Sneak Preview: Neuer Traditionserlass am 28. März

Die Umbenennung der bisherigen Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover am 28. März wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, nicht ganz unerwartet, zur Inkraftsetzung des neuen Traditionserlasses der Bundeswehr nutzen. Die offizielle Mitteilung für die Medien steht noch aus, die geladenen Gäste erhielten in diesen Tagen aber schon die Einladung mit Programm:

Die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, bittet aus Anlass der Unterzeichnung des Traditionserlasses der Bundeswehr zu einer Feierstunde mit Podiumsgespräch am Mittwoch, dem 28. März, um 10.00 Uhr.
Im Anschluss findet der feierliche Appell der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr zur Umbenennung der Emmich-Cambrai-Kaserne in Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne statt.

Wer sich schon mal einlesen möchte: Die jüngste Fassung des neuen Erlasses vom 19. Februar dürfte auch die sein, die dann unterzeichnet und in Kraft gesetzt wird. Anlass für die Überarbeitung des bisherigen, seit 1982 geltenden Traditionserlasses war die im vergangenen Jahr geführte Traditionsdebatte der Bundeswehr – allerdings wäre eine Überarbeitung auch so nach mehr als 30 Jahren fällig gewesen. (Wer die Diskussion des vergangenen Jahres nachvollziehen möchte: Hier gibt es einiges dazu.)

Der Sneak Preview, das aktuelle Dokument, hier:

20180219_Traditionserlass_Bundeswehr

Im Vergleich zur vorangegangenen Version vom 20. November vergangenen Jahres gab es einige Änderungen; am auffälligsten bei der Einordnung der Nationalen Volksarmee der DDR. Die Fassung 2017:

Die NVA war mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem der sozialistischen Staaten, den Warschauer Pakt, integriert. Ihr Ethos orientierte sich an der Staatsideologie der DDR. Traditionsverständnis und Fahneneid der NVA leiteten sich aus ihrem Selbstverständnis als sozialistische Klassen- und Parteiarmee ab. Die NVA wurde von der SED geführt, handelte im Sinne ihrer Politik und trug maßgeblich zu ihrer Herrschaftssicherung bei. (…)
Auch die NVA begründet als Institution keine Tradition der Bundeswehr. Als Hauptwaffenträger der Partei-Diktatur der SED war sie fest in die Staatsideologie der DDR eingebunden und wesentlicher Garant für die Sicherung ihres politisch-gesellschaftlichen Systems.
Auch die Aufnahme einzelner Angehöriger der NVA in das Traditionsgut der Bundeswehr ist grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist ebenfalls eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung und Abwägung, die die Frage persönlicher Schuld einschließt sowie eine sinnstiftende Leistung bedingt, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Auflehnung gegen die SED- Herrschaft oder besondere Verdienste um die Armee der Einheit.

Dagegen die neuere Variante vom Februar 2018:

Die Nationale Volksarmee (NVA) war eine sozialistische Klassen- und Parteiarmee, die mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem der sozialistischen Staaten, den Warschauer Pakt, eingefügt wurde. Ihr Selbstverständnis orientierte sich an der Staatsideologie der DDR. Die NVA wurde von der SED geführt, handelte im Sinne ihrer Politik und trug maßgeblich zu ihrer Herrschaftssicherung bei. Während der Friedlichen Revolution 1989 ging sie jedoch nicht gegen das Freiheitsstreben der Bevölkerung vor. Ausgewählte ehemalige NVA-Angehörige wurden 1990 in die Bundeswehr übernommen und trugen zum Gelingen der Deutschen Einheit bei. (…)
Die NVA begründet als Institution und mit ihren Verbänden und Dienststellen keine Tradition der Bundeswehr. In ihrem eigenen Selbstverständnis war sie Hauptwaffenträger einer sozialistischen Diktatur. Sie war fest in die Staatsideologie der DDR eingebunden und wesentlicher Garant für die Sicherung ihres politisch-gesellschaftlichen Systems.
Grundsätzlich ist jedoch die Aufnahme von Angehörigen der NVA in das Traditionsgut der Bundeswehr möglich. Sie setzt ebenfalls immer eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen voraus. Dieses Abwägen muss die Frage nach persönlicher Schuld berücksichtigen und eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft oder besondere Verdienste um die Deutsche Einheit.

Nun kann man lange darüber streiten, ob das lediglich redaktionelle Änderungen sind oder ob die früheren NVA-Angehörigen damit anders betrachtet werden. Erkennbar ist aber das Bemühen, frühere DDR-Soldaten nicht von vornherein auszugrenzen.

(Die früheren Traditionserlasse von 1965 und 1982 zum Nachlesen hier.)

(Foto: Blick in einen Traditionsraum beim Jägerbataillon 291 in Illkirch im Mai 2017 – der Besuch der Ministerin dort im Zusammenhang mit dem Fall Franco A. hatte die Debatte über den Traditionserlass ins Rollen gebracht)