Von der Leyen gibt zu: Bundeswehr stellte sich auf Eingreifen in München ein

Die Bundeswehr war nach den Worten von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen darauf eingestellt, nach den Schüssen von München einzugreifen und damit den unter bestimmten Umständen möglichen Einsatz der Streitkräfte im Inneren durchzuführen. Solange das Ausmaß des Anschlages am Freitag nicht klar war, war eine Feldjäger-Einheit der Bundeswehr in München in Bereitschaft versetzt, zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung* die CDU-Politikerin. Die zuständigen Polizeibehörden, in diesem Fall in München, beobachten die Entwicklung einer Terrorlage und wissen genau, wann die eigenen Kräfte an ihre Grenzen kommen oder spezielle Fähigkeiten gefragt sind, über die nur die Bundeswehr verfügt.

Welche speziellen Fähigkeiten der Militärpolizei der Bundeswehr gemeint sind, über die die Polizei nicht verfügt, sagte die Ministerin nicht. Bereits kurz nach den tödlichen Schüssen in der bayerischen Landeshauptstadt hatte der verteidigungspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Florian Hahn, den Einsatz der Bundeswehr gefordert:

 

Vor der Aussage der Verteidigungsministerin gegenüber einer einzelnen Zeitung hatte es ihr Ressort sorgfältig vermieden, auf entsprechende Fragen nach möglichen Überlegungen für einen Bundeswehreinsatz zu antworten. Auf eine Anfrage vom späten Freitagabend, ob ein Einsatz der Bundeswehr nach den Voraussetzungen des Grundgesetz-Artikels 35, Absatz 2 (siehe dazu unten) erwogen werde, meldete sich eine Sprecherin am Samstagnachmittag, mehr als zwölf Stunden später, schriftlich mit der Aussage: Sie hatten nach Artikel 35, Abs 2 in Bezug auf die gestrigen Ereignisse gefragt.  Durch die glücklicherweise erfolgte Entspannung der Lage nach diesem traurigen Ereignis, nehme ich an, dass sich das jetzt schon überholt hat.

Die Aussagen von der Leyens wurden allerdings erst danach veröffentlicht, auch aus Sicht des Ministeriums schien es sich also nicht überholt zu haben. Auf welche Gesetzesnorm die Ministerin einen möglichen Einsatz stützen wollte, blieb vorerst unklar.

Die Bereitschaft von Unionspolitikern, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, folgt auf ein Scheitern bei der Abfassung des neuen Weißbuches der Bundeswehr: In dem von der Bundesregierung insgesamt gebilligten Dokument zur Sicherheitspolitik hatte das SPD-geführte Auswärtige Amt verhindert, dass weitergehende Vorstellungen der Union zum Einsatz im Inneren Eingang in die Beschlussfassung fanden.

Allerdings wird in dem Weißbuch die geltende Gesetzeslage für Fälle, die wie der in München klingen, noch mal gesondert hervorgehoben:

Einsatz und Leistungen der Bundeswehr im Innern
Die Streitkräfte können im Inland im Rahmen der Amtshilfe nach Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes tätig werden. Solche Maßnahmen sind auf die technisch-logistische Unterstützung – unterhalb der Schwelle zum Einsatz – beschränkt. Die Flüchtlingshilfe ist dafür ein aktuelles Beispiel. Zwangsmaßnahmen und hoheitliche Befugnisse kann die Bundeswehr auf dieser Grundlage nicht ausüben.
Ausdrücklich zugelassen in Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes ist der Einsatz der Streitkräfte im Innern zur Hilfe bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen (Katastrophennotstand) auf Anforderung eines Landes oder auf Anordnung der Bundesregierung. Das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls kommt auch bei terroristischen Großlagen in Betracht. Durch das Bundesverfassungsgericht wurde dabei bestätigt, dass die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können.
Der Einsatz der Streitkräfte hat damit auch im Zusammenhang mit heutigen Bedrohungslagen zur wirksamen Bekämpfung und Beseitigung katastrophischer Schadensereignisse in den engen Grenzen einer ungewöhnlichen Ausnahmesituation nach der geltenden Verfassungslage seine Bedeutung. Es ist wichtig, an den Schnittstellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein.

Der Artikel 35 Absatz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes im Wortlaut:

Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.

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