Neuer Name für Lent-Kaserne in Rotenburg gesucht (Neufassung)
Für die Lent-Kaserne in Rotenburg an der Wümme, benannt nach einem Luftwaffenpilot des Zweiten Weltkrieges, muss ein neuer Name gesucht werden. Das Kommando Heer habe der Einheit am Standort Rotenburg, dem Jägerbataillon 91, mitgeteilt, dass im Lichte des in diesem Jahr in Kraft getretenen neuen Traditionserlasses der Bundeswehr der Name nicht mehr den Richtlinien entspreche, sagte ein Heeressprecher am Dienstag auf Anfrage von Augen geradeaus!.
Der Standortälteste und Kommandeur des Bataillons, Oberstleutnant York Buchholtz, hatte zuvor der örtlichen Kreiszeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) und dem NDR erklärt, dass die Benennung Lent-Kaserne geändert werden müsse. Allerdings war diese Entscheidung nicht, wie es in den Berichten hieß, aus dem Verteidigungsministerium gekommen, sondern vom Heer.
Die Kaserne war Anfang der 1960-er Jahre nach Übernahme von den britischen Streitkräften nach Helmut Lent benannt worden, einem der erfolgreichsten Nachtjäger der Wehrmacht. In der Debatte über diesen Namen in den vergangenen Jahren hatten sich sowohl Soldaten und zivile Mitarbeiter am Standort Rotenburg als auch Kommunalpolitiker für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen.
Dagegen hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bereits im vergangenen Jahr bei einer Rede vor dem Reservistenverband eine solche Beibehaltung abgelehnt:
Doch am Tor der Kasernen stehen nach wie vor Namen wie Hans-Joachim Marseille oder Helmut Lent. Beide Namensgeber sind nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr. Sie gehören zu einer Zeit, die für uns nicht vorbildgebend sein kann.
Nach Angaben des Kommandos Heer wurde nach Inkrafttreten des neuen Traditionserlasses geprüft, ob die Benennung nach Personen der Wehrmacht beibehalten werden könne. Im Falle Lent sei die Entscheidung gewesen, dass der Wehrmachts-Luftwaffenoffizier Lent nicht den Richtlinien des aktuellen Traditionsverständnisses der Bundeswehr entspreche.
Eine formale Entscheidung zur Umbenennung der Kaserne gibt es bislang nicht. Zunächst soll am Standort selbst ein neuer Name gesucht und vorgeschlagen werden, über den dann letztendlich das Verteidigungsministerium entscheidet.
Am besten geben wir den Kasernen nur noch Tiernamen, das klappt im Kindergarten mit den Gruppen auch. Das ist total unverfänglich, nur beim Stinktier sehe ich Umsetzungsprobleme. :-)
Man kann nur noch darüber lachen, womit unsere Heeresführung mangels anderer Probleme so seine Zeit verbringt. Es ist allerdings mehr ein fassungsloses Auslachen.
Offenbar haben also Richthofen, Immelmann und Boelcke in einem „traditionswürdigen Krieg“ gekämpft? Oder warum darf die Luftwaffe ihre Ärmelstreifen hier behalten?
Und was unterscheidet dann die Ehrung eines Manfred von Richthofen wegen seines fliegerischen Könnens und gezeigter Ritterlichkeit im Luftkampf von einem Hans-Joachim Marseille, der von Richthofen hier in nichts nachstand?
Ich spreche mich für „Major Jörn Radloff“-Kaserne aus.
Dieser Infanterist ist am 15.04.2010 bei einem IED-Anschlag an der Dutch Bridge in Afghanistan in Ausübung seines Dienstes gefallen.
Ein bisschen irritierend finde ich schon, dass die hier schon mehrfach zum Thema geführte Debatte. ua. zum Traditionserlass, hier wieder bei Null begonnen werden soll… Wäre ganz gut, wenn alle erstmal nachlesen, was dazu und auch zum Namen Lent hier schon debattiert wurde, und nicht alles erneut gepostet werden müsste.
Der Historiker Götz Aly (u.a. `Hitlers Volksstaat`) nennt die inzwischen grassierende Umbenennungsmanie (Straßen, Plätze, Universitäten (Ernst Moritz Arndt) und Kasernen) einen `Nationalen Putzfimmel´.
In Dornstadt hat sich die Gemeinde (bislang) erfolgreich gegen die Umbenennung der Rommel-Kaserne gewehrt. Der Rest der Welt lacht uns nur noch aus……
[Wenn Sie schon Götz Aly für Ihre Argumentation einspannen, dann sollten Sie die Quelle nennen (hier) – und den genannten Begriff nicht aus dem Kontext reißen:
Das wirkt doch ein bisschen anders als die Stoßrichtung, mit der Sie den Begriff „nationaler Putzfimmel“ hier versuchen zu präsentieren. (Deshalb auch ausführlicher zitiert; der Link oben ist ok weil der Text drei Jahre alt ist.)
@Cynic2 | 04. September 2018 – 14:14 (anderer Faden)
„Unabhängig der Bewertung von Helmut Lent im Sinne des neuen Traditionserlasses könnte ich verstehen, wenn es für ein Jägerbataillon als nicht sinnstiftend betrachtet würde, einen Kasernennamen aus der Traditionslinie von Team Luftwaffe zu haben.“
Da Ihr o.a. Kommentar m.E.n. einen interessanten und wichtigen Aspekt aufweist, erlaube ich mir ihn in diesem neuen Faden auf ihn einzugehen.
Das spannende ist ja gerade, dass aus der Kaserne heraus, also von den Infanteristen, es KEINEN Umbenennungswunsch gibt. Trotz der üblichen Rivalität und/oder Aversion gegen die Lw ist es wohl über die Dienstgradgruppen hinweg im Btl akzeptiert, dass ein Lent eine fortgesetzte Würdigung verdient hat und/oder das man auch heute noch (auch als Infanterist) etwas von ihm lernen kann.
Es wäre ja ein leichtes gewesen die deutlichen Signale der IBuK zu nehmen und sozusagen als „Vorwand“ endlich den Lw-Namen loszuwerden, aber eben genau das wollte man nicht.
Besser konnte es ja eigentlich gar nicht laufen, denn durch die öffentliche Diskussion mussten sich auch Soldaten im Btl mit der Person auseinandersetzen, die ansonsten vermutlich gar nichts über Lent gewusst hätten.
Sehr schade, dass hier das KdoH nun Vorgaben macht und aus meiner Sicht echte Traditionspflege (nämlich die, die von „oben“ UND „unten“ funktioniert) zu Nichte macht…
Ich hatte es gestern schon vermutet, wurde dabei aber (zurecht) vom Hausherren zurückgepfiffen.
Es war insofern falsch vermutet, als dass der Druck vom KdoH kam und nicht aus dem Ministerium (wobei man nun trefflich orakeln könnte, ob da nicht doch informell aus Berlin „infomiert“ wurde; es wäre nicht das erste Mal…) Das man dabei die Intentionen der Soldaten vor Ort übersteuert, wirkt angesichts der zuvor gelaufenen Debatten um die Überarbeitung des Erlasses sehr ungeschickt.
Im Grunde wird dem Erlass hier ein erster Bärendienst erwiesen, denn die Message ist doch die: Völlig egal, wie vort Ort reflektiert und argumentiert wird – wenn das Ergebnis nicht passt, wird es eben passend gemacht, weil „isso“. Das KdoH sich hierbei auch noch gegen ein fachliches Gutachten von Experten positionieren, wirkt doppelt unglücklich. Mein Fazit: Hier hat jemand unter dem Deckmantel des neuen Traditionsverständnisses tabula rasa befohlen, weil er zuvor nichts gegen den Widerstand vor Ort ausrichten konnte. Ernüchternder kann es eigentlich nicht mehr sein…
@Voodoo
In der Tat, absolut ernüchternd.
Was nicht passt, wird passend gemacht.
Hattet ihr nicht alle eure Ablehnung des neuen Traditionserlasses schon bei Zeichnung kundgetan und müsst das nicht erneut tun?
@T.Wiegold | 04. September 2018 – 22:01
„Hattet ihr nicht alle eure Ablehnung des neuen Traditionserlasses schon bei Zeichnung kundgetan und müsst das nicht erneut tun?“
Naja, beim Thema Tradition gehen die emotionalen Wogen halt immer hoch ;)
Aber ganz im Ernst: ich bin mir nicht sicher, ob in Bezug auf Lent überhaupt wirklich eine neue Lage durch den neuen Traditionserlass eingetreten ist… Ganz egal wie man jetzt zum neuen Traditionserlass stehen mag, hier stellt sich doch die Frage ob das nicht nur vorgeschoben ist, ich muss hier @Voodoo | 04. September 2018 – 21:32 beipflichten…
Entscheidet man sich dafür, eine Kaserne nach einer natürlichen Person zu benennen, stellt sich die Frage welche Kriterien heute maßgeblich sind. Neben der Zeit, der ein Namensgeber angehören sollte als ein Auswahlkriterium wäre auch an die militärische Leistung eines Individuums oder ggf. einer Gruppe von Personen zu denken. Ansonsten würden im Zweifelsfall alle Personen einer bestimmten Phase nicht als Namensgeber in Frage kommen können. Ist es die militärische Leistung, die zumindestens auch zählt, wäre eine differenziertere Bewertung möglich. Dann könnte grundsätzlich jede Person unabhängig in welcher Zeit sie eine militärisch herausragende Leistung erbracht hat in Frage kommen. Militärische Leistungen wurden von Streitkräften unabhängig von der der jeweiligen Regierung oder Staatsform erbracht. Die Siegermächte des 2. Weltkriegs haben daher versucht die deutsche militärische Leistung auszuwerten und für sich zu nutzen. Eine differenzierte Bewertung der Wehrmacht ohne beschönigende Tendenz bei der Namensgebung erscheint möglich auch nach dem jetzigen Traditionsverständnis und geboten. Eine militärische Leistung war z.B. die Rettung von Flüchtlinge durch die Kriegsmarine am Ende des Krieges. Wendet man diesen weiten Begriff der militärischen Leistung an, eröffnen sich neue Möglichkeiten.
@christian-jürgen bühring
Das ist die Frage
Liebe ich das Schwert um seiner Schärfe oder was es beschützt?
Eine militärische Leistung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel um etwas zu bewirken.
@ ThoDan:
Auch, wenn ich damit den Besatzungen der Bomber der Luftwaffe implizit etwas anderes unterstelle (was ich nicht möchte): Ein Jagdpilot, gerade der Nachtjagdgeschwader, hatte wohl die Intention, die Bevölkerung vor den (teils vernichtenden) Bombardements gegnerischer Bomber zu schützen. Daran kann ich nichts verwerfliches finden.
Als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, war dies der Auftakt zum Vernichtungskrieg. Vor dem Angriff auf Krakau hielt Leutnant Lent fest: „Jeder von uns weiß, daß heute ein schicksalsschwerer Abschnitt Weltgeschichte beginnt, der nicht mit Worten und auf Papier, sondern mit Blut geschrieben wird. Jeder von uns ist sich seiner Verantwortung bewußt, daß des Führers Hoffnung auf seine Luftwaffe nicht enttäuscht wird.“ Lent enttäuschte seinen „Führer“ nicht. Noch am 22. Juni 1944, am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Sowjetunion, sprach Lent vom Endsieg und rief seine Männer dazu auf, „in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen“. Er forderte auch, dass „Feiglinge erbarmungslos ausgerottet“ werden. Beim Staatsakt für den im Oktober 1944 tödlich verunglückten Lent rühmte Reichsmarschall Göring dessen „unvergängliches Heldentum“.
Es ist schon „eine neue Lage“ durch den neuen Traditionserlass eingetreten. Offenbar ist das ZMSBw zu dem Ergebnis gekommen, dass Lent im Sinne dieses neuen Traditionserlasses NICHT traditionswürdig ist. Der Erlass selbst gibt Hinweise darauf, warum dies so ist:
„Zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr sind ihre eigene, lange Geschichte und die Leistungen ihrer Soldatinnen und Soldaten, zivilen Angehörigen sowie Reservistinnen und Reservisten.“ (trifft auf Lent nicht zu)
„Historische Beispiele für zeitlos gültige soldatische Tugenden, etwa Tapferkeit, Ritterlichkeit, Anstand, Treue, Bescheidenheit, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit, Entschlussfreude und gewissenhafte Pflichterfüllung, aber auch Beispiele für
militärische Exzellenz, z.B. herausragende Truppenführung, können in der Bundeswehr Anerkennung finden und in Lehre und Ausbildung genutzt werden. Sie sind jedoch immer im historischen Zusammenhang zu bewerten und nicht zu trennen von den politischen Zielen, denen sie dienten. Die Bundeswehr ist freiheitlichen und demokratischen Zielsetzungen verpflichtet. Für sie kann nur ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf professionelles Können im Gefecht reduziert, sinn- und traditionsstiftend sein.
(Wenn man Lents Leistungen nicht von den politischen Zielen trennen kann, denen er diente, kann er keine „sinnstiftende“ Vorbild-Funktion einnehmen)
Das Benennen von Liegenschaften, Kasernen und Verbänden/Dienststellen stärkt die Identifikation und ist Teil der Traditionspflege der Bundeswehr. Das Verfahren zum Benennen und Umbenennen von Liegenschaften und Kasernen ist in der ZDv A-2650/2 festgelegt und bedarf der abschließenden Genehmigung durch das Bundesministerium der Verteidigung. Über das Benennen von Verbänden und Dienststellen entscheiden die Inspekteure bzw. Inspekteurinnen oder die Leiter bzw. Leiterinnen des betroffenen Organisationsbereiches. Bestehende Benennungen müssen diesem Traditionserlass entsprechen. Bei erforderlichen Überprüfungen und Umbenennungen ist das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr über das Bundesministerium der Verteidigung einzubeziehen.
Nummeriert die Kasernen einfach durch und fertig.
Oder könnte dann jemand auf die Idee kommen, und die Nummern mit den Divisionen der Wehrmacht in Verbindung bringen?
@ Marc Andreßen
Es ist vielleicht nur mein unmaßgeblicher Eindruck, aber er verfestigt sich: Die Seminare/Workshops zum Thema „Tradition“ und „Traditionspflege“ sollten offenbar den Anschein erwecken, „die Truppe“ habe einen wie auch immer gearteten Anteil am Ergebnis des Ganzen. Es scheint so zu sein, dass nun beim Traditionserlass das politisch willkommene/gewollte herausgekommen ist.
Wenn man es eindampft, ist kein Soldat der Wehrmacht – selbst die, welche in der Bundeswehr ihren Dienst fortführten – mehr traditionswürdig, kein Steinhoff (der die Starfighter-Krise überwunden hat), kein Bundeskanzler Helmut Schmidt, kein Franz-Josef Strauß, rein niemand mehr, weil all diese durch ihren Dienst den seinerzeit gültigen politischen Zielen dienten. Wenn das der Weisheit letzter Schluss sein soll – gut. Also keine Helmut-Schmidt-Universität mehr, keine Franz-Josef-Strauß Kaserne mehr in Altenstadt und bitte auch kein TaktLwG 73 „Steinhoff“ mehr. Das ist die letzte Konsequenz.
@ T.W.
Auch wenn ich mich anfangs evtl. kritisch zum neuen Traditionserlass geäußert habe, verdammen tue ich ihn auf keinen Fall. Im Gegenteil, der Erlass legt nun mehr oder weniger deutlich fest, welche Leitlinie sich die Streitkräfte auferlegen.
Der Erlass sieht aber auch vor, dass im Zweifel der Rat der Experten aus Potsdam entscheidend sein kann, um eine Sachlage zu bewerten. Und damit ergibt sich das Problem in diesem speziellen Fall:
Mit der Entscheidung durch KdoH wurde offensichtlich und a.d.D. ein vorliegendes militärhistorisches Gutachten aus Potsdam negiert, weil dessen Ergebnis für die übergeordnete Führung anscheinend zu unbequem war. Um es ins Gedächntis zu rufe: Niemand, weder aus der örtlichen Politik, noch aus der militärischen Führung vor Ort, hat eine Umbenennung befürwortet. Mir ist außerdem, so wie von @ Marc Andreßen impliziert, auch kein zweites Gutachten aus Potsdam bekannt, welches zu anderen Schlüssen kommt, als das bereits vorliegende (ggf. wäre dies zu prüfen?).
Insofern wurde meiner Meinung der neue Erlass für die Traditionspflege (wiederum a.d.D.) nur als Feigenblatt verwendet, um eine Meinung oder Strömung um- bzw. durchzusetzen. Dies zu tun, ist das gute Recht des KdoH oder jeder anderen Kommandobehörde – dann soll man nur bitte zukünftig darauf verzichten, der Truppe zu suggerieren, dass sie Teilhabe an Entscheidungsprozessen rund um Traditionsangelegenheiten im Allgemeinen und Benennungen im Speziellen hat.
@Hans Dampf
Ein Jagdpilot mag auch feindliche Luftverteidigung niederkämpfen, damit den Bombern den Einsatz ermöglichen und Ziele am Boden angreifen?
@ ThoDan
Nun, erstmal hat dieses spezielle „Schwert“ eben in der Hauptsache die deutsche Zivilbevölkerung vor einer – und da positioniere ich mich gerne ganz deutlich – absolutisch verbrecherischen, sinnlosen und durch nichts zu rechtfertigenden Methode der Kriegführung geschützt. (Die, nur damit nicht der Eindruck entsteht, dass mir das nicht bewußt sei, natürlich in ähnlicher Weise auch von Nazi-Deutschland verwendet wurde.)
Mir persönlich geht es gar nicht so sehr um Lent. Sondern um das manichäische Geschichtsbild, das auch (nach heutigen Maßstäben ohnehin) schwerste Kriegsverbrechen als Taten des „Guten“ darstellt, gegen die Verteidigung „böse“ war, weil sie auf Seite des in summa unbestreitbar stärker verbrecherischen Systems erfolgte.
Kriegsverbrechen und Brüche des Völkerrechts zu tolerieren, wenn sie durch die „richtige“ Seite erfolgen, ist ein absolut aktuelles Thema und eines, bei dem die Deutschland und die Bundeswehr ganz klar Stellung beziehen sollten. Eine Ehrung eines erfolgreichen Nachtjägers (natürlich in Abhängigkeit von der Gesamtbewertung der Persönlichkeit, die mit ein paar Redeausschnitten nicht abgehandelt ist) wäre da ein gutes Zeichen.
Zweitens ist ihre Frage so dichotomisch, wie sie angelegt ist, nicht sinnvoll. Weder das stumpfe Schwert, das nur zum Einschmelzen gut war, wird bewundert, noch das unvergleichlich scharfe Schwert des hundertfachen Henkers.
Da Rotenburg an der Wümme liegt, wäre eine regionale Namensgebung sinnvoll: Wümme-Kaserne.
@TobyR
Das ist aber falsch. Ich lass mal stehen, ob es sich um eine „verbrecherische, sinnlose und durch nichts zu rechtfertigenden Methode der Kriegführung handelt“. Das ist nämlich völlig unerheblich. Auch die Leistung als Bediener eines Waffensystems braucht gar nicht diskutiert werden. Denn es ist eindeutig, dass diese Leistung allein, egal wie herausragend nicht traditionswürdig ist.
Die Kaserne wird nicht umbenannt, weil irgendwer die Bombardierung für gut hält oder deren Abwehr für schlecht. Die Kaserne wird umbenannt, weil Lent Teil der Nazi-Kriegsmaschine war und es keine mildernden Umstände gab, wie bei anderen, durchaus geehrten Wehrmachtsangehörigen.
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“
Wer seinen Eid auf A.H. geschworen hat, kann für Taten in der Zeit unter diesem Eid nicht traditionswürdig sein. Diese Ehre ist meiner Meinung nach verwirkt.
Zu Lent hat VEREMUNDO bereits alles gesagt. Über Timing oder Motivation der Umbennenung kann man streiten, aber warum.
Laut „Weserkurier“ hatten sich im Mai/Juni letzten Jahres mehrere Fraktionen in der Stadt Rotenburg/Wümme bereits für „Wümme-Kaserne“ ausgesprochen. Zustimmung dabei auch von Stadtverordneten der Grünen und DieLinke, was somit insgesamt der kleinste gemeinsame Nenner wäre und das Traditionsnadelöhr mit Personenbezug umginge.
@sanjäger:
Da geht ein wichtiger Gedanke von TobyR dann aber doch verloren, nämlich „Kriegsverbrechen und Brüche des Völkerrechts zu tolerieren, wenn sie durch die „richtige“ Seite erfolgen, ist ein absolut aktuelles Thema …“.
Kurzer Blick nach Syrien – humanitäre Katastrophe, wenn Assad Idlib angreift.
Sind die Verteidiger von Idlib zu Kampfhandlungen berechtigte Kombatanten. Wenn überhaupt: ist es rechtmäßig eine bewohnte Stadt zu verteidigen, wenn man die Bevölkerung nicht schützen kann? Und ist es völkerrechtskonform sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen und zu verlangen, dass dort in Landesteilen Aufständische geduldet werden?
Das müsste die Politik/ Innere Führung tatsächlich behandeln.
@TobyR, @Hans Dampf @ThoDan
als Nachtjäger war Lent mehr „Schild“ als „Schwert“ dieses „Schild“ hatte aber nicht die Aufgabe die Zivilbevölkerung zu schützen. Wenn Sie Einsatzorte und Taktiken der Einsatzführungen der LW im WWII beim „Schutz des Reiches“ ansehn war/en die/se immer auf den Objektschutz von für die Kriegsführung wichtigen Fabriken/Anlagen ausgerichtet. Schutz der Zivilbevölkerung war nur ein „Kollateralbonus“.
Ziel des „Schildes“ war also das Schwert scharf zu halten.
In der Zeit vor der Nachtjägerrei war er „Schwert“ und dessen Aufgabe war es durch „Streich“ und „Parade“ den Gegner zu bezwingen und nicht zu schützen.
Leider hat die BW ja schon 2006 die Frankenstein Kaserne schon in Karl Plagge Kaserne umbenannt. Wohl einer der wenigen Namen aus der Wehrmacht der ohne
zweifel den neuen Traditionserlass erfüllt. Leider hat sie nicht die Gelegenheit genutzt
dabei ungeeignete Personen/Namen zu ersetzen.
@TobyR
Guter Punkt, nun hat die Wehrmacht nicht „nur auch“ solche Bombenangriffe durchgeführt, sondern mkn damit begonnen.
Wird wer das Kriegsvölkerrecht verbrecherisch bricht noch dadurch geschützt?
Interessant das Schwert des strafenden Gesetzes wird nicht bewundert, warum sollten wir es dann mit der Schwertführung eines Komplizen von Verbrechen tun?
Der Satz mit dem Schwert war eine literarische Anspielung darauf wann Gewalt legitim ist.
IMPOV Notwehr, Nothilfe und Rechtspflege.
Lent war mkn nach an den Angriffen auf Polen und Norwegen beteiligt.
Ich verlange deswegen nicht die Damnatio Memoriae, habe keine Einwände ihn und seine Leistungen als Mittel bei der Ausbildung zu nutzen, aber ich sehe jetzt nicht wo Lent als Vorbild dienen könnte.
Wenn sie Zweifel haben, fragen sie sich was Helmut Lent getan hätte – sie können dann nicht so falsch liegen?
Ich denke Nicht.
@ T.W.
Nicht das es noch wichtig wäre, aber ist mein Kommentar wieder im Spam-Filter gelandet? ;-)
[yep, sorry – ohne dass ich jetzt wüsste warum. Ist freigeschaltet. T.W.]
@ sanjäger
„Das ist nämlich völlig unerheblich.“
Nein, das ist sehr erheblich.
“ Die Kaserne wird umbenannt, weil Lent Teil der Nazi-Kriegsmaschine war “
Präzise, was ich meinte. In der manichäischen Sicht gilt: „Teil der Nazi-Kriegsmaschine“ bedeutet böse und unwürdig. Egal, ob die konkrete militärische Tätigkeit war, schutzwürdige Personen vor verbrecherischer Kriegführung zu schützen.
Nach dieser Logik ist auch jeder Arzt oder Sanitäter, selbst wenn er auch unzähligen Zivilisten half, „Teil der Nazi-Kriegsmaschine“ gewesen. Auch ein Werner Hartenstein, dessen Inbetrachtziehung ich ja schon einmal angeregt habe.
Dieser Gesinnungsrigorismus kann, von allen anderen Erwägungen abgesehen, keinerlei Tradition und keinerlei Vorbilder begründen. Warum nicht? Weil in diesem Weltbild die ethische Haltung des Einzelnen für seine Bewertung als Persönlichkeit unerheblich ist. Die moralische Komponente der „Würdigkeit“ liegt dann einzig und allein beim politischen System.
An Tradition kann dabei nichts weiter als ein simples „Gehorche!“ herumkommen. Und das ist nun mal eine Bankrotterklärung.
(Wie gesagt, nur um das noch mal klarzustellen: Nichts davon ist an die Person Lent gebunden. Über die weiß ich gar nicht genug, um da abschließend zu urteilen.)
@Escrimador
Ja und Nein. Die Debatte, die sie da anregen hat nichts mit Lent und der betroffenen Kaserne zu tun. Deswegen ist der Verweis hier eher ablenkend. Thema für die Innere Führung kann sie sicher sein, warum auch nicht.
@Ex-Inst
„Leider hat die BW ja schon 2006 die Frankenstein Kaserne schon in Karl Plagge Kaserne umbenannt. Wohl einer der wenigen Namen aus der Wehrmacht der ohne
zweifel den neuen Traditionserlass erfüllt. Leider hat sie nicht die Gelegenheit genutzt dabei ungeeignete Personen/Namen zu ersetzen.“
Die Frankenstein-Kaserne in Pfungstadt (bei Darmstadt) wurde im Februar 2006
umbenannt in „Major-Karl-Plagge-Kaserne“. Es ging hier um den regionalen Bezug, denn Karl Plagge ist am 10. Juli 1897 in Darmstadt geboren.
@ ThoDan
Ihre Kenntnisse sind nicht hinreichend: Luftkriegführung gegen Zivilbevölkerung wurde schon geplant und praktiziert, bevor es die deutsche Luftwaffe überhaupt gab. (Wenn Sie ein Argument darüber anfangen wollen, ob nicht die Wehrmacht, sondern *Deutschland* mit dieser Art der Kriegführung begonnen hat, wäre das schon ernster zu nehmen.)
Das „Schwert des strafenden Gesetzes“ würde ich in der Tat als jemand, der – wie ich das von allen Unterstützern unserer Werteordnung erwarte – die Todesstrafe im Allgemeinen und ihre massenhafte Anwendung ganz besonders ablehnt, in der Tat in keinem Zusammenhang als traditionswürdig ansehen.
@ Ex-Inst
Das gilt für die Nachtjagd aus einem ganz simplen Grund nur in sehr beschränktem Maß: Damit Fabriken und kriegswichtige Anlagen gezielt geschützt werden können, muss der Gegner sie erst einmal gezielt angreifen. Es ist aber gerade der Punkt, dass die RAF das nicht getan hat, sondern ihre Strategie (ab einem bestimmten Punkt) fast ausschließlich auf großflächliche Vernichtung von Wohnbezirken abzielte.
@TobyR
Ich bezog mich in diesem Zusammenhang auf den WWII in Europa, mkn hatte die Wehrmacht dies in Polen (und Holland) getan.
Was Lent mit seinen Kämpfen gegen die polnische Luftwaffe unterstützt hat, genau wie den Überfall auf Polen und ebenfalls die Invasion Norwegens..
Das weltliche Schwert hatte den Auftrag die Unschuldigen und Wehrlosen zu schützen und die Schuldigen zu strafen, im Sinne des Schwertes der Justitia und des Schutzauftrages des Staates.
Deshalb stelle ich seine Eignung als Vorbild in Frage
@TobyR
Was bei Lent hinzukommt:
– Während der schweren Bombardements war er über Monate an der „Invasionsfront“ in Frankreich eingesetzt
– Er war nicht „nur“ ein einfacher Pilot, sondern Geschwaderkommodore, also in leitender Position.
– Die Aufgaben seines Geschwaders beinhalteten, das Abfangen von Kuriermaschinen von und nach Schweden, mit denen u.a. übergelaufene Norweger nach England geflogen wurden, aber eben auch die Kommunikation zwischen Schweden und England aufrecht erhalten wurde.
– Die Fern-Nachtjagd wurde untersagt. Es war zwar erfolgreicher, Bomber bereits über England abzuschießen, aber für die Propaganda nicht verwertbar. Man brauchte Abschüsse über Deutschland, da wo man sie sieht, so kam es, dass er in Jever stationiert, Bomber kurz vor Berlin abschoss, in Begleitung eines Kriegsberichterstatters. Seine Einsätze waren also zum Teil „Propaganda- Inszenierungen“
– Was vielleicht bekannt ist, seine viel zitierte „vorab verfasste Traueranzeige“ ist (wie man heute sagen würde) Fake-News. Diese „Legende“ basiert auf einem eher schlechten und offensichtlichen Fake aus der Britischen Zeitung „Nachrichten für die Truppe“, die zu tausenden nachts über Deutschland abgeworfen wurde. Man versuchte offenbar so etwas wie einen zweiten „Mölders-Brief“ zu kreieren, und eine der Ikonen als „dem System gegenüber distanziert“ darzustellen. Diese „Zeitungente“ wurde in den letzten Jahren außerordentlich oft bemüht, um genau das zu tun: Lent als dem System gegenüber distanziert darzustellen.
Auch der neue Traditionserlass lässt Raum für vorbildliches ethisches Handeln, wie der alte Traditionserlass auch explizit „Lebensleistung“ für Freiheit und Recht erwähnte. Einen „Gesinnungsrigorismus“ kann ich nicht erkennen. Bezüglich der „Mildernden Umstände“ kann kann man sagen: stimmt, es gab bei Lent wenig bis nichts, das den Umstand, dass er ein systemtreuer Soldat war, überkompensiert hätte. Milderne Umstände sind kein „willkürliches Mittel der Gnade“, sondern eine in die Beurteilung einfließende Fakten. Diese fehlten im Falle Lents.
@TobyR
Sie führen die völlig falsche Debatte. Niemand hier hat vor, eine „Sir Arthur Harris“-Kaserne zu benennen oder „Carl A. Spaatz“. Nur weil ein Naziflieger – und so hart muss man es ausdrücken – nicht mehr geehrt wird, heißt das nicht, dass irgendwelche anderen kriegerischen Handlungen für gut befunden wurden.
„Aber die anderen“ ist einfach kein Grund für eine Ehrung.
@ Marc Andreßen
Wie gesagt, ich will mich zum Fall Lent speziell nicht aus dem Fenster lehnen. Aber keiner von Ihren Punkten würde gegen Lent sprechen.
Die ersten drei kann man mit „Er hat normale, keineswegs verbrecherische militärische Aufgaben erfüllt“ zusammenfassen. Punkt vier hat mit Lent nichts zu tun, sondern beurteilt – wieder einmal – den Einzelnen nicht nach seinem Verhalten im System, sondern nach der bloßen Zugehörigkeit zum System.
Zu Punkt fünf gibt es offenbar unterschiedliche Forschungsmeinungen. Ich selber kenne nur die im Umfeld des MGFA entstandenen Kurzgutachten, die zu sehr unterschiedlichen Gesamtbeurteilungen gelangen.
Die von Ihnen erwähnten Aspekte sind mir nicht bekannt, scheinen mir aber auch nicht schlüssig in irgendeine hier relevante argumentative Richtung zu weisen; dass Lent von der britischen Propaganda vereinnahmt wurde, sagt über seinen Charakter genau so wenig aus, wie dass er von der deutschen Propaganda vereinnahmt wurde. Noch sagt die Verwendung des Topos der Traueranzeige in der Propaganda an sich aus, dass es sich um eine komplette Erfindung handelt.
Das positivere der mir bekannten Kurzgutachten bezieht sich bei der Beurteilung der Traueranzeige in der DAZ auf die „Familienüberlieferung“. Natürlich ist die bei der gewaltigen historischen Distanz und insbesondere, wenn es um die NS-Zeit geht, mit Fragezeichen zu versehen. Da wären vergleichend dokumentierte Aussagen seiner Familienmitglieder aus der Kriegszeit, wenn es diese denn gibt, heranzuziehen.
@ sanjäger
„‚Aber die anderen‘ ist einfach kein Grund für eine Ehrung.“
Es geht hier auch nicht um Gründe für eine Ehrung, sondern um Gründe dafür, jemandem Ehre abzuerkennen. Und wenn für Sie ein Grund der Ehraberkennung ist, dass jemand für ein verbrecherisches politisches System militärisch tätig war, auch wenn seine eigene militärische Tätigkeit keineswegs verbrecherisch war, sondern vor allem der Verteidigung der Zivilbevölkerung gegen eine durch und durch verbrecherische Methode der Luftkriegführung diente, dann ist das wie gezeigt für positive Traditionsbildung völlig fatal.
Hm, ich greife in diese Diskussion nicht ein, gebe aber eines zu bedenken: Es ist ein ziemlicher Irrtum zu glauben, die Benennung einer Kaserne sei in erster Linie eine Ehrung für den Namensgeber. Es ist, so scheint mir das auch nach den Veröffentlichungen zum Traditionsverständnis offensichtlich, eine Anknüpfung an den Namensgeber als Vorbild bzw, wie es heißt, „sinnstiftend“. Deshalb ist auch der Schluss, eine Umbenennung wäre eine „Aberkennung“ der Ehrung, genau die Ansicht, die in eine Sackgasse führt…
Auf der Geschichtstafel des Volksbundes Lüneburg heißt es zu Lent. „Seine persönliche Einstellung zum Nationalsozialismus ist unklar, allerdings handelte er stets im Sinne der Kriegführungspolitik des NS-Staates und legte dabei eine systemkonforme Haltung an den Tag. Bereits bei seinem ersten Einsatz in Polen beklagte er, dass es ihm „nicht vergönnt [war], noch einen Gegner aus der Luft abzuschießen“, und hoffte, „noch zur rechten Zeit an den Drücker zu kommen“. Widerwillen oder gar Protest gegen die propagandistische Vereinnahmung als „einer der ganz großen Helden unseres Volkes“ (Hermann Göring) lassen sich nicht belegen.“
@ Marc Andreßen
„Auch der neue Traditionserlass lässt Raum für vorbildliches ethisches Handeln, wie der alte Traditionserlass auch explizit „Lebensleistung“ für Freiheit und Recht erwähnte. Einen „Gesinnungsrigorismus“ kann ich nicht erkennen.“
Nur um das klarzustellen: Den Gesinnungsrigorismus habe ich in diesem Zusammenhang bei den Bewertungsmaßstäben hiesiger Mitdiskutanten, im zitierten Falle ’sanjäger‘, verortet. Über den neuen Traditionserlass selbst habe ich schon anderenorts einiges geschrieben, das Sie nachgoogeln können und hier nicht wiederholt werden muss.
Hier könnte man neues nur zur Umsetzung schreiben, aber da wurde das Wesentliche schon gesagt. Vom inhaltlichen Für oder Wider abgesehen, ist ja schon von ‚Voodoo‘ korrekt bemängelt worden, dass hier Tradition von oben in die Truppe hineingedrückt wird und dass daraus eben keine lebendige Kultur in der Truppe wachsen kann.
@ T.Wiegold
„Es ist ein ziemlicher Irrtum zu glauben, die Benennung einer Kaserne sei in erster Linie eine Ehrung für den Namensgeber.“
Ja, absolut.
„Deshalb ist auch der Schluss, eine Umbenennung wäre eine „Aberkennung“ der Ehrung,“
Die Ehraberkennung wird von mir keineswegs als Resultat der Umbenennung betrachtet, sondern als ihre Ursache bzw. als Argument der Befürworter einer Umbenennung.
Präziser: Weil die Person Lent nicht als ehrenwert anerkannt wird, wird ihr die Eignung als Vorbild abgesprochen.
Ich weiß, es gehört eher zur Diskussion um den Traditionserlass, aber es könnte solche Diskussionen vereinfachen, wenn das BMVg sich die Mühe gemacht hätte, eine Sammlung traditionswürdiger Personen und Ereignisse herauszubringen. Wenn man berücksichtigt, dass der Soldat eine soldatische Tradition mit militärischen Erfolgen benötigt, wird klar, dass die Auswahl schwierig ist.
Zum Thema Lent ist eigentlich zu fragen: War er Kombattant und damit zu Kampfhandlungen berechtigt? Hat er nur zulässige Ziele bekämpft oder Kriegsverbrechen begangen.
Wenn man den II.WW als auf deutscher Seite insgesamt als verbrecherisch ansieht und unterstellt, dass jeder deutsche Soldat diese Erkenntnis und die Möglichkeit, sich dem Krieg zu entziehen hatte, kann es aus dieser Zeit fast nichts traditionswürdiges geben – Widerstand und ggf. humanitäre Einzelaktionen (bei denen aber das Gesamtverhalten zu würdigen wäre) ausgenommen.
Da es in Delmenhorst noch die Feldwebel-Lilienthal-Kaserne gibt, nehme ich an dass zumindest dieser aufgrund seiner militärischen Leistung traditionswürdig ist.
Ähm. „… Sammlung traditionswürdiger Personen und Ereignisse herauszubringen.“
Never ever, wer sich festlegt, macht sich angreifbar. 180.000 Hobbyhistoriker neben einigen seriösen: Angriffspunkte ohne Ende.
@ VEREMUNDO
Sie zitieren hier seit zwei Tagen zwar heftigst, machen sich aber nicht ein einziges Mal die Mühe, auch nur ansatzweise eine Aussage von Lent zu kontextualisieren (wenn er nicht gerade Ihrer Absicht entspricht).
Grundpinzip der Geschichtswissenschaft bleibt aber, eine Person im Kontext ihrer Zeit (!) zu lesen und eben nicht aus dem Zusammenhang und schon gar nicht retrospektiv. Beispielsweise ihr letzter Beitrag:
Lent war 1939 gerade einmal einundzwanzig (21!) Jahre alt und wurde davor als Kind und Jugendlicher, wie es im nationalsozialistischen Deutschland üblich war, von Anfang an indoktriniert, sozialisiert und auf auf die Linie der Partei und die „Bewährung als deutscher Junge / Mann“ eingeschworen. Das letzte von Ihnen genutzte Zitat ist insofern alles andere als verwunderlich und schon gar nicht als ein Beweis für irgendetwas zu sehen – das hätte auch der Volksbund erkennen können. Auch ein Stauffenberg war 1939 begeistert darüber, endlich in den Kampf zu ziehen. Ich würde daher, im Sinne der Sachlichkeit, dafür plädieren, etwas weniger emotional und willkürlich zu zitieren.
Außerdem darf ich darauf verweisen, dass es seit 2017 ein offizielles Gutachten vom ZMSBw gibt, auf Grundlage dessen die Vertreter der Stadt das Ministerium darum baten, den Namen beizubehalten – wäre Lent in diesem Gutachten belastet worden, so wäre dieser Vorgang wohl kaum so geschehen. Es ist daher mehr als müßig, nun erneut über die nationalsozialistische Karriere dieser historischen Person zu streiten, denn so skandalös war sie schlicht nicht.
Deswegen ist ja der oben geschilderte Vorgang vom KdoH auch nur bedingt nachvollziehbar und klingt nach „Nachtreten“, um den Willen der Ministerin doch noch durchzusetzen.
@ Voodoo
Hier einige Anmerkungen zu Ihrem Vorwurf an mich „machen sich aber nicht ein einziges Mal die Mühe, auch nur ansatzweise eine Aussage von Lent zu kontextualisieren“
Als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, war dies der Auftakt zum Vernichtungskrieg. Vor dem Angriff auf Krakau hielt Leutnant Lent fest: „Jeder von uns weiß, daß heute ein schicksalsschwerer Abschnitt Weltgeschichte beginnt, der nicht mit Worten und auf Papier, sondern mit Blut geschrieben wird. Jeder von uns ist sich seiner Verantwortung bewußt, daß des Führers Hoffnung auf seine Luftwaffe nicht enttäuscht wird.“ Historischer Kontext: Beginn des Zweiten Weltkrieges
Lent enttäuschte seinen „Führer“ nicht. Noch am 22. Juni 1944, am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Sowjetunion, sprach Lent vom Endsieg und rief seine Männer dazu auf, „in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen“.
HIstorischer Kontext: Drei Jahre nach dem Angriff der Wehrmacht auf die SU
Lent forderte im August 1944, dass „Feiglinge erbarmungslos ausgerottet“ werden.
Historischer Kontext: Wenige Tage nach dem 20. Juli 1944 verlieh ihm der „Führer“ die Brillanten zum Ritterkreuz.
Noch historischer Kontext zum August 1944: Aufrechte Widerstandskämpfer wie Alfred Kranzfelder wurden in Plötzensee am Fleischerhaken grausam ermordet. Hitler beschimpfte die Verschwörer des 20. Juli 1944 als „feige Landesverräter“. Er ließ sie erbarmungslos ausrotten: „Ich will, daß sie erhängt werden, aufgehängt wie Schlachtvieh“, so lautete die Anweisung des „Führers“. Auf dessen Befehl hin mussten die Filmkameras ohne Unterbrechung surren, damit er sich noch am selben Abend in der Reichskanzlei an dem diabolischen Schauspiel ergötzen konnte.
Beim Staatsakt für den im Oktober 1944 tödlich verunglückten Lent rühmte Reichsmarschall Göring dessen „unvergängliches Heldentum“.
Historischer Kontext. Görings Prophezeiung ging im Juli 1964 in ROW in Erfüllung.
@ Voodoo „Außerdem darf ich darauf verweisen, dass es seit 2017 ein offizielles Gutachten vom ZMSBw gibt, auf Grundlage dessen die Vertreter der Stadt das Ministerium darum baten, den Namen beizubehalten – wäre Lent in diesem Gutachten belastet worden, so wäre dieser Vorgang wohl kaum so geschehen.“
HIer verwechseln Sie ein paar Dinge, die ich Ihnen im nächsten Post erläutern werde…
Sorry, jetzt wird hier nicht in aller Ausführlichkeit der historische Streit über die Person Lent ausgetragen. Das würde den Rahmen hier ziemlich sprengen. Mir scheint, die gegensätzlichen Positionen sind hinreichend deutlich geworden.
T.W.sei Dank, daß er-als einsamer Rufer in der Wüste der causa Lent und den Meinungsäußerungen dazu den ihr gebührenden Platz eingeräumt – wenn ich auch seine Würdigung der der Namensaberkennung oder Entnamung eines Verbandes (Mölders) oder einer Kaserne (Lent) nicht teile. In der ersten Verlautbarung aus der Kreiszeitung von Rotenburg wird ein aktiver Oberstleutnant und stellv. Standortältester mit den Worten zitiert, Lent sei zwar kein Kriegsverbrecher gewesen, aber nach den geltenden Erlassen eben auch nicht traditionswürdig, und deswegen könne der Kasernenname „Lent“ nicht beibehalten werden. Das war im Mai 2014. Drei Jahre später hielt die Verteidigungsministerin dann ihre Rede, in der sie Lent als nicht mehr tragbar bezeichnete.
Daß die Verantwortung für die Entnamung auf das Heer geschoben wurde spricht Bände für die Risikobereitschaft der Ministerin und das Rückgrat der Beteiligten. Interessant ob sich die Luftwaffe zu ihrer Haltung zu Lent noch bekennt oder ob sie sich auf die natürlich bequeme Haltung zurückzieht, die Lent-Kasernerne gehöre nicht zum Organisationsbereich der Luftwaffe.
Auf einzelne Beiträge, die die Entscheidung der Ministerin für nicht nur gut, sondern geradezu für notwendig hielten, gehe ich nicht ein. Nomina Sund odiosa, es wäre der ehre zu viel für sie. Auch die Historiker, die sich für ihre Gutachten nicht einmal die Zeit nahmen, das Standardwerk „The Lent Papers“ zu lesen (vermutlich nicht ins deutsche übersetzt, weil für einen Teil der Zunft zu positiv geschrieben), werden wohl weiterhin glauben , es gäbe nichts, was für Lents Würdigung als Namensgeber einer Kaserne spricht.
Interessant, ob man wenigstens die jetzige Entscheidung und die offizielle Begründung vorab den Töchtern von Lent mitgeteilt hat.
Tallyhoh
[Auch hier die Bitte bzw. der Hinweis: Ein grundsätzlicher Historikerstreit würde hier den Rahmen bei weitem sprengen. Und nein, keine Diskussion über das Mölders-Geschwader in diesem Thread. T.W.]
Selbst wenn der Bart ab ist, muß man sich anscheinend um des Kaiser’s Bart weiter streiten – wir Teutonen sind schon ein seltsames Kulturvölkchen, das im postheroischen, -nationalen Zeitalter ohne nostalgische Nabelschau vielfältiger Art nicht so richtig glücklich sein kann. ;-)
Dem Standortältesten kann man nur raten, die Chance einen neuen Namen vorzuschlagen – in Abstimmung mit der Gemeinde – möglichst rasch beim Zopf zu greifen.
Zu Lent liegen mittlerweile sechs amtliche Gutachten vor: MGFA Freiburg 1989: Vf. Major Diefenbach; LwA Köln 2003: Vf. OTL Dr. Möllers; MGFA Potsdam 2004: Vf. OTL Dr. Schmidt; MGFA Potsdam 2012: Vf. PD Dr. Echternkamp; ZMS Potsdam 2016: Vf. OTL Dr. Vogel: ZMS Potsdam 2018, a.k.a. York-Gutachten (liegt mir noch nicht vor!)
@Escrimador
„Da es in Delmenhorst noch die Feldwebel-Lilienthal-Kaserne gibt, nehme ich an dass zumindest dieser aufgrund seiner militärischen Leistung traditionswürdig ist.“
Auszug aus dem MGFA-Gutachten zu Fw Lilienthal vom 15. Januar 2013: „Sein militärischer Einsatz diente der gewaltsamen Durchsetzung der rasseideologischen Ziele des nationalsozialistischen Regimes, das vor allem auf dem ost- und südosteuropäischen Kriegsschauplatz den Massenmord an den europäischen Juden, der Vernichtung des ‚jüdischen Bolschewismus‘, betrieb. Am 1. April 1966 wurde die Kaserne in Delmenhorst nach Lilienthal benannt. Mit dieser öffentlichen Ehrung durch die Bundeswehr wurde die kriegerische Tüchtigkeit des ehemaligen Unteroffiziers Lilienthal gewürdigt. Denn seine Taten zeugen, so die Begründung für die Namensgebung, „von militärischer Pflichterfüllung und von einer Haltung, die gerade den heutigen Soldaten Vorbild sein könnte“.
Tradition ist nicht Geschichte, so meine Überzeugung, sondern eine absichtsvolle und sinnstiftende Auswahl aus ihr!
@ VEREMUNDO
Darf ich fragen, ob Sie sich auf einem persönliche Kreuzzug befinden oder warum geben Sie sich solche Mühe, Sachen nicht komplett zu durchdringen? Auf Ihren letzten Beitrag hat der neue Traditionserlass doch schon eine Antwort gegeben: Wehrmacht per se „nein“, Einzelpersonen vor einem beispielgebenden Hintergrund und nach Prüfung „ja“. Lilienthal fällt somit als Einzelperson unter die Ausnahme und dürfte wohl unkritisch sein, da man ihn zwar im NS verortet, er oder seine Einheit (nach derzeitiger Sach- und Aktenlage) aber nicht mit Verbrechen in Verbindung gebracht wurde.
Sie möchten alle Namen ehemaliger Wehrmachtssoldaten getilgt sehen, soviel kann man Ihren Beiträgen entnehmen – und dies zu fordern, ist ihr gutes Recht. Trotzdem wäre es (wie bereits geschrieben) angenehmer, wenn Sie sich etwas mehr Zeit für eine Reflektion nehmen würden, bevor Sie die nächste Attacke reiten.