Kommende Nacht: Trumps Kurs für den Krieg in Afghanistan

US-Präsident Donald Trump wird in der kommenden Nacht (03.00 Uhr deutscher Zeit am 22. August) eine (bislang) seltene Rede an die Nation halten, in der es auch um die künftige Strategie der USA in Afghanistan gehen soll. Die Rede selbst – hier im Livestream – wird uns am morgigen Dienstag vermutlich länger beschäftigen, im Hinblick darauf ein kurzer Überblick, was es bislang so an Informationen dazu gibt.

Die ersten Hinweise auf das weitere Vorgehen in Afghanistan, das Trump mit engen Beratern am vergangenen Wochenende im präsidialen Urlaubssitz Camp David (Foto oben) besprochen hatte, kamen von Verteidigungsminister James Mattis am Sonntag, wie AP berichtete:

U.S. Defense Secretary Jim Mattis said Sunday he is satisfied with how the administration formulated its new Afghanistan war strategy. But he refused to talk about the new policy until it was disclosed by President Donald Trump.

He said the deliberations, including talks at the Camp David presidential retreat on Friday, were done properly. (..)
Months ago, Trump gave Mattis authority to set U.S. troop levels in Afghanistan, but Mattis said he has not yet sent significant additional numbers. He has said he would wait for Trump to set the strategic direction first.

Nach den Berichten mehrerer US-Medien wird allgemein erwartet, dass der Präsident eine Erhöhung der US-Truppen in Afghanistan von derzeit rund 8.400 um 3.000 bis 4.000 Soldaten anordnen wird:

President Trump, who has been accused by lawmakers of dragging his feet on Afghanistan, has settled on a new strategy to carry on the nearly 16-year-old conflict there, administration officials said Sunday. The move, following a detailed review, is likely to open the door to the deployment of several thousand troops.

berichtete zum Beispiel die New York Times.

Interessant wird nicht nur die absolute Zahl, sondern auch, welche möglichen zusätzlichen oder anderen Aufgaben mit der höheren Truppenstärke verbunden werden. Das wird dann auch Auswirkungen auf die NATO-geführte Resolute Support Mission haben, deren größter Truppensteller die USA sind, und damit auch auf Deutschland als zweitgrößten Truppensteller mit knapp 1.000 Soldaten.

(Am Rande erwähnt: Bei dem Gespräch in Camp David waren weder der Kommandeur des für Afghanistan zuständigen Central Command, General Joseph Votel, noch der Kommandeur der US-Truppen am Hindukusch und zugleich Resolute-Support-Commander General John Nicholson dabei, wie AP anmerkt. Nach Berichten mehrerer US-Medien hat Trump in seiner ganzen bisherigen Amtszeit noch kein einziges Mal mit Nicholson gesprochen.)

(Nachtrag: Das gehört auch noch hier rein: Eine Übersicht aus dem vergangenen Jahr – die Truppenstärke der USA in Afghanistan, von 2001 bis zum Ende der Amtszeit von Trump-Vorgänger Barack Obama.)

Erwartungen an eine veränderte Strategie für den US-Krieg in Afghanistan, über die reine Truppenaufstockung hinaus, hat das Small Wars Journal hier zusammengefasst:

The premature withdrawal from Iraq in 2011 paved the way for the rise of the Islamic State, which evolved into an international menace after overrunning much of Iraq and Syria. A similar scenario could have unfolded in Central and South Asia. The Taliban-led insurgency currently contests or controls more territory today than in years. And a withdrawal would have cleared the jihadists’ path to take even more ground, possibly leading to dire ramifications throughout the region. (…)
But if America is really going to put the Afghan government on the path to victory, then the Trump administration will have to learn from the mistakes of its predecessors. In particular, the US government needs to drastically reassess America’s jihadist enemies and avoid the policy pitfalls of the past.

Die Bundesregierung sieht das bisherige Konzept der NATO-Mission als erfolgreich und keine Notwendigkeit zur Veränderung, ebensowenig zu einer Erhöhung der deutschen Truppenzahl in Afghanistan. Vor der Bundespressekonferenz dazu der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, und der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Boris Nannt:

 

BPK_Afghanistan_21aug2017     

 

 

Transkript des Audios:

Frage : Herr Schäfer, der US-Präsident hat ja für kommende Nacht deutscher Zeit eine mehr oder weniger grundsätzliche Aussage zu Afghanistan – Strategie, Truppenstärke usw. – angekündigt. War die Bundesregierung entweder über die Nato, bilateral oder in welcher Form auch immer in irgendwelche Beratungen oder Überlegungen eingebunden? Hat es die nach Kenntnis der Bundesregierung mit Alliierten, die auch an der Mission in Afghanistan beteiligt sind, überhaupt gegeben?

Schäfer: Es läuft auch dieses Jahr und auch unter dem Präsidenten Trump so wie in allen vergangenen Jahren, dass es unter dem Dach der Nato nicht nur ein gemeinsames Mandat gibt, sondern auch gemeinsame Beratungen über das, was im jeweils abgelaufenen Zeitraum gut funktioniert hat, über das, was man vielleicht noch besser machen kann, oder über das, was in der Strategie angepasst werden muss. In diesem Rahmen hat Deutschland als einer der wichtigsten Truppensteller für Afghanistan natürlich sowohl in den Gremien in Brüssel, in denen das beraten worden ist, als auch genauso gegenüber den Verantwortlichen in Washington klargemacht, wie wir uns das vorstellen würden. Deshalb gehen wir doch davon aus, dass das, was der Präsident heute verkünden wird, mindestens auf der Grundlage dessen geschieht, was wir und andere Partner in den Entscheidungsprozess im Weißen Haus und in Washington eingefüttert haben. Was der amerikanische Präsident jetzt heute Nacht sagen wird, weiß ich beim besten Willen genauso wenig wie Sie.

Zusatzfrage : Heißt das, es gibt bislang keine vorherige Information der Verbündeten?

Schäfer: Es ist ein Fehler von mir, dass ich nicht noch einmal bei den Kollegen nachgefragt habe. Ich halte es für möglich, dass es sie gibt. Ich weiß es nur zurzeit nicht.

Üblicherweise ist es so, dass man über solche Entscheidungen im Vorfeld unterrichtet wird. Ob das jetzt der Fall gewesen ist, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es ist eine Nachlässigkeit von mir, dass ich vorab nicht nachgefragt habe. Das hätte ich machen sollen. Ich checke das, Herr Wiegold.

Frage : Herr Schäfer, damit wir das morgen vergleichen können, nennen Sie uns doch einmal die Vorstellung der Bundesregierung, wie es mit der Afghanistan-Strategie weitergehen soll. Dann können wir morgen hören, was Herr Trump dazu sagt.

Schäfer: Ich glaube, wir warten jetzt erst einmal ab, was der amerikanische Präsident entscheidet.

Zusatz (akustisch unverständlich)

Schäfer: Darf ich oder wollen Sie mich jetzt schon unterbrechen?

Es ist doch völlig offensichtlich, dass die Amerikaner als der mit weitem Abstand größte Truppensteller großen Einfluss auf das haben, was geschieht. Es gibt bereits, Herr Jung, einige öffentliche Äußerungen – unter anderem der Bundeskanzlerin, aber auch des Außenministers – zum Thema Afghanistan und Aufstellung der internationalen Staatengemeinschaft mit militärischer Präsenz in Afghanistan. Wir sind der Auffassung, dass wir mit dem bisherigen Konzept, nämlich der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitsbehörden, an die Polizei und das Militär, und mit einer Unterstützungs-, Beratungs- und Dienstleistungsfunktion richtig aufgestellt sind.

Nachdem wir den Afghanen im letzten Jahr die Sicherheitsverantwortung sukzessive in den verschiedenen Regionen des Landes überlassen haben, haben sie ganz überwiegend gute Arbeit geleistet, schwierige Arbeit geleistet und dafür auch einen hohen Blutzoll bezahlt, eben weil die Insurgenz sich mit den afghanischen Sicherheitskräften in manchen Teilen Afghanistans in einer Art Pattsituation befindet. Beiden Seiten gelingt es nicht, entscheidende militärische Durchbrüche zu erzielen, sodass man ständig miteinander an unterschiedlichen Stellen kämpft.

Das Konzept der Bundesregierung und der Partner sieht vor, dass wir genau auf dieser strategischen Linie fortfahren, dass wir die afghanischen Sicherheitskräfte in dem, was sie tun, stärken, unterstützen, ausbilden und kräftigen und dass wir durchaus bereit sind, auf diese Art und Weise im Rahmen des geltenden Mandats des Deutschen Bundestags gemeinsam mit den Amerikanern und anderen Partnern in Afghanistan weiter militärisch präsent zu bleiben.

Zusatzfrage : Eine riesengroße Mehrheit der Deutschen wünscht sich einen Abzug der Truppen aus Afghanistan. Das kommt für die Bundesregierung weiterhin nicht infrage. Korrekt?

Schäfer: Das, was ich Ihnen für die Bundesregierung dazu sagen kann, habe ich Ihnen gesagt. An dieser Stelle haben wir über das Thema Afghanistan schon ganz häufig geredet. Sie haben von dieser Stelle nie etwas anderes gehört, als dass Afghanistan niemals wieder zu einer Brutstätte des internationalen Terrorismus werden darf, wie es das vor 2001 gewesen ist, und dass Afghanistan bis auf Weiteres ganz viel Unterstützung auf dem Weg, sich selbst zu stabilisieren, braucht, um eben nicht mehr eine Gefahr für die internationale Gemeinschaft zu sein. Dazu gehört aus Sicht der Bundesregierung ein ganzes Spektrum von Unterstützungsmaßnahmen: entwicklungspolitische, politische, wirtschaftliche, regionalpolitische, aber eben auch militärische.

Frage: Nur noch ergänzend: Herr Nannt, hat es möglicherweise auf dem militärischen oder auch auf dem politischen Strang – Ihre Ministerin hat ja mit Herrn Mattis relativ engen Kontakt – eine Vorabinformation gegeben?

Sowohl an AA als auch BMVg: Hat es seit der Besprechung in Camp David noch einmal ein Signal gegeben, dass Deutschland möglicherweise in die Pflicht genommen werden soll, mehr Soldaten zu schicken? Das ist ja die entscheidende Frage, zu der sich die Bundeskanzlerin mal geäußert hatte: Wir sehen uns – ich paraphrasiere – nicht in der Pflicht oder nicht als Erste, die gefragt werden sollen. – Hat es da noch einmal Signale in Richtung „Ihr müsst vielleicht doch etwas machen“ gegeben?

Nannt: Zu Ihrer ersten Frage: Dazu habe ich keine Erkenntnisse. Insofern kann ich Ihnen dazu nichts berichten.

Zu Ihrer zweiten Frage: Letztendlich haben Sie gerade ja schon die Einlassungen dargestellt. Die Position ist unverändert. Die Kanzlerin hat sich dazu schon vor Wochen eingelassen. Auch wir haben das hier in der Bundespressekonferenz schon mehrfach diskutiert. Wir haben vor einiger Zeit unser Engagement erhöht und sind dort auch im Rahmen der Truppenstellerkonferenz engagiert.

Letztendlich geht es um das, was Herr Schäfer gerade gesagt hat, nämlich die Sicherheitsstrukturen zu stärken. Das machen wir. Das haben wir in der Vergangenheit schon gemacht, und das werden wir bis zum Ende des Mandats weiterhin leisten.

Zur Rede selbst dann mehr am Dienstag.

(Foto: President Donald J. Trump and Vice President Mike Pence at Camp David | August 18, 2017 – Official White House Photo by Joyce N. Boghosian/Public Domain)