DroneWatch: Koalition nimmt neuen Anlauf für Heron TP
Nachdem die SPD im Sommer vergangenen Jahres überraschend die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen für die Bundeswehr gestoppt hatte, unternimmt die neue Regierungskoalition aus Union und SPD planmäßig einen neuen Anlauf für dieses Projekt. Dem Haushaltsausschuss des Bundestages, der die Ausgabe billigen muss, ging in dieser Woche die Vorlage für das auf neun Jahre angelegte Leasing israelischer Drohnen vom Typ Heron TP (Foto oben) zu. Einschließlich vorgesehener Einsätze in bis zu zwei Einsatzgebieten werden die Kosten deutlich über einer Milliarde Euro liegen.
Die Sozialdemokraten hatten der scheinbar bereits in der damaligen Koalition vereinbarten Beschaffung der unbemannten Flugsysteme kurz vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses die Zustimmung verweigert. Der damalige Fraktionschef Thomas Oppermann hatte das damit begründet, dass die zwischen Union und Sozialdemokraten vereinbarte intensive, breit angelegte Debatte über militärische, völkerrechtliche und sonstige Voraussetzungen des Einsatzes bewaffneter Drohnen so nicht stattgefunden habe: Deshalb lehnen wir im Haushaltsausschuss die Beschaffung einer Kampfdrohne ab.
Im neuen Koalitionsvertrag für die aktuelle Regierung erklärte sich die SPD zwar zu einer Zustimmung zur Beschaffung der Fluggeräte selbst bereit, band das aber erneut daran, dass vor einer gesonderten Entscheidung über die Beschaffung von Bewaffnung für die Drohnen eine ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Würdigung stattfindet.
Diese unverändert bestehenden Vorbehalte der Sozialdemokraten sind in der Beschaffungsvorlage, die Augen geradeaus! vorliegt, festgeschrieben:
Die Herstellung der vollumfanglichen Bewaffnungsfähigkeit, die eine taktische Waffenausbildung des Bedienpersonals der Luftwaffe voraussetzt, sowie eine Munitionsbeschaffung sind nicht beauftragt. Über diese Maßnahmen soll erst nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung auf der Grundlage einer gesonderten Vorlage entschieden werden.
Die Bundeswehr soll also zunächst neuere und bessere Aufklärungsdrohnen bekommen, die die bereits in Afghanistan und Mali genutzten unbemannten Systeme des Typs Heron 1, ebenfalls aus israelischer Produktion, ersetzen sollen. Wie die geforderte Debatte über die Bewaffnung aussieht, wann sie stattfindet und wann dann über die Beschaffung von Waffen und die nötige Ausbildung entschieden werden kann, bleibt damit vorerst offen.
Den größten Anteil der Kosten für das Gesamtsystem von fünf Heron-TP-Drohnen, vier Bodenstationen und je einem Ausbildungsimulator in Deutschland und Israel macht ein Dienstleistungsvertrag mit der Airbus Defence & Space Airborne Solutions GmbH (ADAS) in Höhe von rund 718 Millionen Euro aus. (Allerdings ist da noch unklar, ob und in welcher Höhe in Israel oder Deutschland Umsatzsteuer anfällt.) Die Airbus-Tochter stellt die Drohnen bereit und betreibt die Fluggeräte, beim Aufbau des Systems ist sie außerdem für die Musterzulassung zuständig. In diesem Vertrag sind rund 598 Millionen US-Dollar enthalten, die der israelische Drohnenhersteller Israel Aircraft Industries (IAI) erhält.
Hinzu kommen rund 178 Millionen Euro für Dienstleistungen der israelischen Streitkräfte vor allem bei der Ausbildung der Drohnenpiloten, dafür wird eine gesonderte Regierungsvereinbarung zwischen Deutschland und Israel geschlossen.
Für den tatsächlichen Einsatz der Drohnen werden laut Vorlage zusätzliche Kosten fällig: Rund 100 Millionen Euro für das erste Einsatzgebiet, 210 Millionen Euro für das zweite. Wenn die Systeme also wie geplant sowohl in Afghanistan als auch in Mali eingesetzt werden, kommt eine Gesamtsumme von 1,2 Milliarden Euro zusammen – gegebenfalls auch noch zusätzliche Umsatzsteuer. Dennoch sei das angesichts der bis 2025 angestrebten Einführung einer Eurodrohne der wirtschaftlichere Weg, argumentiert die Bundesregierung:
Der vom BMVg durchgeführte Wirtschaftlichkeitsvergleich hat ergeben, dass das Leasen der materiellen Ausstattung über den betrachteten Zeitraum von neun Jahren wirtschaftlicher ist als die Kauflösung.
Die Drohnen werden, so ist es geplant, nie in deutschem Luftraum fliegen: Zunächst bleiben sie in Israel, dort werden auch die Drohnenpiloten und Payload Operatoren der Bundeswehr ausgebildet und ihre Übungen absolvieren. Erst für einen Mission in einem Einsatzgebiet der Bundeswehr werden die Fluggeräte und die Kontrollstationen dorthin verlegt.
(Der Vollständigkeit halber: Der Süddeutschen Zeitung, dpa und tagesschau.de lag die Beschaffungsvorlage schon eher vor; die haben auch eher drüber berichtet.)
(Foto: Heron TP auf der ILA 2018 in Berlin)
Anders gesagt: „Wir wollen eine Bundeswehr, aber keine Streitkräfte. Dafür steht die SPD“ An der Stelle sollte man vielleicht noch einmal die Damen und Herren dieser Partei an einen düsteren Freitag im Jahr 2010 erinnern, wo eben diese Fähigkeit bitter nötig gewesen wäre.
Kopfschüttel… 1,2 Mrd für 9 Jahre Leasing :-( für nur 5 Drohnen
Ich verstehe ja dass man die Eurodrohne voranbringen will und diese vermutlich ab Ende der 2020er auch einsatzbereit sein wird…aber für 10 Jahre hätte man ruhig auch was kaufen können…
Sei es die Heron TP oder die Reaper
Dieses Geschäft wäre für mich nur zu verstehen wenn Israel technisches Know-how in die eurodrone einfließen lässt oder wenn Deutschland damit ein anderes gegen Geschäft (UBoote, Korvetten,…) kompensiert!? Aber für UBoote und Korvetten gibt es ja eh einen finanziellen Zuschuss aus Deutschland… und als kompensation hätte man dann auch eine große Masse Spike FK in Israel bestellen können
Nochmal bzgl geplanten Drohnen Leasing für 1,2 Mrd
Ich behaupte man hätte 5 aktuelle Reaper sofort und zusätzlich 5 Certified Reaper (für europäischen Luftraum) für den halben Preis kaufen können! Inklusive Ersatzteilen und Ausbildung…
[Ehe die Fachleute, die sich schon bei mir melden, noch böse werden: Es muss wohl Certifiable Reaper heißen, certified ist er nicht… T.W.]
Ist der Vorgänger der Reaper nicht allzuoft einfach abgestürzt? Stichwort APU
Wenn die das Problem nicht ausreichend gefixt haben, sollte man da einen Bogen um das Fluggerät machen.
Habe noch keine Beschwerden über die Heron gehört, wenigstens scheint sie ihren Job zu erfüllen.
Ansonsten ist es doch gut wenn wir Europäer erst mal einfach alle am Markt befindlichen Dronen nutzen um dann das Wissen in die Eurodrone einfließen zu lassen.
Irgendwas macht die Schweiz anders als Deutschland, da werden 6 Drohnen für 200 Mio € beschafft, die dann auch zuhause fliegen sollen können… https://www.vbs.admin.ch/de/verteidigung/armeebotschaften/ruestungsprogramme/ruestungsprogramm-2015.html
@Amsel
Der Predator/Reaper hat kein ATOL, wie der Heron 1. Er wird händisch gelandet.
Deshalb die vielen Abstürze.
http://www.iai.co.il/Sip_Storage//FILES/8/42458.pdf
@André | 30. Mai 2018 – 17:55
„Irgendwas macht die Schweiz anders als Deutschland, da werden 6 Drohnen für 200 Mio € beschafft, die dann auch zuhause fliegen sollen können…“
Und in einem fachlichen und umfassenden Vergleich haben Sie die beiden unterschiedlichen Angebote und deren Fähigkeitsprofile mit einander verglichen und jetzt was genau festgestellt?!
Ja, genau: Äpfel und Birnen sind beides Obst…
@CRM-Moderator
Ist es nicht so dass die neueste Version der MQ9 auch ein ATOL hat?
Durch den ganzen politischen Hickhack um die Drohne hat General Atomics dazu genutzt um di MQ 9 ordentlich weiterzuentwickeln und die technischen Nachteile zur TP zu beseitigen im gleichen Zusammenhang wurden die Vorteile noch weiter ausgebaut (Stehzeit, Zulassungsfähigkeit …)
Dagegen ist es um die TP sehr ruhig, da hört man seit Jahren nichts Neues.
Hatten wir doch alles schon:
http://augengeradeaus.net/2016/11/dronewatch-der-sammler-november-2016ii/
In erster Linie geht es doch nicht darum welches Produkt ausgewählt wird, sondern dass nach nunmehr 10 Jahre (!) nachdem nach schon langer Diskussion eine militärische Forderung für eine bewaffnete Drohne erstellt wurde (oder sah die SFF SAATEG am Ende keine Bewaffnung vor? Scheiderhan und die Luftwaffe hatten da ja lange Diskussionen) eine umfassende Realisierung (inkl. Bewaffnung) weiterhin auf die lange Bank geschoben wird.
Gleichzeitig will die selbe Regierung mehr Verantwortung übernehmen. Mehr Verantwortung im militärischen Bereich heißt aber eben auch kinetische Fähigkeiten einzubringen.
Dies wollen allzuviele in Berlin offenbar weiterhin nicht verstehen und da redet man eben weiter lieber vom vernetzten Ansatz, den wir aber auch nicht wirklich hinbekommen.
Realitätsverweigerung ist recht lange sehr bequem, wird dann aber irgendwann sehr schnell sehr unangenehm.