US-Regierung: Zuckerbrot und Peitsche für die NATO-Partner (Update)

Zum Auftakt des NATO-Verteidigungsministertreffens am (heutigen) Mittwoch in Brüssel schien der neue US-Verteidigungsminister James Mattis den Verbündeten eine große Sorge zu nehmen. Das entscheidende Fundament der atlantischen Zusammenarbeit, so bezeichnete der frühere Marines-General das Bündnis, und fügte auch gleich hinzu, dass das auch der Ansicht seines Chefs entspreche: US-Präsident Donald Trump hatte zeitweise mit seiner Formulierung, die NATO sei obsolet, Besorgnis über die Haltung der USA zu der Allianz ausgelöst.

Kurz nach diesen Worten voller Lob hatte Mattis allerdings auch recht harsche Worte für seine Ressortkollegen aus den anderen Mitgliedsländern. Hinter geschlossenen Türen erinnerte der US-Minister an einen seiner Vorgänger, Robert Gates, der im Juni 2011 den Verbündeten vorgeworfen hatte, es sich allzu bequem zu machen – auf Kosten der USA. An dessen Vorwürfe knüpfte Mattis jetzt an und geißelte die mangelnde Bereitschaft mancher Nationen, das gleich auf zwei NATO-Gipfeln vereinbarte Ziel von zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben auch wirklich anzustreben. Bis zum Jahresende, verlangte Mattis, müssten alle Länder einen Plan für die Erhöhung ihrer Ausgaben vorlegen – sonst könnten die USA ihre Anstrengungen für die Allianz einschränken (moderate its commitment).

Die US-Vertretung bei der NATO sorgte auch dafür, dass diese Aussagen in geschlossener Sitzung möglichst schnell ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden; zunächst in US-Medien (a sharp ultimatum to NATO, schrieb Associated Press), dann wurde der Text in Brüssel verteilt:

A decade ago, when I was serving as Supreme Allied Commander for Transformation, I watched then-Secretary of Defense Robert Gates warn members of this Council that Congress and the American body politic would lose their patience for carrying a dispropotionate burden of the defense of Allies.
Yet today only five nations meet the two percent defense spending target: the UK, Estonia, Poland, Greece, and the U.S. A number of other nations have demonstrated that they will meet that spending target. By contrast, the commitment of other nations lags considerably despite benefitting from the best defense in the world.
The impatience Secretary Gates predicted is now a governmental reality. As noted by a European Minister of Defense, calling for two percent defense spending is a „fair“ demand from the American people to their long-time Allies and friends in Europe. No longer can the American Taxpayer carry a dispropotionate share of the defense of western values. Americans cannot care more for your childrens’s future than you do. Disregard for military readiness demonstrates a lack of respect for ourselves, for the Alliance, and for the freedoms we inherited, which are now clearly threatened.
(…)
I owe it to you to give you clarity on the political reality in the United States, and to state the fair demand from my country’s people in concrete terms. America will meet its responsibilities, but if your nations do not want to see America moderate its commitment to this Alliance, each of your capitals needs to show support for our common defense.
Specifically, we must ensure we are not in the same spot at the end of the year that we are in today. We must adopt a plan this year, including milestone dates, to make steady progress toward meeting Warsaw and Wales commitments.

Die Mattis-Aussagen wurden fünf Minuten vor einer Pressekonferenz von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg veröffentlicht – und dem Norweger blieb nur der Versuch, die Schärfe der US-Aussagen ein wenig abzumildern. Es seien ja nicht die USA, die von ihren Verbündeten höhere Verteidigungsausgaben verlangten, sagte Stoltenberg. Das hätten die Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedsländer auf den Gipfeltreffen in Wales 2014 und in Warschau im vergangenen Jahr doch selbst so beschlossen. Und es sei doch keine schlechte Idee, nationale Pläne für die Umsetzung zu entwickeln und sich an Meilensteine zu halten.

Was die USA allerdings damit meinen könnten, ihr Engagement für die NATO einzuschränken – darauf hatte auch der Generalsekretär so schnell keine Antwort.

Update: In einer weiteren Pressekonferenz wurde Stoltenberg  ein wenig ausführlicher und war sichtlich bemüht, den Aussagen Mattis‘ positive Seiten abzugewinnen. Auf die Frage, ob das denn nun ein Ultimatum sei, antwortete der Generalsekretär: Das war eine sehr deutliche Aussage über die Wichtigkeit von fairer Lastenverteilung, die die politische Realität in den USA widerspiegelt.

So hätten das auch die anderen Verteidigungsminister verstanden, die die Klarheit der Nachricht anerkannt hätten. Lettland, Litauen und Rumänien hätten noch in der Sitzung erklärt, dass sie die zwei Prozent sehr bald erreichen würden.

Die Forderung von Mattis bedeute nicht, dass alle NATO-Mitgliedsländer bereits im kommenden Jahr das Ausgabenziel erreichen müssten, betonte Stoltenberg. Aber es müsse klar sein, dass es keine Kürzungen, dafür einen absehbaren Aufwuchs der Verteidigungsausgaben geben müsse. Nationale Pläne für die Umsetzung seien da durchaus sinnvoll.

Interessanterweise brachte der Generalsekretär auch einen weiteren Aspekt in die Frage der Lastenverteilung ein: Es gehe dabei nicht nur um Ausgaben, sondern auch um die Beteiligung an Auslandsmissionen wie in Afghanistan oder den neuen NATO-Battlegroups im Baltikum und in Polen. Da würden einige europäische Verbündete eine Menge beitragen: In der NATO-geführten Resolute Support Mission in Afghanistan werde mehr als die Hälfte der Soldaten eben nicht von den USA gestellt. Das ist ein substanzieller Beitrag.

Nachtrag: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wollte sich in Brüssel vor deutschen Medien nicht dazu äußern; hat aber den ARD-Tagesthemen was dazu gesagt.

(Foto: Centre and right: James Mattis (US Secretary of Defense) greeting Damir Krsticevic (Minister of Defence, Croatia) – NATO)