. Letztes Jahr musste Deutschland die Beteiligung an der SNMG 1 absagen:
https://augengeradeaus.net/2018/07/fuers-archiv-marine-ohne-tanker/
Der Blick zurück ist aber weniger relevant, sondern die Zusagen in den nächsten Jahren.
Das FPBw bildet alle Zusagen aus dem NDPP ab. Allein der Blick in den Plan Heer legt nahe, dass die Lücken – bei bleibender Finanzlinie – jedes Jahr deutlich wachsen werden.
Da schließt sich dann der Kreis zum Vorwurf des Trittbrettfahrens. Wenn man in diese Betrachtung weitere Dimensionen einbezieht, wird das Bild aus meiner Sicht nicht klarer, sondern unschärfer. Genau das ist im Interesse von vielen in politischer Verantwortung. Aber vielleicht betrachte ich das Thema auch zu praktisch (und damit kleinteilig?) bzw. ist mir nicht klar welche weiteren polit-ökonomischen Faktoren sie in die Analyse aufnehmen wollen, die nicht schon in Vorbereitung der Zusagen im NDPP verhandelt wurden. Natürlich sind auch weitere Elemente im Bündnis zu betrachten (z. B. Beteiligung an Einsätzen), aber im Kern geht es in der Allianz um die Beiträge zur Bündnisverteidigung.
Wissenschaftlich ist mehr Differenzierung stets sinnvoll, politisch ist zu viel Differenzierung schnell ein Fehler. Es würde ja schon genügen, wenn man zwischen input und output differenzieren würde.
@Pio-Fritz sagt: 12.08.2019 um 9:24 Uhr
„Die hier von einigen Kommentatoren kolportierte „Trittbrettfahrermentalität“ bekämpft man nicht dadurch, indem man den USA blindlings hinterherrennt und alle Forderungen erfüllt, auch wenn sie gegen die außenpolitischen Interessen Deutschlands und Europas sind.“
Stimmt. Man muss der USA nicht blindlings Hinterlaufen. Genau genommen sollte man das als souveräner Staat DEU und selbstbewusste Europa auch nicht tun.
Was man aber tun sollte, ist die gemeinsam (!) beschlossene Mindestbeiträge zur gemeinsamen (!) Sicherheit zu erbringen.
Wir sollten unseren Bw nicht deswegen schlagkräftiger machen (und dafür unseren Verteidigungshaushalt deutlich erhöhen), weil es die USA verlangen, sondern weil a) wir es zugesagt haben und b) weil es in UNSEREM Interesse liegt.
Erst einmal vielen Dank für die bisherigen Beiträge und Einwände!
Neben den ganzen Sachargumenten erscheint mir die 2% Diskussion eine hochgradig emotionale.
Und da schließt sich meine Frage/Beobachtung an:
Bis zur Wiedervereinigung hat die BRD eine umfangreiche Bundeswehr mit klarem Auftrag.
Im Rahmen der Wiedervereinigung wurde dann (meines Wissens in den 2+4 Gesprächen) eine Maximalgröße der Bundeswehr definiert.
Wohl weil es Ängste und Sorgen bei den (europäischen) Nachbar gab, dass Dt. militärisch wieder zu mächtig werden könnte.
Und das trotz jahrzehntelange Zugehörigkeit zur Nato und eingebunden sein in der EU.
Fast forward: Und nun schallt es von vielen Seiten dass Dt. endlich und schnell wieder auf/ausrüsten soll.
Sind die Vorbehalte gegenüber Dt auf einmal verschwunden?
Hier wäre eine deutliche Antwort oder auch Hilfe der Nachbarn notwendig.
Hat D eigentlich auch mal seine militärische Rolle innerhalb der EU mal durchdefiniert?
Auch im Hinblick darauf, was von der Bevölkerung mitgetragen wird?
Gemeinsam mit den Partnern?
Und das in einer breiten (europ.) Öffentlichkeit?
Mir ist da nichts bekannt.
@SvD
„…Das Vertrauen ist dahin, daher ist die Bereitschaft mehr Geld in den Apparat zu pumpen auch eher gering….“
Klingt nach Catch-22.
Aus meiner Sicht ist das auch einer der zentralen Punkte in der politischen Diskussion hierzulande.
Und wieder so eine Gefühlssache…
@Hier und da sagt: 12.08.2019 um 20:06 Uhr
„Und nun schallt es von vielen Seiten dass Dt. endlich und schnell wieder auf/ausrüsten soll.
Sind die Vorbehalte gegenüber Dt auf einmal verschwunden?
Hier wäre eine deutliche Antwort oder auch Hilfe der Nachbarn notwendig.“
Gibt es. Die aktuellen Forderungen an DEU werden auch und gerade von unseren Nachbar erhoben.
Es ist eben nicht eine US Forderung, sondern es sind gemeinsame (!) NATO Planungen, inkl. all unserer Nachbarn. Und gerade die beiden Nachbarn, die am häufigsten mit uns im Clinch lagen (FRA) bzw. am häufigsten unter uns gelitten haben (POL) sind deutliche Verfechter stärkerer DEU Beiträge.
@Koffer
Dass gerade FRA und POL diese Forderungen an D stellen und unterstützen war mir nicht bekannt und klingt auch irgendwie noch ungewohnt. Hätte jetzt erwartet, dass es da doch Vorbehalte gibt.
Vielen Dank.
„Es ist momentan eine schwierige Zeit und wird einige Verbündete dazu bringen, sich anderweitig zu orientieren.“
– Ich stimme Ihnen zu. Ich glaube wir haben eine „schwierige Zeit“, weil wir uns in einer Phase der grundsätzlichen Neuorientierung befinden. Diese „Neuorientierung“ ist nicht deswegen entstanden weil Deutschland oder Europa oder die USA etwas „falsch“ gemacht hätten. Sie ist deswegen entstanden weil die Interessenlage dieser Akteure sich unterschiedlich entwickelt hat nach dem Ende der bipolaren Weltordnung. Das ist zunächst einfach ein Fakt.
– Man muss aber erst einmal bereit sein, diesen Fakt zu akzeptieren. Genau hier tun sich die meisten in der Diskussion schwer und fangen an mit „emotionalen Ergüssen“ wie z.B. „wir wurden befreit“ und „wir haben denen die Freiheit zu verdanken“ usw. usw. Mag ja Alles historisch richtig sein. Bringt uns aber alleine nicht wirklich weiter, wenn es darum geht die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten.
-Wenn wir heute als Kontinentaleuropa unterschiedliche Interessen haben mit den USA und UK , dann müssen wir das erst einmal nüchtern zur Kenntnis nehmen. Wir können das ja nicht einfach weiter ignorieren und hoffen, es würde wieder so „kuschelig“ werden wie im Kalten Krieg. Wird es nicht, weil die Fakten- und Interessenlage schlicht und ergreifend eine andere ist. Da nützt auch das Gerede von einem neuen „Kalten Krieg“ nichts. Es glaubt ja Keiner wirklich daran.
– Wer noch immer seine Augen vor der Realität dieser unterschiedlichen Interessenlage verschließen möchte, dem empfehle ich heute in Spiegel-online zu schauen. Dort wird berichtet, dass John Bolton in London gesagt hat, dass die USA Großbritannien „begeistert unterstützen würden“, wenn London sich zu einem EU-Austritt ohne Abkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien entscheiden würde. Das ist ein ziemlicher Hammer!!
– Also noch einmal: die USA würden „begeistert unterstützen“ wenn London genau das macht, was die EU unbedingt verhindern wollte und immer noch will und was sie mit mit vielen Zugeständnissen an UK zu erreichen glaubte.
– Es scheint schlicht so zu sein, dass die USA und UK den EU-Kurs nicht mehr mitmachen wollen! Die US- Signale beim Auflösen des von INF- Vertrags und des JCPOA waren ja auch ziemlich klar und eindeutig.
– Nun muss die EU – und Deutschland auch- endlich erwachsen werden und darf nicht ständig jammern und betteln wie ein Kind um die Zuneigung der USA und von UK. Das allerdings wird der EU und vor allem Deutschland sehr schwer fallen. Weil insbesondere die deutsche politische Klasse das „Nein-Sagen“ gegenüber Partner schlicht nicht gewohnt ist, Hemmungen davor hat, sich „schuldig“ fühlt, selbst dann, wenn diese Partner sich nicht als Partner verhalten. -Wir haben ganz offensichtlich Angst davor einen eigene Position zu vertreten, auch dann wenn ganz offensichtlich gegen unsere deutschen und /oder EU- Interessen gehandelt wird. Das wird nicht einfach werden. Deswegen sind wir tatsächlich in einer sehr schwierigen Phase und ich würde mir wünschen, dass die Politimsich auf das Wesentliche konzentriert und „Bahnfahrkarten“ nicht zum Schwerpunkt der politischen Arbeit im BMVg macht.
@hier und da:
Sehr gute Frage! Mit der Wiedervereinigung kam die Angst vor einem zu starken Deutschland auf, da es dann beide Armeen (BW und NVA) zusammen addiert statt gegen einander hatte.
Dazu kommt, dass die Alliierten abzogen.
Deutschland also erstmals wieder souverän.
Die EU war da ja noch weit entfernt…
Danach hat man es mit dem Abrüsten aber dermaßen übertrieben, daß heute kaum noch was geht.
Auch eine Durchdefinition fehlt hier mangels öffentlicher Debatte.
Was die BW darf, steht noch nicht allzu lange fest, seit dem das BVerfG dazu urteilte.
Deutschland sucht seine Rolle erst noch.
Auch wenn jeder mehr Verantwortung von uns fordert, das ganze ist sehr KOMPLEX und m. E. bewirkt ein US-Botschafter genau das Gegenteil von dem, was er erreichen will.
@BG sagt:12.08.2019 um 23:00 Uhr
„Die EU war da ja noch weit entfernt…“
Wenn Sie die Maastrichter Verträge von 1993 als Gründungsdatum nehmen, dann haben Sie (bedingt) recht. Sie blenden aber die Geschichte der Europäischen Gemeinschaft (Union) seit 1952 komplett aus, es ging mit der sog. Montan-Union (offiziell Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl – EGKS) 1952 los. Einschneidend die Verträge von Rom 1957 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die heute noch als Grundlage dienen.
(s. https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Europa/Die_EU_auf_einen_Blick/Entwicklung_der_EU/entwicklung_der_eu.html )
Die Einbettung DEU in Europa war zu dem Zeitpunkt schon längstens gegeben, nur weil eine „Umbenennung“ und Erweiterung der Verträge in EU erfolgte, war diese nicht in weiter ferne. Dieses Argument zieht nicht. Die Verhandlungen über die Maastrichter Verträge haben auch schon lange vor der Wiedervereinigung begonnen. Vielleicht hat diese ja den Vertragsschluss beschleunigt, erwiesen ist das nicht.