Ex-Generalinspekteur Kujat neuer Aufsichtsratschef bei Heckler&Koch
Fürs Protokoll: Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat ist zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Oberndorfer Waffenherstellers Heckler&Koch gewählt worden.
Zuvor hatte die Hauptversammlung der Heckler&Koch AG am (heutigen) Freitag den ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses in den Aufsichtsrat gewählt; das Gremium kam nach Angaben eines Firmensprechers unmittelbar danach zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und bestimmte den General a.D. zum Aufsichtsratschef.
Die H&K AG erhält prominente Verstärkung im Aufsichtsrat: General a.D. Harald Kujat ist auf der Hauptversammlung der H&K AG am 12. Juli 2019 in Rottweil zum Mitglied des Aufsichtsrates gewählt worden und verstärkt das Unternehmen ab sofort mit seiner außergewöhnlicher Expertise und seiner über die Grenzen Deutschlands hinaus respektierten Stimme. Kujat war von 2000 bis 2002 Generalin- spekteur der Bundeswehr und von 2002 bis 2005 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Der frühere Luftwaffengeneral gilt in sicherheitspolitischen Kreisen als langjähriger Fachmann und Vertrauensperson.
hieß es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.
Es ist kein Geheimnis, dass sich der Oberndorfer Waffenhersteller von der Wahl des ehemaligen Generalinspekteurs in eine prominente Position Unterstützung vor allem in den Bemühungen um den Auftrag für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr erhofft. Die neue Waffe soll nach mehr als 20 Jahren das G36 als Standardwaffe ablösen, das wegen Trefferproblemen vor allem bei heißen Temperaturen in die Kritik geraten war. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte daraufhin erklärt, dass dieses Gewehr in seiner derzeitigen Konstruktion keien Zukunft in der Bundeswehr habe.
Die Suche nach einer Nachfolgewaffe verzögert sich allerdings. Im Mai hatte Heckler&Koch in einem Schreiben an die Ministerin beklagt, die Anforderungen der Bundeswehr-Beschaffer an ein neues Gewehr seien nicht zu erfüllen, und eine Änderung der Ausschreibung verlangt.
Das Unternehmen steht allerdings wirtschaftlich unter Druck, sogar das Wort Bestandsgefährdung fällt. Das geht unter anderem aus dem vor der Hauptversammlung veröffentlichten Konzernabschluss hervor, in dem die Beratungsfirma KPMG in ihrem Bestätigungsvermerk als unabhängiger Abschlussprüfer erklärt:
Wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit
Wir verweisen auf die Ausführungen im Anhang im Abschnitt „Sonstige Angaben“ Gliederungspunkt (28) Finanzielles Risikomanagement, Unterpunkt „Liquiditätsrisiko“ und im Lage- bericht im Abschnitt „2.4.5.2 Darstellung der Fähigkeit, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen/Bestandsgefährdung“, in denen die gesetzlichen Vertreter ausführen, dass der Fortbestand der Gesellschaft und damit des H&K AG Konzerns davon abhängig ist, dass ausweislich der Liquiditätsplanung die zugrundeliegenden Planungsprämissen eintreten mit der Folge, dass die Liquiditätszuflüsse für das Jahr 2019 und die Folgejahre im Vergleich zu 2018 deutlich höher sind. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Produktionsprozesse nachhaltig so verbessert werden, dass die geplanten Ausbringungsmengen bei margenseitig günstigerem Produktmix erreicht werden können. Sollte dies nicht gelingen, so bestehen anderweitige Finanzierungsnotwendigkeiten, für die es dann externer Quellen bedarf. Sofern externe Quellen nicht entsprechend in Anspruch genommen werden können, besteht ein bestandsgefährdendes Risiko.
(Als Nicht-Wirtschaftsjournalist maße ich mir nicht an, einen Konzernabschluss lesen können, und verweise da auf die Kollegen von dpa).
(Foto oben: Kujat im Juni 2018 bei einer Veranstaltung der Linken-Bundestagsfraktion in Berlin – Frank Schwarz/Linke unter CC-BY-Lizenz; Foto unten: Kujat als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses 2003 – Foto NATO)
Ein toller Schachzug von H&K. Zumal sich K. bereits eindeutig zugunsten der Fa. positioniert hat. „…unverzichtbar für unsere nationale
Sicherheit…“ (SZ und SN).
@TW
Ich mag mich in der Interpretation der Zeilen irren, aber die Pressemeldung von H&K spricht von einer Wahl General a.D. Kujats als neues Mitglied des Aufsichtsrates, nicht jedoch zu seinem Chef (Vorsitzender des Aufsichtsrates).
[Einfach mal lesen, was ich geschrieben habe:
Zuvor hatte die Hauptversammlung der Heckler&Koch AG am (heutigen) Freitag den ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses in den Aufsichtsrat gewählt; das Gremium kam nach Angaben eines Firmensprechers unmittelbar danach zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und bestimmte den General a.D. zum Aufsichtsratschef.
Bisweilen frage ich auch nach und versuche, über die reine Pressemitteilung hinausgehende Informationen für meine Leser zu bekommen. T.W.]
Ob das so eine gute Idee ist, bleibt abzuwarten. Herr Kujat ist ja in seiner letzten Tätigkeit nicht mit prowestlichen Meinungen aufgefallen. Was auch mit seiner Arbeit für den Kreml nahestehenden ThinkTank „Dialog der Zivilisation“ zu tun hatte. Von daher habe ich meine Zweifel das Herr Kujat der Fa. Heckler & Koch helfen kann.
Das dürfte noch zu einigen, ähm, nennen wir es mal Differenzen zwischen Oberndorf und Berlin führen. Der General a.D. ist mit seinen Ausführungen in der Vergangenheit doch eher durch ein klares Feindbild als durch reflektierte Detailbetrachtungen aufgefallen.
@TW
Asche auf mein eh schon graues Haupt. Der Satz mit dem „…unmittelbar danach…“ war mir durchgerutscht.
@Hartmut Scheler
„… habe ich meine Zweifel das Herr Kujat der Fa. Heckler & Koch helfen kann“.
Sie sind also der Ansicht, H&K habe die Entscheidung nicht umfangreich abgewogen?
Offenbar sind das Fachpersonal, die Geschäftsführung, Aufsichtsrat etc. bar jeder Kenntnis, oder was glauben Sie?
„Mich motiviert vor allem, dass ich einen aktiven Beitrag dazu leisten kann, dass unsere Soldaten das erhalten, was sie brauchen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können“. Gen a. D. Kujat im „Schwarwälder Boten“.
Der richtige Mann am richtigen Platz, gerade weil kritisch, offen mit Kritik, unabhängig.
KPMG hat zwar auch eine Consulting Sparte. In diesem Fall wäre aber Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die treffendere Bezeichnung. Insbesondere weil es im Grundsatz verboten ist Beratungsdienstleistungen bei einem Mandanten/Kundem zu erbringen, für dem man als Jahresabschlussesprüfer bestellt ist.
@Klaus-Peter Kaikowsky
…..naja…mit der Kritik fing er wie so viel erst nach Dienst Zeit Ende an. Und ob Kritik an der BW H&K hilft ist fraglich
Hhm,
mit der Berufung in den Aufsichtsrat (und Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden) mag sich das Bild bestätigen, dass man eben einflußreiche, politisch vernetze Persönlichkeiten dort installiert, die gar keine bisherigen direkten Bezug zur eigenen Wirtschaftssparte brauchen.
Mit Blick auf die Vita von General a.D. Kujat frage ich mich schon, welche Wirkung er für H&K erzielen soll. Die Bundeswehr hat er vor fast 15 Jahren verlassen, das ist nicht nur sehr lange her, es ist auch deutlich vor Neuordnung des BMVg, des BWB/BAAIN und der restlichen Bundeswehr. Die internen Abläufe haben sich seitdem deutlich gewandelt und die „neue“ Bundeswehr kennt er eben nur von außen.
Das sein Enddienstgrad und seine letzten zwei Verwendungen ihm noch die ein oder andere Tür in Brüssel oder Berlin öffnen mag der Fall sein, wobei er, wie von Vorschreibern bereits erwähnt, sich mit seiner teilweise scharfen Kritik an Regierung und BMVg (und der VtdgMinisterin in Persona) möglicherweise die ein oder andere Einflußmöglichkeit selbst verbaut hat und nur noch aus „Höflichkeit“ und Respekt vor dem Dienstgrad wahrgenommen wird.
Mir scheint Kujat ist Offizier ohne (Wirtschafts-)Studium, seine Verwendungen als Stabsoffizier und General liegen alle eher im politischen und militärstrategischen Bereich, nur die knapp 3 Jahre im Planungsstab werden dichter zum Bereich Rüstung gelegen haben.
Welche Erfahrungen und Kenntnisse (und noch wirksamen Kontakte) bringt er also mit, die Ihn für ein mittelständisches Wirtschaftsunternehmen das Handfeuerwaffen produziert, vor allem für das Heer (zur Auftragserfüllung) und querschnittlich für den Rest der Streitkräfte (zur Selbstverteidigung, ok Ausnahme Exoten wie Objektschutz Luftwaffe und SpezKr Marine) besonders interessant macht? Ein Wirtschaftsexperte ist er nicht.
Wenn ich mir die Presseberichte der letzten Wochen (unter anderem Welt) anschaue, wo er sich zur Kaliberwahl bei der Beschaffung des neuen Sturmgewehrs der Bundeswehr äußert, so schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen und frage mich ob er überhaupt weiß wo von er da spricht, oder wer von H&K ihm da einen Sprechzettel geschrieben hat, der zwar zu dem tränenreichen Brief der H&K-Führung aus dem Mai passt, wo man „aus Sorge um die Soldaten“ eine Änderung der Ausschreibung forderte, aber argumentativ neben einem Haufen hohler Phrasen einfach, pardon, Blödsinn ist, wenn dort die einfache Gleichung „größeres Kaliber = mehr kinetische Energie = in größerem Abstand zum Gegner einsetzbar“ aufgestellt wird und dann noch darauf hingewiesen wird „das die Kalaschnikow AK47 ja auch eine größeres Kaliber hat“ und das KSK auch Waffen in 7,62mm nutzt.
Im BMVg, Planungsamt und BAAIN haut man sich bei solchen Argumenten Kujats vermutlich vor Lachen auf die Schenkel.
Hier singt der Luftwaffenlogistiker (um es böse zu formulieren) bereits das Lied seines neuen Arbeitgebers, aus Mangel an eigenen Grundkenntnissen im Bereich Handfeuerwaffen und deren militärischen Einsatz.
Oder soll er für H&K einfach den „Winkeonkel mit 4 goldenen Sternen“ geben?
@ FlaOffz
General Kujat war Generalinspekteur der Bw und Vorsitzender des Militärausschusses der Nato, der weltgrößten sicherheitspoltischen Union.
Was denken Sie hat dieser „Chairman“ für eine Wirkung auf all die Waffeneinkäufer dieser Welt ? Zumal in den meisten Ländern der Welt nicht ein Beschaffungsamt mit Zivilisten einkauft, sondern aktive Generäle für den Bedarf ihrer Truppe.
Die Bestellung von General Kujat in den Aufsichtsrat und die Wahl als dessen Vorsitzender ist ein strategischer Schachzug, der Heckler und Koch weltweit die Türen für die militärischen Waffeneinkäufer öffnet wird, von wegen kulturellen Verständnis von Soldat zu Soldat.
4 Fragen, die ich mir stelle…
– reichen 4 Sterne, güldenes Eichenlaub und vor allem das jetzige Alter nicht aus, den Rest seines Lebens in Ruhe, Gemütlichkeitund bei Gesundheit zu geniessen..?
Mir fehlt jegliches Verständnis… 🤔
– siegt ein Machtanspruch oder drohender Verlust öffentlicher Auftritte nicht nur bei Politikern über Gelassenheit und Überlassen von Aufgaben…. offensichtlich schon, überall sichtbar…
– haben wir keine AKTIVEN Spezialisten in den postenreichen und hochdotierten Ämtern, die klar definieren und durchsetzen, was die Bundeswehr braucht…? Scheinbar nicht…wir brauchen noch mehr Berater 🙄
– muss erst ein Soldat firmenabhängig als „Waffenexperte“ der Bundeswehr, und sicherlich aufgrund ehemaliger Position die Seiten wechseln… Schelm wer böses dabei denkt, aber man sollte aufhören, die Menschheit für dumm zu verkaufen.
Schon einige Kommandeure sind insbesondere aufgrund ihrer Kontakte und ehemaliger Stellung auf die Wirtschaftsseite nicht nur der Waffenlobby gewechselt, vertreten heute verständlicherweise deren Sichtweise. Auch in diesem Fall ruft das sofort Skeptiker auf den Plan – noch mehr verständlich.
@Georg 13.07.2019 um 13:25 Uhr:
Ja nee ist klar, in den meisten Ländern wird einfach gekauft, weil ein seit 14 Jahren pensionierter General das so empfohlen hat, so ganz uneigennützig, kameradschaftlich von Soldat zu Soldat. Ein Beschaffungssystem haben ja nur die Deutschen, der Rest geht einfach einkaufen.
Ich dachte immer bei fast allen Beschaffungen geht es vielleicht um Qualität, in jedem Fall um den besten Preis, die schnellste oder pünktliche Lieferung (der gewünschten Stückzahl) oder die Tatsache das überhaupt jemand verkaufen will und in das Empfängerland liefern kann (Stichwort Exportkontrollen).
Und die Länder wo ein einzelner General, von der Strahlkraft ein Kujats geblendet, einfach entscheidet, sind dann die wo H&K hin liefern darf? Nein.
Und oh toll, Kujat war Generalinspekteur und als Bonus bei der NATO Vorsitzender des Militärausschusses. Beides absolut politische Posten. Den Begriff Chairman mag ich, sehr passend für jemanden mit Kujats Vita. Viel besser als die Spitznamen die man um 2000 hörte. Mir gefiel damals besonders „der Aerodynamische“.
Ansonsten empfehle ich mal, sich mit Kujats Rolle im BMVg unter Minister Scharping zu beschäftigen, auch und insbesondere seine Rolle beim Rücktritt von Generalinspekteur v. Kirchbach. Kujat kann sicher deshalb heute die Politik so gut kommentieren, weil er sich bereits vor 2002 als Offizier wie ein „moderner Politiker“ benommen hat. Das erläutere ich lieber nicht weiter…