Nach Turbinenschaden: Überprüfung aller NH90-Hubschrauber (Update)
Die Bundeswehr-Transporthubschrauber vom Typ NH90 müssen vorerst am Boden bleiben, bis alle Triebwerke dieser Maschinen auf Beschädigungen überprüft worden sind. Das vorläufige Startverbot und die Anordnung zur Untersuchung habe der General Flugsicherheit, die Flugsicherheitsaufsicht der Bundeswehr, am (gestrigen) Freitag erlassen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag und bestätigte damit einen Bericht von Spiegel Online.
Der Hubschrauber wird derzeit außer zu Transport- und Trainingsflügen in Deutschland im UN-Einsatz MINUSMA in Mali genutzt. Die vier dort stationierten NH90 des Deutschen Heeres haben vor allem die Aufgabe, verwundete UN-Soldaten zu retten.
Update: Inzwischen sei in Mali wieder sichergestellt, dass dieser MedEvac-Auftrag mit NH90 erfüllt werden könne, teilte das Ministerium mit. Es gebe dort keine operativen Einschränkungen.
An einem der Triebwerke eines der Helikopter, die in Mali im Einsatz waren, wurden bei der Routine-Überprüfung Schleifspuren in der Turbine festgestellt. Die Ursache dafür ist nach Angaben des Ministeriums bislang noch unklar. Die Kontrolle eines Triebwerks dauert etwa zwei Stunden; die ersten seien auch bereits überprüft und wieder freigegeben, sagte der Sprecher.
Die Bundeswehr hat mittlerweile 51 Hubschrauber dieses Typs; allerdings ist die Zahl der einsatzfähigen Maschinen starken Schwankungen unterworfen.
Hier die Passage zu dem Hubschrauber aus dem Bericht zur Materiallage vom November 2016:
Der Transporthubschrauber NH90 ist ein nicht einsatzreifer, weiterhin im Bestandsaufwuchs befindlicher leichter Mehrzweckhubschrauber. Er wird derzeit in der Version Tactical Transport Helicopter (TTH) im Heer eingesetzt.
Der Gesamtbestand der Bundeswehr NH90 beläuft sich derzeit auf 48 Systeme.
Dem Heer standen im betrachteten Zeitraum durchschnittlich 29 Systeme zur Verfügung, davon durchschnittlich einsatzbereit neun Systeme; dies entspricht im Mittel einer ca. 31%igen materiellen Einsatzbereitschaft.
Die geringe materielle Einsatzbereitschaft wird nach wie vor durch die hohe Anzahl von Vorserienhubschraubern, durch fehlende Ersatzteile sowie insbesondere durch fehlende Kapazitäten zur Durchführung der zu aufwändigen Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen beschränkt.
(Archivbild Februar 2017: NH-90 im MINUSMA-Einsatz in der Nähe von Gao in Mali – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
Auf IHS Janes gab es die Tage eine relativ seltsame Meldung.
So soll Safran eine neue Triebwerksfamilie für mittlere Transporthubschrsuber vorgestellt haben.
Das ganze wurde mit einem Foto eines NH90 geschmückt, in der Bildunterschrifft wurde dann auch erwähnt, dass dieses Triebwerk für eben diesen in Frage kommt.
Warum auch immer ? Ist der NH90 nicht ein leichter TH?
Außerdem frage ich mich warum Janes die Meldung erst jetzt bringt obwohl die Pressemitteilung zu den neuen Triebwerken auf der Website on Safran von März 2017 ist.
[Jane’s und erst recht Safran lassen sich hier natürlich verlinken… T.W.]
@Frank | 14. Oktober 2017 – 10:33
„Warum auch immer ? Ist der NH90 nicht ein leichter TH?“
Ja, aber im Zuge der Entwicklung hat sich die Nutzlast so negativ verschoben, dass zahlreiche MAP (Missionsausrüstungspakete) nicht realisierbar sind.
Erst Recht nicht, wenn der zusätzliche ballistische Schutz im Einsatz eingerüstet wird.
Von daher würden stärkere Triebwerke sicherlich nicht schaden!
Weder in NLD noch in BEL derzeit Nutzungseinschränkungen bei NH90 vorhanden.
Habe aber nachgefragt, Antwort steht noch aus, kann über’s WE dauern.
In BEL firmieren die NH 90 übrigens ganz offiziell als „Medium Transport Helicopter (MTH)“ in Heeres- als auch Marineversion (NH 90 – [NFH] Nato Frigate Helicopter).
[Versteh ich jetzt nicht: Wenn nachgefragt und keine Antwort, woher dann die Aussage, dass keine Nutzungseinschränkungen? T.W.]
@T.W.
Weil deren jeweilige homepage dazu keine Aussagen enthält. Wäre irgendwas gegroundet, stünde dazu etwas geschrieben, unterstelle ich.
@KPK
Sie als Privatperson können das gerne so handhaben, ich als Journalist nicht. Also halten wir fest: Ob in den Niederlanden und Belgien derzeit Nutzungseinschränkungen für die NH90 verfügt sind, wissen wir bislang nicht.
(Nur mal als Hinweis: auf der Bundeswehr-Seite steht auch nichts dazu. Nach Ihrer Logik gibt es derzeit keine Einschränkungen für die NH90 der Bundeswehr, was nachweislich nicht stimmt, siehe oben.)
Schleifspuren im Triebwerk deuten erneut auf eine sogenannte „Stagnation“ hin. Da das jetzige Triebwerk wohl eine Fehlkonstruktion ist, sich das Herstellerkonsortium, das auf poltischen Druck gebildet wurde, schon wieder aufgelöst ist oder in Kürze aufgelöst wird, ist die Not nun groß.
Keiner will natürlich zugeben, dass das Triebwerk eine Fehlkonstruktion ist (Stichwort: „Rotor Bow“, also das Durchbiegen der Rotorwelle, aufgrund einseitiger thermischer Belastung in der Abkühlphase). Deshalb versucht man jetzt ein neues Triebwerk zu verkaufen und argumentiert jetzt mit dem erhöhten Abfluggewicht aufgrund der zusätzlichen Missionsausstattung.
Das Ganze wurde hier in Augengeradeaus bis in das kleinste Detail aufbereitet und kann bei entsprechender Ausdauer auch nachgelesen werden.
http://augengeradeaus.net/2014/11/nh90-ein-unfall-ohne-folgen/
Hier gilt es auch einmal Dank an den Kommentator @Vtg-Amtmann zu sagen, der als notorischer Querulant (als positive Anerkennung gemeint !) den Finger eindeutig in die Wunde gelegt hat.
Und als Erklärung zum Nachlesen:
https://www.quora.com/What-is-thermal-bow-in-jet-engines-how-it-can-affects-engine-performance-and-methods-to-control-it
Und der entsprechende Artikel auf der Hauszeitschrift von Safran vom Januar 2014:
https://www.safran-group.com/file/download/safr15_us_web.pdf
(ab Seite 13 zum Nachlesen)
@Klaus-Peter Kaikowsky | 14. Oktober 2017 – 11:06
„In BEL firmieren die NH 90 übrigens ganz offiziell als „Medium Transport Helicopter (MTH)“ in Heeres- als auch Marineversion“
Hm, bei einer Innenlast von 2-3to und einer Außenlast von 4-5to ist das aber ein seltsamer MTW, oder?
Streiche MTW, setze MTH ;)
@Koffer
Ist halt so, siehe http://www.mil.be/nl/search/NH%2090?query=NH%2090 – vierter Eintrag von oben.
De vier NH90’s Medium Transport Helicopter (MTH) hebben voor het eerst een formatievlucht uitgevoerd op donderdag 12 februari 2015.
(Die vier NH90 Mittleren Transporthubschrauber haben (MTH) ihren ersten Formationsflug am Donnerstag 12, Februar 29015 ausgeführt.)
Im ersten und zweiten Eintrag findet allerdings die taktische Zuordnung Verwendung, nämlich: De vier Belgische NH90’s Tactical Transport Helicopter (TTH)
Es gibt auch passend dazu die FRA – sprachige Version.
Der SPIEGEL-Artikel beschreibt einen Zusammenhang der jetzt aufgetretenen Schleifspuren mit „Stagnation“, d.h. Verzug von Triebwerksteilen nach dem Abstellen des Treibwerks, was zu Spielüberbrückung und Schäden (z.B. Schleifspuren) bei einem Neustart führt. Dieses Phänomen ist seit 2014 bekannt und wurde durch verschiedene Maßnahmen adressiert, die augenscheinlich nicht hinreichend sind.
Ein stärkeres Triebwerk, so wünschenswert es unter anderen Aspekten auch sein mag, hätte das Potential, durch höheren Wärmeeintrag in das Triebwerkskompartment das Stagnationsproblem noch zu verschlimmern.
Es führt kein Weg daran vorbei, die Ursachen für die Triebwerksschäden müssen systematisch untersucht, verstanden und behoben werden.
@win
Was heißt den bei Ihnene neues Triebwerk? Wollen sie nur die Brenkammer austauschen, ja dann verzieht sich sehr viel im resttriebwerk…
@Koffer
Manche nennen einen Black Hawk ja auch Transporthubschrauber. Ist vielleicht eher dem geschuldet dass manche zwischen utility und transport unterscheiden und manche nicht.
Als etwas stärker und etwas größer als ein Black Hawk würde der NH90 dann ja eigentlich in die etwas komische Nische des heavy utility Hubschrauber passen.
Ein leichter Transporthubschrauber wäre dann doch eher schon so etwas wie ein H225M.
@Klaus-Peter Kaikowsky | 14. Oktober 2017 – 11:54
„Ist halt so“
Hihi, eine gute Soldatenantwort ;)
Aber inhaltlich wird der Fehler von belgischer Seite dadurch ja nicht besser…
@win | 14. Oktober 2017 – 12:04
„Ein stärkeres Triebwerk, so wünschenswert es unter anderen Aspekten auch sein mag, hätte das Potential, durch höheren Wärmeeintrag in das Triebwerkskompartment das Stagnationsproblem noch zu verschlimmern.“
Ich hatte das befürchtet. Bei den heutigen, komplexen Systemen kann man selten einfach einen Aspekt verbessern ohne negative Auswirkungen auf andere Teilsystem zu haben :(
Ups , da muss ich mich wohl selbst korregieren:
http://www.janes.com/article/74840/safran-helicopter-engines-reveals-new-engine-family-for-rotorcraft
„In its military guise, the Aneto high power engine family will replace the RTM 322 powerplant that currently powers the NH90. Source: IHS Markit/Patrick Allen „.
Da bin ich wohl in die klassische Falle von industrieseitiger tendenziöser Berichterstattung getappt.
Findig wie dieser Patrick Allen so zu sein scheint, hat er nicht gelogen, nur ein paar Wörter ausgelassen.
Richtiger wird der Satz wohl wenn er geschrieben hätte:
In its military guise, the Aneto high power engine family will replace the RTM 322 powerplant inside the Safran product portfolio. The RTM 322 currently powers the NH90, EH101 and WAH 64 Apache.
Dann wäre deutlicher dass es sich nur um Anwendungsfleder wzB. NH90 im allgemeinen geht und nicht spezifisch um den NH90.
In den AW-101 „Merlin“ wird eben Pfalz das Rolls-Royce / Turbomeca RTM322 als Antrieb verwendet.
Warum hört man bei diesen Muster nichts von Triebwerkes Problemen ?
Moin,
SPON veroeffentlicht heute eine weitere Version der Ursachen zum Absturz in Mali:
Die ‚Triebwerksklappen‘ -whateverthatis- sollen sich geloest und die Rotoren beschaedigt haben…..
@ Max Chavez
Dabei bezog ich mich auf:
Koffer | 14. Oktober 2017 – 10:39
„Von daher würden stärkere Triebwerke sicherlich nicht schaden!“
@ Koffer
„Ich hatte das befürchtet. Bei den heutigen, komplexen Systemen kann man selten einfach einen Aspekt verbessern ohne negative Auswirkungen auf andere Teilsystem zu haben :(“
Sie haben ja so recht! Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Triebwerksänderung ist, dass Sie das bestehende System mit all seinen Schwächen verstanden haben. Und auch dann gilt: The engine will tell us…
@Milliway
Das kann man den Kommentaren in dem von Georg verlinkten Threat entnehmen.
Das Problem wird durch die Einbaulage, Größe des Einbauraums etc. beeinflusst.
@Milliiway
Das beim Merlin verwendete Triebwerk verfügt über ein zusätzliches Modul vor dem Verdichter auf das bei der Variante im NH90 fehlt. Also beide sind RTM322 aber unterschiedliche Varianten.
@Milliway:
So ganz ohne Probleme ist der AW-101 mit seinen Triebwerken auch nicht immer:
http://aviationweek.com/defense/denmark-partially-grounds-eh101-over-engine-issues
DER SPIEGEL – „Tiger“ verlor Triebwerksklappen
Neue Erkenntnisse zum Absturz des „Tiger“-Kampfhubschraubers in Mali: Nach SPIEGEL-Informationen hat der Unglücks-Helikopter vor dem Crash die Triebwerksklappen verloren. […]
Quelle: Der Spiegel Magazin No 42 vom 14. Oktober 2017 – Seite 28
Link:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-in-mali-tiger-verlor-triebwerksklappen-vor-absturz-a-1172779.html
Meines Wissens nach lief bis Freitag auch noch die ILÜ. Mich würde da brennend mal interessieren, wann genau das Startverbot erteilt worden ist?
Ein Schelm wer da böses denkt.
Laut SPON hatte der im September in Mali abgestürzte TIGER Triebwerksklappen verloren.
Schleifspuren in der Turbine? Das wäre tatsächlich mal etwas neues …
Wie sieht es jedoch mit den Triebwerken in den Lagerbeständen aus? Können die Schleifspuren in einem zweifelsfreien Zusammenhang mit dem kürzlichen Triebwerksschaden am NH-90 in Mali Ende September gebracht werden? Hat es überhaupt etwas damit zu tun, dass die Triebwerke in sandhaltiger Luft und hoher Außentemperatur betrieben wurden?
@Verpeilt
Morgens ist wohl noch ein NH90 geflogen, nachmittags nicht mehr
Na ja, man/frau kann es auch natürlich auch noch ganz anders sehen!- Ein „neues Triebwerk“ hätte den Vorteil, dass sich wieder mal Gelder aus dem Verteidigungsbudget in Richtung der Rüstungsindustrie bewegen können!
Und vermutlich dürfte auch der (ohnehin gebeulte) Hersteller des NH90 über den notwendigen Anpassungsbedarf und die Zulassung partizipieren!?
Zumal die Triebwerksleistung des RTM322 ohnehin letztendlich dem Endprodukt nicht mehr angemessen war!
Und da das Triebwerk offensichtlich ohnehin aufgrund eines „politischen Wunsches“ in den NH90 Einzug gehalten hat, ließe sich auch dieses (neuerliche) „Upgrade“ für den NH90 super in der Sache verargumentieren!
Erst recht wenn man/frau bedenkt, dass sich mit dem neuen Triebwerk auch bei dem „NH90 Sea Lion“ ein Teil der vermutlichen Einschränkungen im Flugbetrieb aufheben ließe!
Also eine echte „Win-Win-Situation“ für alle Beteiligte!- Die Rüstungsindustrie „darf am NH90 weiter verdienen“, und das BMVg bzw. dessen politischen Führung verliert in Sachen Beschaffung „NH90 Sea Lion“ nicht gänzlich das Gesicht!
Und letztendlich gilt auch hier wieder einmal: „Zahlt ja ohnehin alles der Staat …“
Der im obigen Text verwendete Terminus „Schleifspuren in der Turbine“ ist missverständlich und kann bedeuten:
1. Schleifspuren im Triebwerk, das in seiner Gesamtheit auch als „Turbine“ bezeichnet werden kann.
2. Schleifspuren im Heißteil des Triebwerks, in dem die Energie des Heißgases in Antriebsenergie umgewandelt wird.
Der Text in SPON lässt bisher nur die Interpretation unter 1. zu, außer es gibt zusätzliche Infos, die 2. stützen.
„A US Marine Corps CH-53 transport helicopter experienced engine fire during training flight over Okinawa (Japan) … destroyed by fire after emergency landing … no injuries … US Navy has ordered stand-down for CH-53 until circumstances/causes investigated“ (Marineforum 11 Okt)
Ist doch ganz klar, dass wenn bei einem LFZ eine rechnische Havarie auftritt, deren Ursache man nicht „auf den ersten Blick“ erkennen kann, dann erst einmal die ganze „Flotte“ am Boden bleibt. Liegt wahrscheinlich daran, dass havarierte LFZ nicht einfach in der Luft stehen bleiben sondern stumpf und dumpf aus dem Himmel fallen /cyn.
Von daher verstehe ich den einen oder anderen Kommentar nicht so ganz. General Flugsicherheit hat völlig korrekt und zügig reagiert und mit Blick auf Mali wohl auch mit der gebotenen Prioritätensetzung.
Die gesamte Rüstungsentwicklung der letzten 20 Jahre im Bereich der Luftfahrt ist grausam!!! NH 90, Tiger A400M und Drohne.
Warum haben wir keine Blck Hawk und Apache beschafft. Der A 40M ist ja noch teilweise nachvollziehbar. Aber die Truppe braucht funktionsfähige Technik und im Bereich Hubschrauber ist Europa einfach zu untauglich.
Frage was ist den mit dem Tiger genau nun gewesen. Vermutlich war der Tiger nicht für die Wüste ausgelegt. Ha man wohl vergessen.
Es ist eine Schande was der Truppe für Technik angedreht wird.
Auch derFuhrpark an LKW ist ja ein Nirvana. Warum wir nicht ein Typ beschafft. Nein wir haben Mercedes, MAN , IVECO …… Da freut sich die Inst und der Nachschub .
In de rIndustrie wird seit langen schon das LEGO System umgesetzt. Schon peinlich was bei der Bundeswehr so läuft.
In den letzten Threads zum Thema wurde doch erklärt, dass das Problem nicht beim Triebwerk zu suchen ist sondern im Einbauort begründet liegt?
Damit erübrigt sich auch eine Diskussion über ein neues Triebwerk, vielmehr müsste man doch den Teil der Hubschrauberzelle rund ums Triebwerk ändern? Das dürfte nicht so einfach sein.
re: TomTom
Ist der Einbauort beim General Electric CT7 8F5 der spanischen HT-29 Caimán
denn so anders …
@ Win
Gemeint sind die Schleifspuren im Verdichterteil (Compressor) der Turbine
@ TomTom
Ja und nein. Der Einfluss des „Rotor Bow“ Effekts aufgrund von Stauhitze nach dem Abschalten des Triebwerks, hängt natürlich auch vom Spaltmaß der Verdichterschaufeln zum Rotorgehäuse ab. Je höher die Verdichtung und je geringer die Anzahl der Verdichterstufen (RTM 322, 4 Stück), desto geringer ist das Spaltmaß.
Also hohe Leistungsforderung mit kompakten Triebwerksabmessungen machen ein Triebwerk besonders anfällig für den „Rotor Bow“ Effekt, da dann eine hohe Verdichtung bei jeder Stufe erzielt werden muss.
Abhilfemaßnahme: Das Triebwerk nach dem Gebrauch runterkühlen, z.B 10 Min im Leerlauf drehen lassen und natürlich niedrige Aussentemperatur, wenig Sonneneinstrahlung auf die Verkleidung, gute Wärmeabfuhr (konstruktiv) usw.
Mali ist nicht der ideale Einsatzort für Turbinentriebwerke….
Als Ergänzung zu meinem Beitrag von 15:13Uhr der Prospekt für das RTM 322 Triebwerk von Safran mit der Schnittzeichnung auf Seite 2
https://www.safran-helicopter-engines.com/sites/turbomeca/files/rtm322_-_sale_brochure_0.pdf
Die letzten Beiträge weisen in Richtung der Triebwerksintegration, für die eine bekannte Firma in Donauwörth zuständig ist. Die Gefahr bei „moderner“ Triebwerksintegration ist, dass zu viel gerechnet (relativ kostengünstig) und zu wenig erprobt wird (teuer, zeitaufwändig und erfahrungsbasiert).
Wie @TomTom schon angemerkt hat: Wenn in einem späten Entwicklungsstadium oder gar in der Serie ein Showstopper wie Rotorbow auftritt, ist das Übel – mit vertretbarem Aufwand – nicht mehr an der Wurzel zu packen. Dann schlägt die Stunde der Gesundbeter und der Scheinlösungen, wie wir sie bzgl. Stagnation seit 2010 erleben.
Zudem handelt es sich um ein Musterbeispiel eines Schnittstellenproblems (Zelle – Triebwerk), das geradezu dazu einlädt, sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe zu schieben. Eine Diskussion, ob der Fehler an der Zelle oder am Triebwerk liegt, ist müßig – das Gesamtsystem wurde offensichtlich nicht hinreichend erprobt.
Hier fehlt ein starker Kunde mit genügend technischem Know how, um solche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und umzusteuern.
re: win
Und weil das so ist bietet sich die Integration eines „neuen Triebwerktyps“ (aus Fehlern sollte man/frau ja lernen können!?) im NH90 geradezu an,- um aus dem Dilemma für alle Beteiligten gesichtswahrend herauszukommen!
Wobei ich mir immer noch die Frage stelle, warum es mit dem General Electric CT7 8F5 des spanischen HT-29 Caimán keine vergleichbaren Probleme gibt …
..
@ audio001
Das General Electric Triebwerk CT7 8F5 des spanischen Caiman Hubschraubers spielt in einer anderen Klasse als das RTM 322 der deutschen NH 90 – Versionen. Es hat bis zu 3000 Wellen PS (SHP) anstatt den 2231 SHP des Turbumecca RTM 322 als maximale Startleistung. Es wird ausser bei den spanischen Caiman-Hubschraubern bei den US101 Präsidentenhubschraubern verwendet.
Es basiert auf der GE T700 Familie, wovon mittlerweile über 20000 Triebwerke gebaut wurden. Die T 700 Familie hat einen 6 stufigen Compressor, Verdichter (5 Axial, 1 Radial-Stufe) mit einem Overall pressure Ratio (Verdichtungsverhältnis) von 17.
Das RTM 322 hat einen 4 stufigen Compressor, Verdichter (3 Axial, 1 Radial-Stufe) mit einem vermutlich sehr ähnlichen Verdichtungsverhältnis.
Das bedeutet jede der 4 Stufen muss eine individuell höhere Verdichtungsleistung des angesaugten Luftstromes erbringen als bei dem T700 Triebwerk. Dies bedingt konstruktiv ein geringeres Spaltmaß zwischen den Verdichterschaufeln und dem Gehäuse, bzw dem Stator. Wenn sich jetzt die Rotorwelle beim Abkühlen verbiegt, was mehr oder weniger systemimmanent bei jedem Triebwerk ist, dann kommt es beim RTM 322 eher zum Schleifen der Verdichterschaufeln am Gehäuse des Triebwerks (compressor rubbing), als beim T700.
Das jetzt von SAFRAN ins Gespräch gebrachte neue Triebwerk für den NH-90 soll auch in der 3000 SHP Klasse liegen.
re Georg
Deshalb stellt sich zwangsläufig die Frage, warum das General Electric Triebwerk CT7 8F5 nicht Verwendung findet,- z.B. bei den auszuliefernden Sea Lion …
@ audio001
Die Antwort ergibt sich schon fast von selbst.
General Electric ist ein amerikanisches Unternehmen und die deutsche Regierung möchte ein französisches Triebwerk (Return of Investment) für die neuen Sea Lion, zwecks der deutsch-französischen Achse.
Das T700 könnte ja sofort eingerüstet werden, es tut ja auch beim italienischen NH90 seinen Dienst! (… und der EH101)
Auch da gibt es deutsche Beteiligung von Seiten MTU. Als BMW im Juni 2000 zur ILA die Abspaltung der Tochter RollsRoyce bekannt gab, führte dieses zu kurzfristigen Überlegungen zum Wechsel. Erst als RR garantierte in Deutschland zu bleiben, wurde der Serienvertrag am 30. Juni 2000 ratifiziert!
Und seit 2013 hat RR seinen Anteil am RT322 an Turbomecca / Safran verkauft !
Georg | 16. Oktober 2017 – 18:09
„…zwecks der deutsch-französischen Achse.“
na dann müssen wir wohl zwecks wünschenswerter Entlastung der schon arg verbogenen deutsch-französischen Achse eine minimale und nur sporadisch auftretende Krümmung der Rotorwelle in Kauf nehmen. Kennen unsere Politiker überhaupt den Unterschied zwischen einer Achse und einer Welle?
Kleiner Techniker-Kalauer, ich geh‘ schon wieder….
Ein kleiner Hinweis:
Die Firmenbezeichnung bitte nicht von „meccern“ :-) ableiten. Es muss Turbomeca heißen.
Zur Klarstellung geht es hier nicht um den altbekannten „thermal bow“ der Welle …
Hier geht es um Schleifspuren an der ersten Stufe der Highpressure Turbine sprich Arbeitsturbine unten an der Schaufelwurzel …
Nach der Technik und gültiger Vorschrift darf dort keinerlei Abriebspur zu sehen sein, wenn ja dann Triebwerk runter vom Hubschrauber !
Der Hersteller erklärt gegenwärtig die Spuren dort seien bekannt und werden mit einer neuen Fassung der Vorschrift erfasst.
Unklar ist wie groß die Toleranz gegenwärtig sein sollte … und wie man die messen könnte per Boroskopie, sprich welche Triebwerke sind innerhalb oder ausserhalb der Toleranz ?
Man wartet auf eine Erklärung bzw. Regelung, bis dahin fliegen nur „abriebfreie“ Triebwerke, aber wann reiben sie denn nun an der Leitschaufelwurzel ???
Die Truppe wartet auf verlässliche Regelung und es sind mehr als 50% der Triebwerke betroffen, wobei Sand und/oder Staub keine Rolle spielen und auch nicht die Laufzeit der Aggregate … sehr spannend und befremdlich die Angelegenheit !
@ SER
Sehr interessante Info !
Wie kann denn an der Schaufelwurzel der Highpressure Arbeitsturbine (in der unten angehängten Schnittzeichung „Gas Generator Turbine“ genannt) eine Schleifspur entstehen ?
Wenn es dort an der Schaufelwurzel, also am Beginn der Turbinenschaufeln eine Schleifspur gibt, dann müsste doch ein Fremdkörper im Triebwerksinnenbereich vorhanden sein, der den Abrieb verursacht, oder ?
Also wenn die Schleifspuren bei mehr als 50 % der Triebwerke genau an den gleichen Stellen auftreten, dann kann es kein zufälliges Ereignis sein, sondern muss einen nachvollziehbaren Grund haben und den gilt es zu erkennen, bevor die Triebwerke wieder freigegeben werden.
Auch wenn die Industrie die Vorschrift ändern sollte und formal eine Freigabe erfolgen kann, dann gibt es immer noch keine Erklärung für die Schleifspuren und dieser Grund sollte eigentlich vor einer event. Freigabe geklärt sein.
https://www.safran-helicopter-engines.com/sites/turbomeca/files/rtm322_-_sale_brochure_0.pdf
@SER
Danke für Ihre Klarstellungen. Dann wäre zumindest dieser Teil des SPON-Berichts, der einen möglichen Zusammenhang mit Stagnation herstellt, fragwürdig:
„Bei den bisher überprüften Triebwerken hätten sich keine ähnlichen Schäden, die auf eine vorherige Stagnation hinweisen könnten, gefunden.“
Rotor-Stator-Kontakt an dieser Stelle ist ein absolutes No-go, egal wie tief der Abrieb war: Die Schutzschicht der Bauteile kann durchbrochen werden, die örtliche Überhitzung kann Thermoermüdungsrisse verursachen und vor allem ist dies ein Hinweis auf ein unkontrolliertes Betriebsverhalten des Triebwerks.
Sie berichten, die Spuren seien dem Hersteller bekannt und es sind mehr als 50% der Triebwerke betroffen – demnach wäre der Hersteller nicht in der Lage, die Ursache zu beheben.
Bedeuten Ihre Fragen, dass die Schleifspuren durch Boroskopie nicht einwandfrei optisch erkennbar sind? Wie kommt man dann auf die 50%?
Schleifspuren? Erosion kann man sich ja vorstellen, auch Schleifen am Gehäuse, aber Schleifen an der Wurzel?
Ich weiß, dass dieses Thema nicht gut ankommt, aber da das in der Bundeswehr in der Ausprägung einzigartige Aufkommen von Stagnationsevents überwiegend daher rührte, dass die durch den Hersteller herausgegebenen Prozeduren durch einige Besatzungen eine ganze Zeit lang nicht oder nicht in korrekter Art und Weise angewandt wurden, sollte auch hier ergebnisoffen in alle nicht nur technischen Richtungen nach der Ursache gesucht werden. Die oben angesprochene, grundsätzlich thermisch induzierte, Wellenauslenkung hat neben der klassischen Ursache der ungleichen Temperaturverteilung nach Abstellen des Triebwerks, hier noch eine weitere Ursache. Die einzelnen Module und Stufen des Triebwerks sind überwiegend nicht durch Schraubverbindungen/Flansche miteinander verbunden sondern durch verzahnte Elemente (Curvic Couplings). Diese Courvic Coulpings neigen im Prozess der Abkühlung dazu sich mechanisch zu verspannen und somit zusätzlich zu einer Wellenauslenkung beizutragen. Das zur Prävention von Stagnation durch den Hersteller in bestimmten Zeitfenstern – in Deutschland nach den gemachten Erfahrungen pilotensicher grundsätzlich – vorgeschriebene Ventilieren des Triebwerks, führt somit nicht nur zu einer gleichmäßigeren Temperaturverteilung durch Luftumwälzung, sondern soll auch dazu dienen die mechanischen Verspannungen der Curvic Couplings zu lösen. Meiner Auffassung nach ist auf den durch Georg verlinkten Schnittbildern sehr gut zu sehen, dass das RTM322 in diesem Bereich eine Designschwäche hat, da man auf der gesamten Distanz zwischen Beginn Verdichter bis zur Niederdruckturbine auf weitere Lager verzichtet hat. Das als einer der Väter des RTM322 geltende Twk GEM, das u.a. in der Sea Lynx verbaut ist, hat bei prinzipiell gleichem Aufbau in diesem Bereich zwei weitere Lager. Unabhängig davon ist alles was oben über den Einfluss des NH90 Einbauraumes gesagt wurde aus meiner Sicht korrekt. Das Stagnationsproblem ließ sich bei den dazu angestellten Untersuchungen auf Prüfständen erst dann prinzipiell reproduzieren, als man den NH90 Einbauraum simulierte. Dann übrigens auch, wenn auch in abgeschwächter Form, mit anderen Varianten des RTM322. In wie weit die nun offenbar in der Turbine aufgetauchten Schleifspuren ebenfalls mit dieser Designschwäche zu tun haben, wird derzeit sicherlich untersucht. Hinsichtlich der hier ebenfalls häufiger angeprochenen Leistungssteigerung eines NH90 sei anzumerken, das abgesehen von Hot & High Bedingungen insbesondere das Hauptgetriebe des NH90 der limitierende Faktor ist. Aufgrund stetiger Steigerung des Abfluggewichts während der Entwickung und weiteren Steigerungen des Durchschnittsgewichtes in der Realisierungsphase hat die MGB ihr Aufwuchspotential bereits ausgeschöpft. Eine Leistungssteigerung des Triebwerks allein hätte somit abgesehen von Randbereichen der Enveloppe keine nennenswerten Vorteile. Da ansonsten Leistungssteigerung in der Regel auch Gewichtsaufwuchs einzelner Komponenten bedeutet und gerade strukturell der NH90 hier ohnehin spürbar hinter den ursprünglichen Forderungen zurückbleibt (Beispiel Main Crane & Rear Crane), habe ich persönlich wenig Hoffnung, dass sich mit vertretbarem Aufwand verwertbare Leistungs- und Nutzlaststeigerungen erzielen lassen.
Die Schleifspuren sind eindeutig zu boroskopieren, aber die Firma sagt bis 0,2mm sei das völlig in Ordnung. Nur wer kann das jetzt nachmessen ?
Mir ist eine solche Spur nicht bekannt von anderen Triebwerken und meine auch sie darf nicht sein !
Erst ab einer Länge ab Mitte Schaufelwurzel sei dies ebenfalls außerhalb Toleranz nach der Firma … also weitermachen wie bisher ist angesagt !
@SER
Sie sprechen von Schaufelwurzel, handelt es sich um integrale Turbinenräder (Scheibe und Schaufeln aus EINEM Stück)? Bei Einzelschaufeln spricht man von Schaufelblatt, Fußplattform und Schaufelfuß.
Wenn der Hersteller kein geeignetes Messverfahren für die 0,2 mm angibt, schiebt er auf diese Weise die Verantwortung dem Wartungspersonal zu. Solange kein zuverlässiges Messverfahren vorliegt, sollten auch weiterhin nur „abriebfreie“ Triebwerke fliegen, denn niemand kann garantieren, dass die 0,2 mm eingehalten werden.
Da die 0,2 mm nach Ihrer Darstellung im Wartungshandbuch nicht zugelassen sind, handelt es sich um ein nachträgliches „Gesundbeten“, für das ich einen Nachweis fordern würde.
Last not least: Wie sieht denn das Bauteil aus, gegen das die Schaufeln laufen? Wie kritisch ist das und was ist da zulässig?