‚Gorch Fock‘: Entscheidung über Sanierung „zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich“

Fürs Archiv: Der am Wochenende bekannt gewordene Bericht des Bundesrechnungshofs zur Gorch Fock, dem Segelschulschiff der Deutschen Marine, und der Kostenexplosion bei der Sanierung des maroden Großseglers hat am (heutigen) Montag auch die Bundespressekonferenz beschäftigt. Kernaussage von Jens Flosdorff, dem Sprecher des Verteidigungsministeriums, zur Frage nach der Entscheidung über eine weitere Sanierung des Schiffes: Wenn man dort eine gesicherte Ablauflinie hat, dann kann man Entscheidungen treffen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht möglich.

Zur Dokumentation Flosdorffs Aussagen:

Frage: Es geht um die „Gorch Fock“. Wie bewertet denn das Bundesverteidigungsministerium jetzt den Bericht des Rechnungshofes, dass überhaupt nie eine Wirtschaftlichkeitsprüfung stattgefunden hat? Das wäre die eine Frage.

Die andere Frage: Wäre es denkbar – gerade unter der Voraussetzung, dass der Ministerin vielleicht tatsächlich falsche Zahlen vorgelegen haben könnten -, dass sich die Ministerin doch noch einmal anders entscheidet, was den Weiterbau oder die Sanierung der „Gorch Fock“ angeht?

Flosdorff: Danke für die Frage. Ich würde hier – ich bitte um Verständnis – eine umfassende Bewertung dazu nicht abgeben, zumal das eine Prüfmitteilung ist, die uns erst vor nicht allzu vielen Tagen erreicht hat. Mit dem Bundesrechnungshof ist bisher vereinbart – das wäre dann auf Seiten des Bundesrechnungshofs anders zu bewerten -, bis zum Abschluss des kontradiktorischen Verfahrens die Gelegenheit zu erhalten, zu den einzelnen Sachverhalten und Bewertungen seitens des Ministeriums Stellung zu nehmen.

Das ist eine sehr umfangreiche Instandsetzungshistorie, die dort Gegenstand dieser Prüfmitteilung ist. Das geht bis zum Beginn dieses Jahrtausends zurück. Die unterschiedlichen Stellen, die Verfahrensschritte, was instandgesetzt worden ist, welche Reparaturen zu welchem Zeitpunkt absehbar waren, all das beleuchtet der Bundesrechnungshof. Das braucht einige Zeit, bis das von unserer Seite aus richtig eingeordnet, bestätigt oder ergänzt werden kann. – Das vorausgeschickt.

Diese Aufarbeitung läuft auf unterschiedlichsten Ebenen. Es gibt unterschiedlichste beteiligte Stellen in der Bundeswehr. Der Großteil dieses Geschehens spielt unterhalb des Ministeriums in den zuständigen Ämtern.

Nichtsdestotrotz geht es dabei auch um die Frage – da haben Sie selbstverständlich Recht; auch das ist Gegenstand der Prüfmitteilung -, inwieweit valide Daten und Sachstände nach oben durchgemeldet worden sind. Das wird untersucht.

Parallel dazu – darüber hatten wir ja schon vor Ende des Jahres gesprochen – gibt es diesen Korruptionsverdacht gegen einen Mitarbeiter der Bundeswehr auf der Werft. Diese Untersuchungen laufen parallel dazu, sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei uns intern. All diese Ermittlungen werden zusammen laufen.

Bisher – das ist der Sachstand; daran hat sich auch nichts geändert – haben wir einen Zahlungsstopp bei den Arbeiten der „Gorch Fock“. Wie es mit der „Gorch Fock“ weitergeht, werden wir erst abschließend wissen und entscheiden können, wenn wir in all diesen Punkten Klarheit haben. Deswegen – da bitte ich um Verständnis – kann ich Ihnen jetzt hier und heute auf diese Frage keine abschließende Antwort geben.

Zusatzfrage: Also dieser Zahlungsstopp bezieht sich quasi nicht nur auf die Prüfung des Korruptionsvorfalls, sondern wahrscheinlich auch noch auf die Prüfung der Vorwürfe des Bundesrechnungshofs? Habe ich das so richtig verstanden?

Flosdorff: Das ist ein anderer Sachverhalt, auf den sich jetzt die Korruptionsvorwürfe beziehen. Das ist eine sehr umfassende Betrachtung dessen, was in den letzten fast zwanzig Jahren passiert ist, aufgegliedert nach unterschiedlichen Schritten, den unterschiedlichsten beteiligten Stellen und Kenntnisständen. Das wird dort bewertet. Der Zahlungsstopp bezieht sich jetzt in erster Linie auf das Instandsetzungsverfahren, das wir aktuell haben, also auf Arbeiten, die schon in der Werft stattgefunden haben, die aber auch in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr noch weiter stattfinden müssten.

Da wollen wir erst einmal, bevor jetzt wieder öffentliche Gelder dort investiert werden, wissen: Inwiefern ist dort bisher alles richtig investiert worden? War das alles sachgerecht? War das preislich in Ordnung, was auch über den Tisch desjenigen gelaufen ist, der dort von der Bundeswehr dafür zuständig war, das zu beurteilen, der der sich jetzt sozusagen einem Verdacht der Korruption ausgesetzt sieht und gegen den auch die Staatsanwaltschaft ermittelt?

Frage: Herr Flosdorff, zwei Nachfragen dazu: Ist denn – Stand jetzt – ein völliger Stopp der Instandsetzungsmaßnahmen überhaupt noch denkbar, also ein Ende mit Schrecken? Oder sagen Sie: Kopf runter und durch?

Macht man sich grundsätzlich Gedanken darüber, ob die Bundesmarine überhaupt noch ein Segelschulschiff braucht?

Flosdorff: Für solche Überlegungen ist es viel zu früh. Wir müssen jetzt erst einmal genau wissen: Was ist der tatsächliche Stand?

Es gibt dazu Papiere; es gibt Berichte. Trotzdem wollen wir es jetzt genau wissen. Es gibt Sachverhalte, bei denen man etwas mehr Zeit braucht, um sie zu eruieren. Man muss jetzt durch die Bücher gehen und schauen: Wie waren die Preiskalkulationen? Stimmt das alles? Welche Arbeiten sind tatsächlich von den Arbeiten ausgeführt worden, die abgerechnet worden sind? Wie sind die weiteren Prognosen, dass das im Management weiter erfolgreich zu Ende gebracht werden kann, was man bisher bei der Restaurierung erreicht hat?

Wenn man dort eine gesicherte Ablauflinie hat, dann kann man Entscheidungen treffen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht möglich. Deswegen werde ich jetzt auch nicht auf unterschiedliche Szenarien eingehen, die sich dann anbieten. Denn erst müssen wir in der Lage sein, das valide zu bewerten.

Zusatzfrage: Wer macht die Prüfung genau? Macht das die Marine, der Bundesrechnungshof oder eine unabhängige Stelle?

Flosdorff: Das sind unterschiedlichste Stellen. Was die Frage dieses Preisprüfers angeht, der jetzt auch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen ist, so sind das natürlich andere Preisprüfer – das ist eine sehr fachliche Tätigkeit -, die das jetzt penibel nachprüfen.

Zweite Linie: Was jetzt die Rolle der unterschiedlichen beteiligten Stellen der Bundeswehr auf den unterschiedlichsten Ebenen angeht, so wird das jetzt aus dem Ministerium durch eine Stelle koordiniert, die bisher nicht mit diesem Strang befasst war, die also einen neutralen Blick darauf hat. Unterstützt wird sie von Fachkräften aus anderen Bereichen des Geschäftsbereichs des Bundesverteidigungsministeriums. Es sind nachgeordnete Behörden, die auch mit Prüfverfahren betraut sind und dort die notwendige Sachkenntnis mitbringen. Aber natürlich wird auch zugearbeitet durch die Marine, das Amt in Koblenz und die dem Amt nachgeordneten Behörden.

Frage: Herr Flosdorff, aus gegebenem Anlass: Findet diese Aufarbeitung beziehungsweise kritische Analyse mit internem Sachverstand statt, oder werden auch externe Berater hinzugezogen? Welches ist die Position oder Rolle dieser?

Zum Zweiten: Können Sie sagen, wie viel Geld bislang bei der „Gorch Fock“-Sanierung entweder tatsächlich schon ausgegeben oder irreversibel zugesagt worden ist?

Flosdorff: Der bisherige Ausgabenstand bei der „Gorch Fock“ – das hatten wir Ende des Jahres – sind 67 Millionen Euro. Daran hat sich nichts geändert, da ja damals ein Zahlungsstopp verfügt worden ist.

Was jetzt externen und internen Sachverstand angeht: Die Staatsanwaltschaft würde ich jetzt dem externen Sachverstand zuordnen. Mit ihr arbeiten wir intensiv zusammen.

Ansonsten ist das im Moment – wir haben ja 250 000 Mitarbeiter; wir haben 70 000 Zivilbeschäftigte, die sich sehr gut mit Verwaltung auskennen, auch mit Rechnungsprüfung – gut intern machbar.

(Archivbild: Die Gorch Fock am 25. November 2015 bei der Rückkehr von ihrer 168. Ausbildungsreise in Wilhelmshaven, vor Beginn der andauernden Werftliegezeit – Foto Wikimedia Commons/Ein Dahmer unter CC-BY-SA-Lizenz)