Koalitionsstreit über Bundeswehreinsatz im Inneren vorerst beigelegt
Der Streit zwischen Union und SPD über einen Einsatz der Streitkräfte im Inneren, zu dem auch im neuen Weißbuch der Bundeswehr Aussagen getroffen werden sollen, ist vorerst beigelegt. Die SPD-geführten Ministerien für Auswärtiges und Justiz hätten sich mit dem CDU-geführten Verteidigungsministerium geeinigt, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am (heutigen) Dienstag (Link aus bekannten Gründen nicht). Für das Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr sei eine gemeinsame Formulierung gefunden worden, die zwar die Notwendigkeit von Übungen für die bereits jetzt zulässige Unterstützung der Truppe für Behörden im Inland betone, aber eine von der CDU angestrebte Weiterentwicklung und vor allem eine Grundgesetzänderung ausschließe.
Im April hatte eine Formulierung im Entwurf des Weißbuchs, über die ebenfalls die SZ berichtet hatte, zu heftiger Ablehnung beim Koalitionspartner SPD geführt. Kern des Streits war die geplante Aussage
Charakter und Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen machen hier Weiterentwicklungen erforderlich, um einen wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen.
Dieser Satz wurde nach Angaben der Zeitung gestrichen. Die Sozialdemokraten, vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hatten darauf sehr schnell mit der Erklärung reagiert, es werde mit ihnen keine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren geben.
Laut SZ enthält der Entwurf des Weißbuchs nach der Einigung der drei Ministerien jetzt den Hinweis auf die bestehenden Möglichkeiten des Einsatzes, zum Beispiel zur Unterstützung der Polizei bei terroristischen Großlagen. Dazu werde erläutert, dass diese Zusammenarbeit strukturiert und auch geübt werden müsse: Es ist wichtig, an den Schnittstellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein, zitiert das Blatt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte nach dem Streit mit dem Koalitionspartner bereits angedeutet, dass es ihr vor allem auf diese Möglichkeiten zur praktischen Vorbereitung auf solche Situationen ankomme.
Auch nach der Einigung über dieses Grundsatzthema ist das Weißbuch allerdings noch nicht innerhalb der Bundesregierung endgültig abgestimmt: Bislang wurde offensichtlich nur dieser Streitpunkt ausgeräumt.
Nachtrag 25. Mai: Die Zeit (Link ebenfalls aus bekannten Gründen nicht) hat eine weitgehend inhaltsgleiche Geschichte online; nehmen wir das mal als Bestätigung.
(Foto: Geländetransportfahrzeug BV 206 S Hägglund des Gebirgsjägerbataillons 233 bei einem Aktionstag der Bundeswehr in Würzburg am 18. Mai 2016 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
@Simon K. | 26. Mai 2016 – 15:34
Das Grundgesetz ist in seiner Geschichte über 60 mal geändert worden. Manchmal zu seinem Vorteil, manchmal nicht. Ist auch oftmals eine Frage des jeweiligen Standpunktes. Auch eine Verfassung lebt und muss sich veränderten Lebenssachverhalten anpassen.
Aber ich nehme zur Kenntnis, dass wir uns argumentativ im Kreis drehen.
Ich frage mich immer, muß man wirklich alles gesetzlich oder sogar grundgesetzlich regeln?
Wir haben unser Grundgesetz in der kurzen Zeit seiner Gültigkeit mehr geändert wie andere Länder in 200 Jahren. Wenn wir so weiter machen, haben wir in 50 Jahren auch die Parkplatzgebühren im GG geregelt. Sollte der Einsatz nach einem Terroranschlag notwendig sein, sollte ein Verteidigungsminister genug Eier in der Hose haben einen Einsatz zu befehlen.
Noch eine andere Perspektive in Europa:
Terrorangst in Tschechien: Zweifel am Sinn der Armee-Patrouillen
@T.Wiegold | 28. Mai 2016 – 10:07
Tschechien scheint mir ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie man pragmatisch mit dem Einsatz von Streitkräften im Inland bei besonderen Bedrohungslagen umgeht. Dort ist nicht die Frage, OB ein Einsatz GRUNDSÄTZLICH möglich ist, sondern, wann die Sicherheitslage einen Einsatz im konkreten Fall ERFORDERLICH macht.
Natürlich gibt es auch in Tschechien eine innenpolitische Diskussion, aber auf einer anderen, weniger dogmatischen Ebene als in der Bundesrepublik. Würde ich mir hier auch wünschen.
Vielleicht als Ergänzung:
http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/soldaten-verlassen-strassen-tschechischer-grossstaedte
Wenig Überraschendes in Sachen BFE+:
http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/xml/object/43725452
Neben den erwähnten und teilweise aus meiner Sicht überspitzten Berwertungen (künftig sollen alle BPOL-Abteilungen eine BFE+ erhalten, um besser disloziert zu sein) ist aus meiner Sicht der Wechsel von der Befehls- zur Auftragstaktik bei der BFE+ nicht zu unterschätzen (letzte Ausgabe „Die Deutsche Polizei“). Nochmals erschwert durch den Wechsel in der normalen BFE-Rolle und als BFE+.
Und nein, das ist kein Plädoyer für ein stärkeren Einsatz der Bw im Innern, sondern für eine zweckmäßige Ausrichtung der Polizeien von Bund und Ländern.