„Bundeswehr aktuell“: Die letzte Ausgabe des „Durchhalteblättchens“

Die Bundeswehr beendet einen prägenden Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit: Nach 53 Jahren und 6.951 Ausgaben erscheint an diesem Wochenende (die Printausgabe am Montag) zum letzten Mal das Informationsblatt Bundeswehr aktuell. Seit dem 1. Juli 1965 wurde die Truppe damit unterrichtet, damals noch von Dienstag bis Samstag (!). Unter dem Titel Mitteilungen für den Soldaten erhielt jede Kompanie zwei Exemplare mit offiziellen Verlautbarungen des Verteidigungsministeriums, von denen eines ans Schwarze Brett gehängt wurde. Zuletzt erschien das Blatt, dessen Titel 1971 in Bundeswehr aktuell geändert wurde, noch einmal wöchentlich – und zusätzlich zur Druckausgabe am Montag bereits seit einiger Zeit als elektronische Ausgabe am Wochenende zuvor.

In der letzten Nummer, die hier online zu lesen ist, blickt die Redaktion auf diese mehr als fünf Jahrzehnte zurück – und natürlich gehören dazu, wie bei jeder letzten Ausgabe eines Mediums, Leserstimmen, Erlebnisse und Anekdoten. Und auch der Hinweis auf den Begriff Durchhalteblättchen: „Eine Bezeichnung, die sich die aktuell über die Jahre hinweg angeblich in der Truppe hart erarbeitet haben soll.“

Für weitere Anekdoten muss man einen Veteranen der Bundeswehr aktuell fragen. Zum Beispiel Thomas Imo, heute Politik-Fotograf in Berlin und Mitinhaber der Agentur Photothek, der 1989 seinen Wehrdienst als Fotograf im Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe ableistete. Nach der Grundausbildung erhielt der damals 18-jährige gelernte Werbefotograf seine Uniform und eine Leica – die Uniform trug er aber nicht lange: Nachdem er bei der ersten Medaillenverleihung der Bundeswehr an einen französischen Oberstleutnant den verleihenden Drei-Sterne-General angefasst hatte, damit dessen Arm auf dem Foto nicht die Medaille verdeckte, erhielt er von einem anwesenden Oberst einen anständigen Einlauf. Imo besorgte sich daraufhin die Genehmigung, den Dienst in Zivil zu versehen, um als Fotograf freier agieren zu können: Sonst konnte ich ja nicht mal während der Nationalhymne fotografieren, weil ich da salutieren musste.

In jenem letzten Kalten-Kriegs-Jahr 1989 hatte die Redaktion, so erinnert sich Imo, ungewohnte Möglichkeiten: Er begleitete für eine Reportage Fallschirmjäger zwei Wochen lang nach Florida, fuhr auf einem U-Boot mit oder blieb zusammen mit einem Textredakteur über Tage dem Wachbataillon auf den Fersen, das sich auf den Besuch des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak vorbereitete. Aber er verbrachte auch zwei Wochen im Regierungsbunker im Ahrtal, während der letzten großen NATO-Übung Wintex/CIMEX 89 des Kalten Krieges.

Bundeswehr aktuell war nicht nur Informationsmaterial für die Truppe – sondern auch für diejenigen, die die Truppe im Blick behalten wollten oder darüber berichteten. Die wöchentliche Ausgabe gehörte zu meiner regelmäßigen Lektüre als Journalist, und da fand ich auch Hinweise auf Geschichten, die die Truppe selbst noch nicht so recht mitbekommen hatte. Wie im August 2001, als ich – damals für den Focus – in Mayen auftauchte, um mir die damals frisch aufgestellten Einsatzkameratrupps anzusehen. Etwas verblüfft fragten mich Soldaten, wie ich denn auf dieses Thema gekommen sei: Das war ziemlich einfach, die Aufstellung der neuen Trupps stand nämlich als Meldung in Bundeswehr aktuell.

Bisweilen versteckte die Redaktion auch brisante Exklusivmeldungen in ihrem Blatt. Wie 2013, als Georg Klein, als Oberst der verantwortliche Kommandeur für den Luftangriff von Kundus im September 2009, zum Brigadegeneral befördert wurde: Die – erwartete und politisch hoch umstrittene – Nachricht verbreitete Bundeswehr aktuell unauffällig auf Seite 12 in der Randspalte mit Meldungen über weitere Beförderungen.

Inzwischen hat das Internet, mit aktuellen Webseiten oder über social media-Kanäle, in vielen Bereichen den traditionellen Medienformaten und erst recht gedruckten Wochenzeitungen den Rang abgelaufen. Das ist auch der Grund, warum die Bundeswehr auf diese elektronischen Kanäle setzt und Bundeswehr aktuell jetzt einstellt. Mit dem Wechsel zu neuen Medien zeichnet sich allerdings auch ein – weiter gehender – inhaltlicher Wechsel ab: Wie Thomas Imo 1989 können auch heute Fotografen und Texter der Bundeswehr Soldaten über Wochen irgendwo in der Welt begleiten. Allerdings immer seltener für klassische Berichtsformate – und immer mehr für Produkte der (Nachwuchs)Werbung.

(Foto: Ausriss der Titelseite der letzten Ausgabe)