Ermittlungsverfahren gegen KSK-Soldaten: Vergewaltigung, Kindesmißbrauch, Rechtsextremismus
In mindestens sechs Fällen ermitteln Staatsanwälte gegen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) – und es geht nicht nur um politisch motivierte Straftaten, sondern auch um Vorwürfe von Vergewaltigung und Kindesmißbrauch. Das teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Silberhorn bereits am Mittwoch vergangener Woche in der Fragestunde des Bundestages mit – aber da dort kaum jemand zuhört, wurde diese Information erst am vergangenen Freitag durch eine taz-Meldung bekannt.
Zur Dokumentation habe ich den Wortlaut von Frage und Antwort aus dem Plenarprotokoll des Bundestages herausgesucht:
Frage Martina Renner (DIE LINKE):
Wie viele Ermittlungsverfahren werden derzeit nach
Kenntnis der Bundesregierung gegen Angehörige des Kommandos Spezialkräfte geführt (bitte unter Nennung des Tatvorwurfes antworten)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhorn:
Nach Kenntnis der Bundesregierung werden derzeit gegen dem Kommando Spezialkräfte angehörende Soldatinnen und Soldaten insgesamt sechs Ermittlungsverfahren geführt. Die konkreten strafrechtlichen Tatvorwürfe dieser Ermittlungsverfahren lauten:
1. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; dieses Ermittlungsverfahren steht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Strafbefehls gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte, über den die Presse in der 46. Kalenderwoche berichtet hat,
2. Vergewaltigung,
3. sexueller Missbrauch von Kindern und Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften sowie Abruf kinder- und jugendpornografischer Inhalte mittels Telemedien,
4. Misshandlung Untergebener,
5. besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs sowie Körperverletzung und
6. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie Abrechnungsbetrug
In zwei weiteren Fällen ist zwar das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft abgeschlossen, jedochsteht eine gerichtliche Entscheidung noch aus. In einem dieser Fälle wurde der Erlass eines Strafbefehls beantragt, im anderen Anklage erhoben.
Die Tatvorwürfe lauten in beiden Fällen: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; die beiden Fälle stehen allerdings in keinem inhaltlichen Zusammenhang zueinander.
Abschließend ist festzuhalten, dass der Bundesregierung zur Anzahl laufender Strafverfahren keine gesicherten und umfassenden Erkenntnisse vorliegen. Da die Strafverfolgung grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder fällt, ist die Bundesregierung daher auf die Information durch deren Strafverfolgungsbehörden angewiesen.
Sechs , nein acht Ermittlungs- bzw. Strafverfahren mit schon schwer wiegenden Tatvorwürfen, keine Klarheit, ob es noch mehr gibt – das wäre schon für eine normale Bundeswehreinheit bemerkenswert. Im Falle des Kommandos Spezialkräfte mit seinen besonderen Auswahlverfahren ist das um so auffälliger. Die Fragestellerin Martina Renner reagierte denn auch auf die Antwort: Es ist höchste Zeit, dass die politische Verantwortlichen in Ministerium und Bundestag von der Bagatellisierung zur Aufklärung übergehen.
Nachtrag: Weil die Frage in den Kommentaren aufkam, habe ich mal nachgehakt: Von den sechs laufenden Ermittlungsverfahren gegen KSK-Angehörige richten sich zwei gegen Kommandosoldaten und vier gegen weitere Angehörige des Kommandos. Eine genauere Aufschlüsselung gibt es vorerst nicht.
(Archivbild: Präsentation des Kommandos Spezialkräfte im Militärhistorischen Museum in Dresden am Tag der Bundeswehr am 09.06.2018 – Christian Thiel/Bundeswehr)
Alle Fälle keine Kleinigkeiten, das gehört auf jeden Fall aufgeklärt und bei nachgewiesener Schuld bestraft.
Prozentual gesehen bei 1100 Soldaten im KSK eine durchschnittliche Anzahl an Straftaten, also keine auffällige Häufung, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. nichtsdestotrotz ist jeder Fall einer zu viel.
Mich irritiert, das bei all dem Meldewesen und -unwesen in der Bw die Führung (Ministerium) über solche Vorfälle nichts genaues weiß. Spätestens der Verband sollte doch wissen, was mit seinen Soldaten los ist, meines Wissens sind solche Vorfälle meldepflichtig.
Zitat aus dem Artikel:
– das wäre schon für eine normale Bundeswehreinheit bemerkenswert. Im Falle des Kommandos Spezialkräfte mit seinen besonderen Auswahlverfahren ist das um so auffälliger.
Also das halte ich für zu kurz gegriffen. Im Artikel sowie in der zitierten Anfrage des Bundestags wird nicht deutlich, ob es sich bei den Beschuldigten um Kommandosoldaten handelt oder um „normale“ Soldaten die in der Kaserne ihren Dienst tun. Das besondere Auswahlverfahren durchlaufen ja nur die erstgenannten.
Und ob 6 Ermittlungen bei 1100 Soldaten in Calw jetzt eine besonders hohe Zahl ist kann ohne Vergleichszahlen auch keiner beurteilen. Mir persönlich erscheint das jetzt nicht besonders viel.
Mich würde interessieren, ob es sich um Soldaten im KSK oder um tatsächliche Kommandosoldaten handelt.
@ Thomas S. | 03. Dezember 2018 – 15:13
Das sehe ich genauso. Zumal Herr Wiegold auch wissen könnte, dass das Kommando Spezialkräfte ein Verband auf Brigadeebene ist und keine Einheit. Für eine Kompanie wären so viele Strafverfahren allerdings bemerkenswert.
Mir erschließt sich auch nicht der Zusammenhang zwischen Auswahlverfahren und Anzahl der laufenden Verfahren.
Ich wäre mit vorschnellen Urteilen vorsichtig.
Z.B. ist es bereits ein Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, wenn die linken Scheinwerfer bei Nacht einen Totalausfall haben oder wenn man vergessen hat seine Scheinwerfer einzuschalten. I.d.R. wird dies jedoch erst zur Anzeige gebracht, wenn ein Unfall erfolgt.
Man sollte also die Ergebnisse abwarten, bevor
@Pio-Fritz und @ All
Meine beste Freundin ist ein Missbrauchsofper (nicht Bw).
Ich kann Ihnen sagen, dass Nichts leicht und klar ist.
Man versteht erst, wenn ein lieber Mensch im herzlichen Personenkreis sich einem öffnet. Selbst dann versteht man kaum etwas, nein, nur so erhält man einen gewissen Horizont, welcher weiterhin sehr beschränkt bleibt.
Missbrauch sollte nicht politisch Missbraucht werden.
Ich bitte um Sensibilität. Danke
Was das Mitteilungswesen der Justiz ggü der BW angeht, ist auf die Regelungen in der MiStra, dort Nr. 19 u. 20, zu verweisen.
Danach ist nicht bereits die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ist mitzuteilen, sondern nur der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, die Anklageschrift (o. eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift), der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung sowie ggf. mit dem Hinweis, dass ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Bei Fahrlässigkeitsdelikten und Einstellungen bestehen ebenfalls Einschränkungen zur Mitteilungspflicht.
Nur Haft- und Unterbringungsbefehle sind dem nächsten Disziplinarvorgesetzten mitzuteilen. Alle anderen Mitteilungen haben ggü dem KdoTA zu erfolgen.
Die Einheit / der Verband muß also nicht über alles Kenntnis haben.
@Kay, 03. Dezember 2018 – 17:38
D’accor!
„Missbrauch sollte nicht [politisch] Missbraucht werden.“
Auch nicht für falsche Missbrauchsvorwürfe, siehe #metoo.
Lassen Sie uns die Untersuchungen abwarten!
Ich bitte um Sensibilität – im Interesse der echten(!) Opfer. Danke
Die ersten 5 Kommentare lassen mich ehrlich gesagt ohne Ausnahme mit einem Kopfschütteln zurück.
Das moralische Buckeln vor diesem Verband, dieses Huldigen vor der Elite, welches teilweise in unsäglichen Relativierungen mündet, nimmt langsam bedenkliche Züge an.
Es ist völlig unerheblich ob das KSK auf Brigade-, Kommando- oder sonstwelcher Ebene angesiedelt ist. Es ist völlig unerheblich, ob es sich um kommandierende Offiziere, Kommandosoldaten oder den Hauptgefreiten im GeZi handelt. Wir reden hier nicht von Falschparken, sondern von dem Verdacht auf teils schwere Straftaten.
6 zeitgleich laufende Ermittlungsverfahren durch zivile Strafverfolgungsbehörden in einer Verband von gerade mal 1100 Mann sollen nichts Besonderes sein? Hochgerechnet auf die Gesamtstärke der Bw (ezwa 1 KSKler auf 180 „normale“) wären das ja also 6 x 180 = 1080 Ermittlungsverfahren, jeden Tag. Das wäre alles, nur nicht wenig. Und für eingeschworene Staatsdiener in Uniform schon garnicht.
Nur mal zum Vergleich: 1100 Soldaten, das entspricht in etwa einem fliegenden Geschwader der Luftwaffe. Wenn der dortige Kommodore (im übertragenen Sinne) 6 Staatsanwälte gleichzeitig in seiner Kaserne hat, noch dazu wegen solch gravierenden Ermittlungen – wie kann man das ernsthaft als statistisch nichts Besonderes verkaufen?
Nochmal: es handelt sich um eingeschworene Zeit- und Berufssoldaten. Wenn sich auch nur Bruchteil der Ermittlungen erhärten/bewahrheiten SOLLTEN, muss man sich m.E.die Frage stellen ob die Bundeswehr ihre Speerspitze noch im Griff hat.
Es läuft schon wieder wie immer wenn wenn über Straftaten von Soldaten im KSK berichtet wird.
-Abwiegeln, zur Ruhe aufrufen, die Unschuldsvermutung in den Fordergrund schieben und die besondere Treue von Soldaten zur Verfassung nicht extra erwähnen.
Ich hab nicht mal mehr Lust auf Popcorn bei diesem Thema !
@ Georg: habe bei solchen Meldungen nie Lust auf Popcorn und dennoch warte ich die Ermittlungen ab. Der Rechtsstaat funktioniert – alles andere folgt.
@ Georg, @ EffPunkErr,
anstatt hier Empörung zur Schau zu stellen, helfen Sie uns doch lieber diese Fallzahlen richtig einzuordnen.
Ermittlungen zu 6 Straftaten auf 1100 junge Männer (der Einfachheit halber), ist das viel, normal, wenig?
Ich kann dazu keine Einschätzung geben, weil mir die Kenntnisse der Kriminalitätsstatistik fehlen. Sie haben diese ja offensichtlich, wenn Sie wissen, dass hier „relativiert“ und „gebuckelt“ wird.
Also heraus damit, oder tun Sie das, was man gemeinhin tut, wenn man keine Ahnung hat.
Herzlichen Dank.
@Georg: Was ist die Alternative zu einer nüchternen und abwartenden Haltung? Hysterische Vorverurteilungen finden Sie andernorts genügend. Schließlich handelt es sich um Ermittlungsverfahren und nicht um rechtskräftige Urteile.
@EffPunkErr
Hier wird weder etwas verharmlost noch bucklige ich vor dem Verband.
Den selben Kommentare hätten sie von mir auch bei jeder anderen Einheit gelesen über die schlichtweg schlecht recherchiert und undifferenziert Berichtet wird.
Und das ist etwas, was mir im allgemeine sehr auffällt. Also auch in anderen Berichten zu anderen Themen. Man nimmt eine absolute Zahl (Betrag Geld x, Anzahl Straftaten y…) Es wird ein Bericht geschrieben oder irgendjemand behauptet in einem Interview/Artikel das kann doch nicht sein, dass ist doch zu viel … Es wird aber nie gesagt was ist den normal? Was ist den der Vergleich auf den sich so relative Begriffe wie zu viel und zu wenig beziehen?
Ich kann ohne jetzt die Kriminalstatistik im Detail zu lesen nicht beurteilen, ob 6 pro 1100 viel oder wenig ist. Beim groben Durchlesen und überschlagen komme ich eher auf Durchschnitt der Bevölkerung.
Auch zum Thema eingeschworene Zeit-Berufssoldaten. Ich weis nicht wieso man da erwarte, dass es jetzt deswegen bessere oder schlechtere Menschen sind. Ich persönlich vermute es sind normale Leute wie jede andere Berufsgruppe auch.
Und um das ganz klar zu stellen, das ganze soll nicht bedeuten, dass irgendeine Straftat harmlos ist und man das nicht so eng nehmen soll. Jede Straftat vor allem gegen Kinder ist eine zu viel!
@T. Weigold, danke für den Nachtrag
EffPunkErr | 03. Dezember 2018 – 17:51
Georg | 03. Dezember 2018 – 17:52
Volle Zustimmung! Bei Sachen wie dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr oder dem Landfriedensbruch könnte man ja noch ein kleineres Vergehen vermuten, dass gegen Auflage o.ä. eingestellt wird, aber bei Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch von Kindern läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich hoffe, dass da jetzt von den Staatsanwaltschaften sauber ermittelt wird – mit Unterstützung des KSK.
Zu dem Kommentar von Thomas S. und einer Aussage, die auch bei anderen anklingt:
Das schlicht weg schlecht recherchiert und undifferenziert berichtet dürfte sich ja dann gegen das Verteidigungsministerium richten? Schließlich besteht der Eintrag oben praktisch nur aus dessen öffentlicher Mitteilung vor dem Deutschen Bundestag. Klappt also nicht, hier den Medien die Schuld zuweisen zu wollen.
@EffPunkErr | 03. Dezember 2018 – 17:51
„6 zeitgleich laufende Ermittlungsverfahren durch zivile Strafverfolgungsbehörden in einer Verband von gerade mal 1100 Mann sollen nichts Besonderes sein“
Nope. Das ist in der Tat nichts besonderes. Gem. meiner Erfahrung in Infanterieverbänden ist das sogar ziemlich durchschnittlich (zivile Verfahren dauern ja teilweise sehr lange, von daher sind da in einem Btl sechs Verfahren mal ganz locker zusammen).
Die Frage ist jedoch, was sich im Einzelfall hinter den Vorwürfen konkret verbirgt (so sie denn berechtigt sind). 1-3 ist ja relativ klar. 4-6 hingegen kann eine ganze Menge sein. Und die Frage KdoSdt besondere, charakterliche Verlässlichkeit muss dann wiederum vor dem Hintergrund der Vorwürfe betrachtet werden.
Insgesamt haben wir amS weder genügend Fakten um „alarmiert“ noch um „beruhigt“ zu sein…
Statistik:
Zum Stichtag der Fragestunde gab es im KSK (1100 Soldaten):
8 Laufende (!) Verfahren.
Hochgerechnet auf die Deutsche Bevölkerung wären das für Deutschland 587.400 laufende Ermittlungsverfahren.
Im gesamten Jahr werden in Deutschland ca. 4,5 Millionen abgeschlossen(!).
Hier aber von allen Gesellschaftsschichten (auch die kriminellen und verfassungsuntreuen) zusammgenommen.
Die Zahl der abgeschlossenen Verfahren (in einem Jahr) im KSK würde mich jetzt mal brennend interessieren. Ich habe aber die Vermutung, dass diese Zahl nicht unterdurchschnittlich ist.
Der Anspruch muss aber sein, dass diese Zahl weit unter dem Durchschnitt ist, wir reden hier von Staatsdienern und im speziellen noch von einer Spezialeinheit. Egal ob Kommandosoldat oder GeZi-Soldat.
Und gerade die genannten Tatvorwürfe sind ja nun echt happig.
Anzahl abgeschlossener Ermittlungsverfahren 2013:
4.537.363
Bevölkerung Deutschland 2013:
80.767.000
Quelle: destatis.de
1. An alle die meinen, die 6 Fälle in einer Einheit von 1100 Soldaten seien nichts besonders, die sollten die Hochrechnung von @EffpunktErr lesen.
Bei gleicher Kriminalitätsstatistik wären bei der Bw tägliche ca. 1080 Fälle durch die Staatsanwaltschaft zu bearbeiten. Vermutlich müsste dann eine eigene Staatsanwaltschaft gegründet werden, um nur die Strafsachen gegen Soldaten zu ermitteln.
2. Es ist schlichtweg uninteressant ob es Kommandosoldaten oder andere Angehörige der KSK betrifft.
3. Sollen mal bitte alle Schlagzeilen bezüglich der KSK und anderen sogenannten Elite-Verbänden in den letzten Jahren gesammelt und ausgewertet werden. Beginnend mit dem General Günzel, dem ersten Kommandeur, der wegen seiner rechtsradikalen Äußerungen und der Unterstützung des ehemaligen CDU-Abgeordneten und heutigen Abgeordneten der AfD, Hohmann in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde bis hin zu dem OTL im MAD, der den KSK-Anghörigen vor den staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung gewarnt hat.
4. Zählt bei einem Soldaten nicht die Unschuldsvermutung bei der Verfassungstreue, sondern ob er sich „mit seinem ganzen Verhalten für die freiheitliche demokratische Rechtsordung“ gemäß § 8 Soldatengesetz einsetzt.
Wenn es an dieser Grundlage berechtigte Zweifel gibt gehört der Soldat aus dem Dienstverhältnis entfernt.
5. Wenn wir dann statt 1100 KSK-Angehörigen nur noch 500 KSK-Angehörige haben, die aber sicher auf den Boden des Grundgesetzes stehen, dann habe ich damit kein Problem und der Rest von Deutschland auch nicht !
Warum fragt überhaupt jemand nach „laufenden Verfahren“ (Schnappschuss) und nicht nach der Gesamtanzahl oder den Verurteilungen über einen gewissen Zeitraum? Das würde doch nur dann sinnvoll sein, wenn diese Frage regelmäßig gestellt wird.
@Georg | 03. Dezember 2018 – 20:09
„Bei gleicher Kriminalitätsstatistik wären bei der Bw tägliche ca. 1080 Fälle durch die Staatsanwaltschaft zu bearbeiten.“
Was heisst denn täglich „zu bearbeiten“?!? Sie glaube doch nicht, dass bei einem laufendem Verfahren wirklich täglich an irgendetwas gearbeitet wird? Wenn das so wäre, dann würden Ermittlungsverfahren selbst in einfachen Sachzusammenhängen ja nicht monatelang dauern.
Aber das insgesamt derzeit in der gesamten Bw 1.080 Ermittlungsverfahren laufen halte ich ehrlich gesagt jetzt nicht für vollkommen abwegig…
Vielleicht sind es auch nur 500 oder 750 (denn aufgrund der geringen Ausgangszahl sind schon leichte Schwankungen ja „multiplizieren“), aber irgendetwas zwischen 500 und 1.250 halte ich persönlich durchaus für denkbar.
„Es ist schlichtweg uninteressant ob es Kommandosoldaten oder andere Angehörige der KSK betrifft.“
Aha? KdoOffz/KdoFw oder FWDL ist also alles das gleiche? Sicherheitsempfindliche eingesetzt oder nicht, alles das gleiche?
„Beginnend mit dem General Günzel, dem ersten Kommandeur, der wegen seiner rechtsradikalen Äußerungen“
Aha?
„hin zu dem OTL im MAD, der den KSK-Anghörigen vor den staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung gewarnt hat.“
Korrektur: gewarnt haben soll…
„Zählt bei einem Soldaten nicht die Unschuldsvermutung bei der Verfassungstreue“
Aha?
„Wenn es an dieser Grundlage berechtigte Zweifel gibt gehört der Soldat aus dem Dienstverhältnis entfernt.“
Woppa… Na, vielleicht sollten wir dann die FDGO auch gleich mit abschaffen… denn die Bindung an Recht und Gesetz und das persönliche Recht auf rechtsstaatliches Verfahren gehören da glaube ich dazu.
Die Fragestellerin Martina Renner reagierte denn auch auf die Antwort: Es ist höchste Zeit, dass die politische Verantwortlichen in Ministerium und Bundestag von der Bagatellisierung zur Aufklärung übergehen.
Da die Fragestellerin normativ wird: sie äußerte auf dem Landesparteitag der Thüringer Linkspartei den Chant: Bodo oder Barbarei. Nachzulesen in der Tageszeitung Thüringer Allgemeine.
Ferner ist zu bemerken, dass kaum davon auszugehen ist, dass BMVg/Bw Ermittlungen behindert oder nicht Ermittlungsergebnisse dem Dienstrecht entsprechend bewertet hätten. Von Bagattelisierung zu sprechen, wenn man ordnungsgemäß Staatsanwaltschaft und Richterschaft, Verteidigung natürlich auch, ihre Arbeit machen lässt und eine Kleine Anfrage offen und transparent beantwortet, ist eine Form von Populismus, der ich nichts abgewinnen kann.
@Pio-Fritz | 03. Dezember 2018 – 15:06
Alle Fälle keine Kleinigkeiten, das gehört auf jeden Fall aufgeklärt und bei nachgewiesener Schuld bestraft.
Was haben Sie an der Kleinen Anfrage nicht verstanden, dass Sie hier wohlfeil Aufklärung fordern? Um alle (!) Fälle kümmert oder kümmerte sich die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft.
Was haben Sie am deutschen Rechtssystem nicht verstanden, dass Sie hier als Allgemeinplatz Urteile fordern, als wäre das in diesem Zusammenhang etwas Außergewöhnliches?
Sofern nicht vorgerichtlich im Sinne der Verfahrensökonomie die Schuld verfügt wird, nichts anderes stellt ein Strafbefehl letztlich dar, entscheidet ein Gericht. Und in diesen Fällen, wie beschrieben in der Antwort auf die Kleine Anfrage, entscheidet regelhaft nochmal ein Gericht, das Truppendienstgericht.
——
Ich finde es richtig und ich finde es gut, dass Hr Wiegold hier informiert und berichtet. Denn es sensibilisiert an der richtigen Stelle. Ja, auch Soldatinnen und Soldaten begehen Straftaten und ja, man muss sich positionieren: das Recht und die Freiheit muss man als Soldatin/Soldat tapfer verteidigen. Überführte Straftäter aus diesem Personenkreis haben deshalb ohne wenn und aber im Anschluss an die Feststellung der Schuld, die dienstrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Da müssen sich BMVg und Bw drum kümmern und tun es.
Solche Fälle wie die in der Antwort auf die Kleine Anfrage lassen mich, wie viele andere auch, fassungslos zurück. Aber sie gibt es leider. Gehen wir einerseits sorgfältig, andererseits konsequent damit um,anstatt zu polemisieren oder hämisch Popcorn anzufordern.
@ Mackiavelli
@ Koffer
@ Zahlen
Der Vergleich mit der „normalen“ ´Bevölkerung“ und die Schlussfolgerung dass es statistisch gesehen daher relativ wenige Verfahren sind, hinkt m.E. gewaltig. Hier geht es nicht um Otto Normalbürger – diese Menschen haben einen Eid auf unsere Verfassung geschworen.
In einem einzigen Verband laufen 6 Ermittlungsverfahren gleichzeitig, überwiegend wegen des Verdachts auf schwere. Straftaten. Das kann doch unmöglich den disziplinaren Alltag in einer Einheit dieser Größe abbilden.
Nochmal zur Erinnerung: von einfachen Verweisen wegen wiederholtem Zuspätkommen reden wir hier nicht.
Derjenige welcher, der anhand eines einzigen Wertes eine statistische Aussage herbeifabuliert, sollte sich mit Stochastik beschäftigen. Das ist schlicht falsch und außerdem unseriös.
Abgesehen von der Verwerflichkeit der angeschuldigten Vergehen, sind, bis zur rechtskräftigen Verurteilung, alle weiteren Ausführungen dazu reine Spekulation.
Nun darf glücklicherweise jeder seine Ansichten kundtun, auch wenn nicht Jeder mit seinen Ansichten hier gern gesehen ist (und das beziehe ich mal vorsorglich auf mich selbst).
Weiter empfehle ich eine Recherche im Bereich Halo-Effekt für diejenigen, die nicht Unkraut zupfen wollen, sondern am Liebsten den Garten in Schutt und Asche legen würden ….
@Sachlicher | 03. Dezember 2018 – 20:46
„Von Bagattelisierung zu sprechen, wenn man ordnungsgemäß Staatsanwaltschaft und Richterschaft, Verteidigung natürlich auch, ihre Arbeit machen lässt und eine Kleine Anfrage offen und transparent beantwortet, ist eine Form von Populismus, der ich nichts abgewinnen kann.“
+1
@EffPunktErr | 03. Dezember 2018 – 21:00
„Der Vergleich mit der „normalen“ ´Bevölkerung“ und die Schlussfolgerung dass es statistisch gesehen daher relativ wenige Verfahren sind, hinkt m.E. gewaltig. Hier geht es nicht um Otto Normalbürger – diese Menschen haben einen Eid auf unsere Verfassung geschworen.“
Absolut. Allerdings ist die Quote im Verband ja auch wesentlich (Faktor zehn) besser als in der Zivilbevölkerung (bzw. Faktor 15-20 wenn man Kinder und sehr alte Menschen hinausrechnet).
Trotzdem bin ich absolut bei Ihnen: An Soldaten ist ein höherer Anspruch zu stellen! (etwas andere dürfte ein „sui generis Vertreter“ wie ich es einer bin ja auch schlechterdings nicht behaupten ;) )
„In einem einzigen Verband laufen 6 Ermittlungsverfahren gleichzeitig, überwiegend wegen des Verdachts auf schwere. Straftaten. Das kann doch unmöglich den disziplinaren Alltag in einer Einheit dieser Größe abbilden.“
Naja, wie gesagt, die Zahl an sich spiegelt jetzt auch meine eigene Erfahrung in einem Infanterieverband gleicher Größe wieder… Aber wie gesagt, man müsste sich die Vorwürfe zu den Punkten 1-3 (ungewöhnliches Zusammentreffen von schweren Straftaten in meiner Erfahrung) und 4-6 (eher typische Vorwürfe) halt genauer ansehen um eine vorläufige Bewertung vornehmen zu können.
Und dann muss man vor allem und an oberster Stelle auch noch die gerichtliche Tatsachenfeststellung abwarten bevor eine abschließende Bewertung abgeben zu können.
Ah, jetzt kommen die Trolle hier an…. Zwei Beispiele aus Kommentaren, die in die Ablage wandern:
und
Interessant, solche Äußerungen. Ermittlungen wegen des Verdachts auf Vergewaltigung und Kindesmissbrauch treffen als „politisch gewollte Disziplinierung“ diejenigen, die „im JETZT-Fall der Auflösung“ was unternehmen. Verschwörung vom Feinsten, im üblichen verquasten Jargon (dagegen waren RAF-Bekennerschreiben gute Prosa). Lässt tief in den rechten Sumpf blicken und findet hier nicht statt.
@ Georg | 03. Dezember 2018 – 20:09
“ Sollen mal bitte alle Schlagzeilen bezüglich der KSK […] ausgewertet werden.“
Persönlich finde ich die Information der Öffentlichkeit (zu allen Themen die Bw betreffend ) durch die Presse sehr gut, wage mir aber kein Urteil aufgrund von Schlagzeilen zu machen.
„Beginnend mit dem General Günzel, dem ersten Kommandeur, der wegen seiner rechtsradikalen Äußerungen und der Unterstützung des ehemaligen CDU-Abgeordneten und heutigen Abgeordneten der AfD, Hohmann in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde […]“
Da fehlt mir leider der Kenntnisstand hinsichtlich der von ihnen angedeuteten rechtsradikalen Äußerungen die General a.D. Günzel insbesondere im Zusammenhang mit seinem Brief an den vormaligen CDU Abgeordneten.
Gibt es dazu ein Gerichtsurteil oder wer hat den Inhalt seiner Äußerungen/seines Briefes als rechtsradikal bewertet?
Zur Trennung der Begrifflichkeiten x-extrem vs. x-radikal ein Zitat von Wikipedia:
Um die Zahlen mal ins Verhältnis zu rücken nehmen wir an, dass ein KSK-Soldat so kriminell ist wie ein durchschnittlicher Deutscher. Laut PKS 2017, Tab. 6.3.1 gab es letztes Jahr 1 375 000 deutsche Tatverdächtige unter ca. 73,2 Millionen Deutschen (geschätzt anhand http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/012/1901273.pdf). Unter den 1100 KSK-Soldaten wären demnach 21 Tatverdächtige zu erwarten. Da Verfahren einige Monate dauern, sind die acht laufenden Verfahren eher eine leicht unterdurchschnittliche Anzahl.
Bei diesem Vergleich werden die unterschiedlichen Häufigkeiten der Straftaten nicht berücksichtigt, aber angesichts der Fallzahlen kann man eh keine Aussage treffen außer dass die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole gehäuft auftritt.
Ich sehe jedenfalls in diesen Daten keinen Grund zur Besorgnis.
@MA
Also ehrlich, sie wissen doch genau so wie jeder andere auch, dass Rechtsradikalismus nnicht richterlich festgestellt wird. Trotzdem dürfte iim Fall von Günzel klar sein, wes Geistes Kind er ist. Dass nach Vorträgen auf Veranstaltungen vvon Organisationen, die von diversen LfVen und dem BfV als rechtsextrem geführt werden, irgendwie Zweifel an der Treue zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bestehen und man sich als rechtsradikal (nicht mal rechtsextrem) bezeichnen lassen muss, das kann doch keine Überraschung sein. Wer affirmativ und unkritisch bbei NPD-veranstaltungen redet, der macht sich mit Nazis und Neonazis gemein.
@topic
Völlig zu Recht erwarten wir von den Trägern der staatlichen Gewalt mehr, als von Türstehern in Rotlichtvierteln. Insbesondere wenn es sich ium Soldaten handelt, die der parlamentarischen Kontrolle zunehmend entzogen werden. Der MAD selber gibt an, dort extrem schwer an Informationen zu kommen. Jetzt gibt es einen Blick rein, und da ist von sexuellem Missbrauch die Rede. Das kann man doch erstmal zur Kenntnis nehmen, dass diese Ermittlungsverfahren verhältnismäßig belastbare Informationen sind. Und dass die jetzt nicht direkt schmeichelhaft sind auch. Aber nein, die bösen sind natürlich die anderen. Die, die darüber berichten. Nicht die, gegen die zum Teil schon länger ermittelt wird.
@MA
Im übrigen wurde tatsächlich vvom Amtsgericht Dresden festgestellt, dass die Hohmann-Rede, die Günzel so gelobt hatte, als antisemitisch bezeichnet werden kann.
Es widerstrebt mir zwar grundsätzlich, Bewertungen, die der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft entspringen („rechtsradikal“) und die da auf solide Forschung zurückgreifen können , erstmal über Gerichte als Bande gespielt werden müssen. Die Argumentation ins vorgeblich objektive zeigt zum einen, dass nicht aus der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft heraus argumentiert wird, zum anderen eine gewisse Unsicherheit gegenüber Pluralität. In diesem Fall bin ich aber froh, ihrem postfaktischen Kommentar auch auf ihrem Argumentationsniveau zu begegnen.
@ sanjäger | 04. Dezember 2018 – 8:12
„Im übrigen wurde tatsächlich vom Amtsgericht Dresden festgestellt, dass die Hohmann-Rede, die Günzel so gelobt hatte, als antisemitisch bezeichnet werden kann“
Na, wenn sie für sich die geistige Haltung von General a.D. Günzel so einschätzen, dann ist ihrer Meinung nach rechtsradikal.
@sanjäger:
„Insbesondere wenn es sich ium Soldaten handelt, die der parlamentarischen Kontrolle zunehmend entzogen werden.“
An was machen Sie diese Behauptung fest?
Der hier diskutierte Fall zeigt doch genau das Gegenteil.
Das BMVg hat hier nicht nur umfassend auf eine parlamentarische Frage geantwortet, sondern dies sogar öffentlich getan. Der MAD wiederum ist kein Instrument der parlamentarischen Kontrolle.
Im JgBtl 291gab es im ungefähr gleichen Zeitraum einen schwerwiegenden Fall von rechtsextremen Aktivitäten (Franco A.) und einen schwerwiegenden Fall von sexuellem Missbrauch an einem Minderjährigen (Freiburg-Fall). In der zweiten Angelegenheit kam es auch zu Fehlverhalten von Vorgesetzten. Ist deswegen die D/F-Brigade ebenfalls besonders kritisch zu bewerten? Ich bezweifle das.
Leider begehen auch Soldaten schwere Straftaten Es geht dabei jeweils darum die Vorwürfe sauber durch die zuständigen zivilen Stellen zu ermitteln und ggf. dienstrechtliche Handlungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
Ein Blick in die Jahresberichte des Wehrbeauftragten geben hier immer wieder verschiedene Beispiele von strafbewährtem Fehlverhalten (ein Kommentar von mir mit Hinweisen zu Sexualstraftaten aus dem letzten Jahresbericht ist wohl irgendwie verloren gegangen).
Wirklich seriös, wäre eine Vergleichstudie des ZMSBw, die untersucht, ob es signifikante Häufungen von Delikten in einigen Bereichen über eine längere Zeit gibt. Alles andere ist in meinen Augen reine Spekulation ohne jegliche wissenschaftliche Basis.
@Sanjäger
„… Soldaten handelt, die der parlamentarischen Kontrolle zunehmend entzogen werden“.
Teile der Bw agieren also „zunehmend“=in steigender Tendenz, im kontrollfreien Raum? Das können Sie nachweisen? Was sagt Ihr Abgeordneter dazu? Sie haben schon Klage eingereicht?
Stimmte Ihre Auffassung, hätten wir in der Tat einen quasi mil Staat im Staate?
Hier wird mit Statistiken und Prozentzahlen argumentiert, von mir auch. Aber befriedigend ist die daraus gewonnene Erkenntnis nicht.
Meines Wissens nach muss jeder Soldat, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet wird, dieses unverzüglich in seiner Einheit melden. Insofern muss die Einheit wissen, was über das Jahr gesehen strafrechtlich los ist. Dieses wird mit Sicherheit weitergemeldet aber anscheinend nicht gesammelt und ausgewertet. Spätestens der Rechtsberater
der Division wird es wissen. Es gäbe also eine Möglichkeit für das Ministerium, an entsprechende Informationen zu gelangen.
@Sachlicher | 03. Dezember 2018 – 20:46
Manchmal hilft genaues lesen, das haben Sie eindeutig nicht getan. Aber die Beißreflexe funktionieren.
3 von 8 sind „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Kommt sicher nicht aus dem Nichts, sehe ich aber schon auf einer anderen Ebene als z.B. Vergewaltigung. Insbesondere weil ich hier nichts lesen kann von Teilnahme oder Mitgliedschaft in einer verfassungswidrigen Organisation.
Und auch beim Rest würde ich gerne die Zusammenhänge kennen bevor ich mich politischer Hysterie anschließe.
Ich würde übrigens die gleichen Standards an alle Soldaten anlegen. Egal ob KSK oder Lw oder was auch immer – und das nicht nur bei der Frage zu Strafverfahren.
„Meines Wissens nach muss jeder Soldat, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet wird, dieses unverzüglich in seiner Einheit melden. “
Quelle?
Im Gegenteil: Niemand muss sich selber belasten oder „anzeigen“.
Einzige Ausnahme sind MKF – wenn es zu Maßnahmen kommt, die Einfluss auf Eignung zum Führen von KFZ haben – darüber wird aber explizit belehrt.
Bei der Diskussion darum, ob das prozentual jetzt viel ist oder nicht, sollte man auch nicht übersehen, dass es hier um laufende Verfahren geht. Und da ist auch nicht gerade unwahrscheinlich, dass man bei Personen, die eine elitäre Position im Staatsdienst haben, einfach viel genauer hinschaut (bzw hinschauen kann) als bei Zivilisten ohne großen Kontakt zum Staat. Also selbst wenn man zu dem Schluss kommen sollte, dass das überdurchschnittlich viel ist, bleibt die Frage offen, woran das liegt. Und die Antwort muss nicht sein „weil die besonders kriminell sind“, sondern könnte auch sein „weil dort die Aufklärung von Straftaten besser funktioniert“ oder „weil einem geringen Anfangsverdacht dort intensiver nachgegangen wird“. Und ein solcher Verdacht kann sich auch als falsch herausstellen.
Das eine Häufung von Vorfällen in einem solchen Verband stattfindet wundert nicht. Das dies jetzt gebündelt durch die Medien geht, auch nicht. Es besteht in der Bundeswehr von Beginn an, eine große Hemmschwelle, diese Einheit in eine völlig normale Behandlung einzureihen. Sicher ist, dass man eine solche spezielle Einheit braucht, die Aufgaben, die man ihr zuordnet sprechen für sich. Es ist aber auch so, dass in der Auffassung vieler Soldaten, die Bestrebungen zur Abschottung dem tatsächlich Leistungsspektrum und tatsächlichen erbrachten Erfolgen nicht entsprechen. Das darf und kann man hier nicht erörtern. Aber die es wissen sollten, müssen es wissen und auch richtig beurteilen können. Also schon bei der Dienstaufsicht durch vorgesetzte Dienststellen, dem BMVg aber auch der Kontrolle durch das Parlament sollte man einfach so genau hinschauen, wie es bei anderen Einheiten üblich ist. Da in Spezialeinheiten ja immer das spezielle, für normale Soldaten unverständliche aber auch geheime, also für Außenstehende schwer erfassbare hervorgehoben wird, trauen sich diejenigen, die Dienstaufsicht oder Kontrolle ausüben, zu oft nicht, richtig hinzuschauen. Man möchte sich ja nicht als unwissend darstellen und ein unbewusstes Streben bei einigen höheren Offizieren entsteht, dazuzugehören, von diesen ausgesuchten Soldaten akzeptiert zu werden. So führt diese Einheit seit Jahren zu oft ein Eigenleben. Man entscheidet im KSK, obwohl formal und offiziell anderes dargestellt, doch meist ganz allein, was man wann und wie sagt, was man macht. Es gibt offensichtlich immer noch eine Grundeinstellung, das man mal wieder einen „Besucher“ abspeisen muss, wie man es also hinbekommt, dass Besucher abreisen ohne hinterher noch viele Fragen zu stellen. Allein mit dem Mantel der Geheimhaltung kann man schon abschrecken. Doch man muss schon fragen, was wirklich geheim ist und was nur der Verschleierung dient. Den Vertretern des Parlaments aber manchem General zeigt man tolle Vorführungen, lässt die Ministerin einen Tandemsprung machen und da alle wenig Zeit haben, macht man Gesprächsrunden mit ausgesuchtem Personal. Staunend und mit großen Augen sieht man also oft etwas, was man sonst nur im TV geboten bekommt. Was dort aber wirklich wie, warum und mit welchem Aufwand ausgebildet wird, wird nur in seltenen Besprechungen erörtert. Selbst die Kommandeure im Generalsrang von solchen Spezialeinheiten haben meist keinen gewachsenen Hintergrund. Dies kann man im Internetauftritt des Heeres nachlesen. Hinter diesem Vorhang von vermeintlich geheim und „das verstehen die sowieso nicht“ kann also immer erst mal etwas kaschiert werden. Der Zusammenhalt der aus deren Sicht echten Spezialkräftesoldaten ist riesig. Deren ablehnende Haltung gegenüber den Ahnungslosen da draußen ist beachtlich. Selbst zuversetzte Unteroffiziere und Offiziere ohne Spezialkräftehintergrund gehören nicht wirklich dazu. Der Zusammenhalt der echten, aus deren Sicht wirklichen Leistungsträgern ist notwendig, darf aber nicht zur Abschottung führen. Wenn man mal aufhört, diese Einheit und diese Soldaten nicht nur in schönen Reden als normalen Verband mit sicherlich hochwertigsten Aufgaben zu betrachten, sondern auch in der Praxis ehrliche, gründliche und in die Tiefe gehende Dienstaufsicht und Kontrolle auszuüben, dann ist es vorbei mit ungerechtfertigter Sonderbehandlung. Dann geht es nur noch um Aufgabenerfüllung, sei sie noch so speziell. Dann ist auch die Betrachtung von Vergehen, Verstößen und Vorwürfen so durchzuführen, dass spektakuläre und spekulative Medienauftritte gelassener gesehen werden können.
@Pio–Fritz | 04. Dezember 2018 – 10:13
Manchmal hilft genaues lesen, das haben Sie eindeutig nicht getan
Selbstverständlich habe ich sehr genau gelesen, was Sie schrieben.
Sogar die Streitkräfte der Bundesrepublik bestehen zu einem hohen Anteil aus der kriminellsten sozialen Gruppe überhaupt: Aus jungen Männern.
Mit Bezug auf Chairborn Ranger wären also noch wesentlich mehr als 21 Verdächtige innerhalb eines Jahres zu erwarten.
Mithin scheint der Anspruch oder Wunsch, daß Bundeswehrsoldaten in besonderer Weise nicht kriminell wären, bei lediglich 8 von 1100 deutlich erfüllt.
@ Alex | 03. Dezember 2018 – 20:12
Ein guter Hinweis von Ihnen. Außerdem müsste man noch fragen ob die Ermitlungsverfahren sich jeweils überhaupt gegen verschiedene Personen richten. Es kann ja nun zwischen einer Person m/w/d bis hin zur Anzahl der Verfahren an Personen handeln.
Das ändert dann zwar an den Vorwürfen und ihrer Schwere nichts, aber mal angenommen es seien hier nur die Taten von ein oder zwei ‚besonders‘ kriminellen Leuten, dann steht der Bereich KSK statistisch noch besser dar als hier von Einigen ermittelt wurde.
Allerdings muss man eindeutig auch sagen, dass diese kurze Momentaufnahme nicht allzuviel aussagt darüber ob die BW als solches oder eine Einheit darin im speziellen kriminieller ist als andere Gruppen.
Es ist ja auch dann interessant wie kriminell Polizisten sind, wie kriminell Beamte im Staatsdienst von Bund/Ländern/Kommunen sonst sind.
Ich provoziere mal: Einige können die Kriminialität, die sie ausüben auch erst ausüben weil sie die Position haben, die sie haben. Dies gilt z.B. ausnahmslos für alles im Zussamenhang mit Korruption.
Zusammenfassend ist also viel interessanter wann es welche und wie viele Verurteilungen in welchen Angelegenheiten gab – denn bis dahin sagt es fast nichts aus.
@ Alpha November
Genau, auf die Vergleichsgruppe zu den Soldaten kommt es bei der Bewertung der Statistik an.
Es wäre also mal interessant gegen wieviel Prozent der Polizisten ein Ermittlungsverfahren momentan läuft, oder gegen verbeamtete Lehrer oder Beamten im öffentlichen Verwaltungsdienst.
Alle haben aufgrund ihres Beamtenstatus ein besonderes Treueverhältnis zur Verfassung und damit zu den gültigen Gesetzen.
Aus genau dem Grund wird eine Trunkenheitsfahrt eines Soldaten neben der gerichtlichen Strafe auch noch durch eine disziplinare Maßnahme gewürdigt.
Deshalb ist auch die Frage nach abgeschlossenen Strafverfahren mit Urteilen nicht aussagekräftig, allein ein begründeter Verdacht gegen die freiheitlich demokratisch Rechtsordunung verstoßen zu haben würde schon für eine disziplinare Ermittlung ausreichen. Und der Disziplinarvorgesetzte kann auch zu einer Maßnahme kommen wenn das Gerichtsverfahren aus welchen Gründen auch immer (außer Freispruch) eingestellt werden sollte.
Hier wird aber immer umgekehrt argumentiert. Keine gerichtliche Verurteilung – kein strafrechtlicher Vorfall.
Um das Dilemma mal in einem Bild zu beschreiben:
Wenn ein Diszplinarvorgesetzter (DV) bei zweifelhaften rechtsstaatlichen Vorfällen „zum Jagen“ getragen werden muss, dann wird der DV nie ein „Jagdhund“ werden.
Und diesen Punkt hat die Ministerin im letzten Jahr recht deutlich gemacht, dass sie DV, die zum Jagen getragen werden müssen, nicht mehr duldet !
@nachfragende
Die Aussage der abnehmenden parlamentarischen Kontrolle bezog sich auf das KSK. Für dieses gelten bekanntlich andere Regeln der parlamentarischen Kontrolle als für andere Bundeswehrakteure. Der Trend geht dabei seit der Aufstellung nur in eine Richtung.
@Georg
Mir erschließt sich nicht, was ein Vorgesetzter bei eigenen Ermittlungen in einem Fall erwarten kann wo diese von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden?
@Georg | 04. Dezember 2018 – 17:39
So eine Aussage kann auch nur einer tätigen, der noch nie unschuldig unter Verdacht geraten ist.
Ein Beispiel: ein Soldat von mir kommt unschuldig in U-Haft wegen Verdacht auf Raub. Nach zwei Wochen in U-Haft wird der Mann entlassen mit 25€ pro Tag als Entschädigung und der Aussage „Tut uns Leid, Verwechslung“. Sein Problem, dass es vom Aussehen her dem Täter wohl geähnelt hat und der Abgleich der Fingerabdrücke so lange nach sich gezogen hat.
Daneben gibt es noch das Besipiel der Beispiele aus der Historie: Gen Kießling
Ich will da Niemanden beim KSK freisprechen von den Vorwürfen dienim Raum stehen, das kann ich auch nicht, ich kenne keinen Einzigen persönlich, aber auch da gilt erstmal die Unschuldsvermutung bis es gegenteilige Beweise gibt. Sollte es die geben, dann werden die Herren (vielleicht auch eine Dame?) dann sicherlich auch verurteilt werden. Und wenn nicht, dann werden sie in Ruhe weiter in einem Verband Dienst verrichten, der hoffentlich keine voreiligen Vorverurteilungen macht und schon garnicht alle unter einen Generalverdacht stellt.
Meines Erachtens wird hier derzeit viel zu viel darauf Wert gelegt ob die Anzahl der laufenden Verfahren „normal“ seien im Vergleich mit anderen Bw-Einheiten oder der Gesamtbevölkerung.
Darum geht es aber m.E. nicht. Die viel interessantere Frage wird sein: wie reagiert die Bundeswehr disziplinar falls es zu Verurteilungen kommen sollte? Wirkt sich die Zugehörigkeit zum KSK beim (zum Beispiel) Besitz von Kinderpornographie anders aus als beim Obergefreiten XY aus irgendeiner Nachschubeinheit? Wie beeinflusst der (operationell zweifelsohne notwendige) Mantel des Schweigens die Möglichkeiten zur Dienstaufsicht und Maßregelung? Kann/will der Dienstherr überhaupt hier genauso rigoros vorgehen wie er es gegen andere Soldaten täte? All das bleibt abzuwarten, bis es auf ziviler Seite zu Maßnahmen kommt. M.E. ist die Bundeswehr hier gut beraten, offen mit dem Thema umzugehen – gerade im Sinne der Glaubwürdigkeit und der Reputation des KSK.
@ Wa-Ge | 04. Dezember 2018 – 18:43
Sehr zutreffend.
Augen offen halten – Weiter beobachten – Abschliessend beurteilen/urteilen.
@ Tho Dan
§ 16 (3) der WDO, der sogenannte „Disziplinare Überhang“ kann auch bei einem Freispruch eines Gerichtes in einem Strafverfahren greifen.
https://www.jurion.de/gesetze/wdo/16/
Es können trotz Freispruch im Strafverfahren noch Dienstpflichtverletzungen übrig bleiben, die der DV ahnden kann.
@ThoDan | 04. Dezember 2018 – 18:12
„Mir erschließt sich nicht, was ein Vorgesetzter bei eigenen Ermittlungen in einem Fall erwarten kann wo diese von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden?“
Dadurch, dass Disziplinarrecht und Strafrecht andere Zielrichtung, andere Tatbestände und andere Beweisanforderungen haben kann es hier durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Aber in beiden Fällen gilt natürlich das Rechtsstaatsprinzip für das Verfahren und die Unschuldsvermutung für den beschuldigten.