Lagebeobachtung: Türkisches Reiseverbot für den Staatssekretär und die Folgen

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Die Weigerung der Türkei, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium Ralf Brauksiepe einen Besuch bei deutschen Soldaten auf der türkischen Basis Incirlik zu erlauben, schlägt jetzt recht hohe Wellen. Und weil damit das ohnehin schwierige Verhältnis Deutschlands zum NATO-Mitglied Türkei weiter kompliziert wird, die Lage als Merkposten:

Am (gestrigen) Mittwoch hatte zuerst Spiegel Online berichtet, dass die Türkei dem CDU-Politiker die geplante Reise untersagt habe. Offensichtlicher Grund: Die Armenien-Resolution des Bundestages Anfang Juni.

Die Reaktionen aus dem Bundestag sind zwar nicht offiziell, aber um so heftiger – und das sowohl aus Koalition als auch aus der Opposition. Der außen- und sicherheitspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Florian Hahn, äußerte sich sehr schnell via Twitter und dann noch mal ausführlicher:

Die Ausladung des Staatssekretärs kann nur als Reaktion auf die Armenien-Resolution gewertet werden. Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit einem NATO-Partner bar jeder politischen Vernunft. Deutschland hat sich in der Vergangenheit als verlässlicher Verbündeter erwiesen wie erst zuletzt mit dem Einsatz der ‚Patriot‘-Raketenabwehrsysteme in der Türkei zum Schutz gegen Raketenangriffe aus Syrien. Die Absage ist aber mehr noch als eine kalkulierte Provokation: Sie berührt deutsche sicherheitspolitische Interessen. Wir müssen daher über alternative Standorte der Aufklärungstornados wie dem Luftwaffenstützpunkt im jordanischen Amman nachdenken, um uns in unserer Handlungsfähigkeit nicht einschränken zu lassen.

Zwar nicht von Abzug der deutschen Tornados, wohl aber von einem Stopp geplanter Bauvorhaben der Bundeswehr auf dem türkischen Flugplatz spricht der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner (der auch im Haushaltsauschuss sitzt):

Interessant ist die parteiübergreifende Zielrichtung: Der politische Streit droht auf die militärischen Arbeitsbeziehungen der beiden NATO-Länder überzugreifen.

Dabei, so versichert die Türkei, gehe es doch nur um die Politiker-Besuche:

Die türkische Regierung halte es nicht für angemessen, dass Politiker den Stützpunkt im Süden des Landes besuchten, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag in Ankara. Militärischen und technischen Delegationen stünden solche Visiten dagegen frei.

berichtet Reuters. Davon war allerdings beim Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Incirlik im Januar nicht die Rede – im Gegenteil, sie traf sich dort sogar mit dem türkischen Verteidigungsminister.

Nun ist die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei gleich auf zwei Feldern für Deutschland aktuell von Bedeutung: In Incirlik starten Tornado-Kampfjets zu Aufklärungsflügen im Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen in Syrien und im Irak, außerdem ein Tankflugzeug zur Unterstützung der Jets anderer Verbündeter. Und in der Ägäis führt die Deutsche Marine den NATO-Verband, der die Überwachung der Schleuser in den Gewässern zwischen der Türkei und Griechenland sicherstellen soll. In beiden Fällen stellt sich die Frage, wie viel Druck die Türkei aufbauen – und Deutschland aushalten kann und will.

(Foto oben: Archivbild 8. Januar 2016: Techniker bereiten im Rahmen des Einsatzes Counter DAESH den ersten Einsatzflug zweier Recce Tornados auf der Air Base in Incirlik vor – Bundeswehr/Falk Bärwald; Foto unten: von der Leyen und der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz am 21. Januar 2016 in Incirlik)