Deutsche Eurofighter beenden Luftraumüberwachung an der russischen Grenze

BAP_Lw_eurofighter_Backfire

Die deutsche Luftwaffe hat am (heutigen) Donnerstag ihren Einsatz zur Luftraumüberwachung an der Nordostflanke der NATO beendet. Die routinemäßige Aufgabe des Baltic Air Policing, für die fünf deutsche Eurofighter seit Ende August  auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland stationiert waren, wurde an die belgische Luftwaffe übergeben. Zugleich wechselte die Zuständigkeit für eine weitere Alarmrotte der NATO-Luftraumüberwachung über den baltischen Staaten in Litauen von Ungarn zu Spanien.

Nun ist – oder besser war – diese Unterstützung der Bündnispartner im Nordosten Europas seit mehr als einem Jahrzehnt Routine – immer im Wechsel stellten andere Nationen Flugzeuge zur Luftraumüberwachung über Estland, Lettland und Litauen ab; und auch die Deutschen waren schon mehrfach dabei. Seit 2014 jedoch, seit der Ukraine-Krise und dem gewandelten Verhältnis der NATO zu Russland, hat dieses Baltic Air Policing politisch einen anderen Stellenwert.

Das wird auch an vermeintlichen Kleinigkeiten deutlich. So sind die deutschen Eurofighter in ihrer Mission 2015 mit mehr Bewaffnung aufgestiegen als noch im Jahr zuvor: Neben Luft-Luft-Lenkflugkörpern kurzer Reichweite führten die Jets auch Lenkflugkörper mittlerer Reichweite mit, die so genannte war time load. (Korrektur nach einem richtigen Hinweis in den Kommentaren – kurz und Mittelstreckenraketen sind ganz was anderes.)

Die politische Sensibilität betrifft auch die simple Statistik der deutschen Einsatzflüge. 328 mal stiegen die deutschen Eurofighter in den vier Monaten zu so genannten Schutzflügen zur Überwachung des Luftraums auf. Nur etwa zehn Prozent, sagt die Luftwaffe, waren Alarmstarts, so genannte Alpha Scrambles, bei denen die Maschinen des Quick Reaction Alert (QRA) spätestens innerhalb von 15 Minuten in der Luft sein müssen: Gut 30 russische Flugzeuge wurden im internationalen Luftraum begleitet, außerhalb der NATO-Mitgliedsländer.

Dieser Teil der Statistik ist einfach. Heikel ist dagegen die nur scheinbar einfache Frage: Haben denn deutsche Jetbesatzungen Luftraumverletzungen des russischen Militärs festgestellt?

Die Luftwaffe sagt dazu lieber mal nix und verweist auf die NATO, da es doch ein Einsatz der NATO ist. Bei der NATO tut man sich trotz erkennbar guten Willens schwer, diese Frage zu beantworten. Und sagt erst mal nichts, was nicht von höherer Stelle abgesegnet wurde.

Der Grund dafür dürfte sein, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, was eine Luftraumverletzung ist. Die baltischen Staaten haben da (jedenfalls auf politischer Ebene) eine klare Sicht der Dinge: Jedes russische Flugzeug, das unserer Grenze zu nahe kommt oder sie gar überschreitet, tut das unter Verletzung geltender rechtlicher Bestimmungen. So zum Beispiel  im Dezember vergangenen Jahres:

Estonian Ministry of Defence announced that yet another airspace violation was committed by a Russian military aircraft. The event took place on 17th December 2015, at midday. (…) Spokesman for the Estonian Ministry of Defence informed that at 12:10 on 17th December 2015, a Russian military Antonov An-72 aircraft has violated the Estonian airspace without receiving proper authorization prior to that. The incident took place close to the island of Vaindloo, and it had a duration shorter than a minute. (…)  Spokesman for the Ministry also stated that despite the attempts made, in order to make contact, the Russian aircraft did not respond to the radio calls. (…)  The yesterday’s incident is the third event of this type this year. The previous ones took place in the second half of June and at the beginning of July, also in the vicinity of the Vaindloo island.

Nun liegt die Insel Vaindloo, estnisches Staatsgebiet, weit draußen vor der Küste – und ziemlich nah an einer regulären Luftstraße von St. Petersburg, Russland, Richtung Westen:

Vaindloo_OSM

Da ist es dann, so scheint es, sehr eine Frage der Sichtweise, ob das Befliegen dieser Luftstraße und leichte Abweichungen davon als Luftraumverletzung anzusehen sind. Und ob man sagen kann: Russisches Militär begeht Luftraumverletzungen im Baltikum. Russian Incursions into NATO Airspace scheint es faktisch dort oben im Nordosten nicht wirklich gegeben zu haben. (Aber vielleicht gibt’s ja noch eine offizielle Aussage dazu.)

Zur Erläuterung, was beim Air Policing generell so passiert, gibt’s auch ein Video:


(Direktlink: https://youtu.be/MFHNj5vvMPk)

(Foto: Russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolw Tu-22M, NATO-Codename Backfire, begleitet von deutschen Eurofightern im internationalen Luftraum – Luftwaffe/PAO Baltic Air Policing)