Bundestag billigt weitreichendes Mandat für ‚Sea Guardian‘ im Mittelmeer
Gegen den deutlichen Widerstand der Oppositionsparteien hat der Bundestag am (heutigen) Donnerstag das bislang weitreichendste Mandat für einen NATO-Einsatz der Bundeswehr gebilligt. In namentlicher Abstimmung sprachen sich 441 Abgeordnete bei 117 Gegenstimmen (Linke und Grüne komplett sowie elf SPD-Parlamentarier) und einer Enthaltung für die deutsche Beteiligung an der Maritimen Sicherheitsoperation Sea Guardian aus. Formal ist das die Nachfolgemission der Operation Active Endeavour (OAE) im Mittelmeer, die allerdings noch auf dem NATO-Bündnisfall nach den Anschlägen von New York und Washington am 11. September 2001 basierte.
Der neuen Operation sollen, wie zuvor schon OAE, zunächst nicht gezielt Einheiten der Deutschen Marine unterstellt werden: Die bis zu 650 Soldaten, die das neue Mandat zulässt, werden in der Regel Besatzungen auf deutschen Kriegsschiffen sein, die auf dem Weg zu anderen Einsätzen das Mittelmeer durchqueren. Allerdings gibt das Mandat für Sea Guardian der Bundeswehr – wie auch der NATO-Auftrag den Seestreitkräften anderer Nationen – Möglichkeiten zur Operationsführung, die über bisherige Mandate hinausgehen. In der Auftragsliste steht beispielsweise Anhalten, Durchsuchen, Beschlagnahme und Umleiten von Schiffen und Booten und damit im Zusammenhang stehenden Sicherungsmaßnahmen im Einklang mit dem Völkerrecht auch unter Bedrohung ohne inhaltliche, räumliche oder zeitliche Einschränkung.
Das Einsatzgebiet umfasst das gesamte Mittelmeer und den dazugehörigen Luftraum, also von der Straße von Gibraltar bis zum Bosporus, von der französischen Mittelmeerküste bis zu den Hoheitsgewässern Libyens. Sea Guardian soll als Daueraufgabe auch die Kooperationsplattform für die Zusammenarbeit mit EU-Missionen oder der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sein.
Das inoffizielle Ziel, Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr auf eine möglichst breite Grundlage im Parlament zu stellen, wurde bei dieser Mission eindeutig nicht erreicht. Für die Grünen-Fraktion, die im Unterschied zur Linksfraktion Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht grundsätzlich ablehnt, war das weit gefasste Mandat ein Grund, dagegen zu stimmen: Wenn der Bundestag dem Mandat einmal zugestimmt hat, kann die Exekutive zudem den Operationsplan beliebig ändern, solange er im Rahmen des Mandats bleibt. Da das vorliegende Mandat so breit und unklar formuliert ist, dass weitreichende Änderungen im Operationsplan problemlos darin untergebracht werden könnten, besteht die Gefahr
einer massiven Entgrenzung des militärischen Engagements in dieser Region, heißt es in einem Entschließungsantrag der Grünen, der keine Mehrheit fand.
(Archivbild: Blick aus einem SeaLynx-Hubschrauber der Deutschen Marine auf NATO-Einheiten der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2) mit der Fregattte Hamburg als Flaggschiff im Oktober 2015 im Mittelmeer – Deutsche Marine/ Alyssa Bier via NATO)
„… Anhalten, Durchsuchen, Beschlagnahme und Umleiten von Schiffen und Booten und damit im Zusammenhang stehenden Sicherungsmaßnahmen …“
Hat das überhaupt Bestand, ist das nicht nahe an Piraterie? Zudem wird ein konkreter Verdacht scheinbar nicht vorausgesetzt.
@ Thomas Melber | 29. September 2016 – 20:11
‚Im Einklang mit dem Voelkerrechts…‘ schraenkt die moeglichen Operationen auf das Minimum ein.
Das ist sicherlich von den deutschen Politikern so verstanden und so gewollt. Wuerde mich fuer die OpsBefehle fuer die deutschen Kdt interessieren, nehme an: Teilnehmen, low profile … wasch mir den Pelz aber…
@Thomas Melber
“ im Einklang mit dem Völkerrecht“ muss man mehr sagen?
@MikeMolto
Zu peinlich wenn man sich an Ops beteiligt, bei denen jeder Partner etwas anderes unter Völkerrecht versteht.
Mir persönlich ist das Mandat zu unspezifisch, zu wenig konkret. Und Daueraufgabe? Sollten Mandate nicht zeitlich begrenzt sein und Auftragserfüllung absehbar möglich sein?
Zudem: kommt dies nicht einer (Quasi-) Blockade der nordafrikanischen Häfen gleich?
@Melber: Das klingt ja schon fast nach den Bedenken der Grünen.
Aber Spaß beseite. Aus meiner Sicht wäre es viel wichtiger zu erfahren, wie die Leute mit drei bis vier Kolbenringen darüber denken. Also die Leute, die im Zweifel da auf einer Brücke stehen und die konkreten Entscheidungen treffen und hinterher den Kopf dafür auch hinhalten müssen.
Kommt die Freiheit des weit gefassten Mandats überhaupt an Bord an oder wird das in den vorgesetzten Stäben an Land aufgefangen? Daraus ergibt sich die zweite Frage: Ist soviel Freiheit im Mandat eher gefährlich (wer hält den Kopf hin für Irrtümer bei der Interpretation) oder ist die weite Fassung eher nützlich?
Noch zu erwähnen: Einsatz von AWACS. – Es gab mal Zeiten, da war das ein Reizwort und führte zu sehr kritischen Debatten.
Nebenbei bemerkt ist das Personal dort auch an der Belastungsgrenze.
FInde ich auch wichtig: Es gibt keine internationale Mission mit dem Mandat zur Verhinderung illegaler Erdölausfuhren aus Libyen. Die Bundesregierung hat die Anschläge auf die Ölterminals im Sirte-Becken in einer gemeinsamen Erklärung mit den USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien am 13. September verurteilt und die alleinige Verwaltung der libyschen Ressourcen, die dem libyschen Volk gehören, durch den Präsidialrat betont. Die Ölausfuhr untersteht weiterhin ausschließlich der Nationalen Ölgesellschaft, die Weisung vom Präsidialrat erhält.