Nach Vorfällen in Pfullendorf: Kein Strafverfahren wg. Sexualstraftaten (Nachtrag)

Die Vorfälle am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf, bei denen es zu Schikanen und Misshandlungen kam, werden – zum Teil – keine strafrechtlichen Folgen haben. Die zuständige Staatsanwaltschaft Hechingen stellte die Ermittlungen wegen angeblicher sexuell-sadistischer Praktiken bei der Sanitäterausbildungein, teilte die Behörde am (heutigen) Mittwoch mit.  Ein Ermittlungsverfahren wegen sadistischer Aufnahmerituale bei den Mannschaften werde dagegen fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium betonte, die diziplinaren Ermittlungen liefen auf einem anderen Strang (s.u.)

Des absehbar großen Interesses wegen die Mitteilung der Staatsanwaltschaft im Wortlaut:

Vorgänge in der Staufer-Kaserne der Bundeswehr in Pfullendorf
Bei der Staatsanwaltschaft Hechingen werden im Zusammenhang mit möglichen Vorfällen in der Bundeswehrkaserne in Pfullendorf zwei Verfahren geführt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese Verfahren allein eine strafrechtliche Prüfung zum Gegenstand haben.

1. Ein Verfahren bezieht sich auf angebliche Praktiken bei der Kampfsanitäterausbildung.
Gegenstand dieses Verfahrens war der öffentlich erhobene Vorwurf, in der Staufer-Kaserne seien sexuell-sadistische Praktiken an der Tagesordnung gewesen. So hätten sich Rekruten vor den Kameraden nackt ausziehen müssen und seien hierbei gefilmt worden. Auch seien durch die Ausbilder medizinisch unsinnige und sexuell motivierte Übungen vollzogen worden. Des Weiteren wurde in den Medien berichtet, dass Ausbilder Soldatinnen an einer Pole-Stange hätten vortanzen lassen und sie dabei im Genitalbereich abgetastet.
Eine Durchsicht und Prüfung der maßgeblichen Unterlagen der Bundeswehr ergab jedoch keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten. Mit Verfügung vom 15.05.2017 wurde daher kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Tatbestände von Strafvorschriften gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder nach sonstigen Strafvorschriften wurden nicht verwirklicht.
Die umfangreichen sorgfältigen internen Ermittlungen der Bundeswehr haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Lehrgangsteilnehmer im Rahmen der Kampfsanitäterausbildung zu sexuellen Handlungen genötigt wurden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die praktizierten Ausbildungsmethoden den Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr widersprochen haben.
Ebenfalls haben die Ermittlungen der Bundeswehr keinen Nachweis dafür erbracht, dass Soldatinnen an einer Tanzstange erotische Tanzbewegungen durchgeführt haben, geschweige denn hierzu von Vorgesetzten gezwungen und dabei „betatscht“ wurden.
Soweit die Strafbarkeit eines Soldaten wegen Beleidigung einer Soldatin im Raum steht, ist eine Strafverfolgung nicht möglich, da weder die Verletzte noch deren Dienstvorgesetzte einen Strafantrag gestellt haben.
2. Das zweite Verfahren betrifft das Stichwort „Aufnahmerituale“. Dieses Verfahren wird bereits als Ermittlungsverfahren wegen der Vorwürfe der Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Nötigung geführt und zwar gegen derzeit 7 Beschuldigte mit Mannschaftsdienstgraden. Dieses Verfahren ist nach wie vor in Bearbeitung und noch nicht abgeschlossen.

Über die Einstellung hatte zuerst  Spiegel Online berichtet.

Interessant ist dabei, dass sich die Staatsanwaltschaft dabei – auch – auf die internen Ermittlungen der Bundeswehr beruft: Die umfangreichen sorgfältigen internen Ermittlungen der Bundeswehr haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Lehrgangsteilnehmer im Rahmen der Kampfsanitäterausbildung zu sexuellen Handlungen genötigt wurden. Die Bundeswehr selbst oder das Ministerium hatte sich in dieser Richtung bislang nicht geäußert.

Nachtrag: Eine Stellungnahme des Verteidigungsministeriums dazu vom heutigen Mittwochmittag:

Die Einstellungsverfügung bestätigt die von Anfang an getroffene Einschätzung der BW in Bezug auf eine denkbare strafrechtliche Relevanz der Vorgänge in Pfullendorf den Tatkomplex sexuelle Erniedrigung und Mobbing betreffend. Wie Sie sich sicher erinnern, hat die StA Hechingen in dem jetzt eingestellten Fallkomplex aufgrund eigener Initiative (nach Presseberichterstattung) ermittelt. Zur Anzeige gebracht hatte die BW selbst lediglich den Tatkomplex Aufnahmerituale. Der ist nicht eingestellt. Aussagen zur Frage, ob die praktizierten Ausbildungsmethoden sachgerecht oder schlicht pietätlos waren, trifft die StA ausdrücklich nicht. Disziplinare Ermittlungen, bzw Konsequenzen in der Bundeswehr laufen auf einem anderen Strang und auch nach anderen Kriterien.

Nachtrag 2: Die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz vom Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff:

BPK_Pfullendorf_StA_24mai2015     

 

 

Einige Details der Vorwürfe hier noch mal zum Nachlesen. Und wegen eines Teils der Vorfälle in Pfullendorf wird weiterhin von der Staatsanwaltschaft ermittelt.

Allerdings der vorsorgliche Hinweis: Dass in diesem Fall die Ermittlungen eingestellt wurden und auch die Bundeswehr-internen Hinweise die ersten Vorwürfe nicht bestätigen, heißt mitnichten, dass alle Handlungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in den vergangenen Monaten unsinnig und hinfällig wären – so scheint das von einigen interpretiert zu werden, einschließlich des Umgangs mit Wehrmachtstradition und Rechtsextremismus. Das wäre eine, nun, gewagte These.

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(Grafik: Wappen des Ausbildungszentrums Spezielle Operationen via Wikimedia Commons)