Gemeinsame strategische Kultur? Aber schon die Autos!

Die französischen Streitkräfte führen einen neuen Geländewagen ein. Der VT4 (abgekürzt für VLTPNP, véhicule léger tactique polyvalent non-protégé) löst als taktisches Fahrzeug den in den 1980-er Jahren eingeführten P4 ab, ein geländegängiges Fahrzeug, das dem Wolf der Bundeswehr recht ähnlich ist. (Mehr zu dem neuen Auto beim Kollegen Jean-Dominique Merchet hier.)

Diese Rüstungsbeschaffung der Nachbarn, EU- und NATO-Partner wäre hier keiner besonderen Erwähnung wert, wenn nicht eines auffällig wäre: Frankreich führt, auch für seine Auslandseinsätze zum Beispiel in Afrika, ein neues geländegängiges Fahrzeug ein, das nicht geschützt ist. Der VT4 hat zwar ABS und Fahrer-Airbag, aber von Schutz gegen Minen oder Improvised Explosive Devices (IED) ist ebenso wenig zu sehen wie von einem Schutz gegen Beschuss, und sei es aus Handwaffen.

Und da wird’s interessant. Denn auf dieser ganz kleinen, taktischen Ebene zeigt sich beispielhaft, wie es aussieht mit den unterschiedlichen militärischen Kulturen auch eng verbündeter Länder. Da wird sozusagen ausbuchstabiert, was die viel, viel weiter oben politisch verabredeten Formeln wie gemeinsame strategische Kultur in der Praxis bedeuten.

Als Folge (Lehre?) aus dem Afghanistan-Einsatz hat sich Deutschland seit gut einem Jahrzehnt darauf festgelegt, dass bei den Fahrzeugen der Bundeswehr der Schutz der Soldaten darin Vorrang hat.

Als der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung verfügte, dass die Feldlager am Hindukusch nur noch in geschützten Fahrzeugen verlassen werden dürften (auch wenn das relativ war, weil ein offener, nur mit Bodenplatte zusätzlich geschützter Wolf eben nur ein Cabrio mit Bodenplatte blieb), stieß das bei den militärischen Führern nicht unbedingt auf Gegenliebe: Die zunächst zu geringe Zahl dieser geschützten Fahrzeuge behinderte das Einsatztempo erheblich.

Die seitdem neu beschafften Führungs- und Funktionsfahrzeuge der Bundeswehr waren immer geschützt. Eine Neubeschaffung eines handelsüblichen und dann militarisierten Geländewagens wie des französischen VT4 scheint in Deutschland nicht denkbar. (Als die Bundeswehr die Eignung eines VW Touareg für ihre Zwecke testete, machte die zusätzliche Panzerung aus diesem Auto ein kaum noch nutzbares Fahrzeug – das Frettchen wurde dann auch nicht beschafft.)

Der Ansatz, neudeutsch: die Philosophie ist ganz offensichtlich bei den beiden Ländern grundsätzlich unterschiedlich. Die Abwägung von Beweglichkeit und Wirkung gegen Schutz fällt vollkommen unterschiedlich aus – und die deutsche Position ist auch amtlich festgelegt, zum Beispiel in der neuen Konzeption der Bundeswehr:

Internationale Rüstungskooperation findet allerdings ihre Grenzen, wenn durch Abstriche an Sicherheit oder an nationalen Standards eine erhöhte Gefährdung von Leib und Leben der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten besteht.

Es steht mir nicht zu, das zu bewerten. Aber solche Unterschiede gehören in die Betrachtung des politisch gewollten engeren Zusammengehens der Streitkräfte in Europa.

Das neue französische Auto im Video:

(Ich hatte das Thema zunächst nur via Twitter aufgegriffen; die Reaktionen dort haben mir deutlich gemacht, dass es ein Thema für Augen geradeaus! ist. Danke an den Kollegen Björn Müller für die KdB-Fundstelle.)

(Foto: Französisches Verteidigungsministerium)