Einsatz am Hindukusch: Wie bisher, mit ein bisschen mehr Info für die Afghanen
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch den weiteren Einsatz der Bundeswehr in der NATO-geführten Resolute Support Mission in Afghanistan beschlossen. Das neue Mandat, über das jetzt der Bundestag entscheiden muss, sieht wie bisher bis zu fast 1.000 Soldaten (genauer: 980) vor, die die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen und beraten sollen. Unverändert hat Resolute Support keinen Kampfauftrag; nur die militärische Hilfe auch ziviler internationaler Organisationen oder Diplomaten in Notfällen (in extremis support) ist im Rahmen der verfügbaren Kräfte möglich. Damit wird im Wesentlichen das derzeitige Engagement der Bundeswehr am Hindukusch fortgeschrieben – wie es auch die NATO auf dem Gipfel in Warschau im Juli festgelegt hat. Ein Abzug der internationalen Truppen aus der Fläche ist vorerst nicht vorgesehen, und die Bundeswehr bleibt in Masar-i-Scharif.
Das neue Mandat unterscheidet sich von dem im Dezember 2015 gebilligten in einem Detail: Im Kapitel Auftrag wurde ein zusätzlicher Passus eingefügt. Die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte vorrangig auf der ministeriellen und der nationalen institutionellen Ebene
schließt unverändert die Erfolgskonrolle der Ausbildungs- und Beratungsmaßnahmen auch unterhalb der Korpsebene einschließlich der Möglichkeiten der spezifischen Beratung sowie im Einzelfall die nicht-kinetische Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte mit ein.
Dieser etwas kryptisch formulierte Satz ist vor allem die Erlaubnis, den Afghanen Aufklärungsergebnisse zur Verfügung zu stellen und sie auch mit Lufttransport und der Evakuierung Verwundeter zur unterstützen – in engem Rahmen:
Diese Unterstützung findet nur auf afghanische Anfrage, im Einzelfall, in gesichertem Umfeld und nur im Rahmen der bei Resolute Support vorhandenen Mittel und Fähigkeiten statt.
Grundlage dafür ist die interpretierende Direktive des Nordatlantikrats vom 17. März dieses Jahres, die ein bisschen mehr Unterstützung ermöglichen, gleichzeitig aber den Charakter des Einsatzes nicht von der Unterstützungs- zur Kampfmission verändern soll. (Die, wie es im Militärjargon heißt, kinetische Unterstützung, vor allem mit Luftschlägen, ist Sache der US-Truppen – außerhalb des RS-Mandats.)
Unterm Strich ändert sich also mit dem neuen Mandat kaum etwas. Vor allem bleibt das Endziel weiterhin:
Wesentlich ist, dass die afghanische Regierung die durch die internationale Unterstützung – einschließlich der Mission Resolute Support – gewonnene Zeit nutzt, um den von ihr angestrebten politischen Prozess mit dem Ziel eines Friedensschlusses mit militanten regierungsfeindlichen Gruppen zu initiieren.
Darauf hofft auch, unverändert, der Kommandeur von Resolute Support (und gleichzeitig Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan), der US-Vier-Sterne General John Nicholson. Ungeachtet ihrer kurzfristigen Erfolge mit Propagandawert, wie der zeitweisen Kontrolle von Kundus in diesem Jahr, hätten die Taliban schwere Verluste erlitten und seien offensichtlich bereit, über eine nationale Versöhnung zu reden, sagte Nicholson vor gut einer Woche bei einem Besuch in Berlin. Wenn es überhaupt ein Gleichgewicht der beiden Seiten, Regierungstruppen und Aufständische, gebe, dann zugunsten der Regierung.
Nicholson geht es natürlich darum, für einen weiteren Einsatz in den nächsten Jahren die nötigen Truppen zusammenzubekommen: die NATO hat für Resolute Support einen Bedarf an 15.000 Soldaten angemeldet, tatsächlich sind es zur Zeit 12.700. (Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass der so genannte CJSOR, Combined Joint Status of Requirement, auch in den früheren Jahren nie voll erfüllt wurde.) Die Aufgabe, den Afghanen Zeit zu verschaffen, werde die internationale Mission noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Wer es detaillierter nachhören möchte – der Mitschnitt der Presse-Gesprächsrunde mit Nicholson am 8. November beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin:
(Archivbild: Deutsche Flagge im Hauptquartier der Resolute Support Mission in Kabul am Tag der deutschen Einheit 2015 – Foto Resolute Support)
Wozu denn immer die verkrampfte Zahlenarithmetik mit „980“ Soldaten und nicht etwa“ 1000″? Ist das Rational dasselbe wie im Supermarkt mit den Triggerpreise von „12,99 Euro“?
@Notiz
So ist es, 1000 ist ja so eine böse Zahl, hört sich nach ganz viel an. Da macht sich die „9“ doch in der Öffentlichkeit viel vermittelbarer.
… in einsatzüblichen Kontingenten, solange der Vorrat reicht …
Ich finde diese andauernden Klarstellungen sind ein Offenbarungseid für die Führungskultur der Bundeswehr.
Bereits bei der ersten Änderung des Mandates war eigentlich klar, dass das Mandat nicht das Problem ist:
http://augengeradeaus.net/2015/11/neues-afghanistan-mandat-kuenftig-knapp-unter-1-000-soldaten-aber-es-bleibt-bei-beratung/#comment-216628
Nicht das Mandat ist das Problem, sondern deren Anwendung. Aber es ist eben immer einfacher auf das weit gefasste Mandat zu verweisen.
Aber in allen Reden wird stets die Bedeutung von Führen mit Auftrag im Einsatz betont…
Wenn als Auflage „Vermeiden eigener Verluste“ gegeben ist wird es mit der erfolgreichen Durchführung gegen Gegner wie den TB – die darum wissen – schwierig.
@Thomas Melber:
Ich empfehle sich mal die Zurückhaltung beim Fall von Kunduz letztes Jahr anzuschauen und die angeblich notwendigen Änderungen im Mandat. Dann wird klar, dass ihre Argumentation unzutreffend ist.
Man wollte damals Dinge nicht tun für die man sich nun auf die Schulter klopft. Das Mandat war nicht das Problem.
Wenn das Mandat nicht das Problem ist – was dann? Die ROE / Caveats? Oder „risk averse“ Führer vor Ort?
Ich weiß, aus DEU läßt sich bequem räsonnieren, aber wenn das mind set (pol / mil) nicht vorhanden oder gewünscht ist sollte man von robusten Einsätze mit Verlustpotential Abstand nehmen.. Krieg kann nämlich häßlich sein, wenn man ihn denn – bis zum Ende – professionell betreibt.
@T.M.:
Haben Sie sich den link angeschaut?
Das Problem ist zunächstmal nichtkinetisch (s.o.), es geht um Beratung und MedEvak, die angeblich vom Mandat nicht abgedeckt waren. Das ist bei genauer Sicht auf die Dinge jedoch Unsinn:
http://augengeradeaus.net/2015/11/neues-afghanistan-mandat-kuenftig-knapp-unter-1-000-soldaten-aber-es-bleibt-bei-beratung/#comment-216711
Es einfach nur die Verantwortung nach oben durchgereicht. Bis ins Parlament, dem sonst immer Mikromanagement unterstellt wird.
Nun wird man noch detaillierter im Mandat, obwohl alle diese Dinge bereits vom Mandat gedeckt sind. Man müsste sie nur tun.
Ist das so verständlich?
Das Mandat ist schon das Problem. Selbst wenn die Politik AFG nur noch aussitzen will, muss der Politik doch klar sein, nach dem 2. Versuch Kunduz zu erobern und dem Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat, daß die AFG-Armee einschließlich der westlichen Beratung nicht in der Lage ist die Situation in den Griff zu bekommen und daß mit immer mehr Anschlägen und Angriffen auf westliche Ziele in AFG zu rechnen ist.
Die USA kämpfen noch, zumindest mit Luftstreitkräften. Daß wir dies nicht auch tun ist unlogisch und wird US Präsident Trump nur schwer zu vermitteln sein.
Selbst wenn man nur aussitzen will, müssten wieder deutsche Eingreifkräfte – in begrenzter Zahl – nach AFG verlegt werden als Reserve bzw. nach Kunduz, damit es nicht zu noch mehr Anschlägen bzw. weiteren Eroberungsversuchen von Kunduz kommt.
Das bestehende Mandat kann man weder gegenüber Tramp verkaufen und wenn es bei weiteren Anschlägen zu deutschen Opfern kommt, dann könnte selbst in Deutschland jeder Populist die Regierung vor sich hertreiben und in Schwierigkeiten bringen. Und nächstes Jahr ist Wahljahr!
NTV und andere:
Ungeachtet der angespannten Lage in Afghanistan will die Bundesregierung ….zufolge mehr als 12.500 in Deutschland lebende Afghanen wieder in ihr Heimatland abschieben. Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums müssten fünf Prozent der hierzulande lebenden fast 247.000 afghanischen Staatsbürger Deutschland wieder verlassen, berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung auf eine Anfrage der Linken.
Zur Begründung hieß es demnach, die Sicherheit sei in den großen Zentren Afghanistans garantiert. „Eine Verschlechterung der Sicherheitslage im gesamten Land kann nicht bestätigt werden“, zitierte die Zeitung das Innenministerium. Zudem prüfe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) jeden Asylantrag individuell und schaue sich an, welche Risiken für die Antragsteller bestünden.
Bei solchen Meldungen und der garantierten „Sicherheit in KUNDUZ und MeS“ muss über die Ausformung/Zulänglichkeit des Mandats nicht erst gesprochen zu werden.
Welcher EE (Einzelentscheider) im BaMF weist demnach aufgrund welcher Detailkenntnis wohin aus? Oder hat BMI pauschal „bedrohungsfreie Räume deklariert?
Da das Bällebad zu ist, hier der Hinweis auf ein Interview in der Welt online mit Brigadegeneral Bodemann zur Situation in Afghanistan. Er zeichnet darin ein grundsätzlich positives Bild der Lage, plädiert aber für einen längeren Verbleib der BW in Afghanistan.
@Ungedienter: Bezeichnend an dem Interview ist, daß Herr Brigadegeneral Boedemann auf die entscheidende Frage, ob es richtig war, den Kampfeinsatz 2014 zu beenden ausweicht und auf die Politik verweist.
Dass er, BG B., auf die Politik verweist, ist eindeutig. Das Primat „befiehlt“ bei uns schließlich. Aus seiner Sicht war der Entschluss zur Beendigung des Kampfes also falsch, aus mil Sicht.