Sanierungsfall Gorch Fock: Mehr zu den steigenden Kosten
Dass die Sanierung der Gorch Fock, des Segelschulschiffs der Deutschen Marine, immer teurer wird und immer mehr schlimme Überraschungen auftauchen, zeichnet sich seit einigen Monaten ab. Inzwischen, so berichtet der Norddeutsche Rundfunk, will da auch der Bundesrechungshof mal genauer reinschauen.
Mehr Einzelheiten zu den Kosten und den Problemen – Masten und Rahen sind auch Schrott – stehen in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Die ist inzwischen auf der Bundestags-Webseite nachlesbar:
Drucksache 19/2908: Sanierung des Segelschulschiffs Gorch Fock
Eine Kern-Passage (nur die Antworten):
Das Segelschulschiff Gorch Fock befindet sich seit November 2015 in einer turnusmäßig geplanten Depotinstandsetzung und liegt hierzu seit Januar 2016 in der Elsflether Werft. Im Rahmen der durchzuführenden schiffbaulichen Untersuchungen waren die komplette Struktur, die Außenhaut, die Decks und die Aufbauten des Schiffes zu untersuchen. Im Zuge dieser Untersuchungen ergab sich ein gravierendes Schadensbild, weshalb der Untersuchungsumfang deutlich über das Maß der Depotinstandsetzung im Jahr 2010 ausgedehnt wurde. So stellten die Sachverständigen unter anderem fest, dass die alten Masten und Rahen nicht weiter genutzt werden können und vollständig zu erneuern sind.
(…)
Der ursprünglich vorgesehene Leistungsumfang für die Depotinstandsetzung des Segelschulschiffes Gorch Fock belief sich auf ca. 10 Mio. Euro. Zum Ausschreibungsbeginn waren das Ausmaß der Schäden und damit der tatsächliche Zustand des Schiffes nicht bekannt.
Der Gesamtumfang der durchzuführenden Arbeiten wurde erst nach Abschluss der schiffbaulichen Untersuchung sichtbar und kann als Hauptursache für die Kostensteigerung der Instandsetzung benannt werden. Darüber hinaus waren weitere notwendig gewordene Arbeiten, wie z. B. die Freilegung aller Flächen und Fundamente in den Maschinenräumen, der Neubau des Kartenhauses, der Ausbau aller Rohrleitungen und Inneneinrichtungen, in der Planung der zweiten Kalkula- tion nicht berücksichtigt. Zudem waren während der Instandsetzung entdeckte gesundheitsgefährdende Isoliermaterialien (Asbest und Kohle-Mineralfasern) aufwändig zu beseitigen, was ebenfalls nicht einkalkuliert war.
(Archivbild: Auf ihrer 147. Auslandsausbildungsreise trifft das Segelschulschiff Gorch Fock vor Neufundland auf Eisberge, am 16.08.2007 – Bundeswehr/Gunnar Bednarzik )
Der NDR berichtet ergänzend, dass bereits zwischen 2004 und 2013 rund 40 Mio € in Instandsetzungsarbeiten geflossen sind. Mit den bereits bekannten 135 Mio jetzt (ob es dabei bleibt?) kann der Rechnungshof m.E. nur zu einem Ergebnis kommen:
Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Deckel drauf, Neubau ausschreiben.
„16. Wer war für die fehlerhafte Einlagerung von Bleigewichten ohne Isolation
verantwortlich, und inwiefern wurde hierfür Regress gefordert?
Zu dieser Fragestellung wurden bereits Ermittlungen durch den Havariebeauftragten
der Marine und durch den Bundesrechnungshof durchgeführt. Ein Verantwortlicher
für die Ursache konnte nicht eindeutig ermittelt werden, weshalb
eine Regressforderung nicht formuliert wurde. “
Die Antwort zu Frage 16 sagt eigentlich alles – grenzenlose Schlamperei, wie bei fast allen öffentlichen Aufträgen in D.
Nur Traurig
Ich persönlich denke, dass wenn man schon eine Marine hat, diese als Argument für die Rekrutierung die gute alte Weltreise nutzen sollte. Und zwar als Ausbildungs-Weltreise. Sechs Monate oder mehr auf einem modernen Ausbildungsschiff mit OK Unterbringung, Vortragsräumen, Übungsräumen, Simulatorräumen usw. Und dann Fahrt um die Welt, mit 10…20 interessanten Häfen mit ausgedehnten Landurlauben als Zivilist.
Selbst in Zeiten von TUI & Co sollte das als Rekrutierungsargument ziehen. Aber ein Schiff wie die Gorch Fock macht sich eher gut auf Postern und in Videos (jeweils möglichst Aufnahmen aus der Distanz) denn als wirkliches Ausbildungsschiff. Es fehlt an Volumen.
Neubau Gorch Fock 2 und deckel drauf. Denke mehr gibt es zu dem Thema nicht zu sagen.
Das Für und Wider eines Segelschulschiffs ist ja hier im Blog bereits intensiv diskutiert worden – beispielsweise nachdem im März die Schreckenszahl 135 Mio € bekannt wurde.
https://augengeradeaus.net/2018/03/sanierung-der-gorch-fock-wird-bis-zu-135-millionen-kosten/
Neubau Gorch Fock 3 :D
Man sollte echt mal überlegen, ob es nicht billiger ist, Gorch Fock 1 zu modernisieren?
Oder die Peking? Oder die Passat? Oder die Vasa?
Mich irritiert bei der Diskussion über die 135 Mio., dass noch niemand über die Zukunft spricht. Es wird ständig davon gesprochen, dass die 135 Mio das Schiff fit für die nächsten 40 Jahre machen soll. Damit ist es ja nicht getan.
GF wird spätestens in 3 Jahren wieder für einen Betrag X Mio turnusmäßig in die Werft/Instandsetzung gehen. Und das geht so weiter.
Das die Verfasser dieses Papiers sich nicht schämen und rot anlaufen. Die Bundesdrucksache ist die Dokumentation des Totalversagens des Marinearsenals und aller weiterer Beteiligten.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung würde ich gerne mal sehen, 135 Mill + ca. 600.000 Kosten für die Mircea pro Jahr versus 170 Mill für Neubau + auch die Kosten der Mircea bis 2025. Und da reden wir wieder über platingefasste Goldrandlösung in typischer Bundeswehrmanier.
Für 135 Mill Euro kann man die Mircea 200 Jahre chartern (wenn die Zahlen stimmen) und die Masten und Takelage sicherheitstechnisch so umrüsten, dass die OA´s auch wieder in die Wanten können.
Man sollte das den Rumänen überlassen, die bekommen das mit Sicherheit kostengünstig und kurzfristig hin.
Für so einen Schwachsinn ist Geld da, aber für fehlende Nachtsichtbrillen und Schutzwesten nicht, da kommt man sich als Soldat doch veralbert vor.
Und dann gab es noch das Schulschiff „Deutschland“, das 1990 außer Dienst ging.
Da konnte man wenigstens von entsprechenden Ausbildungsinhalten sprechen.
Segelbasisausbildung etc. kann man auch anders organisieren.
Diese Prestige-Show-Projekte gehen mir, vorsichtig ausgedrückt, auf die Nerven.
@JRC +1
Es gibt sicher mehrere Ursachen für die Misere, aber Kompetenzverlust auf öAG-Seite scheint mir die hauptsächliche.Zumindest teilweise scheint mir die selbstverschuldet. Wenn man Produkte betreiben will, für die es jedenfalls keinen selbsttragenden Massenmarkt gibt, muss der Kunde selbst Verantwortung mittragen. Das wurde jedoch möglichst vermieden und rächt sich jetzt. Und betrifft nicht nur die Gorch Dock. Das Schlimme: Mit Geld allein ist dem nicht abzuhelfen.
die danziger weft hat ein schulungsschiff für algier für 40 Mio €* gebaut – 2017 –
mit 110m – bissl länger als GF :
https://www.vesselfinder.com/de/vessels/EL-MELLAH-IMO-9775907-MMSI-605046440
vielleicht musste das budget ausgegeben werden – nun kann merkel dies dem v-etat anrechnen ;)
_______________________________________________
*
https://pl.wikipedia.org/wiki/El-Mellah
i checked El Mallah and can only say : the Poles are true great shipbuilders – congrats !!!
[Ehe Verwirrung einsetzt: Gemeint ist das algerische Segelschulschiff El Mallah/El Mellah:
https://www.africanmilitaryblog.com/2017/10/algerian-navys-new-masted-frigate-el-mellah-938-commisioned
T.W.]
@ Uwe
Zitat: “ … Und betrifft nicht nur die Gorch Dock. Das Schlimme: Mit Geld allein ist dem nicht abzuhelfen.“
Ja, genau richtig.
Sowas kann man nur mit eigenem kompetenten Personal abhelfen. Inwieweit da vor dem Auflösungsbeschluss kompetentes Personal in dem Marinearsenal in Kiel vorhanden war, kann ich nicht beurteilen, aber aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Heimathafen der Gorck Fock in Kiel und dem Marinearsenal liegt die Vermutung nahe, dass kompetentes Betreuungspersonal vorhanden war.
Genau dieses kompetente Personal in der Logistik hat die Bw in den letzten 2 Jahrzehnten überproportional abgebaut. Einen wesentlichen Anteil an dieser bedauerlichen Entwicklung hatten die sogenannten „Berater“ der GEBB, diese „Perdeflüsterer“, die der Bw geraten haben alle Instandsetzungsaufgaben kommerziell zu vergeben, weil die Wirtschaft dies ja so viel besser kann als das eigene Personal. Das Ergebnis sieht die Bw jetzt an jeder Ecke und an jedem Ende. Verantwortung der GEBB für die Beratungsleistungen vor 10 Jahren – Fehlanzeige !
Wobei dieser überproportionale Personal- und damit Kompetenzabbau nicht nur bei der Bw geschah. Auch die Landesbehörden, Polizeien sogar die Landesbauämter haben ihre Beamten auslaufen lassen und zuwenig Personal als Angestellte nachbesetzt.
Wenn man weiß, dass die Bw kein einziges Bauprojekt selbst betreut, sondern alles von den Landesbauämtern als Auftraggeberseite ausgeführt werden muss, wundert einen die extrem langen Bearbeitungszeiten für die Baumaßnahmen der Bw nicht mehr.
@S O +1
Eine Ausbildungsfregatte soll auch markant aussehen und Platz für diplomatische Treffen/Abendessen bieten.
@Uwe | 28. Juni 2018 – 12:18
Grundsätzlich stimme ich ihnen zu, however:
„……….Schwerpunkt der Tätigkeit des Marinearsenals ist die Instandsetzung der militärischen Anlagen auf Kriegsschiffen, während die Materialerhaltung der schiffbaulichen Komponenten wie Rumpf, Antrieb und Energieerzeugung auf Schiffen meist an zivile Werften vergeben wird………“
https://de.wikipedia.org/wiki/Marinearsenal_(Deutschland)
Die Gorch Fock hat eben keine militärischen Anlagen, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Marine/MARS im Rahmen der Konzentration auf das „militärische Kerngeschäft“ die gesamte MatErh/Inst-Kompetenz in Sachen GF ausgelagert hat an die Werftindustrie – zumal die GF ja nun alles andere als ein „Serienfahrzeug“ ist.
Und so ist eben die Elsflether Werft. wie die Mutter zum Kind gekommen und wurde zum Single-Source-Service-Provider für die Gorch Fock. Das hat nun zur Folge, dass eine Sanierung der GF zugleich eine Teil-Sanierung der Werft zur Folge hat – ist vermutlich trotzdem billiger als eine Ausschreibung/Vergabe der Sanierung der GF an eine andere Werft, die keinerlei GF-Kompetenz-Legende besitzt..
Der BRH mag sich noch so engagieren, letztendlich sind es die Standort/Strukturentscheidungen von TdM, welche die Elsflether Werft.in diese Rolle eines GF-Monopolisten gerückt haben.
Die Alternative Neubau ist keine wirkliche, denn im Falle einer Neubauinitiative käme das gesamte – ich sag mal – traditionelle Offiziersausbildungskonzept der Marine auf den Prüfstand, und genau das will so wirklich niemand in den high places der Marine und auch des BMVg.
just my 2 cents
;-)
Der Kahn ist runtergeritten.
Ja und?
Nach fast genau sechzig Jahren im Dienst kann das schonmal vorkommen. Also weg damit, vielleicht findet sich ja ein interessierter Kreuzsegler, der den nahezu Holk haben will und Kreuzfahrten nach Renovierung damit macht.
Neubau wie schon von peter.n gesagt, gibt es in Danzig. Oder von der Dame Werft in Holland. Die bieten auch Segelschulschiffe an. In Deutschland wurde vor Jahrzehnten der letzte Großsegler gebaut. Die verantwotlichen sind entweder tot oder in REnte. Kann man dann auch besser die getrennten Waschräume und neue Unterrichtssäle und was nicht alles für die Ausbildung unterbringen in einem neuen Schiff. Und hoffentlich schon beim Bau an zukünftige Umrüstungen denken.
Aber nein, man wirft noch mehr Geld hinterher. Es wird nicht besser werden.
@klabautermann | 28. Juni 2018 – 14:02
Ist das nicht traurig und schlimm? Der einzige Sinn, der sich im BMVg und den nachgeordneten Führungsebenen noch weiterentwickelt, ist der Starrsinn.
Anders kann man solche Entscheidungen nicht mehr erklären.
@Pio-Fritz | 28. Juni 2018 – 14:48
Nö, ich finde das gar nicht „traurig und schlimm“. Keine deutsche Regierung wird „ohne Not“ ein historisch gewachsenes, international bekanntes Markenzeichen wie die GF aufgeben. Und unter Geldnot leidet Deutschland ja nun wahrhaftig nicht. Solange man also das Schiff so erhalten kann, dass es seine Zulassung (auch international) nicht verliert, wird man das aus übergeordnetem, staatlichen (nicht politischen) Interesse auch tun.
Wenn man also dieses übergeordnete, staatliche Interesse bei Seite schiebt und einen „wirtschaftlichen“ Neubau initiiert, dann kommt natürlich quasi automatisch die „Wirtschaftlichkeit“ des ganzen Seeoffizierausbildungssystems der Marine auf den Prüfstand, zumal die Marine im Bereich nautische Ausbildung ja gar nicht einmal so schlecht aufgestellt ist (siehe Fachbereich Nautik/Seemannschaft in Mürwik) – auch nicht bei der Segelausbildung (man schaue sich einmal den Fuhrpark in Mürwik an). Nun kommt auch noch die momentane Ersatzlösung ins Spiel, denn anscheinend kann man ja z.Zt. den Nachwuchs seemänisch ausbilden und prägen, ohne dass er in Masten und Wanten rumkraxeln kann/darf.
Und mal ganz ehrlich: was da zZt. auf und an der GF passiert kommt einem Nachbau doch ziemlich nahe ;-) Und dass deutsche Werften etwas teurer sind als polnisvhe und deutsche Klassifizierungs- und Zertifizierungsgesellschaften vielleicht etwas „strenger“ als algerische sollte man auch nicht außer acht lassen.
“ Nich lang schnacken, Kopf in Nacken“ und einfach eine Weltweite offene Ausschreibung für zwei Viermastbarken, an alle möglichen Werften rausgeben.
Das Schiffsdesign können die Werften selbst bestimmen um nicht noch mehr Zeit sprich Steuermittel zu verschwenden.
Ja das ist ein Masten und ein Schiff mehr als bei der Gorch Fock, aber diese Schiffe sollen auch Deutschland im Ausland Repräsentieren und nicht nur auf Auslandsausbildungsreisen gehen.
Die Gorch Fock an die VEBEG abgeben und wer interessiert ist, kann den ja den Kahn Kaufen.
@Pio-Fritz: Warum Totalversagen des Marinearsenals, wo doch sämtliche Entscheidungen und Prüfungen aus BMVg/PlgA kamen?
@ Pio-Fritz
Zitat: „Ist das nicht traurig und schlimm? Der einzige Sinn, der sich im BMVg und den nachgeordneten Führungsebenen noch weiterentwickelt, ist der Starrsinn.
Anders kann man solche Entscheidungen nicht mehr erklären.“
Wird anscheinend Zeit, dass ein paar Entscheidungsträger, sprich Admiräle von UvdL in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden, wenn sich der Starsinn so ausbreitet. ! ;-)
@ Milliway
Geht doch nicht, denn Rüstungspolitik ist doch nationale Wirtschaftfsubvention ohne EU-Kontrolle, da Militärausgaben.
Fragen Sie doch mal den Herrn MdB Kahrs. Der kennt sich in solchen Subventionsfragen sehr gut aus !
Neubauen. Am besten gleich 3 Stück, dann schaffen wir auch das 2-Prozent-Ziel der Ńato.
Zu der Sache mit den Masten – da sollte man vielleicht sportlich fair bleiben und der Vollständigkeit halber erwähnen, daß Masten und Rahen der GORCH FOCK rund zwanzig Jahre älter sind als das Schiff. Ende der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat die rumänische Marine zwei Schulschiffe des HORST WESSEL-Typs in Deutschland bestellt. Die MIRCEA ist noch ausgeliefert worden, das zweite Schiff kriegsbedingt nicht mehr. Der fertige Rumpf wurde gar nicht mehr aufgeriggt und erhielt zwar noch einen Namen (HERBERT NORKUS), lag aber als Büro- und Depotschiff über den Krieg meines Wissens in Kiel. Nach dem Krieg wurde dieses Schiff mit Gasmunition beladen und im Skagerrak versenkt (aus den Augen, aus dem Sinn), das noch komplett vorhandene, 20 Jahre alte Rigg ermöglichte Blohm und Voss, für den Schulschiffneubau GORCH FOCK der neuen Bundesmarine 1957 ein unschlagbar günstiges Angebot abzugeben. Daß diese Masten, Stengen und Rahen jetzt nach fast 80 Jahren in salzhaltiger und feuchter Luft nicht mehr tragen, war zu erwarten.
An die Fachleute:
„Die Anmietung von Ersatzseglern ist nach Aussage der Deut-
schen Marine nicht möglich. Im Rahmen der Ausbildung auf Schiffen von Part-
nerstaaten können nicht alle Ausbildungsziele der Deutschen Marine erreicht
werden.“
….nicht alle Ausbildungsziele…. und das bedeutet genau was? Welche Ausbildungsziele sollen das sein?
“ „Seemännische Basisausbildung des Führungsnachwuchses der Deutschen
Marine“ Kernelement dieser Ausbildung ist die individuelle, persönliche Auseinandersetzung mit dem Berufs- und Arbeitsumfeld „See“ gepaart mit der Vermittlung elementarer seemännischer und meteorologischer Kenntnisse und Fertigkeiten.“
Das ist die Kern-Mantra der Marine wie man an der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen. oben nachlesen kann.
Und keiner hinterfragt diese Mantra en gros et en detail, z.Bsp was ein Holzdeck mit dem Berufs- und Arbeitsumfeld „See“ auf heutigen Kriegsschiffen bitte schön zu tun hat.
Es darf einfach keine Alternative zur Gorch Fock geben…weder bei Partnernationen, noch als Neubau etc.
Bauerntheater………..bösartiger Weise kann man sagen, die Gorch Fock ist wie Israel: Teil der Staatsräson /Cyn..
Natürlich fallen jetzt alle über die Segelschiffsausbildung her. Die WM ist für Deutschland zuende, die 80 Millionen Bundestrainer suchen ein neues Betätigungsfeld. Und wenn etwas viel Geld kostet, geht man als sparsamer Schwabe erstmal unwillkürlich auf Distanz, da nehme ich mich selbst nicht aus. Meine fünf Cents: Seefahrt ist ein Handwerk. Tischler erlernen ihr Handwerk nicht gleich vom ersten Tag an an computergesteuerten Fräsmaschinen, sondern mit Maßband, Bleistift und Säge. Kfz-Mechatroniker beschäftigen sich in der Ausbildung nicht nur damit, Fehlerspeicher auszulesen und Baugruppen zu ersetzen: Sie machen sich auch die Hände schmutzig. Und Autolackierer erlernen den Farbaufbau Schicht um Schicht, auch wenn sie später nur noch bei Daimler komplette Karossen am Band in ein Elektrolytbad tauchen. Und alle müssen auch mal die Werkstatt ausfegen. Hey, wir alle lernen erst gehen, bevor wir unseren Führerschein machen: Man könnte genauso fragen, tut das heute noch not? Auf der GORCH FOCK werden angehende Offiziere zum einzigen Mal in ihrer Laufbahn als Mannschaften an Bord eingesetzt. Sie lernen, wie das ist, was sie später von ihren Leuten verlangen, wenn die ihnen bei Sturm die Kotze von den Kloschüsseln putzen sollen. Was sie von einem Elektronikmaaten verlangen, der bei Orkan hochmuß um das festgegangene Luftraumüberwachungsradar instandzusetzen, ohne das die Fregatte im Gefecht keine Überlebenschance hat. Sie lernen Kameraden einzuschätzen – mancher, der an Deck das große Wort führt, hat auf der Bram die Hosen voll. Ich selbst habe bei stark ablandigem Wind und Stromausfall im Achterschiff das Heck eines Zerstörers mit Taljen schneller an die Pier gebracht als die vorn das Vorschiff mit zwei funktionierenden Spills – seemännisches Handwerk, gelernt auf der GORCH FOCK. Es gibt endlose Beispiele dafür, warum die handwerkliche Ausbildung auf einem Segelschiff durch nichts zu ersetzen ist. Und auf das Totschlagargument, die Handelsmarine macht das doch auch nicht … Handelsschiffsoffiziere werden kaum in die Situation kommen, nach einem Gefecht ein schwerbeschädigtes Schiff, auf dem kaum noch etwas funktioniert, heimbringen zu müssen. Handelsschiffsoffiziere werden auch kaum bei schwerem Wetter Boote ausbringen müssen, um ein Boarding Team auf eine aufgebrachte Dau zu schicken. Bei Kriegsschiffen gehört es im Gefecht dazu, daß etwas kaputtgeht – da müssen die Marineoffiziere immer einen Plan B bereithalten: Handwerk. Es gibt mannigfache Unterschiede, und sicher gute Gründe auch für moderne Marineoffiziere, Seefahrt von der Pike auf zu lernen. Die GORCH FOCK ist, zudem, die friedlichste Botschafterin, die wir zu anderen Völkern schicken können. Und ihr reicht die Kraftstoffmenge, die eine moderne Fregatte an etwas mehr als einem Tag verbraucht, für eine Dreimonatsreise. Wenn sie nicht gerade in einer Werft auseinandergerissen wird, fährt sie also extrem billig. Klar, eine ultramoderne Fregatte gewinnt die Köpfe, da kriegt jeder Technikinteressierte leuchtende Augen. Die GORCH FOCK gewinnt die Herzen.
@ klabautermann
Wie war das noch gleich mit der Weitergabe des Feuers vs. Bewahrung der Asche…? ;-)
@tradewind12 | 29. Juni 2018 – 19:35
Ich bin mir nicht sicher, ob es hier primär wirklich um die Kritik an der Ausbildung ansich geht.
Wobei man sicherlich über die Frage streiten könnte, warum zwar die GF unantastbar ist, aber die Deutschland zu erst über die Wupper gehen musste und sich in den letzten Jahre nach meinem Kenntnisstand auch die Truppenpraktika auf „normalen“ schwimmenden Einheiten sehr (!) überschaubar gestalten.
Trotzdem, ich halte den Wert der GF für die Charakterbildung und Prägung des Berufsverständnisses auch für enorm wichtig und für nahezu nicht ersetzbar.
Aber die Frage ist ja weniger ob es die GF wirklich braucht, sondern vielmehr ob es wirklich EUR 135.000.000,- für eine Sanierung sein müssen…
@tradewind12
Sie arbeiten mit viel Emotion gegen rationale Kritik. Die GF transportiert viel Seefahrer-Romantik, aber ist das etwas, was eine moderne Marine benötigt? Inwiefern kann AAW im Orkan überhaupt stattfinden? Lernt man das innere Gefecht auf der GF, oder vielleicht doch eher in Neustadt, im Flottenpraktikum, bei der SAGA und beim GOST? Lernt man, das Kommando über eine Manöverstation zu führen, wirklich als OA auf der GF, oder doch später? Auf der GF werden die OAs über Deck und in die Takelage gescheucht, ziehen an Tampen und genießen mittelmäßige Unterrichte.
Es gäbe sicherlich Alternativen, das nautischen und technische (!) Handwerkszeug einer modernen Marine zielgerichteter und wirksamer zu vermitteln, beispielsweise mit modernen grauen Schulbooten.
Aber wie Klabautermann sehr treffend beschrieben hat, müsste man dazu ja sich selbst hinterfragen und könnte dabei zu unangenehmen Erkenntnissen gelangen. Stattdessen bleibt die Marine – wie der Rest der BW – in der eigenen Wohlfühlzone. Group Thinking, Jena und Auerstedt lassen grüßen!
@MFG | 30. Juni 2018 – 9:35
„Sie arbeiten mit viel Emotion gegen rationale Kritik. Die GF transportiert viel Seefahrer-Romantik, aber ist das etwas, was eine moderne Marine benötigt?“
Hier muss ich @tradewind12 dann aber doch beispringen.
Ich glaube das wichtigste, was eine „moderne Marine“ benötigt sind Offiziere mit dem richtigen Berufsverständnis und einem guten Korpsgeist.
Als Außenstehender könnte ich mir vorstellen, dass es hierfür kaum ein geeigneteres Mittel gibt als die GF (oder vergleichbar).
Allerdings ist dies natürlich nur der Blick eines Außenstehenden…
@Voodoo und @Koffer
Natürlich wohnen in Sachen Gorch Fock seit vielen Jahren 2 Seelen in meiner marinierten Brust. Romantik, Nostalgie, Tradition….alles „weiche“ Faktoren, die man aber nicht unterschätzen sollte, und die natürlich ihren Preis haben.
Kann sich Deutschland diesen Preis leisten als strategisch-historisch kontinental geprägter Staat mit einem maritimen Fortsansatz im nördlichen Europa ? Ganz ohne Zeifel lautet meine Antwort: Ja .
Was zählt dann noch ? Nun, der „Kunde“ zählt natürlich – also der Offiziersnachwuchs der Marine.
Und da gibt sich die Marine mit Studien schon seit Jahren erhebliche Mühe und afaik ist die Akzeptanz der GF-Ausbildung bei den OA-Ausbildungscrews seit vielen Jahren – mit Schwankungen natürlich – aber letzlich ungebrochen hoch.
Die GF ist also (mittlerweile der einzige) Melting Pot nicht nur für eine Ausbildungscrew, sondern natürlich auch zwischen den Crews – Professional Baseline Coporate Identity Melting Pot (mittlerweile bei näherer Betrachtung der einzige).
Es gibt eben „Werte“, die kann und sollte man nicht leichtfertig anhand einer reinen, technokratischen Kosten-/Nutzen-Analyse zur Disposition stellen.
Ich denke einmal auch die Opposition sieht das so – und die oppositionelle Ritualistik mit Kleiner Anfrage und BRH-Untersuchungen ist eben genau das: demokratische Ritualistik (die imho natürlich richtig und wichtig ist).
In diesem Sinne. schönes Wochenende :-)
Aha.
Da habe ich wohl die Heilige Marinekuh Gorch Fock angezweifelt.
Habe ich übrigens nicht, sondern nur die Frage gestellt welche der so relevanten Ausbildungen auf anderen (Segel)Schiffen nicht sichergestellt werden kann.
(Danke. Das Statement der Regierung konnte ich auch vorab selber lesen.)
Für mich ist der Kahn runtergeritten, der Neubau erscheint aus traditionalistischen Prestigegründen ungewollt.
Wenn der Argumentation folgend, die wahre Kameradschaft, das Zusammengehörigkeits-gefühl nur auf der GF erfolgen kann so ist das für mich nicht nachvollziehbar und ein eher schwaches Argument.
Das erkläre mal jenen, denen die benötigte Ausrüstung fehlt aber anstelle dessen 135Millionen (bisher) in eine friedfertige Botschafterin gepumpt werden sollen.
Wieviele Marine- OA’s wurden/ werden jährlich dort ausgebildet und welche Alternativen gibt es um dennoch eine solide Ausbildung sicherzustellen? Erbrochenes ist kein qualitatives Argument in der Offizierausbildung ;-)
Irgendwie hätte es mir persönlich sehr gefallen, wenn der alles zusammenfassende und alle Aspekte, ‚pros‘ und ‚cons‘ noch einmal versöhnlich einbindende Beitrag von @Klabautermann die Diskussion beschlossen hätte. Diese hochemotionale Ablehnung der GORCH FOCK, @0815, hatte ich nicht erwartet – sollten Sie früher einmal auf dem Schiff gefahren sein, vielleicht sogar in meiner Wache, dann tut es mir aufrichtig leid, daß wir IHR Herz offenbar eindeutig nicht erreicht haben. Ich weiß von daher nicht, ob es überhaupt möglich ist, Sie nun nachträglich noch zu überzeugen, aber vielleicht denken Sie einmal drüber nach: Als die DEUTSCHLAND außer Dienst gegangen ist, hat man keinen Ersatz beschafft. Jede Wette, wenn die GORCH FOCK außer Dienst geht, wird auch kein Ersatz mehr kommen. Wollte man das Schiff durch einen Neubau ersetzen, würde es auch nie mehr etwas Vergleichbares werden – die Sicherheitsauflagen im Schiffbau sind nicht mehr dieselben wie vor 60 Jahren: Man würde beim Blick in die Toppen definitiv mehr Sicherungseinrichtungen sehen als Segel. Was, dritter Punkt, spricht in diesen Zeiten des Umbruchs dagegen, wenigstens diese eine Tradition beizubehalten? Sind die 135 Millionen, wo es um einen ideellen Wert geht, wirklich so viel Geld? Wieviel gibt Deutschland regelmäßig für Bankenrettung und Griechenlandhilfe aus, nur zwei Beispiele? Wenn die Elsflether Werft ohne die Marineaufträge pleiteginge, hätte man die 135 Millionen dann wirklich ‚gespart‘? Zu den Zahlen, aktuell kann ich da natürlich nichts mehr sagen, vor 30 Jahren lag die Ausbildungskapazität zwischen 110 (Unteroffizieranwärter Decksdienst) und 144 (Offizieranwärter) pro Fahrt bei vier Ausbildungsfahrten in 12 Monaten. Da waren aber auch die größten Kostentreiber eine Panamakanalpassage, oder der Einbau einer SatCom-Anlage in Wellington, das Ziehen, Reinigen und Trocknen von vier Generatoren in Fremantle oder eine kurze Schlepperhilfe im Roten Meer. Aber wie will man den „Wert“ eines hochemotional aufgeladenen Werbeträgers überhaupt bemessen? Für mich persönlich bleibt da das Menetekel der Deutschland. Die Marine sollte nicht noch einmal etwas aufgeben, das unwiederbringlich ist. Es geht nicht nur um Tradition: Ein Neubau, @0815, wird nicht mehr kommen.
@tradewind12 | 02. Juli 2018 – 18:04
Besten Dank für ihre sachliche, wenn auch emotional geprägte Antwort.
Ich hege keine „hochemotionale Ablehnung“ gegen die GF.
Sicherlich sehe auch ich in der GF einen ideellen Wert, den es aus Sicht eines Angehörigen der Marine (vmtl. ehem. Kdt) gilt zu bewahren. Besonders dann wenn der aktuelle Zustand natürlich hinterfragt werden muss.
Ich gehe mit ihnen einer Meinung das vermutlich im Jahre 2018 aufgrund diverser ausufernder Sicherheitsvorschriften nie wieder ein gleiches Schiff realisierbar sein wird oder gar aus irgendwelchen Ausschreibungen viele Jahre vergehen könnten ehe ein evtl. neues Schiff in See stechen kann.
Eine Kooperation bzgl. Ausbildung auf einem gleichen/ähnlichen Schiff (anderer Nationen) sehe ich auch eher als ungeeignet an, da die GF als Botschafter Deutschlands bisher hoch geschätzt war.
Ausbildungstechnisch jedoch sollte dies nicht ausschlaggebend sein, aus Gründen der Tradition jedoch schon.
Somit hoffe ich nun bei ihnen (tradewind12) etwas „entschärft zu haben“.