Neuer Traditionserlass: „Handwerkliches Können im Gefecht“ alleine reicht nicht
Das Verteidigungsministerium hat den Entwurf des neuen Traditionserlasses für die Bundeswehr fertiggestellt. Zu Beginn dieser Woche wurde er an die so genannten Beteiligungsgremien verschickt, die bei der Endfassung ein Wort mitzureden haben, aber bislang noch nicht veröffentlicht. Allerdings sind wesentliche Grundzüge des neuen Erlasses bekannt geworden – mehr dazu weiter unten.
Mit dem neuen Erlass, fertiggestellt nach einer Reihe von Workshops, folgt das Ministerium der von Ressortchefin Ursula von der Leyen im Sommer vorgegebenen Roadmap – auch wenn der Erlass (absehbar) nicht wie geplant in der vergangenen Legislaturperiode neu gefasst werden konnte. Auslöser für die Überarbeitung des seit 1982 unverändert geltenden bisherigen Traditionserlasses war vordergründig der Fall des Oberleutnants Franco A. und die folgende, nennen wir es Sichtung von Traditions-Gedenkstücken in den Bundeswehrkasernen. Tatsächlich hat sich natürlich seit 1982 in der Bundeswehr einiges verändert – und nicht zuletzt durch die Auslandseinsätze ist eine neue Realität hinzugekommen, die für eine eigene Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rolle spielt.
Der neue Erlass, so heißt es nach Informationen aus dem Ministerium in dem Entwurf, soll zwar die gesamte deutsche Militärgeschichte in den Blick nehmen – aber zu nicht traditionswürdigen Kapiteln, Ereignissen und Personen eine klare Trennung vorsehen. Besonders hervorgehoben werden die Wehrmacht und die Nationale Volksarmee der DDR, die beide als Institution nicht traditionswürdig für die die Bundeswehr sein könnten.
Interessant wird da natürlich die konkrete Formulierung. Der bisherige Erlass enthält den Begriff Wehrmacht gar nicht, aber dort heißt es: In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht. Ein Unrechtsregime, wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht begründen. Die mögliche Ablage zu der damaligen Aussage wird ein wesentlicher Definitionspunkt für das neue Regelwerk werden.
Zusammen mit der Ablehnung der Streitkräfte aus Nationalsozialismus wie DDR als traditionsbildende Institutionen enthält der Erlass die Bindung des soldatischen Selbstverständnisses an die Werte des Grundgesetzes und der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Allein auf rein handwerkliches Können im Gefecht dürften sich deshalb Traditionen nicht stützen. Das wird vor allem zahlreiche Beispiele aus den Feldzügen der Wehrmacht betreffen, die bislang aufgrund der gezeigten militärischen Tapferkeit als Vorbilder herangezogen werden.
Allerdings sollen, so heißt es aus dem Ministerium, auch künftig einzelne Angehörige der Wehrmacht und der NVA in das Traditionsgut der Bundeswehr aufgenommen werden können. Dabei müsse aber immer der Einzelfall betrachtet werden – und zudem seine eine Abwägung nötig, die die Frage persönlicher Schuld einschließt sowie eine Leistung, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Regiome, besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr, die Auflehnung gegen die SED-Herrschaft oder besondere Verdienste um die Armee der Einheit. Das wird voraussichtlich eine Anforderung, die die Messlatte deutlich höher legt als bisher.
Diese Messlatte soll auch für die Namensgebung gelten – Kasernen- und Verbandsnamen werden den Anforderungen des neuen Erlasses entsprechen müssen. Damit ist absehbar, dass einige derzeit diskutierte Kasernennamen auch dann verschwinden müssen, wenn sich Kommunalpolitiker und die Soldaten am Standort dafür aussprechen.
Schwerpunkt für das Traditionsgut der Streitkräfte soll der reiche Fundus der Geschichte der Bundeswehr werden – sechs Jahrzehnte als künftiger zentraler Bezugspunkt.
Jetzt wird’s natürlich spannend, den Wortlaut des Entwurfes zu lesen – ich bemühe mich darum, den in die Finger zu bekommen. Bis dahin zum Nachlesen und später zum Vergleich der Traditionserlass von 1982 im Wortlaut (von der Bundeswehr im Mai 2017 veröffentlichte Fassung): 20170517_Traditionserlass_1982_Wortlaut
(Foto: Blick in einen Traditionsraum beim Jägerbataillon 292 in Illkirch im Mai 2017 – der Besuch der Ministerin dort im Zusammenhang mit dem Fall Franco A. hatte die Debatte über den Traditionserlass ins Rollen gebracht)
„Sechs Jahrzehnte als künftiger zentraler Bezugspunkt“.
Oh Mann, davor war NICHTS, oder alles MIES?
Aber Geduld und fair bleiben bis zur Vorlage des endgültigen Textes.
Gut, dass die Angelegenheit nicht durch’s Parlament muss …; es sei denn, irgendjemand ließe sich zu einer mehr oder minder kleinen/großen Anfrage hinreißen.
@ K-P K
Abwarten.
Wahrscheinlich müssen erst die Fraktionsbediensteten darauf aufmerksam gemacht werden. Und die lesen ja bekannt hier eifrig mit. Als werden sie morgen den Entwurf haben; vermute ich mal.
@Kaikowsky
„Sechs Jahrzehnte als künftiger zentraler Bezugspunkt“.
„Oh Mann, davor war NICHTS, oder alles MIES?“
Das man sowohl die Wehrmacht als auch die NVA ausschliesst ist ja geboten. Das man anscheinend das Kaiserheer, oder sogar die Reichswehr und die deutschen Heere davor vergessen hat liegt wohl teilweise an mangelndem Geschichtswissen oder weil es schon eine weile zurück liegt, bzw. es dabei dann nicht um Gesamt-deutsche Streitkräfte geht.
Das Deutsche Reich und desen Kaiserheer haben sich zwar auch nicht immer mit Ruhm bekleckert (Stichpunkt Genozid in Namibia/Deutsch-Südwest) aber mMn wird es zu Unrecht zu kritisch gesehen, bzw. in die Vorgeschichte der NS-Zeit eingereiht. Gerade was den einzelnen Soldaten als Vorbild angeht ist diese Zeit deutlich unproblematischer. Der wilhelminische Grössenwahn des Wilhelm’s des II ist eine Sache, aber er bestimmt nicht die gesamte Kaiserzeit. Wir reden hier immerhin von 40 Jahren plus.
Das man denn Befreiungskriegen gegen Napoleon keine grössere Bedeutung gibt wundert mich, waren sie doch quasi die Geburtsstätte des deutschen Patriotismus und der Deutschen Farben. Davon abgesehen das Scharnhost, Gneisenau und Clausewitz dieser Zeit entstammen. Alles Herren die als Vorbilder zu dienen haben.
Wird halt alles durch die NZ-Zeit überschattet, deshalb ist es auch für viele kein Bezugspunkt, hilft natürlich nicht wenn man sich nicht auskennt.
@T.Wiegold: Hätten Sie zufällig auch den Traditionserlaß von 1965? Früher gab es den auch Online zu finden, für Vergleichszwecke, aber zuletzt habe ich diesen online nicht mehr finden können.
Eine BW-Tradition gibt es nicht, was vor allem dran liegt, daß eine solche bisher nicht gepflegt oder geschaffen wurde.
Die Wehrmacht – und damit 18 Millionen Soldaten – sollen herabgewürdigt werden mit dem neuen Tradtionserlaß. Denn zum Widerstand gehörten wenige und die meisten davon haben den Krieg bzw. den 20. Juli nicht überlebt.
Und alle die im Kriege gefallen sind konnten am Aufbau der BW gar nicht mehr mitwirken.
Wenn ich Auflehnung gegen die SED Herrschaft lesen, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Jeder NVA Offizier, der Karriere machen wollte. musste in der Partei sein. Eine Auflehnung größerer Art hat es nie gegeben und wenn, hätte die Rote Armee bis 1986 jede Auflehnung niedergeschlagen. Die meisten Menschen im Osten waren überzeugt vom Kommunismus, nur mit der praktischen Anwendung waren sie nicht zufrieden.
Was es gab waren Streiks in der 1. Mot.-Schützendivision z.B aber ist diese eine Auflehnung gegen die SED Herrschaft, denn dies war erst nach dem Mauerfall?
Gegeben hat es aber einen friedlichen Wandel der Parteiarmee zur Volksarmee mit entsprechender Militärreform. Diese Militärreform ist von der BW aber nie anerkannt oder entsprechend gewürdigt worden, weil sonst hätte die BW die NVA Offiziere/Soldaten besser behandeln müssen als sie es getan hat.
Oder ist es Auflehnung gegen die SED Herrschaft, daß einige Generale dem Krenz die Idee, den Mauerfall mit dem 40. Luftsturmregiment wieder rückgängig zu machen am 10.11.1990 ausgeredet haben?
Ein paar Workshops zum Thema NVA analog zum Thema Wehrmacht hätten hier der BW nicht schaden können!
@closius
Gute Idee – den Erlass von 1965 habe ich zwar bislang nicht, aber auch darum bemühe ich mich mal.
Diese Scheinheiligkeit um das Traditionsverständnis der Bundeswehr ist wirklich zum K….
Unsere „glorreichen“ Heeresreformer waren ausgesprochene Franzosenhasser, Oberst Schenk Graf von Stauffenberg hat den Krieg zunächst sogar begrüßt und wäre niemals zum Widerständler geworden, hätte Deutschland den Krieg gewonnen. Und gerade hat ganz Deutschland in einem Feiertag das Jubiläum der Tat eines erklärten Antisemiten gefeiert. Sein Name – Martin Luther.
„Der reichhaltige Fundus der Bundeswehrgeschichte“ Das ich nicht lache. Die Bundesrepublik selbst begründet ihre staatliche Kontinuität auf der Reichsgründung 1871, der bekanntermaßen ein Krieg vorausging.
Unsere goldbehängten Herren B6 aufwärts sollten gerade auch einmal erkennen, dass Tradition nicht an so etwas wie einem Dienstposten hängen darf. Aus der Artillerieschule haben sie den „Ausbildungsbereich Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung/ Indirektes Feuer“ gemacht. Ein Ungetüm von Begriff und geradezu eine verbale Vergewaltigung des Namens „Artillerieschule“.
Die Briten haben Verbände die seit über 400 Jahren durchgehend im Dienst sind. Und wir schaffen es teilweise nicht mal 10 Jahre durchzuhalten, weil ja „alles unbedingt abgebildet werden muss“.
„Division Schnelle Kräfte“. Was wäre dabei gewesen die 1. Luftlandedivision wieder in Dienst zu stellen? Nein das ging nicht. „Das muss anders heißen“, damit Generale und Stabsoffiziere eine Arbeit zu verrichten haben.
Generalfeldmarschall Rommel ist in seiner Gesinnung bestimmt nicht minder schuldig, als ein Oberst von Staufenberg. Wenn aber selbst unsere ehemaligen Kriegsgegner Respekt vor seinen Leistungen haben können, warum haben wir, die Besiegten, heute ein Problem damit ihn anzuerkennen?
Es gibt kein perfektes Vorbild. Weder für Menschen, noch für Soldaten. An jedem findet sich ein Makel. Das nennt man Dualität des Lebens.
Wenn wir ein Vorbild haben wollen das über jeden Zweifel erhaben ist und unserer politischen Weltanschauung entspricht, dann bleiben am Ende nur Jesus Christus oder Gott.
Oh.. ganz vergessen. Gott hat ja Sodom und Gomorrah vernichtet und ist damit ja ein „Massenmörder“. Taugt als Vorbild also auch nicht #fail
Im Bundesarchiv:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/XPXIP4RRWXTZZ7TWEIPQT6URF3BIZESC
Traditionserlass 1965, komme da aber nicht rein.
Aktenführung ursprünglich bei I. Korps 1956-1995, existiert als solches aber nicht mehr und im Korpsstab I. DEU/NLD dürfte eher nichts verfügbar zu machen sein.
Die Generalität kann sich schon ‚mal andere Kragenspiegel aufnähen lassen … ^^
Mir platzt die Hutschnur, wenn ich diese wenigen Ausschnitte nur lese!
Eine ganze Generation von Soldaten wird somit explizit als nicht traditionswürdig abgestempelt, von denen der allergrößte Teil mit dem gleichen Pflichtbewusstsein seinen Dienst verrichtet hat, wie wir das heute tun.
Millionen deutscher Soldaten hatten nicht die Chance am Aufbau der Bundeswehr mitzuwirken, weil sie vorher gefallen sind. Diese unsere Vorfahren werden jetzt pauschal verurteilt und dürfen in der neuen Bundeswehr von Uschis Gnaden keine Rolle mehr spielen.
Das wider micht alles so dermaßen an, dass ich für eine so geschichtsvergessene und heuchlerische Traditionspflege nichts als Verachtung aufbringen kann.
Viel Spaß dann auch dabei die jungen Kameraden mit tollen militärhistorischen Beispielen vom Truppenübungsplatz Munster Nord und der Fußpatroullie in Prizren zu begeistern.
Diese Armee gehört in die Mülltonne der Geschichte getreten, bis wir wieder zur Besinnung kommen.
@ TW: Entschuldigen Sie den Ton, ich bin bei diesem Thema offensichtlich emotional engagiert.
[Ich wäre dankbar, wenn dieser Ton hier die Ausnahme bliebe. T.W.]
@all
Wortlaut des Entwurfes für den neuen Traditionserlass in einem gesonderten Eintrag:
http://augengeradeaus.net/2017/11/dokumentation-entwurf-des-neuen-traditionserlasses-der-bundeswehr/
Die Debatte dazu aber bitte weiter hier.
@Klaus-Peter Kaikowsky
Davor gab’s viel, war aber eben nicht BRD und Bw ;-)
Eigene Tradition hatten wir genug in der Bw aber all die Reformen bis hin zur Neuausrichtung haben diese geschliffen. Aber wer will schon zB einen Air Force Day am 28.12. zurück, das wäre ja Familienfeindlich :-)
@Teute
Großartig 1+
Oh weh.
Nun reiht sich die Bundeswehr in die lange Liste Deutscher Streitkräfte ein, die jeweils voneinander nicht wissen wollen. Die Argumentation und Fokussierung auf die Bw ist künstlich herbeigeredet, genau wie die NVA die Geschichte des Soldatentums in ihrem Sinne schrieb.
Ich kann mich noch gut an Feldafing erinnern, als uns ein gewisser Oberst Schr. die Tradition der Fernmelder mit den Leistungen anlässlich der Olympiade 1972 darlegen wollte. Aber heute gibt’s ja nicht mal mehr Fernmelder…
Es ist mal wieder eine Chance vertan worden, die Geschichte in ihrer Gesamtheit zu betrachten, zu verstehen und anzunehmen. Angeblich wertbasierte Tradition dient doch nur dem Verbot des offiziellen Andenkens an die Großväter. Das ist keine Apologetik, sondern meine Meinung, dass nur durch Erinnern und Einordnen verstanden werden kann.
Also doch nur politisch korrektes Geschreibsel in einer Form, wie es hier schon mancher vor Monaten befürchtet hat, allerdings ohne tolle „Workshops“, bei denen das Ergebnis schon von vornhinein feststeht.
Ein positives: wenigstens haben wir uns mal wieder mit Geschichte beschäftigt. Wenn das Erhalten bleibt, ist auch etwas gewonnen.
@all
Bitte um etwas Geduld: 1965 und 1982 wurden @TW soeben zugeschickt.
@all
Mit Dank an @ONA die Dokumentation der Erlasse von 1965 und 1982 hier:
http://augengeradeaus.net/2017/11/dokumentation-bundeswehr-traditionserlasse-1965-und-1982/
„Tradition erhöht Einsatzwert und Kampfkraft.“ Kampfkraft – soll das ein Witz sein? Wer hat das denn geschrieben?
@Teute
Und Hexenhetzers.
AFAIK hat Rommel Hitlers Kommandobefehl nicht befolgt.
Stauffenberg und Co haben irgendwann die Kraft, Einsicht etc. besessen, gefunden um sich gegen den Tyrannen zu erheben.
Das ich die Leistungen eines oder mehrerer Menschen erkenne, heisst noch lange nicht das ich diese Menschen respektiere und achte gar als Vorbild.
Das hängt immer noch vom Kontext ab, wofür sie diese Leistung erbracht haben.
@Mackiavelli
Ich hoffe nicht, das die BW das Pflichtbewusstsein der Wehrmacht hatte, mit diesem Pflichtbewusstsein wurden Verbrechen sowohl ermöglich als auch begangen.
Es gab auch viele Menschen, die die BRD und BW nicht mit aufbauen konnten weil Sie ermordet wurden.
Über die Wehrmacht hat die Geschichte ihr Urteil gefällt und dieses Urteil wird schlimmer nicht besser.
Kurzum: Tradition = Bundeswehr ab 1956. Aber bitte gegendert. Ach so: und NVA = Wehrmacht. Was für ein Trauerspiel… Da muss man sich ja fast schämen, Offizier zu sein.
2.2 Deutsche Streitkräfte bis 1945
…
In der Weimarer Republik gab es erstmals gesamtdeutsche Streitkräfte. Die Reichswehr legte ihren Eid auf die Verfassung ab, sicherte sich jedoch eine weitgehende innere Autonomie und blieb Zeit ihres Bestehens zu großen Teilen (in sich) einem vor- und antidemokratischen Geist verhaftet. Der demokratisch verfassten Weimarer Republik blieb sie fremd und ein „Staat im Staate“.
Mit Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 ging aus der Reichswehr die Wehrmacht hervor. Ihr (freiwilliger) Eid unbedingten Gehorsams galt allein Adolf Hitler als „Führer“ und „Oberstem Befehlshaber“.
2.3.1 NVA
Die NVA war mit ihrer Aufstellung fest in das Bündnissystem der sozialistischen Staaten (des Warschauer Pakt) integriert.
2.3.2 Bundeswehr
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee unter demokratischer Kontrolle und unabhängiger Gerichtsbarkeit. Sie ist eingebunden in die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Aus den Werten des Grundgesetzes leitet sich die Konzeption der Inneren Führung ab. Dieses Selbstverständnis vereint militärische Leistungsfähigkeit und soldatische Pflichten mit demokratischen Rechten und den Normen des Grundgesetzes. (Ihre) Soldatinnen und Soldaten sind mündige Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in Uniform.
3.2 Zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr sind ….
• der Beitrag der Bundeswehr zum internationalen Krisenmanagement sowie ihre Bewährung in Einsätzen und im Gefecht, (um anderen Teilen der Welt, diesen von ihr vertretenen Grundnormen, das Leben in diesen zu ermöglichen)
….
• das Erbe der allgemeinen Wehrpflicht (streiche = derzeit ausgesetzt) und die Leistungen der über acht Millionen Grundwehrdienstleistenden,
(Absatz)
Zu ihnen zählen insbesondere die Achtung der Menschenwürde, die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht sowie die Verpflichtung auf Freiheit und Frieden. Die Angehörigen der Bundeswehr sind zudem der Menschlichkeit verpflichtet, auch unter Belastung und im Gefecht.
3.3 Historische Beispiele für zeitlos gültige soldatische Tugenden wie (streiche = , etwa) Tapferkeit, Ritterlichkeit, Anstand, Treue, Bescheidenheit, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit, Entschlussfreude und gewissenhafte Pflichterfüllung, aber auch Beispiele für militärische Exzellenz wie (streiche = z.B.) herausragende Truppenführung, (streiche = können, setze = finden) in der Bundeswehr Anerkennung (streiche = finden). Sie sind jedoch immer im historischen Zusammenhang zu bewerten und nicht zu trennen von den politischen Zielen, denen sie dienten. Für die Bundeswehr, die freiheitlichen und demokratischen Zielsetzungen verpflichtet ist, kann nur ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf rein handwerkliches Können im Gefecht reduziert, sinn- und traditionsstiftend sein.
Nur ein paar Gedanken – und wenn ich das lese, welcher Nicht-Akademiker soll das verstehen und verinnerlichen. Wann löst man sich endlich mal davon, dass die Welt und die Politik nicht nur aus Akademikern besteht? sondern aus Menschen die einfaches „mainfestiert“ sehen wollen an dem sie sich orientieren können, mit einfachen Worten, die sie verstehen, mit Werten und Verhaltensweisen die sie nachleben können.
Leute, sorry. Es gibt bisweilen Kommentare, aus denen keiner schlau wird: „Ich bin ein deutscher Soldat und muss nun erfahren, dass ich von der Bundeswehr als nicht traditionswürdig betrachtet werde, weil ich einfach nur gut meinen Auftrag erfüllt habe.“ Aha? Ohne jegliche weitere Erklärung.
Auf diesem Niveau bitte nicht. Das bringt die Debatte nicht voran, und ich sag‘ mal vorsorglich: Bei dem Thema herrscht Trollalarm, und auch daraufhin schaue ich mir die Kommentare insbesondere dann an, wenn ein Kommentator aus dem Nichts auftaucht. Im Interesse aller. Danke.
/edit: Wenn sich jemand in dem Zusammenhang ungerecht behandelt fühlt, kann er mir gerne eine erläuternde Mail schreiben. Aber im gleichen Stil weiterzumachen, unter einer nicht existenten Mailadresse, bringt wenig.
„Voraussetzung dafür ist immer eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung und Abwägung, die die Frage persönlicher Schuld einschließt sowie eine Leistung zur Bedingung macht, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischem Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr.“
Wer hat das denn verfasst? Das muss man ja 3x lesen.
Dieser Traditionserlass verbessert nichts und für Klarheit sorgt er auch nicht. Grundsätzlich lese ich heraus, dass die Ehrung von vom NS-Staat distanzierten Personen wie Lent, Mölders oder Rommel auch weiterhin möglich wäre, wohingegen Unfälle wie bei Dietl vermieden werden. Eine Dietl-Kaserne ist allerdings schon seit dem Erlass von 1982 nicht mehr möglich.
Die Betonung liegt auch auf einer Einzelfallbetrachtung, damit ist es auch möglich Wehrmachtsangehörige außerhalb des Widerstandes zu ehren, weil sich die Person nicht zwangsläufig um „Freiheit und Recht“ verdient gemacht haben muss, sondern auch herausragende Leistungen bei Distanz zum NS-Regime ausreichen können.
Dennoch wird dieser Erlass einen Bildersturm nach sich ziehen, weil die Verunsicherung weiter um sich greifen wird.
Ansonsten ist der Erlass auch weitgehend überflüssig.
@Auslandsdiener
Leider verwechseln Sie Geschichte mit Tradition.
„Besonders hervorgehoben werden die Wehrmacht und die Nationale Volksarmee der DDR, die beide als Institution nicht traditionswürdig für die die Bundeswehr sein könnten.“
….wo ist das Problem?
Was wollen Sie den aus der Wehrmacht tradieren?
@Matthias Hake
Bevor Sie sich den Text vornahmen war er vielleicht für Akademiker zu verständlich geschrieben?
Mir fehlen da unter 3.3 so einige Punkte z.B. Ehre, Kampffähigkeit. Legitimität und ohne ethischen Kontext kann man mit herausragender Truppenführung auch Verbrechen begehen.
1. Von den drei Traditionserlassen bzw. Entwürfen, ist der von 1965 eindeutig noch der Beste, trotz ein paar Schwächen. Genauso klar ist, daß der neue Entwurf noch viel schlechter ist als der bisherige Traditionserlaß.
2. Der Autor hat entweder keine Ahnung von der Militärgeschichte bis 1918 oder er tilgt absichtlich selbst Scharnhorst und die Befreiungskriege! Ich hatte ja wenigstens noch gehofft, daß die Zeit vor 1918 wenigstens verstärkt als Traditionsgrundlage herangezogen wird. Daß selbst Scharnhorst jetzt getilgt werden soll, obwohl sein 200 Geburtstag als Gründungstag der BW absichtlich genommen wurde(erste Vereidigung von BW Soldaten an diesem Tage) ist mehr als peinlich. Selbst die Reichsflotte von 1848/49 oder der Matrosenaufstand werden nicht traditionsstifftend herangezogen. Im Kaiserreich gab es auf Reichsebene ein demokratisches Wahlrecht und das Militär hatte bis zum Sturz von Bismark, daß von diesem hart erkämpfte Primat der Politik zu beachten. Die Deutschen damals im Kaiserreich waren mit ihrem Staat vermutlich zufriedener und stolzer darauf als die Deutschen heute auf die BRD.
3. Während es bisher im Traditionserlaß 1982 hieß, daß die Wehrmacht in die Verbrechen der Nazis teils schuldhaft verstrickt war, teils schuldlos mißbraucht wurde, hat man jetzt das schuldlos mißbraucht in dem Entwurf aus dem Traditionserlaß gestrichen, was bedeutet, 18 Millionen Soldaten, unsere Väter, Großväter und Urgroßväter werden kollektiv für schuldig erklärt!
4. Der neue Entwurf nennt kein einziges brauchbares Beispiel aus der BW-Tradition, welches für die Kampftruppe zu gebrauchen ist. Kein Held, kein Gefecht in AFG, kein Kosovokrieg wird als traditionsstifftend konkret benannt. So daß der einfache Soldat, nach diesem Traditionserlaß ratlos zurück bleiben muss und nur verstehen wird, alle Streitkräfte vor der BW einschließlich die NVA waren böse.
5. Die NVA bzw. deren ehemaligen Offiziere nehmen für sich ebenso in Anspruch, wie hier im Entwurf die BW, durch ihren Dient dem Frieden gedient zu haben. In einem Militärbündnis war die NVA auch eingebunden. Hier muss sich die BW eindeutige Westideologie vorwerfen lassen.
6. Die Gleichstellung von Wehrmacht und NVA ist fragwürdig. Die Wehrmacht hat mehr auf dem Kerbholz. Wo soll die persönliche Schuld der NVA Soldaten sein? Mit dem Mauerbau oder der Grenzsicherung hatte die NVA nicht so viel zu tun, weil dies meist die Aufgabe der Grenztruppen war. Ist die Schuld, daß sie Kommunisten waren?
7. Armee der Einheit ist ein Schwindel. 50.000 Stellen wurden den 90.000 übernommenen NVA Soldaten von der BW versprochen. Übernommen wurden aber nur 11.000 NVA Soldaten als Berufs- oder Zeitsoldaten und davon wurden 20 % wg angeblicher oder tatsächlicher Stasi-Kontakte wieder von der BW entlassen.
Fazit: Richtigerweise sollte der 1. Traditionserlaß wieder in Kraft gesetzt werden. Dieser leidet nur daran, außer daß er von vor der Einheit stammt und leider Fahnen und Standarten früher Militäreinheiten verboten hat. Die BW bräuchte aber diese Fahnen für mehr Tradition und seien es nur die Fahnen bis 1918.
@xyz
„Grundsätzlich lese ich heraus, dass die Ehrung von vom NS-Staat distanzierten Personen wie Lent, Mölders oder Rommel auch weiterhin möglich wäre“
Das Lese ich nicht heraus, ich lese da eher daß, sagen wir z.B. ein Alfred Kendziora traditionswürdig sein könnte. Der war zwar in der Waffen-SS aber anders als ein Lent,Mölders oder Rommel hatte er eben Gelegenheit sich um die Bw verdient zu machen.
Um Traditionspflege zu lernen kann man sich auch einfach mal beim Nachbarn UK umschauen. Ob Siege oder verlorene Kriege, selbst beide deutsche Armeen(nach 1955) und der britische Standpunkt dazu, ist alles da.
http://www.iwm.org.uk/visits/iwm-london
Für mich ist es viel erschreckender wie wir lang bewahrte Traditionen aus Bequemlichkeit oder Kostengründen über Bord werfen, häufig unter dem Deckmäntelchen der Attraktivität.
Es gab Zeiten da hat ein Kompaniefeldwebel JEDEN Tag antreten lassen, und wenn er nur „Guten Morgen“ gesagt hat. Heute haben die Soldaten einer Kompanie zu zig verschiedenen Uhrzeiten Dienstbeginn, da kann der Spieß froh sein wenn er einmal die Woche seine Truppe versammeln konnte.
Wachdienst war Ehren-Dienst und hat allen Beteiligten gezeigt, wie man Verantwortung trägt! Wurde weggespart und durch Wachfiguren ersetzt die manchmal an Lächerlichkeit kaum zu überbieten sind, sorry!
UvD – Junge Unteroffiziere bekamen die Verantwortung über ein Kompaniegebäude und die dort schlafenden Soldaten – weggespart…weil zu viele Stunden produziert werden!
Außenrevier? Haben die meisten jungen Soldaten noch nie gehört…wurde an Standortdienstleistungszentrum ausgegliedert, weil draußen kehren nicht attraktiv ist…dafür sieht’s jetzt in Liegenschaften aus wie „Sau“.
Es gibt noch viele weitere Beispiele dafür, die ich für viel wichtiger halte als ob ein Landserbild in einem Uffzkeller hängt…mein alter Spieß hätte diese Mängel seinerzeit schon abgestellt!
Zitat: „Bis zum Ende des Kaiserreichs waren deutsche Streitkräfte loyale Machtinstrumente ihrer feudalen Landesherren und stabilisierender Bestandteil einer vornehmlich kleinstaatlichen und dynastischen Ordnung. Sie leiteten daraus eine herausgehobene Stellung in Staat und Gesellschaft ab.“
Ich finde es schon spannend, dass man offenbar die erste Deutsche Marine von 1848 nicht zu den (gesamt-)deutschen, sondern zu den kleinstaatlichen Streitkräften zählt. Oder gar nicht.
@Klaus-Peter Kaikowsky
schau mal hier (auf der Seite gefunden) ;-)
Bundesarchiv nicht notwendig!
http://augengeradeaus.net/2017/11/dokumentation-bundeswehr-traditionserlasse-1965-und-1982/
Sorry, dass ich mich nochmal zu Wort melde. Aber der Absatz:
„Die Bundeswehr unterstützt und beteiligt sich an der Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. sowie an den Feierlichkeiten am Volkstrauertag im Sinne eines allgemeinen Totengedenkens, ohne dadurch die Tradition früherer Streitkräfte zu pflegen.“
stellt wohl sinnbildlich die Sinnentleerung von Tradition dar. Der Volkstrauertag ist also ein allgemeines Totengedenken. Und Weihnachten ist eine allgemeine Geburtstagsfeier?
Für die Teilnehmer heisst das, wir machen halt mit, weil wir mitmachen. Warum? Irrelevant. Und woher kommen die Kriegerdenkmäler? Egal, war vor ’45.
So kann und wird Verstehen der Geschichte nicht funktionieren. Warum sind wir nicht in der Lage, in Würde zu Gedenken (Zit GBR):
„I am not a badge of honour, I am not a racist smear, I am not a fashion statement,To be worn but once a year,I am not glorification Of conflict or of war. I am not a paper ornament A token, I am more. I am a loving memory, Of a father or a son, A permanent reminder Of each and every one. Im paper or enamel I’m old or shining new, I’m a way of saying thank you, To every one of you. I am a simple poppy A Reminder to you all,That courage faith and honour, Will stand where heroes fall.“
@Matthias Hake und xyz: + 1 für festgestellte Verständnishürden
Eieiei… Der Entwurf liest sich ja wie ein Bundesstreitkräftetradidionsgesetz… Und die unterschwelligen Demutswiederholungen brennen sich auch sehr unangenehm ein…
Da haben wohl ein paar Juristen so lange drin ´rumgefummelt, bis ein atombombensicheres, schwimmfähiges, nicht krebsgefährdendes Gender-Balance-Mopped herausgekommen ist.
Nachteil: Wenn das ein Oberleutnant am Freitagmorgen in 60 min erläutern soll, damit die Soldaten daraus abgeleitet mehr Kampfkraft entwickeln können, dann hat er hoffentlich methodisch richtig was auf der Pfanne, denn inhaltlich bekommt er ja nicht so viel Rückenwind mit.
Aber mal im Ernst: So lange man daran noch arbeiten kann, empfehle ich drei bis vier Säulen oder Kernprinzipien oder Fundamente zu identifizieren, die im Sinne einer 3a (Absicht in Entschlussform) so formuliert werden, dass der Kern bei der ersten Lesung zumindest erkannt werden kann, auch von Soldaten ohne Promotionshintergrund. Details dann in Erläuterungen, von mir aus ähnlich dem Erlass erzieherischer Maßnahmen (Regel – Beispiel – Bewertung). Absicht: Aus der Praxis für die Praxis.
Dieses wasserdichte Konstrukt kann sicherlich im Weltall schießen und von der Gleichstellungskurve beklatscht werden, die Frage ist, ob das die Zielrichtung sein soll?
Nettes Detail: „…1.1 Tradition ist der Kern der Erinnerungskultur der Bundeswehr (einschließlich des Bundesministeriums der Verteidigung)…“
Krass, das Ministerium gehört echt zur Truppe, das ist ja ein hochinklusiver Ansatz!
Gruß vom Kurzschwert
Ich verstehe nicht wieso der Erlass nur für Akademikern lesbar sein soll.
Der Erlass verlangt eine Betrachtung von traditionsstiftenden Elementen in einem ganzheitlichen Ansatz.
Das heist es wird nicht mehr nach dem Außschlussverfahren gearbeitet. Militärisches können darf den Politischen Kontext nicht überblenden/ ausblenden.
Was ist daran nicht zu verstehen?
Ich denke sogard, dass dies sogar in der Militärischen Ausbildung helfen kann, wenn man sich auf Beispiele in der Wehrmacht beziehen muss / will.
Ich halte es nicht für Überzogen von einem Soldaten der Bundeswehr in Varianten über Personen und Themen der Wehrmacht zu denken und zu schreiben.
Es ist und bleibt eben ein Wiederspruch. Die Deutschen haben im Zentraleuropa des ausgehenden 20ten Jahrhunderts eine Schlüsselrolle in Europa eingenommen.
Es ist nicht verwunderlich, dass eine Gesellschaft welche dermaßen auf das Militär folussiert war, und gleichzeitig über einen enomrem kulutrellen / geistigen Unterbau verfügte in Kriegszeiten über eine nicht unerhebliche Anzahl an Exellenten Soldaten verfügte. Gleichzeitig war diese Exellenz aber nicht auf dem Weg unseren heutigen Standarts und Ideale, welche wir für unsere Gesllschaft als erstrebenswert erachten zu erkämpfen. Ganz im Gegenteil wurde viel militärisches Talent für einen totalen Gegenentwurf zu unserer heutigen Gesellschaftordnung aufgebracht.
Natürlich muss man gut auswählen, was traditionswürdig ist und was nicht – aber ein oktroyiertes Verständnis von Tradition setzt sich sehr selten durch.
Wenn man aber so „juristisch sauber“ anfängt, zu sieben, dann muss man es auch durchziehen.
Dann muss der „Oberfähnrich“ weg (Wehrmacht)
Das Verbot für Offiziere, die Schützenschnur zu tragen (Wehrmacht)
Benennung von Fahrzeugen des Heers nach Tieren (Wehrmacht)
Das gemeinsame Mittagessen, Portepee, Eid, Militärischer Gruß, Truppenfahnen, Antreten in Linie zu drei Gliedern, Zapfenstreich, Bezeichnung des KpFw als „Spieß“,… (16.-19.Jh, alles außerhalb der Befreiungskriege und die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen).
Wenn man also anfängt, „rote Linien“ zu definieren, dann müssen die auch für alles gelten – und dann wird es duster um jegliche Tradition. Ich wüsste zumindest nicht, wie ich plausibel erklären soll, warum Panzergrenadiere in keinem Verhältnis zu ihrem Ursprung in der Wehrmacht oder zu Vorgängern (z.B. Dragonern) stehen, gleichzeitig aber der Kompaniechef seit dem 16. Jh der „Hauptmann“, sein Fw der „Spieß“ ist und er jetzt verdammichnocheins in seinen „Marder“ steigen und angreifen soll ;)
Was wir brauchen ist ein entspannteres Verhältnis zur Geschichte, gepaart mit politischer und historischer Bildung. Wir sollten aufhören den Disziplinarvorgesetzten zu misstrauen und alle Mannschaften und Unteroffiziere für potentielle Nazis und überrumpelbare Vollidioten zu halten.
Aber vielleicht seh ich das auch nur zu entspannt. Ich bin schließlich Historiker, kein Aromatherapeut.
@Alter Sack: Da hatten Spieß und Chef auch noch die Zeit und das Personal um Wachdienste, UvD, tägliche Antreten und Revierreinigen zu gewährleisten. Die Realität sieht heute jedoch anders aus. Da kann der Chef froh sein wenn er selbst mal in der Kp ist, geschweige denn mehr als 30% des Personals. Die Masse hetzt ja im Eiltempo von Einsatz zu Übung zu Lehrgang und wieder in den Einsatz.
[Habe leider übersehen, dass Sie ein hier schon benutztes Pseudonym für den Nick verwendet haben… und Ihren Nick deshalb geändert. T.W.]
Neuer Traditionserlass:
Endlich mal „Klare Kante“:
Wir leben im Jahr 2017 und stehen mannigfaltigen Problemen in aller Welt gegenüber: als verlängerter Arm der Politik versuchen wir zumindest die politischen Zielsetzungen mit umzusetzen (und ja, ich weiß, das Ergebnis sieht oftmals anders aus).
Wir benötigen keine verklitterte Heldenverehrung aus vergangenen Jahrhunderten deswegen:
Fort mit Erinnerungen an Kaiserliche Armee, Reichswehr und Wehrmacht – ab auf den Müllhaufen der Geschichte – denn da gehört das alles hin!!!
Soldatische Tugenden zeigen sich oftmals auch im Kleinen, im Grundbetrieb genauso wie im Einsatz, und hieraus entwickelt sich gerade eine moderne Tradition einer modernen Bundeswehr.
Nur als Beispiel: Warum hat Deutschland ein so hohes Ansehen bei der Bevölkerung in Mali? – weil wir seinerzeit als erstes Land (DDR) die Unabhängigkeit Malis anerkannt haben. Das haben die Menschen dort nicht vergessen, das Wissen um zwei deutsche Staaten oder frühere Streitkräfte ist Ihnen fremd.
Ich habe dieses Wissen nicht aus dritter Hand sondern direkt von malischen Soldaten und Zivilisten mit denen ich ein halbes Jahr zusammen gearbeitet habe.
Natürlich interessiere ich mich für Militärgeschichte: ich habe Rommel, Guderian und Clausewitz im Bücherschrank, ebenso wie Sandy Woodward, T.E. Lawrence und Sun-Tsu etc.
Also, so what: lasst uns unsere eigenen Traditionen endlich übernehmen und sehen wir uns mal im richtigen Licht, die Bundeswehr muss sich nicht vor der Geschichte verstecken.
@Mitleser Genau da fängt es an: Chefs und Spieße müssen sich mit dem „traditionsreichen SAP“ und endlosen Beurteilungsorgien rumärgern anstatt sich – traditionell – um ihre Soldaten zu kümmern.
Wenn aus den Reihen der altgedienten Unteroffiziere der Vorschlag kommt, den Einheiten einen CSEL (Command Senior Enlisted Leader oder Sergeant Major) beizustellen wird darauf verwiesen, dass sei ja nicht in deutscher Tradition! Vielleicht wäre es einfach sinnvoll neue Traditionen einzuführen, die sich in den Streitkräften unserer Partner bewährt haben?
Ich habe in vielen internationalen Dienststellen gearbeitet und ein Franko A. wäre da ganz schnell vom Senior NCO „unter Feuer“ genommen worden – mit Sicherheit!
In diesem Zusammenhang frage ich mich übrigens auch gerade wie ich zukünftig mit ehemaligen Offizieren NVA umgehen muss, die mit mir Dienst leisten und im Büro ihre NVA-Orden liegen haben.
Den Erlass erstmal nur überflogen, aber…
„Bis zum Ende des Kaiserreichs waren deutsche Streitkräfte loyale Machtinstrumente ihrer feudalen Landesherren und stabilisierender Bestandteil einer vornehmlich kleinstaatlichen und dynastischen Ordnung.“
… wer hat den diesen völligen Unsinn verbrochen? ‚Feudale‘ Landesherrn noch 1918? ‚Kleinstaatliche‘ Ordnung? ‚Loyale Machtinstrumente‘ im jeweiligen Land? Selbst in Sachsen, Württemberg und Bayern, also den einzigen deutschen Ländern außer Preußen, die im Kaiserreich noch eigene Streitkräfte unterhalten haben, waren diese Streitkräfte explizit Bestandteil des (gesamt-) Deutschen Heeres. Und, wie ich als alter Fahrensmann natürlich erwähnen muss, die kaiserliche Marine war von Anfang an eine gesamtdeutsche Angelegenheit.
Ich kann mir diesen wirklich hanebüchenen Unsinn nur so erklären, dass ein völlig geschichtsunkundiger Autor in seinem Geist irgendwie das Ende des alten Reiches 1806 (das man im Allgemeinen nicht mit dem Ausdruck ‚Kaiserreich‘ bezeichnet) mit dem Ende des Kaiserreiches 1918 verquickt hat. Und das wäre schon mehr als eine Peinlichkeit, das wäre eine Bankrotterklärung. Zu dieser Erklärung passt allerdings gut, dass die Befreiungskriege, dass 1848 und dass die Einigungskriege überhaupt nicht erwähnt werden.
Es scheint so zu sein, wie ich befürchtet habe: Es ist nicht nur so, dass hier von ‚oben‘ der richtige Umgang mit Geschichte verordnet werden soll, sondern auch so, dass ‚Oben‘ von dem, über das es uns belehren will, nicht die allerleiseste Ahnung hat.
Seit ueber fuenfzehn der letzten 60 Jahre Bw ist ist die Tradition: Abbau, Privatisierung, mehr Klarzeigen als Sein…..das sollen also 25% der Grundlage fuer die Orientierung der jungen Soldaten und der Gewinnung von Nachwuchs sein.
Wo sind die historischen Beispiele fuer das Einstehen der deutschen Streikraefte fuer Einigkeit und Recht und Freiheit?
Zu denen ich im Uebrigen auch die Freikorps zaehle, Schlieslich kam der Aufruf zur Bildung derselben von der gewaehlten Regierung Ebert mit Noske.
Ein völlig anderer Aspekt:
1982: „Die Freiheit der Entscheidung in Traditionsangelegenheiten gilt
innerhalb des Rahmens von Grundgesetz und Soldatengesetz.“
2017: „Die Kommandeure / Dienststellenleiter und Dienststellenleiterinnen und die Einheitsführer und Einheitsführerinnen treffen ihre Entscheidungen auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Gesetze, insbesondere des Soldatengesetzes, auf Grundlage dieser Richtlinien selbständig. Sie sind damit auch für die Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen verantwortlich, etwa des Kriegswaffen-Kontrollgesetzes oder des Strafgesetzbuches.“
Von der sprachlichen Grauenhaftigkeit der ‚modernen‘ Fassung („Grundlage, Grundlage“) mal abgesehen, ist der Unterschied bestechend. 1982 wurde en passant auf die auch damals eigentlich selbstverständlichen rechtlichen Grenzen der Entscheidungsfreiheit eingegangen. 2017 wird die Belehrung über diese Selbstverständlichkeiten bis zum kleinlichsten Exzess betrieben – in der Vorstellung der Verfasser muss den militärischen Führern offenbar ausdrücklich klar gemacht werden, dass sie für Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz im Rahmen der Traditionspflege verantwortlich sind. Konzeptionell wird somit das Offizierkorps auf den Status schwer erziehbarer Kinder reduziert. In der Fassung von 2041 wird dann vermutlich noch die explizite Androhung von Konsequenzen aufgenommen.
Grausig gutzt der Golz. Je mehr ich diesen Entwurf studiere, desto näher rückt der Gedanke, ein Polster auf meiner Schreibtischkante zu installieren.
Nun ja, dass die Sui-Generis-Miles-Teutonicus-Fraktion mit diesem Entwurf nicht „glücklich“ ist war zu erwarten. Das allein belegt imho schon die Notwendigkeit das Thema Tradition und Streitkräfte in die Ist-Zeit zu bringen und nicht auf dem Stand von 1982 oder gar 1965 ewig weiter zu debattieren. Gut, dass nun auch Armee der Einheit/NVA eingeordnet ist in den historisch-politischen Kontext von Tradition und Bundeswehr. Das war lange überfällig.
@ klabautermann
Was halten Sie davon, sachliche Erwiderungen auf die hier erwähnten Kritikpunkte zu verfassen, statt die Kritiker mit pauschalen Diffamierungsformeln zu bedenken? Oder gar, wenn ich mich mal ganz weit aus dem Fenster lehnen darf, sachlich darzulegen, was an dem Entwurf denn Ihrer Meinung nach gut ist?
@TobyR +
Das ist in Teilen wirklich hanebüchener Unsinn. Feudale Landsherŕen in einer modernen konstitutionellen Monarchie? Eine Verfassung, die auch die BRD maßgeblich geprägt hat und einer Gesetzgebung, die bis heute nachwirkt?
Hat man nicht kürzlich den 200. Geburtstag Bismarcks gefeiert? Übrigens ein Fürst.. Steht die BRD etwa in der Tradition des deutschen Reiches?
Je nachdem wie man diesen Erlass interpretiert, könnte und wird man selbst Namen wie Richthofen, Boelcke oder Frankl tilgen. Klare Kante? Wo?
@ cosmo (und andere)
Unternehmen Sie doch mal folgendes Experiment: Treten Sie an, sagen wir einmal, 10 militärhistorisch einigermaßen Interessierte in verschiedenen europäischen Ländern heran, und bitte Sie diese, Ihnen fünf große deutsche militärische Leistungen der Vergangenheit zu nennen. Wenn Sie möchten, können Sie sogar „ausgenommen den 2. Weltkrieg“ hinzufügen.
Was glauben Sie wohl, wie viele der insgesamt 50 Nennungen beziehen sich auf die Bundeswehr? Ich schätze mal, so zwischen 0 und 3. Und wenn es Nennungen der Bundeswehr gibt, dann wird mit hoher Sicherheit ihr Aufbau – anders gesagt ihre bloße Existenz – als Leistung genannt.
Wenn Sie irgend jemandem außerhalb Deutschlands erzählten, Sie hielten die großen Leistungen des deutschen Militärs in Ehren und erwähnten dann Oderbruch, „Deeskalation“ im Kosovo 2004 (heute in einem Zeitungsartikel als vermeintlich ernsthafte Bewertung gelesen) oder die Teilnahme an deutsch-polnischen Übungen als Beispiele: Sie würden Gelächter ernten. Entweder, weil man glaubte, Sie hätten sich einen Scherz erlaubt, oder weil man sich über Sie lustig machte.
P.S.: Dass die Leute in Mali Deutschland so schätzen, ist schön. Dass diese Wertschätzung mangels Kenntnissen nichts mit der deutschen Militärgeschichte zu tun hat, ist interessant, bedeutet eben aber auch, dass diese Anekdote für die Diskussion über den Traditionserlass völlig irrelevant ist, weil der auf diese Wertschätzung demzufolge ohnehin keinen Einfluss hat.
Örgs. Einige Aussagen bringen mich dazu, dringend darum zu bitten, von persönlichen Anwürfen abzusehen. Sich gegenseitig pauschale Diffamierung vorzuwerfen, bringt keinen weiter. Nebenbei: Manche, die gerne austeilen, sind im Einstecken recht zimperlich.
@TobyR | 21. November 2017 – 12:24
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich in diese rabulistische Pseudo-Sachlichkeitsfalle trete ;-) Wenn Sie sich als Vertreter der Sui-Generis-Miles-Teutonicus-Fraktion unbedingt outen wollen, bitte sehr – aber das Spiel muß ich ja nun nicht mitspielen.
Es ist auch völlig egal, ob ich den Erlass gut oder schlecht finde – er war offenbar und offensichtlich überfällig und von daher ist es imho auch ziemlich sinnlos nun einzelne Formulierungen zu „sezieren“ und zu hinterfragen. Zitat Schneiderhan: Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann hören die Diskussionen auf. Gute, alte, deutsche, militärische Tradition ;-)
Auslandsdiener | 21. November 2017 – 9:06
(…) im Sinne eines allgemeinen Totengedenkens, ohne dadurch die Tradition früherer Streitkräfte zu pflegen.“ stellt wohl sinnbildlich die Sinnentleerung von Tradition dar. Der Volkstrauertag ist also ein allgemeines Totengedenken. Und Weihnachten ist eine allgemeine Geburtstagsfeier?(…)
1+
@ TobyR | 21. November 2017 – 10:58:
„Selbst in Sachsen, Württemberg und Bayern, also den einzigen deutschen Ländern außer Preußen, die im Kaiserreich noch eigene Streitkräfte unterhalten haben, waren diese Streitkräfte explizit Bestandteil des (gesamt-) Deutschen Heeres.“
Im Kriegsfall, nicht im Frieden. Ich darf daran erinnern, dass ein Grund für die Einführung der DIN-Normen das völlig uneinheitliche Beschaffungswesen der verschiedenen Armeen gewesen ist.
@Klabautermann
Neuer Erlaß “ war offenbar und offensichtlich überfällig „.
Mir erschließt sich weder Ihr „offenbar“ – auße rwir sprechen über politisch-mediale Befindlichkeiten – noch Ihr „überfällig“.
Offenbar ist, daß der Entwurf sprachlich kompliziert und unterschwellig drohend ist. Was in einem Satz kategorisch ausgeschlossen ist, wird durch ein „es sei denn“ wieder aufgedröselt. Verschleierung für Pol und Medien?
Überfällig ist das klare Zugeständnis, persönliche Bezüge zu Geschichte und Tradition jedem z.B. bei der „Ausschmückung“ seines DstZi zuzugestehen. und das klar von offizellen Traditions und Geschichtsdarstellungen zu trennen. Das BIld vom A7V oder Pz IV höngt aus historischem Interesse an der Wand.
Aber dann müßte man den „Staatsbürger in Uniform“ ja tatsächlich Ernst nehmen und auch einzelnen „Ermessensspielraum“ einräumen – und nicht nur DisziVorg – und eine „Fehlerkultur“ wie auch „Toleranz“ und „Vielfalt“ „leben“.
Der Entwurf bietet Fluchttore in den Schachtelsätzen. Nur die abgebrühten, unbürokratischen, karriereabstinenten warden es nutzen. Beim Rest herrscht Angst vor „Sie sind damit auch für die Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen verantwortlich, etwa des Kriegswaffen-Kontrollgesetzes oder des Strafgesetzbuches.“
Was das Kdo Heer dazu gerade versandt hat, spricht auch diese Sprache . . .
[Was hat denn das Kdo Heer dazu gerade versandt? Wäre sehr interessiert. T.W.]
Also ein Herr von Clausewitz ist ob seiner zeitlichen Differenz zu heute nicht „traditionsfähig“….. Interessant….
(SCNR)
Viele o.a. Kommentare, die den Entwurf kritisch bis ablehnend sehen, scheinen mir schluessig und in der Sache begruendet zu sein.
Ich hoffe, dieser Entwurf wird kassiert.
Herausheben moechte ich den avisierten Umgang mit der NVA, deren ehemalige Angehoerige teilweise als Soldat und/ oder ziviler Mitarbeiter in der Bundeswehr dienen und denen dieser -E- einen Teil ihrer Biographie entzieht.
Auch wenn ich zustimme, dass die NVA in ihrer Gesamtheit und als exekutives Organ einer anderen Republik, Ideologie etc. diente, und daher nicht traditionswuerdig sein sollte, so erkenne ich im -E- eine Zurueckweisung der Menschen, die anders als die aussterbende Generation der Wehrmachtsangehoerigen, die sich dem Pauschalurteil nicht mehr erwehren kann, die seit der Wiedervereinigung zuverlaessig, klaglos und vorbildlich in den Streitkraeften der wiedervereinigten Republik gedient haben.
Ich vermisse die Wuerdigung, dass kein NVA- Offizier jemals den Befehl gab, in den Turbulenzen der Montagsaufmaersche 1989 das Feuer auf die „Staatsgefaehrder“ zu eroeffnen. Durch Zurueckhaltung und Besonnenheit hat die NVA einen kaum zu unterschaetzenden, vielleicht den entscheidenden Beitrag zum friedlichen Uebergang geleistet, der als Gluecksfall gesehen wird, aber keineswegs selbstverstaendlich zu erwarten gewesen war.
Das steht fuer mich in einer Reihe mit Wehrmachtssoldaten, die in den letzten Kriegstagen durch mutige Einzeltaten und -entscheidungen viele deutsche Staedte vor Zerstoerung und ergebnislosen Kaempfen gerettet haben- nicht wenige wurden dafuer mit dem Tode bestraft.
Diesen Maennern gestehen wir explizit die Tradtionswuerdigkeit zu – und den NVA- Soldaten, die vor aehnlich schwierigen Gewissensentscheidungen standen, sprechen wir sie ab.
Bislang war die Traditionsdebatte auf WH und kaiserliche Armee beschraenkt. Dieser – E- erweitert die Spaltung und uebertraegt sie – vollkommen ohne Not! – auf die NVA bzw. auf die Kameraden mit entsprechender Vordienstzeit die aber noch mit uns die gleiche Uniform tragen!
Bislang galt die Integration ehemaliger NVA- Angehoeriger in die Bw als gelungen und stand als positives Beispiel fuer die nicht immer spannungsfreie Wiedervereinigung.
Ich sehe diese Leistung und Phase als gleichrangig mit der Aufbauleistung ehemaliger Wehrmachts-, Reichswehr- und kaiserlichen Armeeangehoerigen an, die die Bundeswehr in ihrer Anfangszeit massgeblich gepraegt haben, und zwar bis zum heutigen Tag. ( InFue, Auftragstaktik, takt.-operat. Konzepte und Grdlagen etc.)
Dieser -E- stellt gar nichts klar, verschaerft nur den Diskurs und ist oberflaechlich bis fehlerhaft.
Ein Aergernis zum Ende eines in dieser Hinsicht so reichhaltigen Jahres.