40 Jahre Haft für bosnischen Serbenführer Karadžić
Mehr als 20 Jahre nach dem formellen Ende des Krieges in Bosnien-Herzegowina dauert der internationale Militäreinsatz dort immer noch an (erst am heutigen Donnerstag gab es einen neuen Kommandeur der EU-Mission), und auch die juristische Aufarbeitung ist noch nicht beendet. Allerdings ist sie ebenfalls heute einen großen Schritt weiter gekommen: Der einstige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, wurde vom Internationalen Jugoslawien-Tribunal (ICTY) in Den Haag zur 40 Jahren Haft verurteilt:
Trial Chamber III of the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (ICTY) today convicted Radovan Karadžić, former President of Republika Srpska (RS) and Supreme Commander of its armed forces, of genocide, crimes against humanity and violations of the laws or customs of war committed by Serb forces during the armed conflict in Bosnia and Herzegovina (BiH), from 1992 until 1995. He was sentenced to 40 years’ imprisonment.
Karadžić was convicted of genocide in the area of Srebrenica in 1995, of persecution, extermination, murder, deportation, inhumane acts (forcible transfer), terror, unlawful attacks on civilians and hostage-taking. He was acquitted of the charge of genocide in other municipalities in BiH in 1992.
(Quelle: ICTY)
Das bekannteste Kriegsverbrechen, für das Karadžić verurteilt wurde, war natürlich das Massaker von Srebrenica, bei dem niederländische Blauhelm-Truppen der Aussonderung der Bosniaken tatenlos zuschauen mussten.
Auch wenn es für viele im Westen Geschichte ist, weil zu weit zurückliegend (auf dem Balkan, und natürlich auch in den Niederlanden, ist das deutlich anders): Welche Lehren hat die internationale Gemeinschaft aus dem Bosnien-Einsatz und dem offensichtlichen Versagen der UN-Truppen damals gezogen? Und vor allem: die richtigen? Unter anderem wird bei Wikipedia darauf verwiesen, dass das niederländische Dutchbat aufgrund seiner leichten Bewaffnung den bosnischen Serben nichts entgegenzusetzen hatte – eine Folge war, dass bei der Militäraktion im Kosovo eine deutlich robustere Streitmacht unterwegs war. Allerdings haben spätere, so genannte friedenserzwingende Missionen auch mit dieser militärischen Stärke das angestrebte Ziel nicht erreichen können…
Und als Nachtrag aus einem Kommentar des SZ-Kollegen Florian Hassel:
Doch wahr ist auch, dass Karadžić, selbst wenn er den Rest seiner Tage hinter Gitter verbringen muss, sein Hauptziel erreicht hat. Die fast nur noch von Serben bewohnte Republika Srpska (RS), die er durch Mord, Vertreibung und Völkermord aus Bosnien herausbrach, ist Realität. Das Überleben Bosniens, zu dem die RS formell gehört, ist mittel-und langfristig zweifelhaft. Der Konflikt ist nur eingefroren.
(Foto: Karadžić vor Beginn der Urteilsverkündung am 24. März 2016 – Foto ICTY unter CC-BY-Lizenz)
DAYTON-Peace Agreement, IFOR – SFOR – EUFOR: eine der wenigen erfolgreichen NATO und EU-Operationen mit naschhasltigem Erfolg.
Radovan Karadžić und Ratko Mladić, politischer Drahtzieher und militärischer Führer der Operation, der auch Srebrenica zum Opfer fiel.
Mit Blick auf Syrien, da können sich aber n paar warm anziehen … Vor allem nicht zu vergessen: Da ist die NATO rein und hat einfach mal Moslems gerettet. Vergessen die Dschihadisten nur zu gerne.
… Und so begann der alte, graue AoR sienen Urenkeln zu erzählen warum Dschihadisten gemeine Mörder und Diebe sind und gar keine Gotteskrieger, die NATO keine Kreuzzügler und das alles eigentlich gar nichts mit Islam zu tun hatte. Damals, als wir noch gar nicht wussten, wie gemein Menschen werden können, wenn ihre Eltern sie nicht lieb haben. Weil Heute kommt es auf Charakter an und nicht mehr auf Rasse, Konfession und all die anderen Oberflächlichkeiten. /SCNR
@KPK: Nachhaltiger Erfolg? Sobald keiner mehr guckt gehen die sich wieder alle gegenseitig an die Gurgel. Die Messer wetzen sie schon insgeheim. Alle dort, Kroaten, Serben, Bosniaken haben alle ein Elefantengedächtnis und vergeben einander nichts.
Wann kommen eigentlich die anderen Mörder und Rädelsführer auf die Anklagebank?
@Sommerbiwak
Nachhaltiger Erfolg!
In der Tat, so beweist es sich. Durchaus ist mir dabei sehr deutlich, dass ohne Präsenz von NATO/EU, Hilfen von UNHCR, WB und IMF längst wieder die Messer gewetzt worden wären, zumindest in BiH. Aber dass dies nicht eintraf, ist ein Erfolg, wenn auch mit eindeutiger NATO-Interventionswilligkeit im Falle der Zuwiderhandlung gegen Dayton.
Abgesehen vom fragilen BiH bedeutet der Weg von Kroatien und Slowenien als frühere Jugo-Teilrepubliken, samt deren Hinwendung zum Westen, den Nachweis erfolgreicher Intervention.
Ein weiterer Ex-Teilstaat, FYROM, Former Yugoslavian Republic of Macedonia, eine Titulierung die Griechenland (leider) international in Dayton durchsetzte, rettet Europa aktuell das „Gesäß“. Schon eine pikante Entwicklung.
„…anderen Mörder und Rädelsführer…“, gute Nachfrage. Allerdings, da der Balkan derzeit allein mit Flüchtlingen in Verbindung gebracht medial auftaucht und zuvor auch im Schatten anderer Konflikte stand, blieb unbeobachtet, dass zahllose mittlere Chargen abgeurteilt wurden. Wenn Sie sich versuchen zu erinnern, bis zur Verhaftung von Radovan Karadžić und Ratko Mladić wurde gerade SFOR und UNO vorgeworfen, „die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“.
Doch auch Anderen widmete sich der ICTY, wie der Fall Franjo Tuđman, erster kroatischer Staatspräsident beweist. Nur sein früher Tod rettete ihn vor dem Tribunal in Den Haag, so sagte Carla Del Ponte, Chefanklägerin des ICTY, dass „Tuđman angeklagt worden wäre, wenn sein Tod dem nicht zuvor gekommen wäre“.
Es gibt sicherlich noch reichhaltig Führungspersonal aller Ebenen, die unerkannt in ihrer jeweiligen Volksgruppe versteckt, unbehelligt leben. Meines Erachtens in erster Linie in der Republica SRPSKA, serbischer Teilstaat der Föderation BiH.
Dennoch glaube ich, mit den 40 Jahren gegen Karadžić, ist das Kapitel juristische Aufarbeitung der Jugoslawienkriege, durchaus zu früh, aber eben beendet. Medienwirksame Anklagen großen Stils werden nicht mehr zu erwarten sein.
@AoR
„Heute kommt es auf Charakter an und nicht mehr auf Rasse, Konfession und all die anderen Oberflächlichkeiten.“
Das ist ja ein nobler Gedanke, nur sahen und sehen es viele Menschen ganz anders.Auch um dieser Realität Rechnung zu tragen wurde im Rahmen von Dayton die Trennung der ethnischen Gruppen nicht rückgängig gemacht sondern mit verbindlichen Grenzen festgeschrieben.
Auch das kann man aus dem bosnischen Bürgerkrieg lernen: Grenzen zwischen Völkern, die auf geklärten Ansprüchen beruhen, können Frieden stiften. Die Abwesenheit solcher Grenzen hingegen stiftet Unfrieden. Hoffentlich wird man das in Deutschland nicht erst wieder schmerzhaft lernen müssen.
@Grenzgänger
Ich wüsste nicht, welche Grenzen Deutschlands nicht auf geklärten Ansprüchen beruhen. Die Bundesrepublik hat keine einzige umstrittene Grenze. Was wollen Sie damit sagen?
@T.Wiegold | 24. März 2016 – 23:49
Wenn man die Grenze Franken vs. Bayern ausnimmt ;)
Er will damit sagen das es gut ist wie es ist. Nicht dass die AFD morgen meint … naja kann sich ja jeder hier denken.
@Koffer: Ist eher persöhnlich, aber das mit den Badenern stimmt so auch nicht. Als Schwabe möchte ich das mal betonen! /SCNR
@AoR | 25. März 2016 – 1:56
;)
Und die Nassauer zu Hessen und die Oldenburger und Braunschweiger zu Hannover.
Und das an sich Saarland gibt es ja gar nicht…
Keine 10 Kommentare und schon weg vom Thema – beängstigend.
Ich mach mal mit, heute haben wir in Fastdänemark dichten Nebel – dagegen muss irgendwer endlich mal was tun – geht so gar nicht mehr weiter.
Pflicht DVD heute – irgendwas mit BRIAN, oder hieß der BRAIN?
@T. Wiegold
Was ich sagen wollte: Man kann aus dem Jugoslawien-Konflikt m.E. auch lernen, dass multiethnische Staaten meist als sicherheitspolitischer Alptraum enden, weil das idealistische Menschenbild, das etwa AoR („Heute kommt es auf Charakter an und nicht mehr auf Rasse, Konfession und all die anderen Oberflächlichkeiten“) oder viele Dayton-Kritiker vertreten, offenbar nur begrenzt der Wirklichkeit entspricht. Dort, wo solche Staaten halbwegs funktionieren (etwa in Bosnien nach Dayton oder in der Schweiz) beruhen sie auf Trennung der Gruppen, Autonomie und eben Grenzen, die gegenwärtig in der deutschen Politik aber eher negativ als „Abschottung“ betrachtet werden, während man die konfliktfördernden multiethnischen Bedingungen als positiven Ausdruck von „Vielfalt“ betrachtet. Es sind ja gerade die Regierungen, die diese Lehre bereits gelernt haben, was auf deutscher Seite leiter oft nicht nachvollzogen wird. Ein Blick auf die Geschichte Jugoslawiens könnte diesbezüglich in der gegenwärtigen Politik Deutschlands vielleicht zu etwas mehr Realismus führen.
@Les Grossmann: „Das Leben des Brian“ … gute Idee, auch n schöner Tag zum Putzen. Und beim Thema Völkermord kann man nur mit allem was man hat in die Berge rennen. Hier ist es das Thema/ SCNR
Aber @KPK hat recht, die Hexenjagt in der Region gegen die Rädelsführer ethnische motivierter Gewalt aller Parteien hätte sehr viel intensiver geführt werden müssen.
Z.B sagt die Gerüchteküche, dass einige der Rädelsführer osmanischer Linie bei Erdogans MIT auf der Gehaltsliste sind, anstatt im Gefängnis.
@Grenzgänger
Sie bleiben weiter nebulös. Ist das jetzt ein Plädoyer für eingezäunte Ghettos in Deutschland? Oder wollen Sie beklagen, dass Deutschland ein ‚multiethnischer Staat‘ werde und die nöltige Abschottung fehle? Die ‚Trennung der Gruppen‘ in der Schweiz finde ich auch ein putziges Beispiel.
@T. Wiegold
Die Schweiz mag man für ein „putziges“ Beispiel halten, aber die dortigen Regelungen sind die Grundlage fast aller halbwegs stabilen Friedenspläne in multiethnischen Gesellschaften, vom Libanon bis Bosnien. Ich verwiese darauf nur, weil das Dayton-Abkommen ja auch heute trotz seines Erfolges häufig kritisiert wird, weil manchen Beobachtern der dahinterstehende Realismus nicht gefällt. Bei Florian Hassel klingt das ja durch, wenn er „die fast nur noch von Serben bewohnte Republika Srpska“ anprangert.
Und ja, in 30 Jahren werden voraussichtlich nicht nur Deutschland, sondern fast alle west- und mitteleuropäischen Staaten multiethnische Staaten sein. Aus der sicherheitspolitischen Perspektive heraus betrachtet wird das einige Herausforderungen aufwerfen, und um zum Thema zurückzukommen: Das Beispiel Bosniens erinnert daran, wie so etwas eben auch ausgehen kann. Da Sicherheitspolitiker notwendigerweise in Worst-Case-Szenarien denken, wollte ich AoRs optimistischem Szenar eine entsprechende Alternative entgegenhalten.
@Grenzgänger: Eben das wollte ich mit der kleinen fiktiven Anekdote hervorheben. Bin oft genug ethnisch ins Visier gekommen, obwohl liberal und nicht identitär eingestellt.
Mein Wunsch: Kein multiethnischer Staat weil Ethnie unbedeutend. Hab mich da auch wissenschaftlich zu beschäftigt. Z.B können sogar Minderheitenrechte zu Stigmatisierung führen, sind also auch nur eine Zwischenlösung hin zum „paradiesischen Sanktnimmerlein“.
Der Psychiater auf der Anklagebank weiß das. Das Ausmaß seiner Schuld und Schuldfähigkeit ist riesig.
@Grenzgänger: Was soll solch alberner Unsinn wie „in 30 Jahren werden voraussichtlich nicht nur Deutschland, sondern fast alle west- und mitteleuropäischen Staaten multiethnische Staaten sein“? Es hat nie etwas anderes als ein mulitethnisches Deutschland gegeben. In Ostdeutschland ist die schon von Fontane so gerne aufgespießte „Misch-Race“ zu Hause, diese Promenadenmischung aus slawischer und germanischer Einwanderung mit kräftigen Beimischung aus dem mehr oder weniger stark latinisierten Westeuropa (woher hat der Fläming seinen Namen?).
Vom Vielvölkerstaat Preussen wollen wir gar nicht erst reden und die Einsicht in die in Westdeutschland von den Römern her geerbten Anteile an aus Palestina und Ägypten stammender Bevölkerung würde Sie wohl um den Schlaf bringen, weil Sie dann nicht um die Einsicht herum kämen:
Deutsch sein heißt Promenadenmischung sein.