In Zeiten des Mangels: Kommandoübergabe bei der Luftwaffe

Die Luftwaffe hat einen neuen Inspekteur: Generalleutnant Ingo Gerhartz, bisher stellvertretender Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Verteidigungsministerium, übernahm am (heutigen) Dienstag das Amt von Generalleutnant Karl Müllner, der nach sechs Jahren an der Spitze der Teilstreitkraft aus dem Dienst scheidet. Das ist eigentlich mehr oder weniger nur eine Personalie (die ich auch hier schon mal berichtet habe); in Zeiten von beklagenswerten Klarständen bei Flugzeugen, Ersatzteilmangel und Problemen mit der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr empfiehlt es sich, darüber hinaus mal genauer hinzuhören.

Das habe ich bei der Kommandoübergabe im Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow getan. Schon der neue Generalinspekteur Eberhard Zorn, der die Übergabe vornahm, wies ein wenig auf die aktuellen Probleme hin: Müllner habe sein Amt 2012 übernommen – zu der Zeit profitierten wir als Bundeswehr noch von der Friedensdividende.

Der alte wie der neue Inspekteur wurden, im Rahmen des Möglichen bei einem solchen Übergabeappell, noch ein bisschen deutlicher. Müllner, der zwar mit 62 Jahren zwar die besondere Altersgrenze für Generale erreicht hat, aber wohl noch gerne ein bisschen weitergemacht hätte, war im Ministerium immer wieder angeeckt – nicht zuletzt mit seinem quasi-öffentlichen Eintreten für eine Beschaffung des US-Kampfjets F-35, was auf ministerieller Ebene nicht so gut ankam. Das Gute ist, dass ich das, was ich denke und für richtig halte, immer laut ausgesprochen habe. Somit dürfte es keine Zweifel geben, warum und wofür ich aus Überzeugung stand und stehe, sagte der scheidende Inspekteur. Die deutliche Botschaft verpackte er dann aber in das Lob für seine Teilstreitkraft, das Team Luftwaffe:

Es ist keine Selbstverständlichkeit, wenn eine Luftwaffe, die einerseits täglich im Einsatz steht, andererseits aber unter einem erheblichen Mangel an Flugstunden leidet, keine größeren Zwischen- oder gar Unfälle erleiden musste.

Wo sich Müllner auf Andeutungen beschränken konnte, weil jeder wusste, wie das zu verstehen war, wurde sein Nachfolger Gerhartz unmissverständlich:

Insbesondere bei der materiellen Einsatzbereitschaft werde ich sehr sehr tief einsteigen. Denn daran hängt einfach alles: Wenn unsere Flugzeuge und Hubschrauber nicht in die Luft kommen, unsere Flugabwehr nicht „ready to fight“ ist, können wir unseren Auftrag nicht erfüllen!
Oder, mit den Schlagzeilen der letzten Wochen ausgedrückt: Eurofighterpiloten die aus Frust über zu wenige Flugstunden kündigen; Hubschrauberpiloten, die ihre Lizenzen verlieren; und nur eine Handvoll einsatzbereite Eurofighter – das kann und darf es nicht sein!
Und ohne Zweifel beeinflusst das auch unser Selbstbewusstsein, Stolz und persönliche Zufriedenheite – jeder und jedes Einzelnen im Dienst der Luftwaffe.

Es wird interessant, wie das in den nächsten Monaten weiter geht. Wobei es ja nicht nur ein Frage des Geldes und damit der Etats für dieses und die nächsten Jahre ist: Da hatte der Bundesrechnungshof doch auch was zum organisatorischen Problem der Beschaffung von Ersatzteilen bei Luftfahrzeugen gesagt.

Der Abschluss des Übergabeappells schien da fast wie das Ausrufezeichen zu den vorangegangenen Reden. Wie bei der Luftwaffe üblich, sollte ein Überflug die Zeremonie beschließen, angekündigt mit jeweils einer Four-Ship-Formation von Eurofighter und Tornado. Vier Eurofighter donnerten auch über Gatow. Aber dann nur zwei Tornados. Allerdings versicherte die Luftwaffe anschließend, die beiden weiteren Maschinen seien zwar schon in der Luft gewesen, dann aber wegen Problemen mit einem Unwetter wieder zur Heimatbasis zurückgeflogen.

Zur Ergänzung: Der Bericht der Luftwaffe zum Übergabeappel hier auf deren Webseite und – angesichts absehbarer technischer Umstellung, nach der die Links tot sind – hier als Datei:
Chefwechsel bei der Luftwaffe – neuer Inspekteur übernimmt

(Fotos oben und Mitte: v.l. Gerhartz, Zorn, Müllner)