Merkels Pressekonferenz: Die (sparsamen) Aussagen zur äußeren Sicherheit

Angela Merkel in der Bundespressekonferenz

Die regelmäßige jährliche Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel war eigentlich erst nach der Sommerpause vorgesehen; dass sie bereits am (heutigen) Donnerstag stattfand, hatte natürlich die Gewalttaten der vergangenen Tage als wichtigstes Thema. Wer die ganze Pressekonferenz mit der Kanzlerin nachlesen will, wird hier fündig; ich habe mal die Punkte herausgegriffen, in denen es um äußere Sicherheit und die Bundeswehr geht:

Ich mache diese Pressekonferenz ja meistens erst nach den Ferien oder vor den Sommerferien, aber ich glaube, die aktuelle Situation macht es insbesondere nach den schrecklichen Anschlägen von Würzburg, München und Ansbach wichtig, und mir ist das auch wichtig, dass wir nicht bis nach dem Urlaub warten, sondern dass wir das jetzt und heute tun. Wir werden natürlich wie immer bei den Sommerpressekonferenzen über alle Fragen sprechen können, die Sie beschäftigen, so die Ukraine-Russland-Fragen, die europäische Situation, die Situation in der Türkei, aber auch innenpolitische Themen wie die Bund-Länder-Finanzen oder die Rente.

Aus dieser Einführung wird schon klar: Es geht um die aktuelle Situation der Anschläge, also vor allem um die innere Sicherheit. Und die Themen Ukraine und Russland, an denen sich in den vergangenen Monaten wenig geändert und eigentlich nichts verbessert hat… blieben diesmal außen vor. Wenig überraschend, aber auch bedauerlich: die aktuellen Themen überschatten alles.

Im Zuge eines, wie es dann verstanden wurde, Neun-Punkte-Programms nannte die Kanzlerin verschiedene Anstrengungen, die innere Sicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Darin tauchte dann auch die Bundeswehr auf – allerdings, das war eindeutig, nicht mit der Forderung nach neuen Aufgaben oder gar neuen gesetzlichen Grundlagen. Im Gegenteil, es ging ausschließlich um das, was auch im jüngsten Weißbuch steht: Die bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte bei besonderen Katastrophen – einschließlich terroristischer Angriffe – zu nutzen und auch zu üben. Wobei weiterhin offen bleibt, wann diese Schwelle eigentlich erreicht ist:

Viertens. Wir haben jüngst das Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums verabschiedet. Es ist jetzt an der Zeit, Übungen für terroristische Großlagen durchzuführen, die wir nach der geltenden Verfassungsrechtsprechung auch durchführen können, bei denen unter der Führung der jeweiligen Polizei dann auch die Bundeswehr mit eingebunden werden kann.
(…)
Ich glaube, dass wir mit der Interpretation einen Fortschritt erzielt haben, die im Weißbuch gegeben ist und dass wir bis jetzt – das ist ja das Ergebnis – die Möglichkeiten des Einsatzes der Bundeswehr im Zusammenhang mit terroristischen Großlangen im Innern zumindest praktisch noch nicht geübt haben. Ich finde es gut, dass sich zumindest zwei, wenn nicht mehr Bundesländer bereiterklärt haben, mit der Bundeswehr gemeinsam einmal zu üben, wenn eine solche terroristische Großlage entsteht, dann eben auch bereit zu sein, solche Stabsübungen und Ähnliches durchzuführen, weil ich es für wichtig halte, dass das auch eingeübt ist und nicht zum ersten Mal ausprobiert werden muss.Ich glaube, damit sind wir einen ganzen Schritt weiter. Das entspricht der geltenden Verfassungsrechtsprechung. Andere Dinge sind nicht so einfach umzusetzen. Ich glaube, wir sollten jetzt erst einmal von den Möglichkeiten, die wir heute haben, Gebrauch machen.

Im Zusammenhang mit den Gewaltakten, die Flüchtlinge in Deutschland in den vergangenen Tagen begangen haben, ging es auch um Fluchtursachen und deutsche Verantwortung dabei:

Frage : Frau Merkel, ich habe zwei Fragen zur Fluchtursachenbekämpfung und dazu, wie Menschen radikalisiert werden. Wie Sie wahrscheinlich in der letzten Woche mitbekommen haben, haben Bombardierungen unserer Anti-ISIS-Koalition im Norden Syriens mehr als 100 unschuldige Menschen getötet, darunter 35 Kinder. Die Bundeswehr wird eingesetzt, damit das nicht passiert. Sie haben diese Woche wieder ein Beileidsschreiben nach Frankreich geschickt. Mich würde interessieren, ob Sie auch ein Beileidschreiben an die Angehörigen unserer Opfer nach Syrien schicken.
BK’in Merkel: Wir arbeiten oder tun ja in der Anti-IS-Koalition mit. Ich glaube, dass das auch richtig und wichtig ist. Sie haben es selbst gesagt: Durch unsere Tornado-Flieger und in Zukunft vielleicht auch durch die AWACS-Aufklärung versuchen wir, alles zu verhindern, was auch Zivilisten das Leben kostet. Wenn Sie sich allerdings anschauen, in welch massiver Weise Zivilisten durch den IS in ihren Lebensmöglichkeiten eingeschränkt werden oder ermordet werden, dann ist, glaube ich, dieser Einsatz gegen den IS richtig und wichtig. Sie dürfen davon ausgehen, dass alles getan wird, um zivile Opfer zu verhindern.

… und der Begriff Krieg, im Sinne von Krieg gegen den Terrorismus, spielte ebenfalls eine Rolle.  (Wobei sich diejenigen, die diesen Begriff kritisieren, daran erinnern sollten, dass die Bundesregierung den Kampf gegen die Taliban über Jahre nicht als Krieg charakterisieren wollte):

Ich will Folgendes sagen: Ich glaube, dass wir uns in einem Kampf oder meinetwegen auch in einem Krieg gegen den IS befinden. Das ist unbestritten. Dass es Bürgerkrieg in Syrien gibt, ist auch unbestritten. Dass es zum Beispiel einen Kampf gegen Terroristen auch in Mali gibt, ist auch unbestritten. Was mir sehr wichtig ist – ich glaube, das kann nicht oft genug betont werden -, ist: Wir befinden uns in keinem Krieg oder Kampf gegen den Islam, sondern wir kämpfen gegen den Terrorismus, auch gegen den islamistischen Terrorismus.
Ich sehe im Augenblick aktuell keine neuen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Frankreich. Wir sind verstärkend in Mali dabei, wenn es dort um den französischen Einsatz geht. Das ist unser Beitrag. Wir haben uns auch verstärkt im Kampf gegen den IS durch die Tornadoflieger eingesetzt. Nach dem letzten Nato-Gipfel steht noch das Thema AWACS auf der Tagesordnung. Neue Verpflichtungen sehe ich im Augenblick nicht.

Im Verhältnis zur Türkei, und dem Streit um den Besuch deutscher Abgeordneter und Politiker bei den deutschen Soldaten auf der türkischen Basis Incirlik, hatte die Kanzlerin wenig Neues mitzuteilen:

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gerade das Gespräch mit Herrn Erdoğan in Warschau angesprochen. Dabei wurde ja auch der geplante und bisher abgelehnte Besuch von Bundestagsabgeordneten in İncirlik – sozusagen bei ihren eigenen Soldaten – angesprochen. Die türkische Seite hat in diesem Zusammenhang ja halböffentlich Forderungen aufgestellt, zum Beispiel die Forderung nach einer Distanzierung von der Armenien-Resolution. Können Sie uns noch einmal schildern, was der Inhalt Ihres Gesprächs mit Herrn Erdoğan war? Welche Voraussetzungen sollen erfüllt werden, damit diese Besuche stattfinden können? Ist es für Sie vorstellbar, dass dieser Bundeswehreinsatz fortgesetzt wird, wenn Bundestagsabgeordnete diese Basis weiterhin nicht besuchen dürfen?
BK’in Merkel: Ich habe in dem Gespräch – und mehr möchte ich darüber auch nicht sagen – deutlich gemacht, dass wir in Deutschland eine Parlamentsarmee haben, dass der Deutsche Bundestag über jeden Bundeswehreinsatz beschließt und deshalb die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch die Möglichkeit haben müssen, ihre Soldaten zu besuchen. Jetzt arbeiten wir weiter daran, dass das möglich ist.

Und noch ein Punkt, der eher für die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte von Interesse ist: den Krieg der USA 2003 gegen den damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein, sagt die Kanzlerin, habe sie auch als Oppositionspolitikerin nie befürwortet:

Frau Merkel, 2002/2003 habe Sie den Irak-Krieg unterstützt, der ISIS entstehen lassen hat. Ist das Ihr politisch größter Irrtum gewesen?
BK’in Merkel: Ich unterstütze nie einen Krieg. Ich habe auch den Irak-Krieg nicht unterstützt, sondern ich – – –
Zuruf : Doch!
BK’in Merkel: Entschuldigung! – Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass es nicht gelungen ist, eine gemeinsame europäische Haltung mit den Vereinigten Staaten von Amerika hinzubekommen. Es hat dann UN-Resolutionen gegeben, über deren Interpretation unterschiedliche Meinungen herrschten. Es ist nicht gelungen, diesen Krieg zu verhindern, und das fand ich bedauerlich. Ich hatte den Eindruck, dass auch Europa mehr hätte tun können, um das anderweitig hinzubekommen.

(Foto: Michael Gottschalk/photothek.net)