Wie viele Soldaten hat die Bundeswehr? Aktuell wissen wir’s nicht
Der Kalendermonat September 2017 ist gerade vorbei, und es fällt auf: Die Bundeswehr hat nicht, wie seit Jahren üblich, bis zum Ende des Monats die Zahlen zur militärischen Stärke für den vorangegangenen Monat August veröffentlicht. Nun haben sich die Ämter und das Verteidigungsministerium zwar auch schon sonst mal viel Zeit gelassen mitzuteilen, wie viele Soldatinnen und Soldaten es im aktiven Dienst gibt. Aber das im Folgemonat gar keine Zahlen veröffentlicht werden – das ist neu.
Der Klick auf den immer gleichen Link, auf dem die Bundeswehr die Statistik publiziert (und damit die Informationen der Vormonate löscht) führte am Abend des 30. September weiterhin nur auf die Statistik vom 15. August.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass schon mit der bislang letzten veröffentlichten Statistik für Juli – erneut – eine Messlatte gerissen wurde, die eigentlich schon Ende vergangenen Jahres hätte übertroffen werden sollen: Ein erster Schritt für die Trendwende Personal und ein längerfristiges Wachstum der Truppe ist das Ziel, die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten auf 170.000 anzuheben. Im Juli, so sagt das Verteidigungsministerium, habe das zwischenzeitlich mal geklappt – aber am 31. Juli blieb die Zahl mit 169.856 schon wieder knapp drunter. (Meine Bitte, konkrete Zahlen für konkrete Daten mitzuteilen und so das zeitweise Überschreiten der 170.000-Grenze zu dokumentieren, ließ das Ministerium unbeantwortet.)
Eventuell waren die 30 Septembertage einfach nicht genug, so lange zu rechnen, bis die Zahlen passten. Immerhin war mir auf Nachfrage in der zurückliegenden Woche mehrfach versichert worden, bis zum Monatsende werde es die Zahlen geben. Mal gucken, wann sie nun wirklich kommen.
Nachtrag: Die August-Zahlen wurden am 2. Oktober veröffentlicht.
(Foto: Screenshot der Bundeswehr-Webseite am 30.09.2017 mit der am 15.08.2017 veröffentlichten Statistik für Juli)
Bisher wurde die BW-Truppenstärke immer im Folgemonat zwischen dem 9. – 26 des Folgemonats veröffentlicht. Diesmal erstmals nicht, trotz den Nachfragen des Hausherren. Daraus lässt sich folgern, daß das ZIel von 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten zum Monatsende August 2017 sicher verfehlt worden ist. Denn sonst wären die Zahlen noch vor der Wahl als Erfolgsmeldung für die Trendwende Personal rausposaunt worden.
Am 15.08.2017 hatte die BW im Artikel „Trendwende Personal: Voll im Soll“ nicht nur behauptet, daß im Juli die Zahl von 170.000 Berufsmilitärs überschritten worden sei, sondern auch gemeldet, daß Anfang August die Zahl von 170.000 wieder durchbrochen worden sei.
Daß trotzdem diese angeblichen „Erfolgszahlen“ für das zeitweilige Durchbrechen der Zielstärke von 170.000 nicht an AG herausgegeben werden, ist sehr verdächtig.
Aus der Nichtveröffentlichung der Zahlen ist zu vermuten die Trendwende Personal funktioniert nicht und dies sollte vor der Wahl nicht bekannt werden. Und jetzt liegt die Vermutung nahe, das entweder jemand die Truppenstärke schnell für vertraulich erklärt hat, damit AG nicht jeden Monat darüber berichten kann oder man ist gerade dabei, die Statistik zu frisieren, nach dem Motto: „Glaube nur eine Statistik, die du selbst gefälscht hast“, denn bisher wird die Truppenstärke immer zum Monatsende angegeben. Zum Monatsende gehen aber auch Soldaten in Pension oder haben FWDLer bereits wieder gekündigt.
Würde das Ministerium die Zahlen zum Monatsanfang oder zur Monatsmitte oder einen Monatsdurchschnitt nehmen, anstatt zum Monatsende, wäre die Truppenstärke auf dem Papier vermutlich höher.
@T.W.
„Eventuell waren die 30 Septembertage einfach nicht genug, so lange zu rechnen, bis die Zahlen passten.“
Chapeau! Nagel auf den Kopf getroffen.
Da haben dann doch mehr wohl Widerruf eingereicht bzw. Gekündigt. Einstellungszahlen Juli sind immer hoch.
Und SaZ, die danach im den Öffentlichen Dienst wechseln werden ja verlängert. Insofern ist Juli und August ggf. Hoch und danach geht es runter.
Aber das kann man eben vor einer Wahl nicht schönreden
Ob wirklich jemand an den Zahlen herrumrdoktert, bis diese passend erscheinen. Ob man damit tatsächlich jemanden hinter den Baum führen könnte? Ob jemand im BMVg jemand etwas davon hätte? Ob jemand etwas dafür könnte, zur Rechenschaft gezogen, falls die angestrebte Menge nicht erreicht wird? Könnte denn jemand etwas dafür, falls nicht genügend Bewerber, nicht genügend geeignete, viele Abbrecher?
Wenn die neuen Zahlen bis Mittwoch nicht kommen , dann hilft wahrscheinlich nur noch eine Nachfrage des Hausherren auf der Bundespressekonferenz.
@ closius | 01. Oktober 2017 – 7:54
„Daß trotzdem diese angeblichen „Erfolgszahlen“ für das zeitweilige Durchbrechen der Zielstärke von 170.000 nicht an AG herausgegeben werden, ist sehr verdächtig.“
Die bisherigen Erfolgszahlen werden auch teuer erkauft. Halte- und Verpflichtungsprämien sorgen dafür, dass Personal, auf das die Bundeswehr m.E. besser verzichten sollte, zum „Erfolg“ hochgelobt wird.
Auch wenn es DP gibt, in denen das keine so grosse Rolle spielt oder auch von Vorteil sein kann. Mit einem Altersschnitt von 40 Jahren ist die „Einsatzarmee“ Bundeswehr schon jetzt das was sie ist. „Veraltet“ oder anders ausgedrückt, „Vergreist“. Durch die Trendwende wird das noch gravierender.
@ MA | 01. Oktober 2017 – 9:09
„Mit einem Altersschnitt von 40 Jahren ist die „Einsatzarmee“ Bundeswehr schon jetzt das was sie ist. „Veraltet“ oder anders ausgedrückt, „Vergreist“.“
Damit passt das Personal doch immer besser zum Material.
Da gab es doch diesen fiesen Witz:
Wie bezeichnet man im Ausland ein Manöver der Bundeswehr?
German Reenactment!
Deutschland hat jungen Menschen kein bindendes Narrativ mehr zu bieten, was sie zum Staatsbürger in Uniform motivieren würde. Auch beim Personal hat man es sehenden Auges vor die Wand gefahren. Seit dem zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Bevölkerung systematisch von einer militaristischen zu einer pazifistischen Gesellschaft umgebaut. Dafür gab es gute Gründe, nur muss man eben alle Folgen in der Gegenwart berücksichtigen. Deutschland hat heute ein vollkommen anderes Verhältnis zu Soldaten und Militär, als Länder wie England, Frankreich, Russland oder die USA. Damit wird Deutschland um einen Zwang (also Wehrpflicht) bei der Nachwuchsrekrutierung nicht herumkommen, wenn das nicht qualitativ und quantitativ schief gehen soll. Gendergerecht würden dann zukünftig alle Geschlechter dienstpflichtig.
Nicht das bald ein anderer Witz populär wird:
Was macht Putin, wenn er Deutschland erobern will?
Er befielt seinen ihm treu in der Bundeswehr dienen Untertanen, das Land zu übernehmen.
Da fehlen bestimmt die ganzen Soldaten, die jetzt als AfD-Abgeordnete in den Bunddseingezogen sind. /scnr
@Zum Heulen: Ihre wiederholten Unterstellungen daß russlanddeutsche Soldaten Deutschland nicht treu dienen würden bei einem russischen Angriff oder ähnliches sind geschmacklos und haltlos.
Mir sind keine Fälle bekannt, daß diese den Dienst im Baltikum verweigert hätten oder schlechte Kameraden wären oder auch nur Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt hätten, um nicht im Baltikum dienen zu müssen.
Bewerbungsverfahren dauern in der Regel doch mehrere Monate (im Vergleich zu wenigen Wochen bei Unternehmen); ein sprunghafter Anstieg ist da nicht zu erwarten. Fragt sich auch, ob nicht z.B. in der IT die besten Bewerber bereits (wieder) eine FESTanstellung aufweisen.
Ja, ja die Trendwende. Habe vor einigen Tagen auf der Personalseite im Intranet gelesen, dass man die BS Übernahmen um 50% im Vergleich zum Vorjahr gesteigert hat. Ich frage mich, ob dann wirklich noch eine „Bestenauslese“ stattfindet. Die Not scheint wirklich groß zu sein.
… auch die Personalveränderungen (http://bw2.link/Personalveraenderungen) , die in der Vergangenheit Ende des Monats bekannt gegeben wurden, sind noch nicht veröffentlicht.
Ich möchte mich nicht an Spekulationen/Unterstellungen beteiligen, aber wenn Urlaub der Bearbeiter oder nicht besetzte Dienstposten als Grund angeführt weden sollte, …
@Zum Heulen: Ich stimme closius uneingeschränkt zu. Ich habe diese Kameraden als eben solche kennengelernt und werde sie noch kennenlernen. Ich konnte hier keine Unterschiede zu nativ deutschen Kameraden erkennen. Das gleiche gilt im Übrigen für Kameraden mit Stammbaum in anderen Nationen.
@Alex: So ist es. Zudem bewerben sich die potentiellen Kandidaten i. d. R. nicht nur bei der BW, sondern eben auch bei Unternehmen und anderen Behörden, insbesondere Zoll oder Polizei. Sofern hier eine Zusage kommt, wird diesen Behörden i. d. R. mit Blick auf die winkende Verbeamtung (vs. Zeitvertrag BW) der Vorzug gegeben.
Deutsche Staatsbürger mit russischem Hintergrund haben schon tapfer als Soldaten der Bundeswehr ihr Leben gegeben, für Ihre Kameraden, für Deutschland und für die Menschen in Afghanistan.
@MA | 01. Oktober 2017 – 9:09
Meiner Kenntnis nach, haben wir den ursprünglichen Plan „Einsatzarmee“ strukturell doch gar nicht vollzogen, wir sind weiterhin „nur“ eine „Armee
im Einsatz“. Und dabei schlechter aufgestellt als jeher.
Das stimmt leider. Wer sich im Oktober bewirbt kann frühestens damit rechnen am 01.04., eher 01.07.18 eingestellt werden.
2000 rauf, 1500 runter, 1300 rauf, 1700 runter …. . Rauschen in der Statistik.
Wer aus der BW wieder eine Armee machen will, der muss innerhalb einer allgemeinen Dienstpflicht die Wehrpflicht wieder einführen und dann noch das Beschaffungswesen komplett dahingehend umkrempeln, dass für das Geld keine Gutachten (der notwendige Sachverstand sollte im eigenen Haus existieren!) sondern in nützlicher Zeit Material beschafft wird. 100 Leoparden in 10 Jahren modernisieren zu wollen, dass führt bei potentiellen Gegnern zu lebensbedrohenden Lachanfällen.
@Frank | 01. Oktober 2017 – 16:53
„Deutsche Staatsbürger mit russischem Hintergrund haben schon tapfer als Soldaten der Bundeswehr ihr Leben gegeben, für Ihre Kameraden, für Deutschland und für die Menschen in Afghanistan.“
+1
@WiederInteressiert | 01. Oktober 2017 – 17:40 u. Alex | 01. Oktober 2017 – 14:28
„Bewerbungsverfahren dauern in der Regel doch mehrere Monate (im Vergleich zu wenigen Wochen bei Unternehmen)“ u. „Das stimmt leider. Wer sich im Oktober bewirbt kann frühestens damit rechnen am 01.04., eher 01.07.18 eingestellt werden.“
Diese Aussage ist so nicht korrekt. Die Dauer des Einstellungsverfahrens ist von gewünschten Status (FWD oder SaZ –> FWD geht wesentlich schneller), der gewünschten Laufbahn (Mannschaften gehen z.B. schneller als Offz) und der eigenen Flexibilität hinsichtlich des Ortes der Grundausbildung und des späteren Dienstposten.
Da ist alles zwischen 2 Monaten und 8 Monaten möglich.
Darüber hinaus ist die Beschränkung auf die Quartalsanfänge seit einiger Zeit auch Geschichte und die Bw stellt nun monatlich ein!
@kvogeler | 01. Oktober 2017 – 17:55
„2000 rauf, 1500 runter, 1300 rauf, 1700 runter …. . Rauschen in der Statistik.“
Zustimmung
„Wer aus der BW wieder eine Armee machen will, der muss innerhalb einer allgemeinen Dienstpflicht die Wehrpflicht wieder einführen und dann noch das Beschaffungswesen komplett dahingehend umkrempeln“
Das halte ich jetzt aber doch für etwas übertrieben. Viele kampfkräftige Armeen haben keine Wehrpflicht und unser Beschaffungswesen ist sicherlich (noch) nicht gut, aber auch nicht schlechter als viele andere…
@Koffer:
Ich war gerade bei einem Beratungsgespräch und da war eben nur von Quartalsweise die Rede…
Nach Bewerbung dauert es alleine 8-10 Wochen bis zum Auswahlverfahren.
@closius
Ich würde nie pauschal die Loyalität deutscher Soldaten mit russischem Hintergrund hinterfragen. Im Gegenteil, in Sachen Wehrfreude dürften sie sogar weit über dem Durchschnitt liegen. Dennoch muß man sich der Möglichkeit bedauerlicher Einzelfälle gewahr sein.Daß heißt ja nicht Russlanddeutsche besonders unter die Lupe zu nehmen, sondern das Thema genauso auf dem Schirm zu haben wie bspw. Islamismus oder Rechtsradikalismus.
@WiederInteressiert | 01. Oktober 2017 – 19:38
„Ich war gerade bei einem Beratungsgespräch und da war eben nur von Quartalsweise die Rede…
Nach Bewerbung dauert es alleine 8-10 Wochen bis zum Auswahlverfahren.“
Ich wiederhole mich gerne: das ist abhängig vom gewünschten Status, Laufbahn und Dienstort. Zwischen 2 Monaten und 8 Monaten ist für Mschft, UoP und UmP grundsätzlich alles denkbar. Und die genauen Einstellungsmonate wiederum sind u.a. von der gewünschten Truppengattung bzw. Verwendung abhängig.
Mich würde ja – gerne auch von einigen „Insidern“ – mal die Antwort auf die folgende Frage brennend interessieren:
Wie (also, womit) könnte sich die Bundeswehr denn zu einem Arbeitgeber „mausern“, welchem die Bewerber die Türen einrennen würden?
Offensichtlicht hapert es ja daran, ausreichende (quantitativ, aber auch qualitativ) Kapazitäten auszubilden oder einzustellen.
Woran liegt das?
Es grüßt
ein Ungedienter
@Flauschgetier
Die Bw muss attraktiver werden :-)
Pendeln auf eigene Kisten und Reisezeit als Privatvergnügen ist ein Bsp fehlender attraktivität. Unterkünfte sind leider meist nicht mehr zeitgemäß. Einsätze ohne nachhaltige Ziele ein weiteres Problem. Egal wo man als Soldat innerhalb der Bw aufschlägt und etwas benötigt, man wird als Bittsteller und Vertrauensunwürdige Person behandelt. Das Schulsystem und die Wohnsituationen sind nicht tragbar. Die anstehenden Reformen werden uns den Rest geben. Uvm.
Die neue Truppenstärke der BW ist da seit heute Morgen. Nach mehr als 1 1/2 Monaten liegen die neuen Zahlen vor. Die Zahl der 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten ist mit 169.993 wieder knapp verfehlt worden.
Die Gesamtstärke der Truppe kommt mit 178.641 weiter nicht voran.
Danke, gibt gleich einen neuen Eintrag. (Und ich hatte doch erst vor einer Viertelstunde nachgesehen…)
@Flauschgetier
Zusätzlich von den von Elahan erwähnten und mMn. völlig zutreffenden Punkten kommt noch:
1) Ein Beurteilungssystem welches permanent verschlimmbessert wurde.
2) Taugliche Soldaten (Einsatz/Seefahrt) werden „verbrannt“ während eine gefühlt immer größer werdende Gruppe an untauglichen und zum Teil auch unwilligen die Rosinendienstposten (Heimatnah, Gleitzeit, etc.) besetzt.
3) Schlagworte wie familienfreundlicher und attraktiver als früher, verkommen in der Realität zum blanken Hohn wenn es nahezu keine Planungssicherheit mehr gibt.( z.B. ist bei uns bis heute nicht klar ob wir an Weihnachten Urlaub nehmen können)
4) Die „Bestandskunden“ werden seit Jahren schlechter gestellt als Neuzugänge (Prämiensystem ABER nicht für BS in Mangelverwendungen man hat ja dankbar zu sein das man BS geworden ist, Wegfall Weihnachts-/Urlaubsgeld, höchst wahrscheinliche Verlängerung der Dienstzeit für alle die bis 2023 nicht pensioniert sind)
Da kommen bestimmt noch mehr Sachen dazu, und ich habe auch nicht für alle Probleme die Goldrandlösung aber so kann man natürlich nicht wirklich von einer geglückten Wende sprechen.
Um ehrlich zu sein ich würde mich heute extrem schwer tun den Beruf Soldat zu empfehlen, und es war/ist mein Traum gewesen Soldat zu sein!
@all
Da nunmehr (am 2. Oktober) die, äh, aktuellen Zahlen für August veröffentlicht wurden: Bitte die Debatte ggf. im neuen Thread weiterführen.