Nach Kritik des Kommandeurs: Die bisherige (öffentliche) Reaktion des Ministeriums (Update: Marine)

Die Kritik von Kapitän zur See Jörg-Michael Horn bei seinem Abschied als Kommandeur des 2. Fregattengeschwaders der Deutschen Marine wird zwar in der Truppe,  hier im Blog (und anderswo in den Medien) heftig debattiert – die bisherige Reaktion von Verteidigungsministerin und Verteidigungsministerium bleibt allerdings bislang recht ausweichend. Bis hin zu der Aussage, das Ministerium kenne die Rede selbst gar nicht, sondern nur die mediale Berichterstattung darüber… (ProTipp: hier auf Augen geradeaus! steht der Wortlaut.)

Zur Dokumentation hier die Aussagen vom (heutigen) Montag:

• Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im ZDF-Morgenmagazin (hier das Video dazu, verfügbar für ein Jahr bis 26. März 2019):

Frage: Es gibt Frust in der Truppe und auch Kritik am Einsatz, aktuell eines hohen Marineoffiziers. Was die Aussstattung der Marine angehe sei es, Zitat, später als fünf nach Zwölf. Das Verteidigungsministerium sagt ja, die Bündnisfähigkeit sei immerhin gewährleistet. Aber genau das ziehen Soldaten in Zweifel, wenn sie ihre eigene Ausrüstung angucken. Sie sagen, sie könnten wegen der Auslandseinsätze zum Beispiel nicht an wichtigen NATO-Manövern teilnehmen.

Antwort:… Vielen Dank auch für diese sehr wichtige Frage für uns. Wir haben in den Einsätzen in all den vergangenen Jahren absolute oberste Priorität in die Einsätze gesetzt. Das ist auch richtig, dort geht es um Leben und Tod für unsere Soldatinnen und Soldaten, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Aber das hatte in den vergangenen Jahrzehnten auch zur Folge, dass der Grundbetrieb zu Hause vernachlässigt worden ist, vernachlässigt werden musste, weil auch die Finanzen zu knapp waren.

Das spüren wir bitter jetzt, das spüren wir in der lückenhaften Ausstattung, Grundausstattung für die Übungen, für die Landes- und Bündnisverteidigung, Und das ist jetzt die Aufgabe dieser Legislaturperiode, dass wir in der Tat die hohlen Strukturen auffüllen, dass wir die Landes- und Bündnisverteidigung, die anders aufgebaut ist als die Einsätze, wieder stärken, wieder auffüllen, dass wir die Modernisierungsschritte nach vorne auch gehen, ganz beherzt.

Und deshalb sind die Trendwenden, die in der vergangenen Legislaturperiode begonnen worden sind, nämlich dass die Bundeswehr wieder wächst, dass wir das Material wieder auffüllen, dass wir die Finanzen auch wieder gesunden lassen, diese Trendwenden müssen jetzt verstetigt werden mit ganz starkem Blick auf den Grundbetrieb, auf die Landes- und Bündnisverteidigung, damit die Soldatinnen und Soldaten eben auch zu Hause im Grundbetrieb das moderne Material haben, das sie später dann im Einsatz auch einsetzen werden, gebrauchen werden.

• Vor der Bundespressekonferenz der Sprecher Grundsatz, Michael Henjes, auf eine Frage zu Horns Aussagen:

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium zur Kritik des Kapitän zur See Horn in seiner Rede zum Kommandowechsel an so ziemlich allem in der Bundeswehr – von der Ausbildung über die Instandhaltung bis zur Schlagkraft usw. Was sagen Sie inhaltlich dazu? Teilen Sie die Kritik, kennen Sie die vielleicht auch aus anderen Bereichen von anderen Offizieren?

Zweitens zur Form: Was sagen Sie dazu, dass ein hochrangiger Offizier eine öffentliche Rede zu einer Art Generalabrechnung nutzt und immerhin auch sagt, er habe das Vertrauen in die politische Führung komplett verloren. Welche Konsequenzen wird das haben?

Henjes: Vielen Dank für Ihre Frage. – Der Inhalt der Rede ist mir lediglich aus den Medien bekannt; dem Bundesministerium der Verteidigung liegt die Rede so nicht vor. Wie Sie selber schon ausgeführt haben, hat hier offensichtlich ein Offizier seine Meinung geäußert. Die Inhalte sind für uns nicht neu; auch die Thematik, die er wohl angesprochen hat – jedenfalls soweit das in den Medien thematisiert wurde -, ist nicht neu. Ich möchte hier aber ganz besonders unterstreichen, dass wir uns mitten in einer umfassenden Modernisierung befinden, in einem Prozess, der durch Trendwenden charakterisiert ist. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Von daher wird dieser Prozess auf unterschiedlichen Ebenen auch unterschiedlich wahrgenommen.

Wir müssen deshalb konsequent weitermodernisieren, unsere Anstrengungen vergrößern, so wie sich die Ministerin heute Morgen auch nochmals in den Medien geäußert hat. Wir müssen auch Dinge verstärken und uns fokussieren. Ich nenne als Beispiel nur die Landes- und Bündnisverteidigung. Mehr ist dazu jetzt hier nicht zu sagen.

Zusatzfrage: Ist es durch das Recht auf freie Meinungsäußerung auch für einen Offizier gedeckt, in einer öffentlichen Rede zu sagen, er habe kein Vertrauen mehr in die öffentliche Führung, oder wird jetzt möglicherweise über Konsequenzen für seine weitere Verwendung oder ein Disziplinarverfahren nachgedacht?

Henjes: Noch einmal: Der Inhalt der Rede ist mir nicht im Detail bekannt, sondern lediglich die Reflexionen aus den Medien. Hinsichtlich möglicher Reaktionen darauf möchte ich Sie bitten, sich an die verantwortlichen truppendienstlichen Stellen in der Marine zu wenden.

Update: Die Marine hat im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung* Stellung genommen:

Die Deutsche Marine ist Befürchtungen entgegengetreten, dass der bisherige Kommandeur ihres größten Einsatzverbandes, Jörg-Michael Horn, wegen massiver Kritik an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), der Marineführung und Zuständen in seinem Verantwortungsbereich mit Konsequenzen für seine Karriere rechnen muss. Das teilte der Sprecher des Inspekteurs der Marine, Kapitän zur See Johannes Dumrese, am Montagabend dieser Redaktion mit.
Kapitän zur See Jörg-Michael Horn werde seinen neuen Dienstposten als Referatsleiter im Bundesamt für Personalmanagment der Bundeswehr Anfang kommender Woche „ganz normal“ antreten, so Dumrese. Zuvor werde es noch ein „klärendes Gespräch“ mit seinem bisherigen Vorgesetzten, Flottillenadmiral Christoph Müller-Meinhard, geben.

*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; in diesem Fall scheint eine Ausnahme angebracht.

(Foto: Ehrenzug bei der Kommandoübergabe des 2. Fregattengeschwaders am 21. März 2018 – PIZ Marine/Bundeswehr/Kim Brakensiek)