Deutsche Rüstungsexporte 2015: Schatz, es ist nicht wie du denkst (mit Nachtrag)

Das war am (heutigen) Freitag keine leichte Aufgabe für den Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel: Er musste irgendwann in seiner Halbzeitbilanz zur Rüstungsexportpolitik in dieser Legislaturperiode bekanntgeben, dass für das vergangene Jahr Rüstungsexporte im Wert von 7,5 Milliarden Euro genehmigt wurden – ein Rekordwert. Gabriel nannte diese Gesamtsumme in seiner Pressekonferenz denn auch erst nach mehr als einer halben Stunde, und führte zuvor schon an, welche Sonderfaktoren und besonderen Umstände außerhalb seiner Veranwortung zu dieser Rekordsumme geführt haben. Ein bisschen wie der Ehemann, der von seiner Frau in einer zweifelhaften Situation mit einer Kollegin ertappt wird und nur sagen kann: Schatz, es ist nicht wie du denkst.

Der endgültige Rüstungsexportbericht des Wirtschaftsministeriums für das vergangene Jahr liegt noch nicht vor, aber Gabriel nannte wesentliche Einzellieferungen, die die Summe von 7,5 Milliarden Euro erklären sollen:

• An Großbritannien wurden vier Tankflugzeuge im Wert von 1,1 Milliarden Euro genehmigt, für Südkorea gibt es eine Genehmigung für die Lieferung von Lenkflugkörpern im Wert von rund 500 Millionen Euro. Das ist noch vergleichsweise unproblematisch.

• In der Gesamtsumme ist die Lieferung von Panzern und Panzerhaubitzen an Katar enthalten – ein Geschäft im Wert von 1,3 1,6 ( sorry, Typo) Milliarden Euro, das Gabriel nach eigenen Angaben gerne verhindert hätte. Allerdings war die Bundesregierung, so die Aussage des Ministers, an eine vorangegangene Genehmigung der schwarz-gelben Vorgängerregierung gebunden. Um die rückgängig zu machen, wäre ein erneuter Beschluss des Bundessicherheitsrates nötig gewesen – und den hat der Wirtschaftsminister nicht bekommen. Welche Ministerien sich gegen die Aufhebung der Genehmigung aussprachen, sagte Gabriel nicht.

Weitere Kernpunkte von Gabriels Aussagen:

• Die bereits erteilte Genehmigung von Patrouillenbooten für Saudi-Arabien, die von der Lürssen-Werft gebaut werden, soll noch einmal auf den Prüfstand. Das Thema stehe auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundessicherheitsrats, sagte der Minister. Einzelheiten nannte er nicht – so recht klar ist nicht, was da gegebenenfalls noch wie gestoppt werden soll.

• Erneut kündigte Gabriel die Einsetzung einer Kommission an, die klären soll, ob an Stelle der bisher gültigen Richtlinien für Rüstungsexporte ein Gesetz geschaffen werden soll (was auch in der Bundesregierung umstritten ist). Mehr zu dieser Kommission soll es bei Vorlage des Rüstungsexportberichts 2015 vor der Sommerpause geben; zu deren Arbeit kündigte der Minister nur an, dass sie natürlich ihre Arbeit in dieser Legislaturperiode abschließen solle.

• Der von ihm angekündigte rüstungspolitische Kurswechsel, also eine deutlich restriktivere Genehmigungspraxis, sei bei den Kleinwaffen bereits umgesetzt, hob Gabriel hervor. So sei das Volumen der Ausfuhrgenehmigungen für so genannte Drittländer (außerhalb von EU, NATO und gleichgestellten Ländern wie Japan und Australien) von 42 Millionen Euro  im Jahr 2013 auf 16 Millionen im vergangenen Jahr gesunken, eine Reduzierung von 60 Prozent und der geringste Kleinwaffenexportanteil in den letzten 15 Jahren.

Die gesamte Pressekonferenz von Gabriel, einschließlich der Fragen und Anworten, zum Nachhören:

 

Gabriel_Ruestungsexport_BPK_19feb2016     

 

 

Nachtrag: Inzwischen sind die meisten Zahlen, die Gabriel in seiner Pressekonferenz genannt hat, auch als schriftliche Antwort beim Linkspartei-Abgeordneten Jan van Aken eingegangen. Dass dessen Fragen bis heute beantwortet werden mussten, dürfte mit ein wesentlicher Grund für den Auftritt des Ministers an einem Freitagnachmittag gewesen sein…

In der schriftlichen Antwort ist auch noch eine Angabe enthalten, die Gabriel den Journalisten vorerst schuldig bleiben musste: Der Umfang der so genannten Sammelausfuhrgenehmigungen, die noch auf die oben genannten Einzelausfuhren aufaddiert werden müssen:

Sammelausfuhrgenehmigungen wurden nach vorläufiger Auswertung in Höhe von 4,96 Mrd. Euro erteilt. Die Sammelausfuhrgenehmigungen betreffen im Wesentlichen Ausfuhren im Rahmen wehrtechnischer Kooperationen zwischen EU- und NATO- Partnern.
Da sich der Genehmigungswert einer Sammelausfuhrgenehmigung auf mehrere Empfänger in unterschiedlichen Ländern bezieht, ist es nicht möglich, die Genehmigungswerte auf die einzelnen Länder aufzuteilen.

Das führt zu einer Gesamtsumme von mehr als zwölf Milliarden Euro – allerdings: Da diese Sammelausfuhrgenehmigungen vor allem in Partnerländer in EU und NATO gingen, ist ihre politische Bedeutung deutlich geringer als die Exporte in Drittstaaten. Und aus Sicht der Befürworter sogar ein Argument für die gute Zusammenarbeit in der Europäischen Union und im Bündnis.