Nach Tiger-Absturz in Mali: Airbus überarbeitet Hinweise für Flug mit Autopilot (Neufassung)

Nach dem Absturz eines Tiger-Kampfhubschraubers der Bundeswehr in Mali am 26. Juli hat die Herstellerfirma Airbus Helicopters die technische Anweisung für den Flug mit dem Automatic Flight Control System (laienhaft: dem Autopiloten) des Tiger überarbeitet. Die Besatzung müsse sich bei möglichen Turbulenzen auf eine schnelle Umstellung vom automatischen auf den manuellen Flugbetrieb einstellen, heißt es in dem Alert Service Bulletin, das an die Streitkräfte der Nutzernationen Deutschland, Frankreich, Spanien und Australien versandt wurde.

Zugleich betonte Airbus, mit diesem technischen Hinweis  sei keine Aussage über die Ursache des Unfalls in Mali verbunden, bei dem der Hubschrauber plötzlich senkrecht abkippte und zu Boden stürzte. Allerdings könne die unerwartete Umstellung während des Fluges nach derzeitigem Kenntnisstand …  zum Unfall mit beigetragen haben, heißt es in dem Bulletin.

Die Untersuchungsgremien der Bundeswehr hatten bei einer Besprechung am vergangenen Freitag festgestellt, dass die Ursache des Absturzes, bei dem zwei deutsche Soldaten ums Leben kamen, weiterhin ungeklärt sei und dass deshalb die Beschränkung von Tiger-Flügen auf Unterstützung bei Gefahr für Leib und Leben aufrecht erhalten werde.

Aus der deutschen Fassung der Technischen Mitteilung von Airbus:

Während eines UN-Einsatzes verlor ein Tiger während eines Hochgeschwindigkeitsfluges mit atmosphärischen thermischen Aktivitäten und den damit verbundenen Turbulenzen seine Stabilisierungsfähigkeit. Durch die Steuersignale des AFCS („Automatic Flight Control System“) zur Beibehaltung der gewählten Flughöhe, wurde der mechanische Anschlag des Flugsteuerungsbereichs erreicht. Infolgedessen wurde vom automatischen AFCS-Modus in den manuellen Stabilisierungsmodus umgeschalten. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann dies zum Unfall mit beigetragen haben.
Zweck der vorliegenden Technischen Mitteilung ist es, den entsprechenden im UHT-Flughandbuch aufgeführten Sicherheitshinweis und die Vorgehensweise gegenüber allen Besatzungen zu betonen und auf die Flughandbücher aller TIGER-Varianten zu übernehmen.
(…)
Hervorhebung des UHT-Sicherheitshinweises für alle Tiger Besatzungen
Die folgende Vorgehensweise aus dem UHT-Flughandbuch ist bei Turbulenzen strikt einzuhalten:
ACHTUNG
THE PILOT SHOULD NOT INTENTIONALLY ENTER AREAS WITH MORE THAN MODERATE TURBULENCE DURING FLIGHT. AS SOON AS TURBULENCE IS ENCOUNTERED REDUCE AIRSPEED AS MUCH AS PRACTICABLE TO STAY WITHIN LIMITS OF AIRSPEED. FLIGHT THROUGH AREAS OF SEVERE TURBULENCE SHOULD BE AVOIDED.
As turbulence levels increase to moderate buffeting, cruise airspeeds should be reduced for comfort, and reduced blade stall effects. If moderate to severe turbulence is unavoidably encountered, the pilot should not attempt to maintain a definite altitude. All attention should be directed to maintaining track and a level attitude indication. Descents should be made at a low rate-of-descent and comfortable cruise speeds.
(…)
Konsequenzen für den Gebrauch des AFCS
Der in § 4.1 aufgeführte Sicherheitshinweis bedeutet, dass beim Betrieb im AFCS-Modus unter derartigen Verhältnissen der Pilot entweder „attentive hands off“ oder sogar „attentive hands on“ fliegen soll, je nach Einschätzung des Piloten. Der Grund dafür ist, dass der Pilot dann einen möglichen Wechsel vom automatischen AFCS in den manuellen Stabilisierungsmodus schneller erkennen kann.

In einer Mitteilung zu dem technischen Bulletin betonte das Unternehmen, es gehe dabei um eine Vorsichtsmaßnahme für alle Varianten des Kampfhubschraubers:

Airbus Helicopters hat ein Alert Service Bulletin (ASB) herausgegeben, um die Tiger-Nutzer über relevante Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Unfall in Mali zu informieren. Dieses ASB ruft zu einer Harmonisierung der Flughandbücher aller Tiger-Varianten bezüglich des Flugs in Turbulenzen auf.
Konkret wollen wir die Flughandbücher vereinheitlichen und daran erinnern, dass die Crew bei Nutzung des Autopiloten im turbulenten Luftraum ihre Aufmerksamkeit an die Umweltbedingungen anpassen muss.
Dies ist keine Aussage über mögliche Unfallursachen, sondern eine Vorsichtsmaßnahme, um die Sicherheit der gesamten Tiger-Flotte weiter zu erhöhen.
Nach unserem derzeitigen Wissen gibt es zudem keine Parallelen zwischen dem Unfall in Mali und dem Szenario, das 2016 in Norwegen zum Absturz einer H225 führte.

Nach Informationen von Augen geradeaus! ist die Aufforderung zum Verhalten beim Flug in Turbulenzen allerdings in den Flughandbüchern für die deutschen Tiger-Kampfhubschrauber bereits enthalten, insofern betrifft die Warnung die Bundeswehr nicht direkt. Airbus hatte bereits im August eine Sicherheitswarnung herausgegeben, in der alle Tiger-Versionen vorsorglich für unsicher erklärt wurden, auch vor dem Hintergrund, dass die Ursache unklar ist.

Die Hypothese, dass unvorhergesehene Turbulenzen zum Absturz der Maschine führten, ist eine der möglichen Erklärungen für den Unfall, denen die Bundeswehr nachgeht.

Für das Untersuchungsgremium der Streitkräfte reichen aber die bisherigen Erkenntnisse für eine belastbare Aussage nicht aus, wie aus einem Vermerk zu der Sitzung hervorgeht:

Am 1.9.2017 fand unter Leitung General Flugsicherheit der Bundeswehr ein Flugsicherheitsausschuss (FSA) zum Thema „Flugunfall mit Kampfhubschrauber Tiger 74-29“ statt, mit dem Ziel, Rahmenbedingungen für eine Wiederaufnahme des Flugbetriebes zu definieren.
Der FSA wurde jedoch ohne Empfehlung unterbrochen, da der derzeitige Informationsstand zur möglichen Unfallursache nicht ausreichend ist, um eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs mit Kampfhubschrauber Tiger zu ermöglichen.
Somit gibt es keine wesentliche Lageänderung hinsichtlich einer möglichen Unfallursache und die restriktive Handhabung von Flügen mit Kampfhubschrauber Tiger wird beibehalten.

(Archivbild: Ankunft der ersten zwei Kampfhubschrauber des Typs Tiger in Gao/Mali im Rahmen der UN-Mission MINUSMA am 25.03.2017 – Bundeswehr/Marc Tessensohn)