Gerichtsentscheidung zum G36: Geliefert wie bestellt (Zusammenfassung, mit Nachtrag)
Im Streit um das Sturmgewehr G36 hat das Landgericht Koblenz am (heutigen) Freitag eine Entscheidung getroffen, die beide Seiten – der Hersteller Heckler&Koch wie das Verteidigungsministerium – als Bestätigung werten dürften: Das Gericht entschied, dass die Oberndorfer Firma nicht, wie vom Ministerium behauptet, mangelhafte Gewehre geliefert hat. Und das Ministerium darf hoch halten, dass das Gericht doch gar nicht über die Frage der Sachmängel entschieden habe… sondern nur über die Frage der Gewährleistung.
Den Prozess hatte Heckler&Koch angestrengt, um mit einer so genannten negativen Feststellungsklage gegen Mängel-Aussagen und Gewährleistungsansprüche der Bundeswehr vorzugehen: Nach Ansicht des Verteidigungsministeriums sind die Treffer-Abweichungen der Standardwaffe der Truppe bei heißgeschossenem Gewehr und bei klimatisch bedingter Aufheizung nicht hinnehmbar. Die Firma berief sich dagegen darauf, sie habe doch exakt geliefert, was die Bundeswehr vor mehr als 20 Jahren bestellt habe.
Die 8. Zivilkammer des Koblenzer Landgerichts folgte der Firmen-Argumentation im Wesentlichen:
Zur Begründung führt die Kammer aus, dass eine Abweichung der gelieferten Gewehre von der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des Kaufvertragsrechtes nicht gegeben sei. So habe die Entwicklung eines auf die besonderen Bedürfnisse der Bundeswehr abgestimmten Sturmgewehrs keinen Eingang in die ausdrücklichen vertraglichen Regelungen gefunden. Im Rahmen ihrer rechtlichen Prüfung ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass keine negativen Abweichungen der Eigenschaften und Anforderungen der streitgegenständlichen Versionen des Sturmgewehres G36 gegenüber der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit bestehen. Die streitgegenständlichen Gewehre hätten unstreitig die in den Technischen Lieferbedingungen vorgesehene und zwischen den Parteien vereinbarte Abnahme- bzw. Güteprüfung bestanden, so wie dies in den zugrundeliegenden Kaufverträgen ausdrücklich gefordert werde.
und setzte noch einen drauf:
Weiter legt die Kammer in ihrer Begründung dar, dass auch kein Mangel dergestalt vorliege, dass die streitgegenständlichen Gewehre nicht für die vertragsmäßige Verwendung geeignet wären. Die Beklagte habe ein konkretes Sturmgewehr gekauft. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vertragsschlüsse sei das G36 bereits seit rund 18 Jahren bei der Beklagten im Einsatz gewesen; die Beklagte habe in diesem Zeitraum bereits eine hohe Zahl von Sturmgewehren mit der Bezeichnung G36 in verschiedenen Versionen (z.B. Kurzlauf und Langlauf) erworben.
Mit anderen Worten: Wer seine Verträge so abschließt wie in diesem Fall, und zudem über fast zwei Jahrzehnte sich nicht beklagt, der kann nicht hinterher kommen und behaupten, dass er was Mangelhaftes geliefert bekam.
Was das Ministerium natürlich trotzdem tut. Vor allem ein Ergebnis der technischen Untersuchungen wird dabei gerne genannt, mit dem Hinweis, das sei doch bei einem Sturmgewehr nicht hinnehmbar:
Bei der Untersuchung zur Auswirkung von Umwelteinflüssen auf die Systemtemperatur (nicht schussinduziert) – Temperaturänderung von 30 °C – sank die Treffwahrscheinlichkeit des Systems G36 im Mittel auf 30% ab. Derartige Temperaturschwankungen an der Waffe (z.B. durch Sonneneinstrahlung, Abwärme von Motoren, Auskühlen beim Ablegen der Waffe etc.) sind in vielen Einsatzgebieten und im europäischen Raum keine Seltenheit. Dieser Effekt ist insbesondere bei einer Temperaturänderung von +15 °C auf +45 °C ausgeprägt, hier fiel die Treffwahrscheinlichkeit im Mittel sogar auf 7% ab. Das bedeutet für den Soldaten im Einsatz, dass der Gegner mit den ersten Schüssen nicht gezielt getroffen werden kann, sondern zunächst der neue Haltepunkt erkannt werden muss.
Gerade mal sieben Prozent Treffwahrscheinlichkeit, so die Argumentation, da könne man doch nicht von einem Sturmgewehr sprechen. Interessanterweise war das in den Jahren zuvor nie aufgefallen.
Darüber hat das Gericht allerdings nicht geurteilt, sondern nur über die Vertrags-Frage – und eben keine technischen Untersuchungen angestellt.
Dennoch will das Ministerium voraussichtlich die Klage in die nächste Instanz bringen, wie Ministeriumssprecher Jens Flosdorff vor der Bundespressekonferenz ankündigte:
(Die Tonqualität bitte ich zu entschuldigen; das Transkript reiche ich nach, wenn es vorliegt.)
Nachtrag1: Die schriftliche Erklärung des Verteidigungsministeriums dazu hier.
Faktisch wird allerdings die Gerichtsentscheidung, ob jetzt oder in einer weiteren Instanz, für die Bewaffnung der Bundeswehr keine Auswirkung haben.Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte ja im vergangenen Jahr erklärt, das G36 habe in seiner derzeitigen Konstruktion keine Zukunft in der Bundeswehr. Die Entscheidung, dass nach einem neuen Sturmgewehr für die Truppe gesucht wird, ist getroffen – und das Verfahren dafür wird sich voraussichtlich bis nach der Bundestagswahl hinziehen. Dennoch wird die Truppe noch einige Jahre mit dem G36 leben müssen, die Neu-Beschaffung wird ja Jahre dauern.
Der größte Treppenwitz dabei ist aber: Die geplante Nutzungszeit des Mitte der 1990-er Jahre beschafften Sturmgewehrs G36 in der Bundeswehr endet eigentlich ohnehin nach 20 Jahren, also jetzt. Hätten die Beamten und Soldaten ihre Arbeit anständig gemacht, wäre der Prozess für ein Nachfolgesystem schon vor Jahren begonnen, die Beschaffung eines neuen Gewehrs eingeleitet worden. Ganz ohne die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Herstellerfirma und Ministerium – und ohne die Notwendigkeit, zur Gesichtswahrung der Ministerin auch noch Prozesse zu führen.
Nachtrag 2: Heckler& Koch hat sehr knapp dazu Stellung genommen (interessanterweise nicht auf der Webseite mit Pressemitteilungen, sondern der für Investor Relations – ein Trick, den man sich merken sollte):
Presseinformation 2. September 2016
Stellungnahme von Heckler & Koch zur Entscheidung des Landgerichts Koblenz über Gewährleistungsansprüche G36
Das Urteil entspricht der Auffassung von Heckler & Koch. Es steht uns nicht zu die Vorgehensweise und das mediale Verhalten unseres Kunden zu kommentieren. Wir bauen die besten Sturmgewehre der Welt. Viele Armeen der westlichen Welt verwenden unsere Waffen. Wir freuen uns schon jetzt auf die neue Sturmgewehrausschreibung der Bundeswehr, bei der wir unsere Leistungsfähigkeit erneut unter Beweis stellen werden.
… und, wie oben angekündigt, das Transkript aus der Bundespressekonferenz:
FRAGE: An das Verteidigungsministerium. Herr Flosdorff, Ihr Haus hat heute Vormittag eine rechtliche Niederlage gegen Heckler & Koch erlitten. Welche Auswirkungen hat das auf die Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs?
FLOSDORFF: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir die Gelegenheit, einiges klarzustellen.
Es ist richtig, dass es eine Verhandlung vor dem Landgericht Koblenz gab, die sich mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage der Firma Heckler & Koch befasst hat. Das Unternehmen wollte festgestellt haben, dass wir rechtlich nicht befugt sind, Mängelansprüche geltend zu machen. Das hat die erste Instanz so gesehen, wie der Prozessgegner argumentiert hat. Wir haben eine andere Rechtsauffassung. Ich kann schon einmal ankündigen: Sollte das Gericht seine heutige Entscheidung auf dieselben wackeligen rechtlichen Argumente stützen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Sommerpause angeführt wurden, dann wird das zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Berufung gehen, was diese Frage angeht.
Die Frage, was dort überhaupt verhandelt worden ist, geht ein bisschen durcheinander. Es ging in der Verhandlung nicht darum festzustellen, ob die bekannten technischen Einschränkungen an dem Gewehr bestehen, die durch umfangreiche Testserien und Gutachten festgestellt worden sind, sondern es ging um die Klärung der rechtlichen Frage, ob ein Mangel vorhanden ist oder nicht, ob man überhaupt auf Basis eines alten Vertragsverhältnisses und des langen Beschaffungsvorgangs daraus heute noch Ansprüche geltend machen kann. Dieses hat das Gericht nicht so gesehen.
Es bleibt sozusagen bei der technischen Feststellung, dass es den militärischen Anforderungen nicht genügt. Die Gründe sind bekannt. Es hat erhebliche Präzisionseinschränkungen bei Dauerfeuer, aber auch bei äußerer Erwärmung gegeben. Das heißt, wenn das Gewehr zum Beispiel durch Sonnenlicht von 15 auf 35 Grad erwärmt wird, sinkt die Trefferwahrscheinlichkeit auf sieben Prozent. Das ist bei allen anderen unbestrittenen Vorteilen, die das Gewehr auch sonst bietet, auf Dauer kein verantwortbares Risiko. Deswegen war auch diese Entscheidung des Generalinspekteurs und der Ministerin, dass dieses Gewehr perspektivisch Schritt für Schritt abgelöst wird und eine neue Generation Sturmgewehr in der Bundeswehr eingeführt wird, richtig – unabhängig davon, was in diesem Verfahren verhandelt worden ist.
Worum ging es dort? Um es klar zu sagen: Es ist allein die rechtliche Frage, ob die Bundeswehr nach mehr als 25 Jahren theoretisch Gewährleistungsansprüche geltend machen könnte. Da schaut man in die vertraglichen Beziehungen: Welche Absprachen gab es? Wie haben sich die Vertragspartner über die Zeit verhalten? Das Gericht war der Meinung, dass man nach dieser Zeit und aufgrund des Verhaltens und der Absprachen, die zwischenzeitlich getroffen worden sind, nicht mehr kommen und für zwei Chargen G36 das einzige, was nicht verjährt ist noch einmal Ansprüche geltend machen kann. Wir sehen das anders. Wir werden das in einer weiteren Instanz noch einmal der Überprüfung unterziehen.
Es ändert sich nichts an der Grundsatzentscheidung, dass nach 20 Jahren eine neue Generation Sturmgewehr eingeführt werden soll. Es ändert sich auch nichts daran, dass der Beschaffungsvorgang für die Ablösung des G36 planmäßig weiterläuft.
ZUSATZFRAGE: Das heißt, es gibt keine aufschiebende Wirkung bis zur letztinstanzlichen Klärung?
FLOSDORFF: Was meinen Sie?
ZUSATZ: Mit der Beschaffung eines Ersatzes.
FLOSDORFF: Die Beschaffung eines Gesetzgewehres läuft davon unabhängig. Das geht auf die militärische Entscheidung zurück, dass bestimmte sachliche, technische Fehler festgestellt worden sind, die aus militärischer Sicht nicht hinnehmbar sind und für die Bundeswehr auf Dauer nicht hinnehmbar ist, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen oder generell damit tätig sind. Das Gericht hat sich allein mit der rechtlichen Frage beschäftigt und hat die Frage „Mangel – ja oder nein“ beiseite getan und ob wir sozusagen nach dieser ganzen Zeit auf der vertraglichen Basis und nach den rechtlichen Voraussetzungen, die wir mit der Firma haben, einen Mangel geltend machen dürfen das ist ein Unterschied und nicht, ob der Mangel besteht. Das hat das Gericht nicht nachgeprüft. Es gab keine Beweisaufnahme; es gab kein Gegengutachten; es gab keine eigenen Testserien.
Das, was wir in den Testserien festgestellt haben, wurde durch das Gericht nicht bestritten. Es hat sozusagen unjuristisch gesagt: Wir tun das beiseite. Selbst wenn es so ist, dass das Gewehr diese Mängel hat, könnt ihr sie heute nicht mehr geltend machen. Das ist der Richterspruch von heute. Wir haben eine andere rechtliche Auffassung dazu. Deswegen bleibt es nach den festgestellten technischen Mängeln, die auch durch eine zweite Testserie in diesem Frühjahr bestätigt worden sind der Hersteller des Gewehres hat inzwischen versucht, an dem Gewehr nachzubessern, was auch zeigt, dass er selbst sieht, dass es ein Problem gibt , bei der Entscheidung, dass das Gewehr langsam ausgemustert wird und ein neues Gewehr beschafft wird. Dieser Beschaffungsvorgang läuft. Das Gerichtsverfahren hat darauf keine Auswirkungen.
FRAGE: Herr Flosdorff, können Sie präzisieren ich glaube, es geht um Ausgleichszahlungen, die im Raum stehen , in welcher Größenordnung sich diese Ausgleichsforderungen bewegen?
FLOSDORFF: In diesem Verfahren geht es nicht um eine bestimmte Geldsumme.
ZUSATZ: Aber die folgt ja daraus.
FLOSDORFF: Ich drösle das Verfahren noch einmal auf: Als wir festgestellt haben, dass das Gewehr Mängel hat, haben wir weil wir als öffentlich-rechtlicher Auftraggeber dazu verpflichtet sind, dürfen wir mögliche Ansprüche nicht einfach beiseitelassen, sondern müssen sie prüfen und klären lassen, ob dem Steuerzahler vielleicht Geld zusteht eine Mängelrüge für bestimmte Chargen des G36 eingelegt, die in den vergangenen Jahren noch zugelaufen waren. Das war noch nicht verjährt.
Wir sind selber damit nicht vor Gericht gezogen, sondern haben nur die Verjährung unterbrochen. Dann ist der Hersteller Heckler & Koch, weil er natürlich an seinem Ruf interessiert ist und nicht nur uns als Kunden hat, sondern auch andere Kunden hat, vor das Gericht gegangen und hat gesagt: Ich möchte festgestellt haben, dass dem Verteidigungsministerium oder dem Amt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr kein durchsetzbarer Gewährleistungsanspruch zusteht. Das hat das Gericht jetzt bestätigt. Das Gericht hat sich nicht mit der Frage inhaltlich auseinandergesetzt: Besteht ein Mangel – ja oder nein? Das Gericht hat eine rechtliche Bewertung vorgenommen. Ist ein Mangel da oder nicht – egal. Ihr könnt auf jeden keinen Anspruch mehr daraus geltend machen.
ZUSATZFRAGE: Wenn Sie die Gewährleistungsforderungen erheben könnten, um welche Summen geht es dabei?
FLOSDORFF: Es geht, was diese Chargen angeht, die überhaupt noch justiziabel sind, um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Das spielt in diesem Prozess nur an der Stelle eine Rolle, wenn es um den Streitwert geht, also um die Bemessung der Gerichtskosten. Wenn das Gericht einen Titel erteilt, geht es nur um die Rechtsfrage: Dürfen sie Gewährleistungsansprüche überhaupt geltend machen? Es geht nicht um die Frage, ob jemand eine Summe bekommt oder nicht, sondern es geht nur darum, ob sie Gewährleistungsansprüche geltend machen dürfen.
Wenn wir schriftlich die Urteilsgründe haben, sie analysieren und sich herausstellt, dass die Urteilsgründe für den heutigen Entscheid auf denselben rechtlichen Argumentationen fußen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Sommerpause geäußert worden sind, dann werden wir in Berufung gehen, weil wir sie nicht für tragfähig halten.
FRAGE: Abgesehen von dem Rechtsstreit heute: Bleibt Ihr Ministerium denn bei der Einschätzung, dass das G36, das kein schweres Maschinengewehr, sondern ein leichtes Sturmgewehr ist jeder, der mit einem Maschinengewehr geschossen hat, kennt den Unterschied , bei Dauerfeuer nicht trifft, wie übrigens kaum ein Gewehr? Bleibt man dabei, obwohl das Bundesamt für Beschaffung am 17. April vorigen Jahres festgestellt hat, dass das Gewehr zuverlässig, funktions- und betriebssicher ist?
FLOSDORFF: Das ist ein weit bekannter Irrtum, den wir auch häufig gegenüber einigen Medien aufgeklärt haben. Zuverlässig und betriebssicher heißt nicht, dass man damit trifft, sondern das heißt, dass man sich nicht selbst verletzt, wenn man mit diesem Gewehr schießt. Betriebssicher heißt, dass man sich nicht verbrennt, dass es praktisch keine Rückschläge und so etwas gibt. Das heißt das. Etwas anderes ist sozusagen die Trefferwahrscheinlichkeit. Das ist aufgeklärt, alles berücksichtigt und Bestandteil der umfangreichen Testberichte.
Wir haben Testserien mit mehreren unabhängigen Institutionen durchgeführt, unter anderem dem Ernst-Mach-Institut in Freiburg und dem Fraunhofer-Institut. Das ist in einer ersten Serie im vergangenen Jahr ausgetestet worden und darauf bezieht sich der Bericht. In einer zweiten Testphase ist das noch einmal wiederholt worden. Man hat geschaut, ob sich die Ergebnisse bestätigen sie haben sich bestätigt und warum sie wahrscheinlich bestehen. Dafür gibt es zwei Ursachen. Die eine ist die Geschichte mit dem Dauerfeuer, die Sie erwähnt haben. Sie haben vollkommen Recht, dass das viele Gewehre haben. Es gibt eine Streukreisaufweitung; das ist nicht weiter erstaunlich. Das Zweite ist aber ein gravierender Grund, der häufig unterschlagen wird. Ein zweites Ergebnis dieser Tests war, dass bei externer thermischer Erwärmung es ist keine große externe thermische Erwärmung, wenn Sie von 15 auf 45 Grad erwärmen die Streukreisaufweitung eine Treffsicherheit von sieben Prozent hat. Das Erste kann man korrigieren, indem man einfach ein Maschinengewehr mit in den Einsatz nimmt. So kann man den Nachteil, den das G36 in Bezug auf die Präzision hatte, ausgleichen. Bei dem Zweiten ist es so, dass, wenn man im Ausland ist, es häufig durch die Sonneneinstrahlung in den Fahrzeugen, die wir nutzen, eine Ersttrefferwahrscheinlichkeit von sieben Prozent gibt, wenn man plötzlich das Gewehr benutzen muss. Das ist kein hinnehmbares Risiko, mit dem wir auf Dauer zufrieden sein können. Deswegen ist damals angeordnet worden, dass wir ergänzend in einem Waffenmix andere Präzisionsgewehre mitnehmen, die diesen Nachteil nicht haben.
Weil Sie das Thema anschneiden: Im Übrigen sind auch im Zuge der Tests, die bis zum Frühjahr dieses Jahres durchgeführt worden sind, viele andere Gewehre durchgetestet worden, die diesen Nachteil nicht aufweisen, also sowohl bei Dauerfeuer die Präzisionsanforderungen erfüllen als auch keine starken Abweichungen bei externer Erwärmung zeigen. Es gibt Gewehre am Markt, die diese Nachteile nicht haben und deswegen die Grundsatzentscheidung. Die Bundeswehr wird in den nächsten Jahren eine neue Generation Sturmgewehr beschaffen.
FRAGE: Herr Flosdorff, wenn das Gericht zu der Auffassung gekommen wäre, dass das BMVg einen Anspruch hätte geltend machen dürfen, wäre der Schaden, den man dann hätte geltend machen können, und das Geld, dass man vielleicht als Schadensatz hätte erwarten dürfen, in der Größenordnung eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags gewesen?
Könnten Sie zum Vergleich sagen, was die Beschaffung des Ersatzes das Ministerium kostet?
FLOSDORFF: Ich weiß nicht, warum man diese beiden Zahlen ins Verhältnis setzen möchte. Der niedrige einstellige Millionenbetrag kommt daher, dass wir das Gewehr seit bald 20 Jahren nutzen. Das heißt, die meisten Gewehre sind ausgeliefert. Hier geht es praktisch um Nachlieferungen. Es werden also ausgeschossene Gewehre ersetzt oder Ergänzungsgewehre sind vor einigen Jahren beschafft worden. Da sind die Verjährungsfristen noch nicht abgelaufen. Diese Lieferungen hatten den Wert eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob man aufgrund der festgestellten Mängel den gesamten Betrag oder nur einen Teil zurückerstattet bekommen kann. Das wird vielleicht in späteren rechtlichen Auseinandersetzungen zu klären sein.
Das Gesamtvolumen, das die neue Generation Sturmgewehr angeht, kann ich Ihnen heute nicht nennen. Das hängt davon ab, wie viele davon beschafft werden, welche Auswahlentscheidungen im Zuge der Beschaffungsverfahren getroffen werden. Das hängt auch davon ab, welche Änderungen an der Peripherie noch vorgenommen werden müssen. Das ist ja eine große Sache. Ich kann Ihnen nur sagen: Was das G36 angeht, haben wir die ersten Beschaffungsvorgänge im Jahr 1995 begonnen. Es war immer auf eine Nutzungsdauer von rund 20 Jahren ausgelegt, und die haben wir heute auch erreicht.
@TW
„Und das Ministerium darf hoch halten, dass das Gericht doch gar nicht über die Frage der Sachmängel entschieden hat… sondern nur über die Frage der Gewährleistung.“
Ihre Darstellung ist – aus Juristischer Sicht – unvertretbar. Das LG hat ausdrücklich über das nicht vorhanden sein eines Sachkangels geurteilt. Auf den IST Zustand kam es dabei nicht an. Denn in jedem Fall weicht er nicht negativ vom SOLL ab. Auch dann nicht wenn der Vortrag der BW zutrifft.
Ich frage mich nur, was die BW erreichen will, wenn man jetzt schon eine Berufung ankündigt. Das Berufungsverfahren in Zivilsachen überprüft das erstinstanzliche Urteil nur auf formelle oder materielle Fehler! (Im Zivilverfahren wird damit nicht völlig neu verhandelt, im Gegensatz zum Berufungsverfahren in Strafsachen.)
Nur wenn das Berufungsgericht Fehler sieht, könnte es anders entscheiden. Aber das Oberlandesgericht wird auch sehen, daß das Sturmgewehr seit 20 Jahren im Einsatz ist und 18 Jahre lang keine Mängel behauptet worden sind und mehr als 180.000 Stück bestellt worden sind. Da wird eine Berufung keine Erfolgsaussichten haben.
Daß die Treffergenauigkeit angeblich auf 7 % sinkt laut BW, wird nichts helfen, weil diese Untersuchungen nach den hier streitigen Bestellungen erfolgt sind und da die BW selbst angibt., daß es nicht an dem verwendeten Kunststoff liegt, sondern bei anderem Kunststoff keine Besserung eintritt bzw. andere Sturmgewehre mit Kunststoffgehäuse, daß gleiche Problem haben sollen, liegt kein Mangel vor, den HuK zu vertreten hat.
Durch eine Berufung würden demzufolge höchstens Steuergelder verschwendet, ohne Erfolgsaussichten. Der Hauptgrund für eine Berufung wird sein, daß bis das Berufungsgericht in ca einem Jahr entscheidet, ist VDL vielleicht nicht mehr im Amt ….
@M.Steffen
Hauen Sie das doch bitte dem Ministerium um die Ohren und nicht mir… Wenn das Ministerium die Ansicht vertritt, dass das Gericht nicht über Sachmängel geurteilt hat, ist das keine Darstellung, die Sie in dieser Form mir anlasten können. Lernen Sie zu unterscheiden zwischen dem Urheber der Aussage und dem Boten.
@TW
Lieber Herr Wiegold,
Ist es nicht Ihre Anmoderation?
Dann bitte ich natürlich um Entschuldigung…
@T.Wiegold:
Ich habe den Satz auch anders verstanden als gemeint. Richtig verstanden hätte ich ihn mit der Formulierung „Und das Ministerium darf hoch halten, dass das Gericht doch gar nicht über die Frage der Sachmängel entschieden HABE“ statt „[…] hat“.
Es ist wohl eine verwaltungsrechtliche Zwangsläufigkeit, dass die öffentliche (Vergabe)hand immer bis zur letzten Instant geht – es sei denn sie gewinnt ein Verfahren in Erstinstanz. Nun muß ich wieder mal auf Thomas Fischer verweisen, der ja der Meinung ist, dass „……Die Überprüfungstiefe ……im Instanzenzug nach oben hin ab: Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen werden in den unteren Instanzen geklärt, die Überprüfungsinstanzen befassen sich vor allem mit der Frage, ob das verfahrensrechtlich auf dem richtigem Weg geschah und ob das materielle Recht auf diese Feststellungen zutreffend angewendet wurde……….“ (nachzulesen auf Zeit.de, hoffentlich kein zu langes Zitat). Vermutlich spekulieren die BMVg-Juristen darauf, dass die nächste Instanz feststellen wird, dass die der „Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen“ eben nicht in der ersten Instanz durch das Gericht vollumfänglich geklärt worden sind. Nun sind Tatsachen das eine und Tatsachenbehauptungen (Testergebnisse) das andere. Die Aufgabe der Justiz ist nicht Wahrheitsfindung, sondern Rechtsfindung und da das BMVG selber festgestellt hat, dass Treffsicherheit nicht Teil der FuBeSi ist und somit wohl nicht vertragsrelevant aus Sicht des materiellen Haftungsrechtes begibt man sich hier imho auf dünnes Eis ….aber das BMVg muß wohl in Berufung gehen nachdem diese Regressforderung an H&K erst mal durch den Bund juristisch losgetreten wurde. Die Treppenwitzserie hat also eine Fortsetzung ;-)
MKn haben die Panzerhaubitzen der BW keine Klimaanlage, die der Niederländer aber.
Insofern finde ich die Begründung „interessant“.
Fast so „interessant“ wie das sich Schönreden des Urteils durch das Ministerium?
Könnte es sein das Ministerium hat diese Gegenstände erworben ohne zu ahnen man müsste sie vielleicht – möglicherweise doch mal einsetzen?
@M.Steffen | 02. September 2016 – 14:21
Juristisch mögen sie Recht haben. Wir sollten aber im Rahmen eines solchen Blog nicht zu sehr ins prozessuale Detail gehen, wenn es nicht für die Bewertung eines Vorgangs von Bedeutung ist.
Wir haben hier nicht die (meist übliche) prozessuale Konstellation „Käufer verlangt vom Verkäufer Gewährleistung“ (Leistungsklage), sondern die (in solchen Fällen eher unübliche) Konstellation „Verkäufer verlangt die Feststellung, dass dem Käufer keine Mängelrechte zustehen“ (negative Feststellungsklage).
Tatsache ist, dass das Gericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Heckler&Koch die Sturmgewehre geliefert hat, die die Bundeswehr bestellte. Mit anderen Worten, Heckler&Koch hat nach Ansicht des Gerichts seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Für das Unternehmen – auch international – eine wichtige Botschaft.
Ob die Bundeswehr das bestellt hat, was sie tatsächlich haben wollte oder hätte bestellen sollen, steht auf einem anderen Blatt. Erst recht, ob die Bundeswehr zukünftig was anderes bestellen soll oder will.
„DARF hoch halten“ ist eine Bewertung/Meinungsäußerung des Autors (/“Boten“). Hätte man diesen Satz unmissverständlich formulieren wollen, hätte man geschrieben „das BMVg hält hoch, …“
Und etwas weniger Dünnhäutigkeit bei Reaktionen auf Kommentare würde gut tun.
@M.Steffen, EinLeser
Sorry, in der Tat hat meine sprachliche Schlamperei das Missverständnis provoziert… habe das jetzt mal korrigiert.
Könnte mir höflicherweise jemand der anwesenden Leser beantworten, ob in der Vergangenheit Versuche mit ähnlich breit verwendeten NATO Sturmgewehren angestellt wurden, die eben nicht die Präzisionsveränderung durch die heißgeschossene Waffe, sondern durch exogene Temperaturschwankungen untersucht hat?
(Ich bitte vorab um Verzeihung, falls dieses Kommentar sich nicht 100%-ig mit dem Thema des Posts deckt)
Ein Wort zu: “ Hätten die Beamten und Soldaten ihre Arbeit anständig gemacht, …..“
Da in diesen 20 Jahren die Bw fünfmal umgekrempelt wurde, das Personal versetzt / entlassen,die Aktenablage „elektronisiert“ und „optimiert“, Zuständigkeiten „migriert“, wundert mich das nicht. Wer mal Auflösungen / Umstrukturierungen mitgemacht hat, weiß wie das läuft.
Und jedesmal ein neuer OrgBer dazu, mit neuen Schnittstellen usw. usf. Wenn die Bw weiter dermaßen chaotisch strukturiert bleibt (und danach sieht es aus), wird noch das ein oder andere U-Boot auftauchen, vielleicht nicht so ganz medienwirksam.
Damit ist dann die Hoffnung gestorben!
Kein vergoldetes G11 (bessere Wärmeabfuhr) für lau von Heckler und Koch als Ersatz für teilweise bald 20 Jahre alte Sturmgewehre.
Skandal!
Ich wollte den Hersteller meiner 20 jahre alten Waschmaschine auch verklagen, weil Geldwäsche damit offensichtlich nicht funktioniert. Ich fühle mich betrogen!
Ein Bekannter wollte seinen 98er Fiat Seicento gegen einen Ferrari LaFerrari tauschen, weil er sich auch betrogen fühlt. Der Seicento ist viel schlechter als andere Modelle des Fiat Konzerns!
Sauerei ist das!
Die schriftliche Erklärung des BMVg ist imho ein echter Hammer.
„Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung wird daher gegen dieses Urteil in Berufung gehen, sollte das Gericht seine heutige Entscheidung auf dieselben wackeligen rechtlichen Argumente stützen, wie sie in der mündlichen Verhandlung Anfang Juni angeführt wurden. Wir werden daher die schriftliche Urteilsbegründung sorgfältig auswerten.“ Primat der Politik will mal wieder Primat des Rechts „belehren“ in Sachen „rechtliche Argumente“ ? Es kann ja schon mal vorkommen, dass eine Krähe der anderen – aus Versehen – ein Auge aushackt, Krähen lassen sich aber von Kanarienvögeln mit „wackligen Gutachten“ nicht gerne dazu drängen einer anderen Krähe das Auge auszuhacken…….ganz, ganz dünnes Eis ;-)
Merkwürdig finde ich, daß sich HuK sich bisher scheinbar nicht geäußert hat. Auf deren Seite ist jedenfalls keine Pressemittteilung zu dem Urteil bisher erschienen, so daß ich mich frage, pennt die Presseabteilung von Huk oder will man die BW schonen, indem man sich selbst öffentlich nicht äußert?
Denn eigentlich hätte ich erwartet, daß Heckler & Koch sich groß dazu äußert, daß sein Sturmgewehr eben mangelfrei sei und geliefert wurde wie bestellt .
Widersprüchlich ist der Bericht der BW zu dem Urteil, denn wenn man das Gewehr aus Verantwortung für Soldaten meint austauschen zu müssen, dann ist es unverantwortlich, daß die BW Soldaten im Ausland noch immer das G 36 verwenden müssen. Für diese paar Tausend Soldaten hätte man schon längst ein Ersatzgewehr beschaffen müssen und können.
H&K weiß sehr genau, warum sie vor Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsbegründung einfach mal „Fresse halten“. Das BMVg schaufelt sich gerade mit seinen Erklärungen sein eigenes Verfahrens-Grab – da muß man ja nicht mitgraben ;-)
Zur „schriftlichen Erklärung des Verteidigungsministeriums“: Wie blöde muss man sein, ein solches Statement auf seiner Website abzulassen?!
Da würde ich als Kommandeur im Einsatz erst mal jegliche über die Eigensicherung im Feldlager hinausgehende Aktivitäten einstellen lassen.
Hans Schommer
@klabautermann | 02. September 2016 – 15:51
Da gebe ich ihnen Recht! Vielleicht war das Vorgehen von Heckler&Koch doch insgesamt schlauer, als viele gedacht haben.
Vielleicht sollte man die „wackeligen juristischen Argumente“ einmal mit einer objektiven Validierung der „wasserdichten technischen Gutachten“ entlarven. Das BKA könnte da sicherlich Licht ins Dunkel bringen :-).
Es könnte in die verlängerung gehen wobei das urteil nicht stimmt
den IDZ II war anders ausgelegt und da war aber schon bekannt das das für Dauerfeuer nicht geeignet war
Nur in den 90er das stimmt dafür war es nicht gedacht den man ging Sparsam um
@klabautermann: Die schriftlichen Urteilsgründe liegen HuK garantiert vor, weil in Zivilsachen ergeht das Urteil schriftlich. zum Verkündungstermin, der heute gewesen sein müsste, da eine Presseerklärung zum Urteil erfolgt ist. Da normalerweise keine Anwälte oder Parteien zum Verkündungstermin erscheinen, werden die Urteile dann schriftlich übersandt. Aber so wichtige Entscheidungen wir hier, lassen sich die Anwälte von den Gerichtsgeschäftsstellen sofort zufaxen.
Nur in Strafverfahren oder Verwaltungsverfahren kommen die schriftlichen Urteilsgründe erst viel später nach einer mündlichen Urteilsverkündung.
Deshalb halte ich das Schweigen von HuK schon für auffällig und kann es mir nur so denken, daß sie wg dem Nachfolgesturmgewehr die unterlegene BW nicht durch eine (triumphale) eigene Presseerklärung reizen wollen.
@Closius | 02. September 2016 – 17:48
Vielleicht sollten wir einfach mal abwarten. Das macht eigentlich die Diskussion hier aus. Faktenbasiert diskutieren, möglicht ohne Spekulation. Die Bedeutung des Verfahrens geht weit über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus.
@SvD
Kein Wunder, denn den Fiat-Konzern gibt es nicht mehr.
@T. Wiegold
Sie sprechen mir mit den letzten Sätzen Ihres Artikels aus der Seele. Eine unsägliche Angelegenheit. Ich hoffe sehr, dass irgendjemand in der Bw das Rückgrat hat zumindest den gerichtlichen Teil dieser Farce zu beenden. Bezüglich der Reihung der Verantwortlichen hinsichtlich des Fehlens einer Nachbeschaffung, erlaube ich mir jedoch darauf hinzuweisen, dass es noch immer eine grundsätzliche Trennung zwischen Bedarfsträger (Soldaten) und Bedarfsdecker (Beamte) gibt. Wenn also vom BT nicht rechtzeitig eine entsprechende (an den tatsächlichen Bedürfnissen orientierte) Forderung kommt, kann keine Beschaffung durch den BD eingeleitet werden. Darüber hinaus möge man auf politischer Seite bitte endlich wahrnehmen, dass die Fokussierung auf die Erfüllung zwar notwendiger aber nicht hinreichender gesetzlicher Forderungen, statt auf die Erfüllung operativer Leistungsforderungen, möglicherweise zu erhöhter Termintreue führt, aber eben auch zu nur eingeschränkt operativ nutzbarem Wehrmaterial.
@Hubi, ja mein Gott, dann eben Fiat-Chrysler, macht auch nichts besser.
#Spaßbremse
Gemäß Pressemitteilung BMVg schickt die IBUG also Soldaten in Einsäte, z.B. nach Mali, mit einem Sturmgewehr mit einer Ersttrefferwahrscheinlichkeit von 7 % – in Worten sieben!!!!!!!!!!!!-. Sollte in einem Gefecht dazu noch der Stress kommen, so dürfte die tatsächliche Ersttrefferwahrscheinlichkeit nahe NULL liegen.
Vielleicht sollte sich mit dem Problem mal der Wehrbeauftrage und der Verteidigungsausschuss beschäftigen,
sorry muss natürlich IBuK heißen
Hier gibt es nur Verlierer ..
Ende .!
Der Wehrbeauftragte hat sich doch schon mit dem G36 beschäftigt und liegt voll auf BMVg-Linie.
@verteidigungsbeamter
Es gibt in den Technischen Lieferbedingungen für das G36 keinen Passus, der fordert dass bei Erhitzung um A Grad die Treffwahrscheinlichkeit höchstens um B Prozent sinken darf.
Folglich kann man HK nicht den Vorwurf machen, Forderungen nicht erfüllt zu haben, die es gar nicht gibt. Genau darum ging es im Prozess. Auch wenn man vor deutschen Gerichten wie auf hoher See in Gottes Hand ist, war dieser Ausgang so gut wie sicher.
Nebenbei bemerkt existieren meines Wissens in keiner Armee Lieferbedingungen für Handwaffen, die eine bestimmte Treffgenauigkeit bei heiß geschossener Waffe fordern. Alle Tests bei heißer Waffe beziehen sich rein auf die Funktionssicherheit. Das mag sich künftig ändern, aber zur Zeit wird -soweit ich das überblicken kann- nirgends die Treffgenauigkeit der heißen Waffe geprüft.
@ verteidigungsbeamter | 02. September 2016 – 19:58
Die 7%, die oben erwähnt werden… sind die bei einer Waffe gegeben, die bereits „im Gefecht“ heiß geworden ist? Also, kein Mangel an „Erstschußtreffer“, sondern im Zuge des Feuerkampfes? Auf welche Distanz? 50m? 100m? 250m?
Technische Untersuchungen und juristische Verfahren hin oder her – mir ist bis jetzt kein Artikel oder Bericht geläufig, in der offenkundige Mängel und Zweifel an der Tauglichkeit des G36 in einem konkreten Gefechtseinsatz die Rede gewesen wäre.
Von daher sehe ich das etwas entspannter.
Die Bw und gerade die VN´s haben soviele Baustellen und nicht funktionierende WS
oder Kommandobehörden. (Global HAWK,A400M,Mantis,EF,EinsFüKdo, usw,
was aber wirklich gut und verlässlich war in allen Situationen war das G 36.
Und warum will v.L. jedem Soldaten, auch dehnen die nie in den Einsatz geben und schon gar nicht mit einer Waffe richtig um ghen können ein neues besorgen?
Glaube v.L. sollte sich mal mit Soldaten und ausschlieslich mit Soldaten mit Einsatzerfahrung unterhalten und as unverblümt -ehrlich.
@all
Es gibt doch eine Stellungnahme von Heckler&Koch dazu, die ich dank eines Hinweises jetzt auch gefunden habe ;-) habe sie oben nachgetragen.
Flosdorff: „Ein zweites Ergebnis dieser Tests war, dass bei externer thermischer Erwärmung es ist keine große externe thermische Erwärmung, wenn Sie von 15 auf 45 Grad erwärmen die Streukreisaufweitung eine Treffsicherheit von sieben Prozent hat. Das Erste kann man korrigieren, indem man einfach ein Maschinengewehr mit in den Einsatz nimmt. So kann man den Nachteil, den das G36 in Bezug auf die Präzision hatte, ausgleichen. Bei dem Zweiten ist es so, dass, wenn man im Ausland ist, es häufig durch die Sonneneinstrahlung in den Fahrzeugen, die wir nutzen, eine Ersttrefferwahrscheinlichkeit von sieben Prozent gibt, wenn man plötzlich das Gewehr benutzen muss.“
Da stellen sich einem die Nackenhare auf! Will Herr Flosdorff uns glauben machen das G36 sei in Afganistan bei 15 C eingeschossen? Wohl kaum. Oder meint er in Munster werden die Dingos 45 C heiß und es wird sofort nach dem absitzen los geballert?
Wurden die Ergebnisse der Nachtwei Kommission nicht zur Kenntnis genommen?
So eine PK Zeugt von einem hohen Maß an Beratungsresistenz.
Die viel zitierten 7 Prozent Treffwahrscheinlichkeit sind ein Zahlenwert, zu dem man nicht sagen kann: „Ist das viel oder wenig?.“ Man müsste die genauen(!) Versuchsbedingungen kennen oder -besser noch- wissen wie sich eine Vergleichswaffe (z.B. G3, M16A2 oder AUG) unter denselben Bedingungen verhält.
P.S. Ich wundere mich, dass der Sprecher des BMVg die Terminoligie der Bundeswehr nicht kennt und -wie zu Kaisers Zeiten- von TreffERwahrscheinlichkeit redet. (siehe Terminologie-Datenbasis, ehem. ZDV 30/41 oder TDV 007.) Eine Kleinigkeit, sicher. Aber bezeichnend für den Mangel an Sachkenntnis der Soldaten die ihm zuarbeiten.
Wenigstens H&K hat inzwischen seine Hausaufgaben gemacht – die „Pressemeldung“ ist geanu auf den Punkt. Offensichtlich tut dem Unternehmen die neue Führungsmannschaft gut.
Dieses „Geliefert wie bestellt“ Ding, zieht sich irgendwie durch. Vllt ein Fehler im System?
Also ist dieses Kapitel der langen Geschichte ums G36 nun abgeschlossen.
Als Steuerzahler ärgert mich der Aktionismus in Reinstform: Es werden über 100.000 G36 Gewehr ausgemustert ohne echte Notwendigkeit und ohne sachliche Untermauerung. Das Gewehr kann unter Extrembedingungen versagen. Dafür ist das Gewehr sehr preiswert, sehr leicht und in grossen Stückzahlen vorhanden also das ideale Handwerkszeug für die zweite und dritte Reihe.
Extremsituationen sind einplanbar, diese werden nicht im Wachdienst oder in der Ausbildung usw anfallen sondern dort wo abgesessene Infanterie in längere Feuerkämpfe verwickelt wird und ob das zutrifft sollte sich leicht im Vorfeld abschätzen lassen. Gebt diesen Soldaten ein solides Gewehr, für alles andere ist das G36 doch gut genug. Ich gehe sogar weiter, Wache schieben, Schiessübungen und vieles andere sind mit einem leichten, preiswerten Gewehr sogar sinnvoller. One size does NOT fit all.
(Und ich sehs schon kommen, die Entscheidung zwischen 5,56 und 7,62mm Kaliber wird deutlich emotionaler als die G36-Diskussion)
Ein Gewehr wird abgestimmt auf die Einsatzbedingungen und nicht auf die Transportbedingungen eingeschossen.
D.h. werden Gefechte bei 35-45 Grad erwartet, justiert der Soldat seine Waffe eben in diesem Temperaturbereich, dann ist die Ersttrefferwahrscheinlichkeit auch bei 100% (vorausgesetzt der Soldat bringt die notwendigen Schießfertigkeiten mit).
Betrifft in diesem Fall nicht nur das Einsatzland, wer sein Gewehr im Winter bei -5 Grad eingeschossen hat, wird im Sommer bei +30 Grad ebenfalls seine Schwierigkeiten haben, weshalb die Waffe mehrmals im Jahr nachjustiert werden sollte (man muss es auch nicht immer auf der Schießbahn machen, sondern kann auch auf Ballistiktabellen zurückgreifen).
Von daher keine Gefahr für die Einsatzfägkeit des G36, deswegen kommen auch Soldaten und Tester zu einem anderen Ergebnis. Soldaten nutzen die Waffe eben ganz anders, weil „vermeintliche“ technische Mängel durch Ausbildung und Erfahrung negiert werden.
@ Ex-Soldat
Bedarfsträger ist meiner Kenntnis nach das Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw), Bedarfsdecker das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). In beiden sitzen Soldaten und Beamte, also teilen die sich die „Schande“…
Interessant in diesem Zusammenhang nur, dass im BAAINBw die Projektleiter während der Beschaffung in der Regel Beamte sind, mit der Genehmigung zur Nutzung wechselt man dann häufig auf Soldaten…
WaGe | 03. September 2016 – 6:40:
„Ein Gewehr wird abgestimmt auf die Einsatzbedingungen und nicht auf die Transportbedingungen eingeschossen. … “
Das ist grundsätzlich richtig. Man sollte aber die Temperaturunterschiede gerade im Winter zwischen dem Lagerort der Waffe (beheiztes Gefechtsfahrzeug oder beheizte Feldunterkunft) und dem Außenbereich nicht unterschätzen. Das können gut mal dreißig Grad Celsius sein. Da braucht es eine Weile, bis die Waffe sich auf Umgebungstemperatur (im optimalen Fall dann auch die Anschießtemperatur) runtergekühlt hat und dann wie angeschossen trifft.
Ebenso ist auch die Treffpunktverlagerung beim G36 nach Gebrauch als „lMG“ klar vorhersehbar gewesen. Die Abgabe von Feuerstößen war nur für die Schießart „Sturmabwehrschießen“ gedacht – also unter den einsatztaktischen Gesichtspunkten der 90er Jahre nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Und Dauerfeuer ist bei Sturmgewehren schon gar nicht erst vorgesehen.
Zudem wurde die Waffe durch Tests, welche auf die konstruktiv weder vorgesehene noch geforderte „Niederhalte- und Angstballerei“ ausgerichtet waren, schlecht geredet und geschrieben.
Dass die Truppe im Einsatz sich über ihr Gewehr nicht beschwert hat, ist dem erfreulichen Fakt geschuldet, dass diese Soldaten sehr gut ausgebildet waren und sind. Daher hätte sich nur ein Idiot darüber beklagt, dass seine für den Präzisonsschuss ausgelegte Waffe nach dem „aufglühen“ mangels Steilfeuerkomponente nicht mehr exakt trifft.
Hans Schommer
Kann von den hier schreibenden Fachleuten jemand etwas zum SIG Sauer Gewehr „MCX“ im Vergleich zum HK416 sagen? Wo sind die Vor- und Nachteile zu sehen? Ich frage deshalb weil heute wieder ein Artikel über Sauer, diesmal in den „Kieler Nachrichten“, erschienen ist. Die scheinen ernsthaft aufzurüsten, sieht man auch rein äußerlich schon.
„…wackeligen rechtlichen Argumente…“
Selten wurde die Hybris der Leitung des BMVg offensichtlicher.
Ohne jede Not wurde eine Mängelrüge gegen HK auf den Weg gebracht – nun wurde diese in Bausch und Bogen verworfen.
Anstatt nun klein bei zu geben, geht man nun in Berufung und bezeichnet die Entscheidung als „wackelig“.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Aber das BMVg ist mittlerweile in einer Parallelrealität angekommen. Das wird such vor der Wahl nich an vielen Stellen zeigen.
Und noch ein Gedanke:
Durch die obige Pressemitteilung kann das BMVg auch kaum mehr G36 für IdZ-ES beschaffen. Die Folgelose sollen aber Anfang 2017 parlamentarisch gebilligt werden.
Man ist komplett gefangen im der Logik der Selbstinszenierung der Ministerin.
Ahhhhhh…….das passt ja wunderbar dieser KN-Artikel ;-) Das hat der OTL d.R. von Stauffenberg ja sehr gut ge-timed- Und „schwups“ poppt auch ein Kommentar hier im Blog auf. Ist schon ein ziemlich hartes Geschäft, dieser Rüstungsmarkt/SCNR
„G36 als lMG“ ist doch die Konsequenz aus bescheidenen ROE und fehlender Ausrüstung.
Wenn das einzige was der Landser hat sein Gewehr ist muss das eben herhalten. Mörserunterstützung keine. Artillerie keine. Luft Unterstützung sowieso nicht. Tja was sollen sie denn dann benutzen? Das ist doch das eigentliche Problem, daß nicht alle Werkzeuge benutzt werden dürfen. Und manche auch einfach weggespart wurden in den letzten Jahrzehnten.
@Memoria
G36 für IdZ-ES ? Das wird wohl nix……und das ist auch gut so oder glauben Sie, dass man das G36 im Rahmen IdZ-ES so einsetzen kann:“……Waffen, Optik, Optronik (WOO)ist abgestimmt auf das neue Schießkonzept der Bundeswehr und gewährleistet durch die ergonomische Abstimmung mit dem Teilsystem Bekleidung, Schutz- und Trageausstattung eine schnellere Reaktionsfähigkeit, besseren Schutz und höhere Wirkung……………Die Steuerung der wesentlichen taktischen Funktionen kann beispielsweise vollständig über Bedienelemente an der Waffe erfolgen……“ Erkennen Sie den konzeptionellen Widerspruch ? Ein WOO ohne sich automatisch auf die ballistischen Parameter (z.Bsp. TemperaturEN etc) einstellende Zieloptik, die man aber über „Bedienelemente an der Waffe“ einstellen kann ist ja wohl ein schlechter Scherz. Das soll „Zukunft“ sein ?…..Gelächter !
Diese „Selbstinszinierung“ der Ministerin hat den Quasi-Monopolisten H&K sowie den behördlichen Warschonimmerso-Bedarfsdeckern endlich einmal kräftig auf die Füße getreten.
@klabautermann:
„Ein WOO ohne sich automatisch auf die ballistischen Parameter (z.Bsp. TemperaturEN etc) einstellende Zieloptik, die man aber über “Bedienelemente an der Waffe” einstellen“.
Wo gibt es das marktverfügbar? Auf der Welt? Eine Sturmgewehroptik, die sich an Temperaturen anpasst???
Geht aus meiner Sicht auch an den echten Problemen vorbei.
Ja und laut BMVg ist IdZ-ES weiterhin geplant.
Das ist ja das Widersprüchliche seitens Heer und BMVg:
G36 nicht gut genug, aber die bereits in der Planung befindlichen Waffen sollen beschafft werden (http://augengeradeaus.net/2013/11/g36-das-baainbw-protokoll/).
Der Abg. Arnold fordert mittlerweile eine Beschaffung des G36-Nachfolgers noch vor der Wahl.
Das zeugt ja schon wieder von erheblicher Unkenntnis. Nach all den Jahren.
@Memoria
Sie merken schon, dass hier heftige konzeptionelle Widersprüche vorhanden sind.
Abgesehen davon, dass eine elektro-optische Zieleinrichtung, die mittels Mini-Sensorik in und an der Waffe sich automatisch den aktuell herrschenden innen-/außenballistischen Parametern anpasst ist heutzutage keine rocket-science mehr……man muß es nur fordern…..und natürlich dann auch bezahlen. Stattdessen soll nun ein oller Schießprügel off-the-shelf für den Infantristen der Zukunft beschafft werden, von dem es noch nicht einmal zuverlässige Daten über die Treffgenauigkeit in Abhängigkeit von den relevanten ballistischen Parametern gibt ? Das erscheint mir nicht sehr zukunftsorientiert.
Ich hoffe nur darauf, dass in der Diskussion um ein Nachfolgemuster auch das Kaliber eine Rolle spielen wird. Zumindest über eine Kaliberdifferenzierung zwischen „Linieninfanterie“ und KU- / FüTr etc. sollte nachgedacht werden. Erstere wäre mit 7,62 sicher duchschlagskräftiger ausgestattet. Wenn man dann infolge hoher Treffsicherheit weniger Munition verbrauchen muss, relativiert das auch ein wenig das höhere Waffen- und Munitionsgewicht.
Hans Schommer